Predigt zum 16. Herrentag nach Pfingsten (2 Kor. 6:1-10; Lk. 5:1-11) (10.10.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, heute beschäftigt uns wieder der wunderbare Fischfang auf dem See Genezareth. Wegen der großen Menschenmenge, die den Herrn am Ufer des Sees bedrängte, setzte Sich der Herr in das Boot des Simon Petrus, um von dort das Volk zu lehren. Nachdem Er Seine Predigt beendet hatte, bat der Herr Petrus, noch einmal auf den See hinauszufahren und dort die Fangnetze auszuwerfen. Dieser ist zunächst irritiert – die ganze Nacht hatten sie nichts gefangen, und jetzt, am Tage, soll er plötzlich erneut das Boot in Bewegung setzen?!.. Er tut es dennoch. Und, siehe, die Netze sind so voll, dass er und sein Bruder Andreas die Brüder Jakobus und Johannes zu Hilfe rufen müssen, um alle Fische einsammeln zu können. Der Fang ist so riesig, dass beide Boote beinahe untergehen. Ein Wunder, ohne jeden Zweifel. Erstaunlich ist aber die Reaktion des Petrus. Er fällt dem Herrn zu Füßen und spricht: „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch“ (Lk. 5:8). Der heilige Lukas erzählt als einziger von diesem Ereignis, obgleich alle vier Evangelisten die Berufung der ersten Jünger zwar erwähnen, aber mit unterschiedlichen Facetten: Matthäus und Markus erwähnen übereinstimmend, wie der Herr am See entlanggeht und zunächst das Brüderpaar Simon/Andreas und kurz darauf Jakobus/Johannes beruft, wobei Er ihnen voraussagt, dass sie von nun an Menschenfischer sein werden (s. Mt. 4:18-22; Mk. 1:16-20; vgl. Jer. 16:16). Es ist quasi die Kurzfassung des von Lukas ausführlicher geschilderten Ereignisses. Ganz anders gestaltet sich die Schilderung der Berufung der ersten Jünger bei Johannes, der, wie üblich, von den Synoptikern bereits erwähnte Ereignisse immer wieder auslässt, dafür aber bislang Unerwähntes in seiner Überlieferung hinzufügt. Er selbst war wohl zusammen mit Andreas dem Erstberufenen einer der beiden Jünger des Vorläufers Christi, die von diesem das Zeugnis vom Lamm Gottes empfangen – Jesus ist Sohn Gottes. Andreas geht sofort zu seinem Bruder Simon, der von nun an Petrus (hebr. Kephas) heißen soll. Danach beruft der Herr Philippus, der aus dem gleichen Ort wie Andreas und Petrus stammt, und der führt wiederum den anfangs noch skeptischen Nathanael zum Herrn (s. Joh. 1:29-51). All diese unterschiedlichen Darstellungen bilden aber keinen Widerspruch zueinander. Sie lassen nur vermuten, dass Andreas und Petrus sowie die beiden Söhne des Zebedäus mitsamt Philippus und Nathanael (der bei den anderen Evangelisten Bartholomäus genannt wird) zum Zeitpunkt ihrer Vor-Berufung zu Menschenfischern zwar schon im Gefolge des Herrn waren (s. Joh. 2:12), aber erst mit der Auswahl der Zwölf endgültig dem engsten Kreis Seiner Jünger zugerechnet wurden (s. Mt. 10:1-4; Mk. 3:13-19; Lk. 6:12-16; vgl. Apg. 1:13). Vor der ersten Rückkehr aus Judäa und der Niederlassung des Herrn in Kafarnaum war die Stunde des Herrn ja noch nicht gekommen (s. Joh. 2:3; vgl. Mt. 4:12-17; Mk. 1:14; Lk. 4:14-15), so dass die Wandlung von Wasser zu Wein in Kana in Galiläa, die sich auf dem Rückweg aus Judäa zugetragen hatte, nach Gottes unerklärlichem Ratschluss auf die Fürsprache Seiner Mutter schon vor der Zeit geschehen war. Die Mutter Jesu war wohl die Einzige überhaupt, die diesen Freimut vor dem Herrn besaß (vgl. Gen. 3:22; Lk. 15:12). Zuvor hatte der Herr Jesus Seinen Eltern dem Gesetz nach Gehorsam geleistet (s. Lk. 2:51); jetzt erkannte Seine Mutter als Erste in Ihm Gottes Sohn und war von nun an Ihm untertan (s. Joh. 2:5). Nun also hatte Sich der Herr in Kafarnaum angesiedelt, wo Er dann sprach: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk. 1:15). Kommen wir aber zurück zu der heutigen Lesung. Weshalb bittet Petrus nach dem großen Fischzug den Herrn, von ihm wegzugehen, da er ein Sünder sei?! Der Herr war doch gerade dazu gekommen, die Sünder zu berufen, und nicht die Gerechten (s. Mt. 9:13; Mk. 2:17; Lk. 5:32)... Alle sind wir Sünder, aber nicht alle erkennen das. Petrus erkannte das als einer der Ersten. Er hatte den Herrn bis dahin ja um gar nichts gebeten. Umgekehrt, der Herr bat Petrus zunächst darum, dessen Boot als Redebühne benutzen zu dürfen, und später noch einmal auf den See hinauszufahren. Petrus erwartete keine Gegenleistung („Bootsmiete“) für seine Dienste. Wahrscheinlich war er unsagbar froh und geehrt, dass der Herr von seinem Boot aus sprach und das Reich Gottes verkündigte – und wer wäre es nicht gewesen an seiner Stelle?!.. Nun aber wird er dennoch reichlich entlohnt, sieht sich aber als völlig unwürdig an… Ist es nicht das, wonach der Herr in unserem Herzen sucht (s. 1 Kön. 16:7)?.. Möglich, dass Simon von seinem Naturell her ein knorriger Kerl war. Aber in seiner Seele war diese Reinheit des Herzens, die ganz nach dem Willen des Herrn ist, von der auch der Apostel Paulus spricht (vgl. Röm. 15:2; 1 Kor. 10:24; 13:5; Phil. 2:4). So verschieden die beiden Apostelkoryphäen auch waren, in ihrer Demut vor dem Herrn unterschieden sie sich nicht voneinander (vgl. 1 Tim. 1:15). Die Heiligen fürchten (im Gegensatz zu uns) nichts mehr, als mit ihren Sünden vor Gottes Angesicht zu stehen (s. Hiob. 13:23-26; Ps. 88:8; 127:1). Wer jedoch nicht diese Reinheit hat, kann auch nicht Gesandter Gottes sein (s. 3 Kön. 13:11-32; Jer. 5:31;14:14-15; 23:21-22; 27:9,14-15; 29:8-9,31; Hes. 13:2-8; 22:26-28). Statt sich diebisch zu freuen oder vergnügt die Hände zu reiben, sieht der Apostel angesichts der ihm unverdient zuteilgewordenen Gnade zuerst seine Unwürdigkeit. Dem Herrn dienen zu dürfen, das war schon Belohnung genug. Doch nun auch noch von Ihm beschenkt zu werden – nein, doch nicht er!.. Eben dieser unverfälschte Glaube ist der Fels, auf dem der Herr seine Kirche aufbauen will. Und wenn wir im Herzen so sind wie Kephas, wird der Herr auch uns als Bausteinchen für Sein Haus nicht verwerfen (s. 1 Petr. 2:4-5). Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch