Aus der Geschichte unserer Diözese Berlin
Nach dem ersten Weltkrieg und der bolschewistischen Machtergreifung in Rußland erlebte Deutschland einen unerhörten Zustrom russischer Emigranten. In den 20-er Jahren lebten zeitweise um 500.000 russischer Emigranten in Deutschland. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage wanderten allerdings die meisten weiter ins westliche Ausland aus. Dennoch war Berlin in jenen Jahren eines der großen Zentren der russischen Emigration. Hier gab es russische Schulen, Druckereien, Theater. Viele namhafte Persönlichkeiten lebten da-mals in Berlin. Die oberste Kirchenverwaltung hatte Metropolit Evlogij mit der Verwaltung der westeuropäischen Diözese der Russischen Auslandskirche betraut. Er traf im April 1921 in Berlin ein, um hier seine Bischofsresidenz einzurichten. Bis zum Dezember 1922 blieb Berlin offizieller Verwaltungssitz der westeuropäischen Diözese. Die dann enstandene neue Situation in Berlin bewegte Metropolit Evlogij zur endgültigen Übersiedlung nach Paris.
Zunächst hatte die im Jahre 1837 geweihte Botschaftskirche als Gemeindekirche gedient. Im April 1922 wurde diese von den sowjetischen Machthabern geschlossen, da das Botschaftsgebäude "Unter den Linden" nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Deutschland den Sowjets übergeben wurde. Da-raufhin überließ der Direktor des deutsch-rus-sischen Gymnasiums der Gemeinde einen Raum in der Nachodstraße, in dem eine Kapelle eingerichtet wurde. Diese allerdings war viel zu klein für die Gemeinde.
Metropolit Evlogij hatte bereits 1921 die Leitung der Wiener Gemeinde dem Archimandriten Tichon übertragen. Er hatte 1909 an der Kiewer Geistlichen Akademie promoviert und war dort seit 1910 als Dozent und seit 1912 als Professor tätig. Bis zu seiner Flucht stand er der Akademie als Inspektor vor. Archimandrit Tichon wurde 1924 zum Vikarbischof für Deutschland mit dem Titel Bischof von Potsdam geweiht. 1926 wurde das Vikarbistum auf Grund eines Beschlusses des Bischofskonzils der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland in eine selbständige Diözese umgewandelt, da zu dieser Zeit noch etwa 150.000 Emigranten in Deutschland lebten. Die Herauslösung der Deutschen Diözese aus der westeuropäischen bot für Metropolit Evlogij den wichtigsten Anlaß zum Bruch mit dem Bischofskonzil. Für Bischof Tichon galt es, möglichst bald in Berlin eine Kathedralkirche zu errichten. Zunächst wurde ein Wohnhaus gekauft, in dessen oberen Stockwerken eine Kirche errichtet wurde. Bischof Tichon hoffte, die Kosten für das Gebäude durch Mieteinnahmen aus den unteren Stockwerken abzahlen zu können. Nach dem Bankkrach von 1929 mußte die Gemeinde das Haus jedoch verkaufen. In der Folge stellte der Staat der russischen Gemeinde einen Bauplatz am Hohenzollerndamm für den Bau einer neuen Kathedrale zur Verfügung.
So wurde im August 1936 am Hoffmann-von-Fallersleben-Platz in Berlin-Wilmersdorf zwischen Hohenzollerndamm und Berliner Straße der Grundstein zum Bau einer neuen Kathedrale gelegt. Ihr ging die Feier der Göttlichen Liturgie in der alten Kirche am Fehrbelliner Platz voraus. Anschließend an die Liturgie zog der orthodoxe Bischof von Berlin und Deutschland, Tichon, mit der Geistlichkeit in einer Prozession von dem alten Gotteshaus zu dem Platz, an dem die neue Kathedrale entstehen sollte. Bischof Tichon trug in einem metallenen Reliquiar eine Reliquie des Hl. Apostels Andreas des Erstberufenen und eine Urkunde. Beides war dazu bestimmt, in den Grundstein eingemauert zu werden.
Bischof Tichon weihte die Baugrube und ein Holzkreuz, das an der Stelle errichtet war, an der später der Altar stehen sollte. Daraufhin wurde die Metallkassette mit dem Reliquiar und der Urkunde in den Boden eingemauert. Den ersten Stein legte Bischof Tichon, den zweiten Propst Truchmanov, den dritten der Priester Alexander Schokotov, weiter Ministerialrat Schellberg von der Preußischen Bau- und Finanzdirektion und General Gerasimov, Mitglied des Bischöflichen Rates.
Am 12. Juni 1938, dem Pfingstsonntag, fand schließlich die Einweihung der neuen Christi-Auferstehungs-Kathedrale am Hohenzollerndamm, an der Ecke Hoffmann-von-Fallersleben-Platz statt. Der Bau war unter der Leitung der preußischen Bau- und Finanzdirektion entstanden und wurde vom Preußischen Staatsfiskus, als dessen Eigentum es eingetragen war, der Russischen Orthodoxen Kirche zur Nutzung übertragen. Die Weihe wurde durch den damaligen Ersthierarchen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, S.E. Metropolit Anastasij, vorgenommen, der zu diesem Zweck aus Sremski Karlovci in Serbien nach Berlin gereist war. Nach der Weihe wurde die Göttliche Liturgie von Metropolit Anastasij zusammen mit dem aus Deutschland scheidenden Erzbischof Tichon und dem künftigen orthodoxen Bischof von Berlin und Deutschland, Bischof Seraphim von Potsdam, gefeiert.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kathedralkirche in Berlin von den Alliierten in ungesetzlicher Weise dem Moskauer Patriarchat übergeben. Der Anspruch unserer Kirche auf das Gebäude ist damit jedoch nicht erloschen. Unsere Gläubigen waren die treibende Kraft beim Bau der Kirche. Von ihnen stammten die grundlegenden Spenden und sie leisteten die wichtigste Arbeit bei der Durchführung des Baus. Unsere Bischöfe weihten das Gotteshaus, das durch die Autorität unserer Kirche in der orthodoxen Welt auch die Spenden vieler anderer Nationalkirchen erhielt, wie etwa der Kirche von Bulgarien, Rumänien, Polen, Antiochien und Griechenland, zumal die Kirche auch für die in Deutschland lebenden und dem orthodoxen Bischof von Berlin und Deutschland unterstehenden Angehörigen die-ser Nationen vorgesehen war.
Der letzte rechtmäßige Vorsteher der Kathedralkirchengemeinde 1944 war Archimandrit Nathanael, der spätere Erzbischof von Wien und Österreich. Er sah sich in den Wirren des Kriegsendes gezwungen, nach Hamburg zu gehen. Die kleine in Berlin verbliebene Gemeinde, die sich nicht dem sowjetischen Druck beugte, sondern der freien Russischen Kirche im Ausland die Treue bewahrte, muß-te sich an verschiedenen Stellen in vorläufigen Räumlichkeiten einrichten. In den 50-er Jahren war Bischof Nathanael wieder als Gemeindegeistlicher in Berlin tätig und richtete damals die bis jetzt bestehende Hauskirche in der Kulmbacherstr. 6 ein. Die längste Zeit wurde die Gemeinde von Erzpriester Alexander Schokotov betreut. Nach dessen Tod wurde die Gemeinde von verschiedenen Geistlichen betreut. In den letzten Jahren reiste Erzpriester Alexander Nelin gewöhnlich einmal im Monat von München nach Berlin bis im Jahre 1988 Priester Evgenij Sapronov als ständiger Geistlicher der Gemeinde zugeteilt werden konnte.