Predigt zum 4. Herrentag nach Ostern / vom Gelähmten (Apg. 9:32-42; Joh. 5:1-15) (23.05.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir uns die Mühe machen wollen, eine zeitliche Einordnung der Ereignisse der drei Sonntags-Lesungen nach dem Thomas-Sonntag und dem Gedenktag der Myronträgerinnen zu machen, werden wir feststellen, dass alle drei – die Aufrichtung des Gelähmten am Schafstor, das Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen sowie die Öffnung der Augen des Blindgeborenen am Teich Schiloach – mit drei verschiedenen Besuchen des Herrn in Jerusalem zusammenhängen. Alle drei Berichte befinden sich im Johannesevangelium, in allen drei Episoden steht das Wasser symbolisch für die Wirksamkeit der Gnade des Heiligen Geistes (vgl. Joh. 7:37-39). Uns wird somit anhand der Lesungen der festlichen Zeit zwischen Ostern und Pfingsten das Geheimnis der Gnade des Heiligen Geistes und des damit zusammenhängenden Glaubens in Gestalt dieser völlig unterschiedlichen Personen und in miteinander nicht vergleichbaren Begleitumständen schrittweise nähergebracht. Der erste Besuch Jerusalems kurz nach der Taufe des Herrn fand zum Pessachfest statt, als der Herr die Händler aus dem Tempel vertrieb und mithilfe der Metapher Zerstörung/Wiederaufbau des Tempels/Leibes nach 3 Tagen nur in sehr rätselhafter Form auf Seine göttliche Herkunft hinwies, obgleich Er auch hier schon andeutet, dass Gott Sein Vater ist (= Mahnung, dass das Haus Seines Vaters keine Räuberhöhle sei - s. Joh. 2:16). Schon hier glaubten viele an Ihn anhand der Zeichen, die Er dort tat. Auf dem Rückweg nach Galiläa offenbarte Er Sich dann der Samariterin als Messias (s. Joh. 4:25-26), infolgedessen auch die übrigen Einwohner von Sychar zum Glauben an Ihn kamen. Jetzt, beim zweiten Besuch Jerusalems (der hl. Johannes Chrysostomos vermutet, dass es zu Pfingsten war), wird der Herr schon deutlicher, nachdem Er den Gelähmten am Sabbat geheilt hatte und dafür von den Juden verfolgt wurde: „Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch Ich bin am Werk“ (Joh. 5:17). Damit deutete Er an: „Mein Vater, Der am siebten Tag von Seinen Schöpfungswerken ruhte, ist noch immer am Werk; also bin Ich, Sein Sohn, ebenso am Werk und befolge die Anweisung Dessen, Der Mich gesandt hat“ (Pfingsten / Shawuot war das Wochenfest des Alten Bundes – 7x7 Wochen – „Sabbat aller Sabbate“). Die Reaktion ist eindeutig: „Darum waren die Juden noch mehr darauf aus, Ihn zu töten, weil Er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott Seinen Vater nannte und Sich damit Gott gleichstellte“ (Joh. 5:18). Beim dritten Mal, als Er zum Laubhüttenfest / Sukot in Jerusalem war, kam es zur Heilung des Blindgeborenen am Teich Schiloach, von der in einer Woche die Rede sein wird. Hier sagt der Herr unumwunden: „Mein Vater ist es, Der Mich ehrt, Er, von Dem ihr sagt: Er ist unser Gott. Doch ihr habt Ihn nicht erkannt. Ich aber kenne Ihn, und wenn Ich sagen würde: Ich kenne Ihn nicht, so wäre Ich ein Lügner wie ihr. Ich kenne Ihn aber und halte an Seinem Wort fest“ (Joh. 8:54-55). Hier nahmen sie schon Steine in die Hand, um auf Ihn zu werfen, doch Er verbarg Sich vor ihnen. Die Lage spitzte sich also von Jahr zu Jahr zu. Wir sehen also, dass Sich der Herr symbolisch von einem der drei großen Feste des Alten Bundes (s. Dtn. 16:16-17) zum anderen Schritt für Schritt weiter der Welt offenbart. Und je deutlicher die Offenbarung, desto größer der Hass und die Ablehnung: Er Selbst, der Schöpfer des Alls, ist „ein Fremdling“ und „und ein Pilger“ (Ps. 38:13) in dieser Welt!: Bei Seiner Geburt fand sich keine Unterkunft für Ihn bei den Menschen, so dass Er in einem Viehstall geboren werden musste; nach Seiner Geburt trachteten ihm die Mächtigen der Welt nach dem Leben; während Seines missionarischen Wirkens wurde Er von den „Gottesdienern“ angefeindet und verleumdet; am Ende wurde Er von einem Apostel verraten, von den übrigen Jüngern verlassen, vom Volk verleugnet, von der geistlichen Macht verleumdet, von der weltlichen Macht verurteilt und ans Kreuz geschlagen. – Gott fand und findet kein Zuhause in dieser Welt, die doch Seine und auch unsere Welt ist (s. Mt. 8:20; Lk. 9:58; vgl. Joh. 1:11)! Die drei Selbstoffenbarungen des Herrn gegenüber drei Personen zeigen uns in der neuen Festzeit, die ebenfalls drei große kirchliche Feste vereint – Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten – dass der Herr weiter „am Werk ist“, bemüht, Sich der Welt als drei-einiger Gott zu offenbaren, denn am Ende unseres jetzigen Abschnittes im Kirchenjahr steht ja das Fest der Göttlichen Dreiheit. Der Gelähmte am Teich Betesda erweist sich der völlig unversehens zuteilgewordenen Gnade als unwürdig (s. Joh. 5:15); doch dafür erkennt die zuvor in Sünde lebende Samariterin den Herrn und krönt ihr Leben als Märtyrerin Photini, während der Blindgeborene gegenüber den Feinden Christi den Bekennermut zeigt, den der Herr in jedem von uns sehen will. Gott hört also nicht auf, uns und diese Welt zu lieben (s. Joh. 3:16). Wir Menschen sind verantwortlich für so viel Angst und Schrecken in dieser Welt, aber das Licht leuchtet weiter in der Finsternis, so dass es die Finsternis nicht erfasst (s. Joh. 1:5). Das ist die Kernbotschaft dieser nach-österlichen Periode, die eine Zeit der Zuversicht und der Hoffnung ist. Möge das Licht der Osternacht weiter in unseren Herzen leuchten, so dass es die Finsternis niemals erfassen kann! Welch ein Trost für uns, dass wir in unseren Gebeten die Erfahrung machen können, unsere Schwäche vor dem Herrn zu bekennen und Seine Gnade zu empfangen, wie die hl. Maria von Ägypten, die nach 47 Jahren allein in der Wüste und bereits in die Jahre gekommen dem hl. Zosimas bekannte, dass die körperlichen Leidenschaften anfangs wie Bestien gegen sie aufbegehrten. Und sie wurde eine große Heilige! So wollen auch wir mit vielen Heiligen sagen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor. 12:10). Gott sei Dank! Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch