Auferstehung - Leben für alle! - Osterbotschaft an die Hirten und alle treuen Glieder der Russischen Orthodoxen Kirche im Bistum Berlin und Leipzig (Apg 1, 1-8. Joh 1, 1-17)

„Wahrhaft heilig und hochfeierlich ist diese rettende Nacht, lichtüberflutet; Künderin der Auferstehung für alle und des hellichten Tages; aufstrahlt in ihr aus dem Grabe körperhaft das anfanglose Licht für alle" (Oster¬kanon, 7. Gesang).
Worte wie diese, dem Osterkanon entnommen, ver¬mögen am besten das Erleben eines jeden gläubigen Menschen wiederzugeben, der alljährlich durch das Mysterium des österlichen Dienstes in das große Geheimnis der Auferstehung Christi eingeführt wird. Fest und Licht assoziieren sich, wenn wir über den Sieg Jesu, des Herrn, über den Tod nachdenken. Seine Auf¬erstehung ist das Fest aller Feste und ein Triumph des Lichts, denn selbst am finstersten Ort der geschaffenen Welt, dem Totenreich, „wird nun alles mit Licht erfüllt, der Himmel, die Erde und die Unterwelt" (Osterkanon, 3. Gesang).
Die ästhetische Erhabenheit des österlichen Dienstes, ihre Einmaligkeit und unvergleichliche Schönheit ver¬stellen uns nicht den Blick für den eigentlichen Inhalt des Osterfestes: die allen geltende Erlösung vom Tod durch die Auferstehung.
Der Sinn des alttestamentlichen Passah als Prototyp der Auferstehung Christi bestand darin, daß der Ewig¬seiende Israel versöhnt hat und diese Versöhnung einer neuen Geburt gleichkommt. An die Stelle des Knechtes, der zur Fronarbeit verurteilt und infolgedessen einem qualvollen Tod ausgeliefert war, treten nunmehr Kinder Gottes, die unaufhörlich das Kommen von Gottes Erb¬teil auf die Erde bezeugen, das ein Reich von Priestern und ein heiliges Volk werden soll (Ex. 19, 6).
Die Verheißungen Gottes werden zu Realien des Le¬bens, ja mehr noch, in Christus sind wir nicht allein Kin¬der der Verheißung, sondern erhalten auch Anteil an dem ewigen Leben in Gott. Seine herrliche Auferste¬hung ist ein Unterpfand für unsere Auferstehung; Sein Sieg über den Tod bedeutet, daß auch wir von dem ewi¬gen Tod erlöst sind. In unserer liturgischen Tradition war, was man mit Sicherheit von Anbeginn der Kirche und ihres Selbstverständnisses sagen kann, das Leidens¬passah, das Kreuzespassah, unauflöslich eins mit dem Passah der Auferstehung.
Vor dem Fest der Auferstehung ist stets des Karfreitags
gedacht worden. Und im Triumph des Herrn bekennen wir mit dem kirchlichen Hymnus: „Gestern mit Dir, Christus, begraben, stehe ich heute mit Dir, dem Auf¬erstandenen, auf; gestern noch mit Dir gekreuzigt, ver¬herrliche Du mich, o Heiland, in Deinem Reich" ( Kanon, 3. Gesang).
Stets sollten wir daran denken, was dem Triumph der Auferstehung voraufgegangen ist: „Gott hat uns Seine Liebe dadurch bezeugt, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren . . . Denn wenn wir als Feinde mit Gott versöhnt wurden durch den Tod Seines Sohnes, wieviel mehr werden wir versöhnt sein und gerettet durch Sein Leben" (Röm. 5, 8. 10).
Sehr schwierig ist es für uns, dieses neue Leben in Chri¬stus als Erfahrungswert zu begreifen, hat doch für einen jeden an Christus gläubig gewordenen Menschen das ewige Leben bereits begonnen. Dank ihrer Verbunden-

Bischof Theophan von Berlin und Leipzig im Gottesdienst

heit mit dem Körper und dem All ist die Seele auch mit der Zeit verwoben, und kraft ihres ursprünglichen und wesenhaften Strebens nach dem Guten und der Liebe kann sie aus der Unverbrüchlichkeit des Ewigen, Der im Grunde ihres Wesens Wohnung genommen hat, leben.
Die Besinnung auf unsere künftige Auferstehung muß, wie die Kirche singt, uns alle schon jetzt veranlassen, „unsere Seelen zu erwecken".
Es geht nicht nur darum, daß wir neu werden und uns äußerlich erneuern, sondern daß wir unsere Seele für das Leben in Gott erwecken, und dies schließt den barmherzigen Dienst am Nächsten und das fortwäh-rende, von Gebet und Liebe getragene Wirken des Guten ein. Wir haben die große Fastenzeit durchlebt.
Ein jeder hat diese Zeit der Buße und Enthaltsamkeit,
wie er es konnte und wollte, durchschritten. Heute aber
ist der Tag der Freude angebrochen; alle gelangen wir zur Freude unseres Herrn, wozu uns der große Kirchen¬lehrer hl. Johannes Chrysostomos einlädt: „Reiche und Arme, frohlockt miteinander; Enthaltsame und Nach¬lässige, ehrt diesen Tag; die gefastet haben und die nicht fasteten, heute sollen sie frohlocken."
Voll österlicher Freude und gestärkt in der Hoffnung grüße ich Euch mit den ewiglebendigen Worten:
Christus ist auferstanden!
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Ostern Christi,
1992 Bischof Theophan


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Jahr:
1992