Predigt zum Festtag des Heiligen Geistes (Pfingstmontag) (Eph: 5: 8-19; Mt. 18: 10-20) (20.06.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

das alljährliche Gedächtnis der Kirchengründung ist der dritte Höhepunkt im Kirchenkalender. Auch im Alten Bund gab es drei Wallfahrtsfeste, an denen die Juden sich in Jerusalem versammelten: Ostern (Passach), Pfingsten (Schawuot) und das Laubhüttenfest (Sukkot). Folglich muss die Niedersendung des Heiligen Geistes eine ganz zentrale Bedeutung für uns Christen haben. Aber welche? - Wir bekennen, dass Gott-Vater der Schöpfer des Himmels und der Erde, alles Sichtbaren und Unsichtbaren ist, dass Gottes Sohn um unseres Heiles willen Mensch geworden ist, für uns unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, gelitten hat, begraben wurde, am dritten Tage gemäß der Schrift auferstanden und aufgefahren ist in den Himmel und zur Rechten des Vaters sitzt. Aber weiß der Normalgläubige heute noch, wozu der Tröster in die Welt gekommen ist?!

Wir wissen ja, dass der Geist Gottes bei der Erschaffung der Welt (s. Gen. 1: 2), des Menschen (s. Gen. 2: 7; 6: 3) und aller Lebewesen (s. Ps. 103: 30) wirkte, dass Er für die Menschwerdung Christi ursächlich war (s. Lk. 1: 35) sowie bei der Taufe im Jordan auf den Sohn Gottes herabkam (s. Mt. 3: 16;  Mk.: 1: 10; Lk. 3: 22); auch bekennen wir, dass Er durch die Propheten gesprochen hat. Welche heilsgeschichtliche Bedeutung hatte dann aber das Pfingstereignis am 50. Tag nach Christi Auferstehung? Wozu brauchen wir den Heiligen Geist?

Das Neue Testament gibt uns Aufschluss darüber: noch am Tag der Auffahrt in die Himmel dachten die Jünger in menschlichen, irdischen Kategorien (s. Apg. 1: 6). Kein Wunder, denn der Feind unserer Errettung setzt alle Hebel in Bewegung, um den Menschen durch irdische „Alternativkonzepte“ vom himmlischen Weg des Heils abzubringen. So entsteht fast unbemerkt ein „neues Evangelium“, das dem Menschen z.B. verkündet, dass er schon gerettet ist, wenn er nur glaubt (s. dazu Jak. 2: 14-26), dass es infolgedessen völlig egal ist, zu welcher Konfession man gehört (bzw. ob man überhaupt kirchlich gebunden ist), und neuerdings auch, dass Christen und Moslems ja an ein und denselben Gott glauben. Wir beobachten, wie sich dieses Pseudo-Evangelium auf der erodierenden Basis eines säkularisierten Christentums seinen Weg in die Köpfe der Menschen bahnt. Und hier tritt der Geist Gottes in Erscheinung: als dieselben Jünger nämlich nach wenigen Tagen „mit dem Heiligen Geist getauft“ (Apg. 1: 5) waren, vermochten die vormals ängstlichen, verwirrten und unkundigen galiläischen Fischer nach dem Worte Christi „Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg. 1: 8). Dieses Zusammenspiel menschlicher Individualität und göttlicher Gnade setzt sich bis heute in der Einen Kirche Christi fort: „Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (1. Kor. 3: 17). Nur auf der Grundlage seiner persönlichen Freiheit erlangt der Mensch schließlich die Ähnlichkeit zu seinem Schöpfer: „Wir alle spiegeln (...) die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in Sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn“ (3: 18). „Wir alle“ können und sollen folglich durch die „Kraft aus der Höhe“ (Lk. 24: 49) zu lebendigen Zeugen Christi werden!.. In Taufe und Myronsalbung wird dem Menschen schon die Gnade der Einswerdung mit dem Dreieinigen Gott verliehen; und selbst nach schwersten Sünden kann diese Gnade jederzeit durch die Mysterien der Beichte und Eucharistie erneuert werden. Daher gibt es in meinen Augen eigentlich nur zweierlei Art von Gründen, die einen Christen von dieser ihn wiederbelebenden Gnade abhalten können: a) äußere Umstände wie  physische Unpässlichkeit, widrige äußere Umstände bzw. höhere Gewalt, oder  b) innere Umstände wie Mangel an Glauben oder kein Bedarf an Selbstläuterung infolge von Sündenlosigkeit (Letzteres trifft aber, im Grunde genommen, nur auf Unmündige, Schwachsinnige und sonstige Unzurechnungsfähige zu).

Für einen wahren Nachfolger Christi gibt es demnach keinen Grund, sich der mystischen Gemeinschaft in der Kirche fernzuhalten, denn nur durch sie kann er – im Gegensatz zum weltlich Denkenden – weiter gestärkt werden. Die Schrift drückt es so aus: „Der irdisch gesinnte Mensch lässt sich nicht auf das ein, was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen, weil er nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann. Der geisterfüllte Mensch urteilt über alles, ihn aber vermag niemand zu beurteilen. Denn wer begreift den Geist des Herrn? Wer kann Ihn belehren? Wir aber haben den Geist Christi“ (1. Kor.  2: 14-16). Wir alle sind ja durch die Myronsalbung  zu „Gottes Tempel“ (1. Kor. 3: 16, vgl. 1. Joh. 2: 27). Nur geschieht das nicht von alleine. Unsere ständige Erneuerung im Geist Gottes vollzieht sich durch ein Leben nach den Geboten Christi. Die Verkündigung des Evangeliums beginnt bekanntlich mit den Worten: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe!“ Wie nahe, - muss z.B. der Räuber am Kreuze zur Rechten erkannt haben, oder die Ehebrecherin, die schon zum Tode verurteilt zu sein schien und dann dank der alles verzeihenden Milde des Herrn vollkommen entsühnt von dannen gehen konnte (s. Joh. 8: 11). Aber um dieselbe Freude, dieselbe Nähe, dieselbe Dankbarkeit spüren zu können, müssen wir enorm an uns arbeiten, um unsere eigenen Sünden zu erkennen (und nicht die der anderen). Das ist der oberste Grundsatz des geistlichen Lebens schlechthin, ohne den alles andere nichts ist. 

 

Was also können wir tun? - „Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor“ (Eph. 5: 8-9). Deshalb halten wir uns an Christus, Der in der gestrigen Pfingstlesung gesagt hat: „Ich bin das Licht der Welt. Wer Mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8: 12). Amen. 

Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch