Predigt zum Patronatsfest der Kirche der hl. Maria Magdalena zu Weimar (04.08.2020)

Liebe Brüder und Schwestern,

jeder orthodoxe Christ hat einen Namensheiligen, dem er durch sein ganzes Leben nacheifern soll. Doch darüber hinaus haben viele von uns einen Heiligen oder eine Heilige, dem/der seine Kirchengemeinde gewidmet ist. Also ist die heilige apostelgleiche Maria aus Magdala ein nachahmungswürdiges Vorbild für unsere  gesamte Gemeinde. Doch wie können wir ihr nacheifern? - Alle Heiligen sind, so wie alle Menschen überhaupt, voneinander sehr verschieden, sie verfügen über ihre individuellen Vorzüge und herausragenden Verdienste um den Glauben und die Kirche Christi. Aber all diese ruhmvollen Taten und alle asketischen Errungenschaften sind unterm Strich nichts wert, wenn sie einer grundlegenden „Zutat“ entbehren: der Treue. Die heilige Maria Magdalena steht für diese bedingungslose Treue, die sich im Leid zeigt. Sie erwies sich auch dann als treu gegenüber ihrem Herrn, als Ihn Seine engsten Begleiter verlassen hatten. Zuvor waren Ihm Tag für Tag Tausende gefolgt – die einen, um Hilfe im Leid zu erfahren, andere hingegen, um Seine Wundertaten zu bestaunen – doch in der Stunde der Anfechtung erwiesen sich nur die Myrrhe tragenden Frauen um Maria Magdalena als treu bis zum Ende. Maria war es wohl, die die anderen inspirierte und mit sich riss.

Auch wir Orthodoxe sind bemüht, mit Gottes Beistand unsere Kinder in der Treue zur Kirche, zur Heimat und zur Familie zu erziehen. Die Treue ist das Kriterium, auf das es vor Gott letztlich ankommen wird. Ein begnadeter Theologe und charismatischer Prediger ohne Treue zur Kirche ist ein zweiter Judas, den der Herr ebenso als „Sohn des Verderbens“ (s. Joh. 17:12) ansehen wird; ein genialer Staatsmann ohne Treue zum Heimatland wird als Hochverräter zum Staatsfeind; der beste Mann und die beste Frau sind bei allen sonstigen positiven Eigenschaften ohne die Treue zum Ehepartner und zur Familie vor Gott nur armselige Vertreter „dieser treulosen und sündigen Generation“ (s. Mk. 8:38). 

Demnach erwartet Gott von uns allen keine Großtaten, dafür aber jene unverbrüchliche Treue, die im Kleinen anfängt. Wenn wir sie bis ans Ende bewahren, dürfen auch wir darauf hoffen, von unserem Herrn die seligen Worte zu vernehmen: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, Ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt. 25:21,23). Und dafür nehmen wir doch gerne alle Prüfungen in Kauf. Amen.

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch