Hl. Neomärtyrer und Bekenner Rußlands Leben und Leiden des Neomärtyrerbischofs Damaskin von Gluchov*

Unter der lichten Schar unserer neuen russischen Märtyrer, die bis zuletzt Christus und Seiner Wahrheit die Treue hielten, leuchtet hell der Name von Bischof Damaskin, nicht nur als Märtyrer, sondern auch als großer Lehrer der Kirche, der mit feurigen Worten die Christen zum Wandel auf Göttlichen Pfaden und zur Abkehr von krummen Wegen der Lüge anspornte.
Der hochwürdige Damaskin wurde in der Familie eines armen Postbeamten in Cherson geboren. Sein weltlicher Name war Dimitrij Dimitrieviç Cedrik.
Die ganze Familie der Cedriks ist von Gnadenreichtum geprägt, von der Treue bis zum Tode: der leibliche Bruder des Bischofs Damaskin, der zu Beginn der Oktoberrevolution aus einer weltlichen Familie in den Priesterstand trat, wurde bald wegen seiner furchtlosen Bloßstellung ihrer Verbrechen von den Bolschewiken erschossen.
Dimitrij Cedrik schloß die Mittelschule und darauf das Höhere Landwirtschaftsinstitut mit dem Titel eines Agronom (Diplomlandwirt) ab.
In der vorrevolutionären Zeit gewannen, einhergehend mit dem schrecklichen todbringenden Wehen des nahenden apokalyptischen Sturms, auch die entgegengesetzten Strömungen einer großen geistlichen Erneuerung und Wiedergeburt an Kraft, welche die heller als die Sonne leuchtende Schar der unerschrockenen, großen Bischöfe und Märtyrer hervorbrachten.
Ein Zeichen dieser vorrevolutionären, aufrüttelnden, geistlichen Aktivität ist vor allem das Werk des Erzbischofs und späteren Metropoliten Antonij (Chrapovickij) und die von ihm gegründete kirchlich-monastische Jugendbewegung. Unter den Einfluß von Vladyka Antonij gerieten auch der junge Agronom Dimitrij Cedrik und dessen Bruder.
Nach dem Abschluß der Agrarhochschule belegte Dimitrij Kurse für östliche Sprachen an der Kazaner Geistlichen Akademie; als er diese Kurse beendet hatte, wurde er Mönch.
Im Rang eines Priestermönchsbegab er sich nach Beiguan, an die Orthodoxe Mission in Peking. Hier arbeitete er so erfolgreich auf dem Missionsfeld, daß in der Zeitschrift “Das Feld” ein besonderer Artikel über das Wirken des jungen Priestermönches abgedruckt wurde und ein kleineres Schiff, ein Rettungsboot, zu seinen Ehren “Damasy-Hoshen” benannt wurde.
Während der Revolution kehrte er nach Rußland zurück. Gerade zu jener Zeit erlitt sein Bruder, ein Priester namens Nikolaj, den Märtyrertod.
Irgendwann während jener Zeit wurde Vater Damaskin entweder zusammen mit dem Bruder oder alleine von den Bolschewiken irgendwo, entweder im Gouvernement von Orlov oder im Gouvernement von Tula, zum ersten Mal verhaftet und zum Tode verurteilt. Es ist uns unbekannt, wie er der Todesstrafe entging, vielleicht wurde er von der Weißen Armee gerettet. “In diesem Moment der Todesnähe zieht das ganze Leben im Geist an einem vorüber”, sagte Vladyka in Erinnerung an den Augenblick der Todesgefahr.
1919 kam er nach Kiew zu Metropolit Antonij, den er hoch verehrte. Vladyka Antonij, der Vater Damaskin gut kannte und ihn liebte, ernannte ihn zum Missionar der Eparchie. Zur selben Zeit schrieb sich Vater Damaskin als Gasthörer an der damals noch bestehenden Kiewer Geistlichen Akademie ein.
Schon damals war es dem jungen PriestermönchDamaskin völlig klar und deutlich, daß die gegenwärtigen Ereignisse Vorboten der Apokalypse sind. In einer Predigt anläßlich eines Molebens bei der Bruderschaft des Hl. Vladimir am Kloster des Erzengels Michael zitiert er die “Legende vom Antichrist” von Vladimir Solov’ev und deutet dabei die gegenwärtigen Ereignisse als die Erfüllung der entsetzlichen Prophezeiungen.
Beim Zurückweichen der Weißen Armee begab sich Vater Damaskin auf die Krim, wo er sich eng mit dem gerechten Erzbischof von Taurien Dmitrij Aba‚idze befreundete. Letzterer verlieh Vater Damaskin den Rang eines Archimandriten und ernannte ihn zum Vorsteher des Klosters des Hl. Georg bei Balaklava.
Bei der Einnahme der Krim durch die sowjetischen Truppen blieben Erzbischof Dimitrij und Archimandrit Damaskin auf der Krim, wo sie verhaftet wurden; aber bald wurden sie wieder befreit, da zu jener Zeit die Bolschewiken im Ausland eine Propagandakampagne unter den fliehenden Weißen Truppen zur Rückkehr begannen, und folglich wären Repressalien gegen den weit bekannten Erzbischof Dimitrij und Archimandrit Damaskin für sie nachteilig gewesen.
Gegen 1923 tauchte Archimandrit Damaskin in Moskau auf, wo ihn seine Heiligkeit Patriarch Tichon zum Bischof der zwischen den Distrikten Çernigov und Kursk gelegenen Stadt Gluchov weihte und ihn damit betraute, die Eparchie von Çernigov während der Inhaftierung ihres Erzbischofs Pachomij (Kedrov) zu verwalten.
Das Wirken Bischof Damaskins in der Çernigover Eparchie war nur von kurzer Dauer, aber sehr intensiv; einen Großteil seiner Zeit verwendete er auf den Besuch der Gemeinden seiner Eparchie.
Mehrmals wurde er verhaftet. Einmal wurde er nach mehreren Wochen der Gefängnishaft am Vorabend eines großen Festes wieder freigelassen. Schnurstracks vom Gefängnis fuhr Vladyka zur Vigil in die Kirche, aber erschöpft vom Gefängnis und den Verhören konnte er während der Salbung mit dem hl. Salböl nicht mehr stehen und setzte sich auf seinen Stuhl. Jedoch schon am nächsten Tag zelebrierte er die Göttliche Liturgie völlig frisch und munter.
Diese erste Zeit der direkten Verfolgungen durch die Sowjetmacht und der gefährliche Aufruhr der “Lebenden Kirche” und Erneuerer gegen die Kirche Christi erwies sich als eine helle, lebendige Periode des Erstarkens geistiger Kräfte bei den kirchlichen Arbeitern und ihres begeisterten Kampfes für die Sache des Herrn.
Aus den Reihen der Kirche, die damals noch auf einer unverbrüchlichen kanonischen Grundlage stand und von kompromißlosen Persönlichkeiten wie Patriarch Tichon, Metropolit Pjotr, Erzbischof Serafim Samojloviç, in der ersten Zeit seiner Amtsausübung auch Metropolit Sergij, geführt wurde, ging eine ganze Schar von unerschütterlichen, siegreichen Märtyrern hervor, die triumphierend und mühelos das schmutzige Erneuerer-Schisma niederrangen und die Ränke der gottwidrigen Machthaber abwehrten.
1925-26 wurde Bischof Damaskin von Çernigov nach Charkov ausgewiesen, dort wurde er verhaftet und dann nach Moskau ins Gefängnis Butyrka geschafft.
Von hier aus wurde er im September in die Verbannung ans Ufer des Jenissej jenseits des Polarkreises geschickt.
Seinen Weg dorthin unterbrach Vladyka in Krasnojarsk, wo er einige Zeit verbringen sollte. Interessant ist die Gesinnung der damaligen Zeit: wie die innere Haltung des gläubigen Volkes gegenüber der Kirche trotz Verfolgung noch verhältnismäßig frei war - etwas, was später undenkbar gewesen wäre; so wurde der verbannte Bischof in Krasnojarsk sowohl vom Klerus als auch vom Volk begeistert und mit großen Ehren empfangen. Man stellte ihm in der Stadt eine angemessene Wohnung bereit, gestattete ihm, in den verschiedenen Kirchen der Stadt zu zelebrieren, woraufhin sich besonders viele Gläubige dort einfanden.
Sobald der Schlittenweg befahrbar war, wurde Vladyka im November nach Poloj, 250 km nördlich der Stadt Turuchansk, verschickt. Poloj, das auf den meisten geographischen Karten und Schulatlanten als kleine Siedlung eingetragen ist, bestand in Wirklichkeit nur aus einem Hof, bewohnt von einem russischen Jäger mit seiner Familie und aus noch einem Haus, in dem zwei verbannte Bischöfe wohnten. Weiterhin befand sich in einiger Entfernung von beiden Häusern eine halb verfallene Eingeborenenhütte, in der Bischof Damaskin nun hausen sollte.
Im Frühjahr gesellte sich sein Zellendiener, ein junger Novize, zu ihm; er berichtete Vladyka, wie selbst er, ein junger Mönch, bei der Durchfahrt durch Krasnojarsk von der dortigen Geistlichkeit und Bevölkerung mit Begeisterung und Vertrauen aufgenommen wurde.
Zusammen mit seinem Zellendiener begann Bischof Damaskin, seine Behausung selber in Ordnung zu bringen, und während der kurzen warmen Sommerzeit pflanzte er sogar einen kleinen Gemüsegarten an. Das Grünzeug aus diesem Gemüsegarten und die Päckchen, die er von seiner ihm grenzenlos ergebenen Herde in Çernigov erhielt, erlaubten es ihm, in dieser hohen Polargegend zu überleben und sich selber und seine Mitbewohner vor dem gewöhnlicherweise dort wütenden Skorbut zu bewahren; er konnte sogar seine Gesundheit, die unter dem harten Gefängnisleben schwer gelitten hatte, wieder kräftigen.
Diese Verbannung in den zwanziger Jahren war lange nicht so schmerzlich für ihn, als das was später folgte. Hier in Poloj schrieb Vladyka Damaskin seine berühmten flammenden Episteln, wodurch sein Name nicht nur im ganzen gläubigen Rußland, sondern auch noch weit über dessen Grenzen hinaus, man könnte sagen in der ganzen orthodoxen Welt, bekannt, beliebt und angesehen wurde. Die erste dieser Episteln, wenigstens der uns bekannten, war die im Frühjahr 1927, anläßlich der Öffnung der Kirche in Neœin verfaßte.
Im August 1927 erhielt Bischof Damaskin Kenntnis von der berüchtigten Deklaration von Metropolit Sergij, in welcher dieser seine Loyalität zur Sowjetmacht bezeugt und diese auch von jedem ihm unterstellten Kleriker fordert, der Sowjetmacht Dankbarkeit für ihre Fürsorge um die Kirche darbringt und alle von der Sowjetmacht verurteilten Bischöfe und Priester anklagt, daß ihretwegen zwischen der Sowjetmacht und der Kirche keine guten Beziehungen bestünden. Die Deklaration des Metropoliten Sergij machte einen erschütternden Eindruck auf Bischof Damaskin. Er begriff sofort, daß damit der Russischen Kirche der schwerste aller bisherigen Schläge versetzt wurde.
Anläßlich dieser Deklaration schrieb Vladyka Damaskin über 150 Briefe und Botschaften, darunter seine bekannteste Epistel, die auch für uns im Ausland ein klares Zeugnis gegen jenen Teil der Emigranten-Geistlichkeit wurde, die sich unter freien Bedingungen und ohne Zwang 1927 von der Auslandskirche lossagte, der Politik von Metropolit Sergij hörig wurde und durch ihre Unterschrift ihre Loyalität gegenüber der gottlosen sojwetischen Macht bekräftigte.
In seiner Epistel schreibt Vladyka Damaskin: “Eines ist wichtig, eines sollte man wissen: Glaubt Metropolit Sergij, glauben alle seine Gefolgsleute das, was sie reden und schreiben? Könnte Metropolit Sergij vor dem Kreuz und dem Evangelium schwören, daß das, was er schreibt, einschließlich der Dankbarkeit der Sowjetmacht gegenüber, tatsächlich die Stimme seiner Überzeugung ist, das Zeugnis seines unerschrockenen und reinen Gewissens als Seelsorger? Wir sind überzeugt und bekräftigen, daß Metropolit Sergij und seine Mitbrüder dies nicht ohne Meineid tun könnten. Aber kann denn jemand im Namen der Kirche, von der erhabenen kirchlichen Kanzel aus, das, was er nicht eidlich beschwören könnte, als eine vollkommene Wahrheit verkünden?
Was sagen nun die Kirchgänger? Was fühlen sie, wenn auch von dort, von der hehren letzten Zuflucht der von der Welt verworfenen Wahrheit, von der Höhe der Kanzel aus, Worte der Heuchelei, Menschendienerei und Verleumdung erklingen? Scheint es ihnen nicht, daß die Lüge ihren endgültigen Sieg über die Welt feiert, und daß dort, wo für sie das Bild der verkörperten Wahrheit als ein nichtabendwerdendes Licht aufblitzte, nun die Maske des Vaters der Lüge mit einer abscheulichen Grimasse lacht?
Eines von beiden: entweder ist die Kirche wirklich die makellose und reine Braut Christi, ist sie das Reich der Wahrheit - dann ist die Wahrheit die Luft, ohne die wir nicht atmen können; oder sie lebt wie die ganze im Argen liegende Welt in der Lüge und durch die Lüge - dann ist alles Lüge, jedes Wort Lüge, jedes Gebet, jedes Sakrament.
Es scheint uns, daß Metropolit Sergij und jene mit ihm von dem schrecklichen Trug, daß man die Kirche auf Menschengefälligkeit und Unwahrheit aufbauen kann, gebannt sind. Wir sagen jedoch, daß Lüge nur Lüge gebiert und sie niemals das Fundament der Kirche sein kann. Vor unseren Augen öffnet sich der schändliche Weg der “Kirche der Heimtückischen” - des Erneuerertums. Und diese Schmach des allmählichen Versinkens in das heimtückische Moor immer folgenschwererer Kompromisse und Abtrünnigkeiten, dieses Gespenst des völligen moralischen Verfalls, erwartet unvermeidlich die kirchliche Gesellschaft, wenn sie auf dem eingeschlagenen Pfad weiterschreitet.
Es scheint uns, daß Metropolit Sergij in dem festen Glauben an die Macht der alles überwindenden Wahrheit, an die Göttliche Allmacht wankend wurde. Und diese Wankelmütigkeit übertrug sich wie ein katastrophaler Stoß auf den ganzen Körper der Kirche, der ihn schwer erbeben ließ. Mehr als ein menschliches Herz, das die Worte der Unwahrheit innerhalb der Kirchenmauern hört, fängt in seinem Glauben zu beben an und kann in seinem geheimsten Heiligtum verletzt werden, reißt sich von der Kirche, die ihn getäuscht hat, los und bleibt jenseits ihrer Mauern. Ein tausendmündiges Gerücht trägt das schreckliche Wort in die Masse des Volkes, verletzt die vielleidende Volksseele, und an alle Enden der Erde dringt die Kunde, daß das Königreich Christi nun der Machtbereich des Tieres wurde.
Welche jämmerliche und unwürdige Existenz! Tatsächlich wäre es besser zu sterben, als so zu leben! Eine schwarze Wolke schwebt nun drohend über der Kirche. Dort in den himmlischen Wohnstätten weinen die russischen Heiligen über unsere Erde, diejenigen, die in den vergangenen Jahrhunderten für die Kirche einstanden, die Märtyrer und Bekenner der jüngsten Vergangenheit. Dort in der Hölle rüsten sich die dunklen infernalischen Kräfte zu einem neuen und entscheidenden Triumph. Herr, erbarme dich über deine Kirche! Sie ist ja schließlich deine Braut!”
Diesen Brief und alle weiteren 150 zu diesem Thema einfach mit der sowjetischen Post zu schikken, war undenkbar. Deshalb entschloß sich Bischof Damaskin, das für ihn Wertvollste zu opfern, d.h. auf die Gesellschaft seines Freundes und Mitbruders, seines Zellendieners zu verzichten. Er schickte ihn mit dem Auftrag nach Moskau, einen Teil der Briefe auszutragen und sie persönlich den Gefangenen zu überbringen und den anderen Teil von verschiedenen Orten auf seinem Weg aus per Post abzuschicken.
Im Winter 1928 wurde der größte aller zeitgenössischen russischen Märtyrer, Metropolit Kyrill von Kazan, noch weiter nach Norden verbannt. Zwei heilige Streiter für die göttliche Wahrheit begegneten sich nun, und von da an bis zum Ende verbanden sie die engsten Freundschaftsbande und ein absolutes gegenseitiges Einvernehmen. Für die weitere russische Kirchengeschichte hatte diese Begegnung zweier Märtyrerbischöfe eine ungeheure Bedeutung, weil gerade damals, während dieser wenigen Tage der Anwesenheit Metropolit Kyrills in Poloj die Grundlagen gelegt und die Prinzipien jener kirchlichen Bewegung aufgestellt wurden, die zu keinerlei Kompromiß, weder mit der atheistischen Staatsmacht noch mit der mit ihr zusammenarbeitenden kirchlichen Administration bereit war, und die wir als Katakombenkirche bezeichnen. Im November 1928 endete die Verbannungszeit von Bischof Damaskin.
Er kam nach Krasnojarsk und machte hier zuerst mit der verderblichen, die ganze kirchliche Atmosphäre vergiftende Kompromißpolitik des Metropoliten Sergij Bekanntschaft. Statt tapferer Kühnheit und Entschlossenheit, furchtloser Treue der Kirche und ihren Märtyrern gegenüber, die in den vergangenen zwei Jahren das kirchliche Leben in Krasnojarsk gekennzeichnet hatten, herrschten nun Schrecken, Entzweiung und Unentschlossenheit in dieser Stadt. Den verbannten Bischof, mit dem die gläubigen Bewohner von Krasnojarsk noch im Herbst 1926 furchtlos ihre Solidarität bekannt hatten, scheuten und mieden dieselben Leute jetzt im November 1928.
Das was Bischof Damaskin selbst mit solch erstaunlicher Vorausschau vorausgesagt hatte, begann sich nun katastrophal zu erfüllen: das Schwanken in der Wahrheit und das Irrewerden des offiziellen Hauptes der Kirche an ihr übertrugen sich stoßartig auf den ganzen Körper der Kirche.
Über diese bitteren Eindrücke schrieb Bischof Damaskin aus Krasnojarsk: viel Bitternis mußte ich in jener kurzen Zeit, als ich das örtliche kirchliche Leben von Jenisejsk und Krasnojarsk beobachtete, schlucken. Was werde ich in Moskau und in Zukunft wohl noch antreffen?
Einer der verbannten Geistlichen, der selber ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, sagt anläßlich der Erlebnisse von Bischof Damaskin: “Solche Bedenken sind bei aus dem Gefängnis entlassenen Geistlichen nichts Ungewöhnliches: in der Freiheit ist es oft schlimmer (moralisch schlimmer) als in der Haft, denn es steht ein neuer Kampf und neues Leiden bevor.”
Fortsetzung folgt
Die Einreise in den Distrikt von Çernigov war dem Bischof verboten. Daher ließ er sich in der Stadt Starodub, die früher zum Gouvernement von Çernigov und daher zur Eparchie gehört hatte, aber nach der sowjetischen Distrikteinteilung nicht mehr im Distrikt Çernigov lag, nieder. So wurde Bischof Damaskin das Wohnrecht dort nicht untersagt.
Auf dem Weg nach Starodub machte Vladyka in Moskau halt, wo er an Lungenentzündung erkrankte. Seine Anwesenheit in der Hauptstadt benutzte er zu einer Unterredung mit Metropolit Sergij.
Diese Begegnung, die am 11. Dezember 1928 stattfand, machte einen traurigen Eindruck auf Bischof Damaskin. “Wenn ich aus der Ferne noch das Vorhandensein von Fakten vermutete, die sein Verhalten gerechtfertigt hätten, so stürzten diese Mutmaßungen nun auch zusammen”, schrieb er anläßlich seines Interviews mit Metropolit Sergij.
Das ist eine wichtige Bemerkung, denn auch bei uns hier im Ausland schöpften damals viele Hoffnung: verbirgt sich nicht gar hinter der würdelosen Servilität Sergijs einfach der Versuch, Zeit zu gewinnen, um irgendwie die sowjetische Regierung zu täuschen. Gewiß wäre auch ein derartiger Weg eines kirchlichen Oberhauptes unwürdig, aber trotzdem wäre er noch lange keine Kapitulation vor der atheistischen Macht, keine Union, keine Solidaritätserklärung mit ihr - was Schlimmeres es auf der Welt nicht geben kann.
Die Hoffnungen von Bischof Damaskin erfüllten sich nicht. Vor seinen Augen erfolgte, wie er sich ausdrückte, die “Liquidierung der Kirche auf Betreiben ihres Oberhauptes”.
“Nicht zu zählen sind die unendlich schwerwiegenden inneren Folgen der Deklaration des Metropoliten Sergij - diese Preisgabe der ursprünglichen Wahrheit um eines Linsengerichts falscher Versprechungen nicht realisierbarer Güter willen”, sagt er.
Im Mai 1929 bot ihm einer der besten “sergianischen” Hierarchen, Metropolit Serafim Çiçagov, an, sein Mitarbeiter zu werden, aber er lehnte diesen Vorschlag ab, weil er “so wie früher von sergianischen Angeboten” nichts wissen wollte.
“Es gibt noch einen Vorschlag - so schrieb er - seitens der verbannten Priestern: nämlich, freiwillig zu ihnen in die Verbannung zu kommen. Ich fühle, daß dies der beste Aufenthaltsort wäre. Aber ich möchte auch darum den Herrn nicht bitten.”
Zur selben Zeit geht er in eine geheime Verbindung mit Metropolit Pjotr, der damals in dem entlegenen Dörfchen Che des Kreises Obdorsk verbannt war, ein.
Er schickt Metropolit Pjotr 22 Dokumente, in denen er ein schreckliches Bild vom kirchlichen Verfall und von der inneren Unterjochung der zentralen kirchlichen Organe unter die atheistische Regierung zeichnet . Vladyka Damaskin schickte Metropolit Pjotr eine Kopie aller Anordnungen und Rundschreiben von Metropolit Sergij vom Juli 1927 an bis zum Sommer 1929 und ersuchte den gesetzlichen Verweser des Patriarchenthrones, seine Stimme angesichts der antikirchlichen Aktivität seines Stellvertreters zu erheben.
Der von Bischof Damaskin mit der Überbringung der Dokumente beauftragte Diakon, Vater K., konnte das 200 km von der Eisenbahnstrecke entfernte Dorf nur unter großen Mühen erreichen. Und im Dorf selber war es auch nicht einfach, den kanonischen Ersthierarchen der Russischen Kirche, einen alten kranken Mönch, der sich in der Ecke einer Hütte inmitten einer vielköpfigen Samojeden-Familie verkroch, ausfindig zu machen. Die Einwohner von Che, nenzische Samojeden, ein paganer oder semipaganer Volksstamm, hatten nicht die geringste Ahnung, wer sich unter ihnen befand.
Ein Augenzeuge beschreibt die Lage von Metropolit Pjotr: “Im August 1927 traf auf einem von einem Dampfer aus Obtrest bugsierten Lastkahn Metropolit Pjotr in Che ein. Es gelang ihm, für 10 Rubel monatlich ein Häuschen mit zwei Zimmern bei einer lokalen alten Samojedin zu mieten. Für Verpflegung und Wäsche mußte er weitere 10 Rubel zahlen. Zuerst fühlte sich der Metropolit nicht schlecht und sagte, er atme nun frische Luft und könne sich nach zwei Monaten Haft im Gefängnis von Tobolsk und 10 Tagen Verhör bei der GPU in Obdorsk ausruhen. Er machte Spaziergänge in der Gegend von Che durch die Tundra, die von Gebüsch und niedgrigwüchsigen Birken überwachsen war sowie von Hügeln und kleinen Schluchten umgeben war. Doch am Fest der Enthauptung Johannes des Täufers erlitt er den ersten schweren Erstickungs- und Stenocardie-Anfall und von da an stand er von seinem Lager nicht mehr auf. Das völlige Fehlen jeglicher medizinischen Hilfe und Medikamente veranlaßten uns, einen Einheimischen per Boot (200 Werst nach Obdorsk zu schicken, der die Feldscherer von Obdorsk und von Obtrest mitbrachte. Dieses “Team” schätzt die Lage von Metropolit Pjotr als schwer ein. Nachdem sie einige Medikamente zurückgelassen hatten, rieten sie, um die Verlegung von Metropolit Pjotr an einen anderen Ort mit einem Krankenhaus zu ersuchen. Metropolit Pjotr schrieb einen Antrag an den Bevollmächtigen der GPU von Obdorsk, Ivanov, und bat ihn telegraphisch an Tuçkov die Bitte um seine Verlegung in den Süden zu leiten. Dieses Gesuch gab ich auf meinem Rückweg aus der Verbannung unterwegs in Obdorsk bei der dortigen GPU ab. Nach den Worten von Metropolit Pjotr erhielt er von Juni 1927, d.h. vom Moment seiner Tobolsker Gefängnishaft an, weder Nachrichten noch Geld oder Päckchen aus Rußland, obwohl ihm bekannt war, daß derartige Sendungen auf seinen Namen in Tobolsk eingegangen waren.
Das Klima in Che ist kaltnaß und sehr schlecht für die Gesundheit. Ein Dampfer fährt nur einmal jährlich dorthin. Vater K. traf Metropolit Pjotr als Schwerkranken an. Alles, was ihm Bischof Damaskin übermittelte und schrieb, war für ihn völlig neu.
Vladyka Damaskin beschrieb nach den Worten von Diakon K. seine Reaktion folgendermaßen: “nachdem er alles Material durchgesehen hatte, äußerte sich Dedu‚ka (Großvater, diese vereinbarte Anrede gebrauchte Bischof Damaskin in seinen Briefen an Metropolit Pjotr) über die neue Lage und die weiteren, daraus zu ziehenden Schlüsse beinahe mit denselben Worten wie ich”.
Wir können ganz gut erraten, welcher Art diese “weiteren Schlüsse” von Bischof Damaskin waren - eines tapferen, nicht zu Kompromissen bereiten Bekenners und Ideologen, des Inspirators und Initiators der geheimen, kirchlichen Arbeit: all dessen, was wir jetzt summarisch als Katakombenkirche bezeichnen.
Daher ist die Gewißheit der Katakombenbischöfe und Katakombenpriester, daß auf ihrem Werk der Segen des letzten kanonischen allrussischen Ersthierarchen, des Märtyrers Metropolit Pjotr, ruht, völlig berechtigt.
Bischof Damaskin konnte jedoch zu jener Zeit keine schriftliche Antwort von Metropolit Pjotr bekommen. Vater K. konnte nicht länger als einen Tag in Che bleiben, ohne Gefahr zu laufen, von dem wachsamen Augen der GPU erspäht und verhaftet zu werden, was für ihn sowie für eine große Schar von Geistlichen den Untergang bedeutet hätte. So erhielt Bischof Damaskin niemals eine schriftliche Antwort von Metropolit Pjotr. “Ich gelange allmählich zu der Überzeugung, daß auch ein entscheidendes Wort von Metropolit Pjotr die herrschende Lage nicht ändern kann”, schreibt Vladyka Damaskin bald danach im Oktober 1929.
Trotzdem war es nicht ganz umsonst, daß Metropolit Pjotr auf diese Weise von der wahren Lage der Kirche in Kenntnis gesetzt wurde. 1930 wurde Metropolit Sergij auf Wegen, die der alles zu wissen beanspruchenden GPU verborgen blieben, ein eigenhändiger Brief von Metropolit Pjotr zugeleitet, in welchem letzterer seine Mißbilligung des Kompromisses mit den Kommunisten und den von Metropolit Sergij gemachten Konzessionen zum Ausdruck bringt und ihn direkt herausfordert: “Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Kirche zu verteidigen, so treten Sie beiseite und überlassen Sie Ihren Posten einem Stärkeren”. Diesen Brief veröffentlichte Metropolit Sergij niemals, außer dem angeführten Satz.
Die GPU unternahm alles, um herauszufinden, auf welchem Wege dieser Brief reiste und wie er Metropolit Sergij zugestellt wurde, doch wurde die Sache nie aufgedeckt. Als Strafe bekam Metropolit Pjotr noch drei Jahre Verbannung.
Man sagt, daß Metropolit Sergij einen Versuch unternahm, um die Anordnung des Ersthierarchen zu erfüllen und das Ruder der Kirche aus der Hand zu geben. Aber bereits gefangen von der fürchterlichen satanischen Macht, von ihr versklavt und eingeschüchtert, konnte er seinen Willen nicht zur Ausführung bringen, er fand dazu keine Kraft in sich, denn das hätte für ihn bedeutet, ins Martyrium und in den Tod zu gehen.
Dennoch präsentiert sich mit ethischer Größe und Signifikanz dieses Bild: Im Reich allgemeiner Furcht und Unterjochung ertönt aus einem öden, verlorenen Tal, aus einem wilden samojedischen Dörfchen entgegen der Macht eines allmächtigen Staatsapparates das Wort eines kranken, gequälten Greises, und vor diesem Wort, das ihre Ränke zu zerschellen droht, erzittert die mächtige Staatsgewalt.
Im November und Oktober 1929 reift in Bischof Damaskin ganz klar und deutlich ein Gedanke, den er in all seinen Briefen und Sendschreiben wiederholt: “Das Christentum in Rußland muß in den Untergrund gehen”. Eine Einflußnahme auf breite Volksmassen war unmöglich geworden. Man mußte vor allem die Führungskräfte und einzelne Kerne von Gläubigen - eine kleine Schar - vor dem moralischen Verfall, vor der Ansteckung mit der gangränartigen Lüge retten. Die Masse soll wissen, daß dennoch irgendwo ein von der Welt verworfener “Zufluchtsort der Wahrheit existiert, an dem das nichtabendwerdende Licht funkelt”.
Ende November 1929 wird er erneut verhaftet. Dabei zeigt sich, was für schreckliche moralische Folgen die Deklaration Metropolit Sergijs hat: zum Ankläger von Bischof Damaskin vor den sowjetischen Organen, zu seinem Denunziant, wird ein Vertreter der offiziellen örtlichen Kirche, ein persönlicher Freund von Metropolit Sergij, sein Günstling - der Dekan des Staroduber Dekanats, Erzpriester I., dessen genauen Namen wir nicht kennen. Er klagt Bischof Damaskin vor der lokalen GPU kontrarevolutionärer Predigten an.
Vladyka Damaskin wurde auf die Solovki-Inseln verbannt. Dort traf er viele gleichgesinnte Geistliche, die er bisher nur vom Briefwechsel her kannte; aber Briefen konnte man unter den sowjetischen Verhältnissen oftmals nicht richtig trauen. Mit diesen Gleichgesinnten und Leidensgenossen teilte Bischof Damaskin seine wertvollen Erfahrungen.
Zu jener Zeit war die Korrespondenz mit den Häftlingen bereits sehr erschwert. Briefe an Bischof Damaskin erreichten diesen nicht, Antworten trafen keine ein.
Als er 1934 freigesetzt wurde, erzählte Vladyka Damaskin über seinen Aufenthalt im Solovezki Lager fast nichts, außer, daß der Hunger oftmals ihn und andere Häftling zwang, am Ufer kleine Muscheln und Schnecken zu sammeln.
Seine Mitgefangenen erzählten, daß er jede freie Minute von den Waldarbeiten benutzte, um sich von den Arbeitergruppen in die Tiefe des Waldes zu entfernen und dort zu beten. Wenn dieser Märtyrerbischof in der Nähe irgendwo betete, dann hätte dort eine Atmosphäre ungewöhnlicher Friedlichkeit und stiller Sanftheit geherrscht, selbst in den bunt-gewürfeltsten und gröbsten Arbeitergruppen, die sonst jeglicher Form von Andacht oder Ehrfurcht absolut abhold waren.
1934 begibt sich Bischof Damaskin in den Süden. Möglichkeiten für eine offene, großangelegte Tätigkeit gibt es für ihn bereits keine mehr. Die Periode der vielzähligen, langen und klaren Sendschreiben, der teilnehmerreichen Versammlungen, der viel besuchten Gottesdienste war vorüber. Ein Freund Vladykas drückt sich in dessen Worten aus: “Die allgemeine antireligiöse Zersetzung, darunter auch die innerkirchliche, zwingt einen dazu, sich eher auf die Errettung einer Minorität als einer Majorität von Leuten zu konzentrieren.” Bischof Damaskin sammelt eine kleine Schar von Gläubigen um sich.
Er bereist die ihm bekannten Städte, besucht die Glaubensbrüder. Die Priester ruft er auf, in die Untergrundkirche zu gehen. Unter ihnen versucht er, einen geachteten, ehrwürdigen Erzpriester von Kiew, einen Professor der Geistlichen Akademie, zu überzeugen, sich der von ihm (Bischof Damaskin) gesammelten Untergrundgemeinde anzuschließen. Der Erzpriester lehnt jedoch ab, was Vladyka dermaßen betrübt, daß er einen Herzanfall bekommt. Seine Gesundheit gerät nun ins Wanken.
Nach einiger Zeit wird dieser Erzpriester, der die Kooperation mit der geheimen Kirche verweigert hatte, dennoch von der Sowjetmacht verhaftet und er stirbt schließlich im Gefängnis; aus eigener Erfahrung mußte er sich so von der Unvermeidlichkeit, zur Durchführung von ehrlicher kirchlicher Aktivität ungeachtet der Schwierigkeit dieses Unterfangens unter sowjetischen Verhältnissen, in den Untergrund zu gehen, überzeugen.
Zu dieser Zeit gehen Vladyka sowie einige seiner entschiedensten Gefolgsleute zu einer illegalen Existenzweise über. Er besucht Städte, die für ihn verboten sind, bei seinen Fahrten unterläßt er die Registrierung bei den lokalen NKVD-Behörden. Geheim wohnt er bei Glaubensbrüdern und Kollegen.
Nur in einem verhielt sich Vladyka widersprüchlich: er nahm sein Priestergewand nicht ab, schnitt seine Haare nicht, wie dies jetzt fast alle geheimen Priester in Rußland, um sich vor den Machthabern zu verbergen, zu tun pflegten. Vladyka war die äußere, durch Kleidung und Haartracht erzielte, an Christus erinnernde Form zu teuer, um auf sie zu verzichten.
Anmerkung: Durch dieses Verhalten beschämt er die heutigen Geistlichen im Ausland, die ohne jede Nötigung und Veranlassung das heilige Gewand des Heeres Christi ablegen, das nach dem Vorbild unseres Göttlichen Führers und Religionstifters geschaffen wurde.
Nach all dem bisher Gesagten sind ihm ohne Zweifel auch die Worte zuzuschreiben, die uns zu diesem Thema von einer dritten Person nach den Erzählungen eines der neueren Emigranten, wiedergeben wurden: “Mögen ruhig unsere neuen Pastoren, die im verborgenen arbeiten, Haare und Bart schneiden und das Priestergewand ablegen. Von ihnen fordern wir dieses Gelübde auch gar nicht. Mögen sie das Bild Christi nur in ihrer Seele tragen. Aber wir, die alten Geistlichen gelobten bei der Weihe in den Priesterstand vor dem Kreuz und dem Evangelium nach der alten Regel unter anderem auch, Haare und Bart wachsen zu lassen und ein der geistlichen Berufung angemessenes Gewand zu tragen. Daher dürfen wir dieses Gelübde nicht brechen. Unser Schicksal stellen wir dem Willen Gottes anheim.”
Anmerkung: Der neue Emigrant, der dies erzählte, hatte noch hinzugefügt, daß man heutzutage in der Sowjetunion allgemein nur Priestern in Zivil, die rasiert sind, glaube. “Aber wenn einer mit Bart und in der Rjasa auftritt, und dazu noch mit dem teuren Brustkreuz, so ist er ein Engel.” Natürlich ist diese Meinung etwas übertrieben und unverblümt, aber charakteristisch für die heutigen, so sehr entstellten Zeiten.
Im Spätherbst 1934 wurde Vladyka erneut verhaftet. Zu jener Zeit war es schon verboten, den Häftlingen Päckchen zu schicken, und der Briefwechsel mit ihnen war praktisch ebenso untersagt. Nur Leute, die aus den inzwischen viele Millionen zählenden Lagern zurückkehrten, brachten Nachricht über jene, die zusammen mit ihnen gefangen waren.
Über Vladyka Damaskin hieß es, daß er in einem KZ in Kazachstan als Buchhalter, sogar als Agronom arbeitete, solange ihm dies vom NKVD nicht verboten wurde. In verschiedenen Etappen trieb man ihn dann bald nach Norden, bald nach Süden. Während solch einer Teilstrecke, als die bereits geschwächten Verbannten auf dem Weg vor Erschöpfung umfielen und der bewaffnete Geleitschutz auf die Zurückgebliebenen schoß, packte Bischof Damaskin seinen völlig erschöpften Freund, Gehilfen und geistlichen Sohn, Vater Ioann S., um ihn vor diesem Schicksal zu bewahren, kurzerhand auf seine Schultern, und obwohl er selber völlig am Ende war, trug er den Priester auf seinen Schultern bis zum Standort.
1935 wurde Vladyka aus Kazachstan nach Sibirien ins KZ verschickt. Lange Zeit hörte man nichts von ihm, bis schließlich die Nachricht über seinen Tod eintraf.
Über die Umstände seines Endes gibt es einige bruchstückhafte Meldungen. Wenn man sie zusammenfügt, dann stellt sich das Bild über das Ende des großen Leidendulders Christi so dar:
Der Priester, Vater Andrej B., der der geheimen, von Bischof Damaskin angeführten Kirche angehörte und von den Bolschewiken in der Ukraine kurz vor dem Einmarsch der Deutschen erschossen

*Nach dem Buch von Erzpriester M. Polskij “Russische Neomärtyrer” und anhand weiterer vereinzelter Zeugnisse

Unter der lichten Schar unserer neuen russischen Märtyrer, die bis zuletzt Christus und Seiner Wahrheit die Treue hielten, leuchtet hell der Name von Bischof Damaskin, nicht nur als Märtyrer, sondern auch als großer Lehrer der Kirche, der mit feurigen Worten die Christen zum Wandel auf Göttlichen Pfaden und zur Abkehr von krummen Wegen der Lüge anspornte.
Der hochwürdige Damaskin wurde in der Familie eines armen Postbeamten in Cherson geboren. Sein weltlicher Name war Dimitrij Dimitrieviç Cedrik.
Die ganze Familie der Cedriks ist von Gnadenreichtum geprägt, von der Treue bis zum Tode: der leibliche Bruder des Bischofs Damaskin, der zu Beginn der Oktoberrevolution aus einer weltlichen Familie in den Priesterstand trat, wurde bald wegen seiner furchtlosen Bloßstellung ihrer Verbrechen von den Bolschewiken erschossen.
Dimitrij Cedrik schloß die Mittelschule und darauf das Höhere Landwirtschaftsinstitut mit dem Titel eines Agronom (Diplomlandwirt) ab.
In der vorrevolutionären Zeit gewannen, einhergehend mit dem schrecklichen todbringenden Wehen des nahenden apokalyptischen Sturms, auch die entgegengesetzten Strömungen einer großen geistlichen Erneuerung und Wiedergeburt an Kraft, welche die heller als die Sonne leuchtende Schar der unerschrockenen, großen Bischöfe und Märtyrer hervorbrachten.
Ein Zeichen dieser vorrevolutionären, aufrüttelnden, geistlichen Aktivität ist vor allem das Werk des Erzbischofs und späteren Metropoliten Antonij (Chrapovickij) und die von ihm gegründete kirchlich-monastische Jugendbewegung. Unter den Einfluß von Vladyka Antonij gerieten auch der junge Agronom Dimitrij Cedrik und dessen Bruder.
Nach dem Abschluß der Agrarhochschule belegte Dimitrij Kurse für östliche Sprachen an der Kazaner Geistlichen Akademie; als er diese Kurse beendet hatte, wurde er Mönch.
Im Rang eines Priestermönchsbegab er sich nach Beiguan, an die Orthodoxe Mission in Peking. Hier arbeitete er so erfolgreich auf dem Missionsfeld, daß in der Zeitschrift “Das Feld” ein besonderer Artikel über das Wirken des jungen Priestermönches abgedruckt wurde und ein kleineres Schiff, ein Rettungsboot, zu seinen Ehren “Damasy-Hoshen” benannt wurde.
Während der Revolution kehrte er nach Rußland zurück. Gerade zu jener Zeit erlitt sein Bruder, ein Priester namens Nikolaj, den Märtyrertod.
Irgendwann während jener Zeit wurde Vater Damaskin entweder zusammen mit dem Bruder oder alleine von den Bolschewiken irgendwo, entweder im Gouvernement von Orlov oder im Gouvernement von Tula, zum ersten Mal verhaftet und zum Tode verurteilt. Es ist uns unbekannt, wie er der Todesstrafe entging, vielleicht wurde er von der Weißen Armee gerettet. “In diesem Moment der Todesnähe zieht das ganze Leben im Geist an einem vorüber”, sagte Vladyka in Erinnerung an den Augenblick der Todesgefahr.
1919 kam er nach Kiew zu Metropolit Antonij, den er hoch verehrte. Vladyka Antonij, der Vater Damaskin gut kannte und ihn liebte, ernannte ihn zum Missionar der Eparchie. Zur selben Zeit schrieb sich Vater Damaskin als Gasthörer an der damals noch bestehenden Kiewer Geistlichen Akademie ein.
Schon damals war es dem jungen PriestermönchDamaskin völlig klar und deutlich, daß die gegenwärtigen Ereignisse Vorboten der Apokalypse sind. In einer Predigt anläßlich eines Molebens bei der Bruderschaft des Hl. Vladimir am Kloster des Erzengels Michael zitiert er die “Legende vom Antichrist” von Vladimir Solov’ev und deutet dabei die gegenwärtigen Ereignisse als die Erfüllung der entsetzlichen Prophezeiungen.
Beim Zurückweichen der Weißen Armee begab sich Vater Damaskin auf die Krim, wo er sich eng mit dem gerechten Erzbischof von Taurien Dmitrij Aba‚idze befreundete. Letzterer verlieh Vater Damaskin den Rang eines Archimandriten und ernannte ihn zum Vorsteher des Klosters des Hl. Georg bei Balaklava.
Bei der Einnahme der Krim durch die sowjetischen Truppen blieben Erzbischof Dimitrij und Archimandrit Damaskin auf der Krim, wo sie verhaftet wurden; aber bald wurden sie wieder befreit, da zu jener Zeit die Bolschewiken im Ausland eine Propagandakampagne unter den fliehenden Weißen Truppen zur Rückkehr begannen, und folglich wären Repressalien gegen den weit bekannten Erzbischof Dimitrij und Archimandrit Damaskin für sie nachteilig gewesen.
Gegen 1923 tauchte Archimandrit Damaskin in Moskau auf, wo ihn seine Heiligkeit Patriarch Tichon zum Bischof der zwischen den Distrikten Çernigov und Kursk gelegenen Stadt Gluchov weihte und ihn damit betraute, die Eparchie von Çernigov während der Inhaftierung ihres Erzbischofs Pachomij (Kedrov) zu verwalten.
Das Wirken Bischof Damaskins in der Çernigover Eparchie war nur von kurzer Dauer, aber sehr intensiv; einen Großteil seiner Zeit verwendete er auf den Besuch der Gemeinden seiner Eparchie.
Mehrmals wurde er verhaftet. Einmal wurde er nach mehreren Wochen der Gefängnishaft am Vorabend eines großen Festes wieder freigelassen. Schnurstracks vom Gefängnis fuhr Vladyka zur Vigil in die Kirche, aber erschöpft vom Gefängnis und den Verhören konnte er während der Salbung mit dem hl. Salböl nicht mehr stehen und setzte sich auf seinen Stuhl. Jedoch schon am nächsten Tag zelebrierte er die Göttliche Liturgie völlig frisch und munter.
Diese erste Zeit der direkten Verfolgungen durch die Sowjetmacht und der gefährliche Aufruhr der “Lebenden Kirche” und Erneuerer gegen die Kirche Christi erwies sich als eine helle, lebendige Periode des Erstarkens geistiger Kräfte bei den kirchlichen Arbeitern und ihres begeisterten Kampfes für die Sache des Herrn.
Aus den Reihen der Kirche, die damals noch auf einer unverbrüchlichen kanonischen Grundlage stand und von kompromißlosen Persönlichkeiten wie Patriarch Tichon, Metropolit Pjotr, Erzbischof Serafim Samojloviç, in der ersten Zeit seiner Amtsausübung auch Metropolit Sergij, geführt wurde, ging eine ganze Schar von unerschütterlichen, siegreichen Märtyrern hervor, die triumphierend und mühelos das schmutzige Erneuerer-Schisma niederrangen und die Ränke der gottwidrigen Machthaber abwehrten.
1925-26 wurde Bischof Damaskin von Çernigov nach Charkov ausgewiesen, dort wurde er verhaftet und dann nach Moskau ins Gefängnis Butyrka geschafft.
Von hier aus wurde er im September in die Verbannung ans Ufer des Jenissej jenseits des Polarkreises geschickt.
Seinen Weg dorthin unterbrach Vladyka in Krasnojarsk, wo er einige Zeit verbringen sollte. Interessant ist die Gesinnung der damaligen Zeit: wie die innere Haltung des gläubigen Volkes gegenüber der Kirche trotz Verfolgung noch verhältnismäßig frei war - etwas, was später undenkbar gewesen wäre; so wurde der verbannte Bischof in Krasnojarsk sowohl vom Klerus als auch vom Volk begeistert und mit großen Ehren empfangen. Man stellte ihm in der Stadt eine angemessene Wohnung bereit, gestattete ihm, in den verschiedenen Kirchen der Stadt zu zelebrieren, woraufhin sich besonders viele Gläubige dort einfanden.
Sobald der Schlittenweg befahrbar war, wurde Vladyka im November nach Poloj, 250 km nördlich der Stadt Turuchansk, verschickt. Poloj, das auf den meisten geographischen Karten und Schulatlanten als kleine Siedlung eingetragen ist, bestand in Wirklichkeit nur aus einem Hof, bewohnt von einem russischen Jäger mit seiner Familie und aus noch einem Haus, in dem zwei verbannte Bischöfe wohnten. Weiterhin befand sich in einiger Entfernung von beiden Häusern eine halb verfallene Eingeborenenhütte, in der Bischof Damaskin nun hausen sollte.
Im Frühjahr gesellte sich sein Zellendiener, ein junger Novize, zu ihm; er berichtete Vladyka, wie selbst er, ein junger Mönch, bei der Durchfahrt durch Krasnojarsk von der dortigen Geistlichkeit und Bevölkerung mit Begeisterung und Vertrauen aufgenommen wurde.
Zusammen mit seinem Zellendiener begann Bischof Damaskin, seine Behausung selber in Ordnung zu bringen, und während der kurzen warmen Sommerzeit pflanzte er sogar einen kleinen Gemüsegarten an. Das Grünzeug aus diesem Gemüsegarten und die Päckchen, die er von seiner ihm grenzenlos ergebenen Herde in Çernigov erhielt, erlaubten es ihm, in dieser hohen Polargegend zu überleben und sich selber und seine Mitbewohner vor dem gewöhnlicherweise dort wütenden Skorbut zu bewahren; er konnte sogar seine Gesundheit, die unter dem harten Gefängnisleben schwer gelitten hatte, wieder kräftigen.
Diese Verbannung in den zwanziger Jahren war lange nicht so schmerzlich für ihn, als das was später folgte. Hier in Poloj schrieb Vladyka Damaskin seine berühmten flammenden Episteln, wodurch sein Name nicht nur im ganzen gläubigen Rußland, sondern auch noch weit über dessen Grenzen hinaus, man könnte sagen in der ganzen orthodoxen Welt, bekannt, beliebt und angesehen wurde. Die erste dieser Episteln, wenigstens der uns bekannten, war die im Frühjahr 1927, anläßlich der Öffnung der Kirche in Neœin verfaßte.
Im August 1927 erhielt Bischof Damaskin Kenntnis von der berüchtigten Deklaration von Metropolit Sergij, in welcher dieser seine Loyalität zur Sowjetmacht bezeugt und diese auch von jedem ihm unterstellten Kleriker fordert, der Sowjetmacht Dankbarkeit für ihre Fürsorge um die Kirche darbringt und alle von der Sowjetmacht verurteilten Bischöfe und Priester anklagt, daß ihretwegen zwischen der Sowjetmacht und der Kirche keine guten Beziehungen bestünden. Die Deklaration des Metropoliten Sergij machte einen erschütternden Eindruck auf Bischof Damaskin. Er begriff sofort, daß damit der Russischen Kirche der schwerste aller bisherigen Schläge versetzt wurde.
Anläßlich dieser Deklaration schrieb Vladyka Damaskin über 150 Briefe und Botschaften, darunter seine bekannteste Epistel, die auch für uns im Ausland ein klares Zeugnis gegen jenen Teil der Emigranten-Geistlichkeit wurde, die sich unter freien Bedingungen und ohne Zwang 1927 von der Auslandskirche lossagte, der Politik von Metropolit Sergij hörig wurde und durch ihre Unterschrift ihre Loyalität gegenüber der gottlosen sojwetischen Macht bekräftigte.
In seiner Epistel schreibt Vladyka Damaskin: “Eines ist wichtig, eines sollte man wissen: Glaubt Metropolit Sergij, glauben alle seine Gefolgsleute das, was sie reden und schreiben? Könnte Metropolit Sergij vor dem Kreuz und dem Evangelium schwören, daß das, was er schreibt, einschließlich der Dankbarkeit der Sowjetmacht gegenüber, tatsächlich die Stimme seiner Überzeugung ist, das Zeugnis seines unerschrockenen und reinen Gewissens als Seelsorger? Wir sind überzeugt und bekräftigen, daß Metropolit Sergij und seine Mitbrüder dies nicht ohne Meineid tun könnten. Aber kann denn jemand im Namen der Kirche, von der erhabenen kirchlichen Kanzel aus, das, was er nicht eidlich beschwören könnte, als eine vollkommene Wahrheit verkünden?
Was sagen nun die Kirchgänger? Was fühlen sie, wenn auch von dort, von der hehren letzten Zuflucht der von der Welt verworfenen Wahrheit, von der Höhe der Kanzel aus, Worte der Heuchelei, Menschendienerei und Verleumdung erklingen? Scheint es ihnen nicht, daß die Lüge ihren endgültigen Sieg über die Welt feiert, und daß dort, wo für sie das Bild der verkörperten Wahrheit als ein nichtabendwerdendes Licht aufblitzte, nun die Maske des Vaters der Lüge mit einer abscheulichen Grimasse lacht?
Eines von beiden: entweder ist die Kirche wirklich die makellose und reine Braut Christi, ist sie das Reich der Wahrheit - dann ist die Wahrheit die Luft, ohne die wir nicht atmen können; oder sie lebt wie die ganze im Argen liegende Welt in der Lüge und durch die Lüge - dann ist alles Lüge, jedes Wort Lüge, jedes Gebet, jedes Sakrament.
Es scheint uns, daß Metropolit Sergij und jene mit ihm von dem schrecklichen Trug, daß man die Kirche auf Menschengefälligkeit und Unwahrheit aufbauen kann, gebannt sind. Wir sagen jedoch, daß Lüge nur Lüge gebiert und sie niemals das Fundament der Kirche sein kann. Vor unseren Augen öffnet sich der schändliche Weg der “Kirche der Heimtückischen” - des Erneuerertums. Und diese Schmach des allmählichen Versinkens in das heimtückische Moor immer folgenschwererer Kompromisse und Abtrünnigkeiten, dieses Gespenst des völligen moralischen Verfalls, erwartet unvermeidlich die kirchliche Gesellschaft, wenn sie auf dem eingeschlagenen Pfad weiterschreitet.
Es scheint uns, daß Metropolit Sergij in dem festen Glauben an die Macht der alles überwindenden Wahrheit, an die Göttliche Allmacht wankend wurde. Und diese Wankelmütigkeit übertrug sich wie ein katastrophaler Stoß auf den ganzen Körper der Kirche, der ihn schwer erbeben ließ. Mehr als ein menschliches Herz, das die Worte der Unwahrheit innerhalb der Kirchenmauern hört, fängt in seinem Glauben zu beben an und kann in seinem geheimsten Heiligtum verletzt werden, reißt sich von der Kirche, die ihn getäuscht hat, los und bleibt jenseits ihrer Mauern. Ein tausendmündiges Gerücht trägt das schreckliche Wort in die Masse des Volkes, verletzt die vielleidende Volksseele, und an alle Enden der Erde dringt die Kunde, daß das Königreich Christi nun der Machtbereich des Tieres wurde.
Welche jämmerliche und unwürdige Existenz! Tatsächlich wäre es besser zu sterben, als so zu leben! Eine schwarze Wolke schwebt nun drohend über der Kirche. Dort in den himmlischen Wohnstätten weinen die russischen Heiligen über unsere Erde, diejenigen, die in den vergangenen Jahrhunderten für die Kirche einstanden, die Märtyrer und Bekenner der jüngsten Vergangenheit. Dort in der Hölle rüsten sich die dunklen infernalischen Kräfte zu einem neuen und entscheidenden Triumph. Herr, erbarme dich über deine Kirche! Sie ist ja schließlich deine Braut!”
Diesen Brief und alle weiteren 150 zu diesem Thema einfach mit der sowjetischen Post zu schikken, war undenkbar. Deshalb entschloß sich Bischof Damaskin, das für ihn Wertvollste zu opfern, d.h. auf die Gesellschaft seines Freundes und Mitbruders, seines Zellendieners zu verzichten. Er schickte ihn mit dem Auftrag nach Moskau, einen Teil der Briefe auszutragen und sie persönlich den Gefangenen zu überbringen und den anderen Teil von verschiedenen Orten auf seinem Weg aus per Post abzuschicken.
Im Winter 1928 wurde der größte aller zeitgenössischen russischen Märtyrer, Metropolit Kyrill von Kazan, noch weiter nach Norden verbannt. Zwei heilige Streiter für die göttliche Wahrheit begegneten sich nun, und von da an bis zum Ende verbanden sie die engsten Freundschaftsbande und ein absolutes gegenseitiges Einvernehmen. Für die weitere russische Kirchengeschichte hatte diese Begegnung zweier Märtyrerbischöfe eine ungeheure Bedeutung, weil gerade damals, während dieser wenigen Tage der Anwesenheit Metropolit Kyrills in Poloj die Grundlagen gelegt und die Prinzipien jener kirchlichen Bewegung aufgestellt wurden, die zu keinerlei Kompromiß, weder mit der atheistischen Staatsmacht noch mit der mit ihr zusammenarbeitenden kirchlichen Administration bereit war, und die wir als Katakombenkirche bezeichnen. Im November 1928 endete die Verbannungszeit von Bischof Damaskin.
Er kam nach Krasnojarsk und machte hier zuerst mit der verderblichen, die ganze kirchliche Atmosphäre vergiftende Kompromißpolitik des Metropoliten Sergij Bekanntschaft. Statt tapferer Kühnheit und Entschlossenheit, furchtloser Treue der Kirche und ihren Märtyrern gegenüber, die in den vergangenen zwei Jahren das kirchliche Leben in Krasnojarsk gekennzeichnet hatten, herrschten nun Schrecken, Entzweiung und Unentschlossenheit in dieser Stadt. Den verbannten Bischof, mit dem die gläubigen Bewohner von Krasnojarsk noch im Herbst 1926 furchtlos ihre Solidarität bekannt hatten, scheuten und mieden dieselben Leute jetzt im November 1928.
Das was Bischof Damaskin selbst mit solch erstaunlicher Vorausschau vorausgesagt hatte, begann sich nun katastrophal zu erfüllen: das Schwanken in der Wahrheit und das Irrewerden des offiziellen Hauptes der Kirche an ihr übertrugen sich stoßartig auf den ganzen Körper der Kirche.
Über diese bitteren Eindrücke schrieb Bischof Damaskin aus Krasnojarsk: viel Bitternis mußte ich in jener kurzen Zeit, als ich das örtliche kirchliche Leben von Jenisejsk und Krasnojarsk beobachtete, schlucken. Was werde ich in Moskau und in Zukunft wohl noch antreffen?
Einer der verbannten Geistlichen, der selber ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, sagt anläßlich der Erlebnisse von Bischof Damaskin: “Solche Bedenken sind bei aus dem Gefängnis entlassenen Geistlichen nichts Ungewöhnliches: in der Freiheit ist es oft schlimmer (moralisch schlimmer) als in der Haft, denn es steht ein neuer Kampf und neues Leiden bevor.”
Fortsetzung folgt
Die Einreise in den Distrikt von Çernigov war dem Bischof verboten. Daher ließ er sich in der Stadt Starodub, die früher zum Gouvernement von Çernigov und daher zur Eparchie gehört hatte, aber nach der sowjetischen Distrikteinteilung nicht mehr im Distrikt Çernigov lag, nieder. So wurde Bischof Damaskin das Wohnrecht dort nicht untersagt.
Auf dem Weg nach Starodub machte Vladyka in Moskau halt, wo er an Lungenentzündung erkrankte. Seine Anwesenheit in der Hauptstadt benutzte er zu einer Unterredung mit Metropolit Sergij.
Diese Begegnung, die am 11. Dezember 1928 stattfand, machte einen traurigen Eindruck auf Bischof Damaskin. “Wenn ich aus der Ferne noch das Vorhandensein von Fakten vermutete, die sein Verhalten gerechtfertigt hätten, so stürzten diese Mutmaßungen nun auch zusammen”, schrieb er anläßlich seines Interviews mit Metropolit Sergij.
Das ist eine wichtige Bemerkung, denn auch bei uns hier im Ausland schöpften damals viele Hoffnung: verbirgt sich nicht gar hinter der würdelosen Servilität Sergijs einfach der Versuch, Zeit zu gewinnen, um irgendwie die sowjetische Regierung zu täuschen. Gewiß wäre auch ein derartiger Weg eines kirchlichen Oberhauptes unwürdig, aber trotzdem wäre er noch lange keine Kapitulation vor der atheistischen Macht, keine Union, keine Solidaritätserklärung mit ihr - was Schlimmeres es auf der Welt nicht geben kann.
Die Hoffnungen von Bischof Damaskin erfüllten sich nicht. Vor seinen Augen erfolgte, wie er sich ausdrückte, die “Liquidierung der Kirche auf Betreiben ihres Oberhauptes”.
“Nicht zu zählen sind die unendlich schwerwiegenden inneren Folgen der Deklaration des Metropoliten Sergij - diese Preisgabe der ursprünglichen Wahrheit um eines Linsengerichts falscher Versprechungen nicht realisierbarer Güter willen”, sagt er.
Im Mai 1929 bot ihm einer der besten “sergianischen” Hierarchen, Metropolit Serafim Çiçagov, an, sein Mitarbeiter zu werden, aber er lehnte diesen Vorschlag ab, weil er “so wie früher von sergianischen Angeboten” nichts wissen wollte.
“Es gibt noch einen Vorschlag - so schrieb er - seitens der verbannten Priestern: nämlich, freiwillig zu ihnen in die Verbannung zu kommen. Ich fühle, daß dies der beste Aufenthaltsort wäre. Aber ich möchte auch darum den Herrn nicht bitten.”
Zur selben Zeit geht er in eine geheime Verbindung mit Metropolit Pjotr, der damals in dem entlegenen Dörfchen Che des Kreises Obdorsk verbannt war, ein.
Er schickt Metropolit Pjotr 22 Dokumente, in denen er ein schreckliches Bild vom kirchlichen Verfall und von der inneren Unterjochung der zentralen kirchlichen Organe unter die atheistische Regierung zeichnet . Vladyka Damaskin schickte Metropolit Pjotr eine Kopie aller Anordnungen und Rundschreiben von Metropolit Sergij vom Juli 1927 an bis zum Sommer 1929 und ersuchte den gesetzlichen Verweser des Patriarchenthrones, seine Stimme angesichts der antikirchlichen Aktivität seines Stellvertreters zu erheben.
Der von Bischof Damaskin mit der Überbringung der Dokumente beauftragte Diakon, Vater K., konnte das 200 km von der Eisenbahnstrecke entfernte Dorf nur unter großen Mühen erreichen. Und im Dorf selber war es auch nicht einfach, den kanonischen Ersthierarchen der Russischen Kirche, einen alten kranken Mönch, der sich in der Ecke einer Hütte inmitten einer vielköpfigen Samojeden-Familie verkroch, ausfindig zu machen. Die Einwohner von Che, nenzische Samojeden, ein paganer oder semipaganer Volksstamm, hatten nicht die geringste Ahnung, wer sich unter ihnen befand.
Ein Augenzeuge beschreibt die Lage von Metropolit Pjotr: “Im August 1927 traf auf einem von einem Dampfer aus Obtrest bugsierten Lastkahn Metropolit Pjotr in Che ein. Es gelang ihm, für 10 Rubel monatlich ein Häuschen mit zwei Zimmern bei einer lokalen alten Samojedin zu mieten. Für Verpflegung und Wäsche mußte er weitere 10 Rubel zahlen. Zuerst fühlte sich der Metropolit nicht schlecht und sagte, er atme nun frische Luft und könne sich nach zwei Monaten Haft im Gefängnis von Tobolsk und 10 Tagen Verhör bei der GPU in Obdorsk ausruhen. Er machte Spaziergänge in der Gegend von Che durch die Tundra, die von Gebüsch und niedgrigwüchsigen Birken überwachsen war sowie von Hügeln und kleinen Schluchten umgeben war. Doch am Fest der Enthauptung Johannes des Täufers erlitt er den ersten schweren Erstickungs- und Stenocardie-Anfall und von da an stand er von seinem Lager nicht mehr auf. Das völlige Fehlen jeglicher medizinischen Hilfe und Medikamente veranlaßten uns, einen Einheimischen per Boot (200 Werst nach Obdorsk zu schicken, der die Feldscherer von Obdorsk und von Obtrest mitbrachte. Dieses “Team” schätzt die Lage von Metropolit Pjotr als schwer ein. Nachdem sie einige Medikamente zurückgelassen hatten, rieten sie, um die Verlegung von Metropolit Pjotr an einen anderen Ort mit einem Krankenhaus zu ersuchen. Metropolit Pjotr schrieb einen Antrag an den Bevollmächtigen der GPU von Obdorsk, Ivanov, und bat ihn telegraphisch an Tuçkov die Bitte um seine Verlegung in den Süden zu leiten. Dieses Gesuch gab ich auf meinem Rückweg aus der Verbannung unterwegs in Obdorsk bei der dortigen GPU ab. Nach den Worten von Metropolit Pjotr erhielt er von Juni 1927, d.h. vom Moment seiner Tobolsker Gefängnishaft an, weder Nachrichten noch Geld oder Päckchen aus Rußland, obwohl ihm bekannt war, daß derartige Sendungen auf seinen Namen in Tobolsk eingegangen waren.
Das Klima in Che ist kaltnaß und sehr schlecht für die Gesundheit. Ein Dampfer fährt nur einmal jährlich dorthin. Vater K. traf Metropolit Pjotr als Schwerkranken an. Alles, was ihm Bischof Damaskin übermittelte und schrieb, war für ihn völlig neu.
Vladyka Damaskin beschrieb nach den Worten von Diakon K. seine Reaktion folgendermaßen: “nachdem er alles Material durchgesehen hatte, äußerte sich Dedu‚ka (Großvater, diese vereinbarte Anrede gebrauchte Bischof Damaskin in seinen Briefen an Metropolit Pjotr) über die neue Lage und die weiteren, daraus zu ziehenden Schlüsse beinahe mit denselben Worten wie ich”.
Wir können ganz gut erraten, welcher Art diese “weiteren Schlüsse” von Bischof Damaskin waren - eines tapferen, nicht zu Kompromissen bereiten Bekenners und Ideologen, des Inspirators und Initiators der geheimen, kirchlichen Arbeit: all dessen, was wir jetzt summarisch als Katakombenkirche bezeichnen.
Daher ist die Gewißheit der Katakombenbischöfe und Katakombenpriester, daß auf ihrem Werk der Segen des letzten kanonischen allrussischen Ersthierarchen, des Märtyrers Metropolit Pjotr, ruht, völlig berechtigt.
Bischof Damaskin konnte jedoch zu jener Zeit keine schriftliche Antwort von Metropolit Pjotr bekommen. Vater K. konnte nicht länger als einen Tag in Che bleiben, ohne Gefahr zu laufen, von dem wachsamen Augen der GPU erspäht und verhaftet zu werden, was für ihn sowie für eine große Schar von Geistlichen den Untergang bedeutet hätte. So erhielt Bischof Damaskin niemals eine schriftliche Antwort von Metropolit Pjotr. “Ich gelange allmählich zu der Überzeugung, daß auch ein entscheidendes Wort von Metropolit Pjotr die herrschende Lage nicht ändern kann”, schreibt Vladyka Damaskin bald danach im Oktober 1929.
Trotzdem war es nicht ganz umsonst, daß Metropolit Pjotr auf diese Weise von der wahren Lage der Kirche in Kenntnis gesetzt wurde. 1930 wurde Metropolit Sergij auf Wegen, die der alles zu wissen beanspruchenden GPU verborgen blieben, ein eigenhändiger Brief von Metropolit Pjotr zugeleitet, in welchem letzterer seine Mißbilligung des Kompromisses mit den Kommunisten und den von Metropolit Sergij gemachten Konzessionen zum Ausdruck bringt und ihn direkt herausfordert: “Wenn Sie nicht in der Lage sind, die Kirche zu verteidigen, so treten Sie beiseite und überlassen Sie Ihren Posten einem Stärkeren”. Diesen Brief veröffentlichte Metropolit Sergij niemals, außer dem angeführten Satz.
Die GPU unternahm alles, um herauszufinden, auf welchem Wege dieser Brief reiste und wie er Metropolit Sergij zugestellt wurde, doch wurde die Sache nie aufgedeckt. Als Strafe bekam Metropolit Pjotr noch drei Jahre Verbannung.
Man sagt, daß Metropolit Sergij einen Versuch unternahm, um die Anordnung des Ersthierarchen zu erfüllen und das Ruder der Kirche aus der Hand zu geben. Aber bereits gefangen von der fürchterlichen satanischen Macht, von ihr versklavt und eingeschüchtert, konnte er seinen Willen nicht zur Ausführung bringen, er fand dazu keine Kraft in sich, denn das hätte für ihn bedeutet, ins Martyrium und in den Tod zu gehen.
Dennoch präsentiert sich mit ethischer Größe und Signifikanz dieses Bild: Im Reich allgemeiner Furcht und Unterjochung ertönt aus einem öden, verlorenen Tal, aus einem wilden samojedischen Dörfchen entgegen der Macht eines allmächtigen Staatsapparates das Wort eines kranken, gequälten Greises, und vor diesem Wort, das ihre Ränke zu zerschellen droht, erzittert die mächtige Staatsgewalt.
Im November und Oktober 1929 reift in Bischof Damaskin ganz klar und deutlich ein Gedanke, den er in all seinen Briefen und Sendschreiben wiederholt: “Das Christentum in Rußland muß in den Untergrund gehen”. Eine Einflußnahme auf breite Volksmassen war unmöglich geworden. Man mußte vor allem die Führungskräfte und einzelne Kerne von Gläubigen - eine kleine Schar - vor dem moralischen Verfall, vor der Ansteckung mit der gangränartigen Lüge retten. Die Masse soll wissen, daß dennoch irgendwo ein von der Welt verworfener “Zufluchtsort der Wahrheit existiert, an dem das nichtabendwerdende Licht funkelt”.
Ende November 1929 wird er erneut verhaftet. Dabei zeigt sich, was für schreckliche moralische Folgen die Deklaration Metropolit Sergijs hat: zum Ankläger von Bischof Damaskin vor den sowjetischen Organen, zu seinem Denunziant, wird ein Vertreter der offiziellen örtlichen Kirche, ein persönlicher Freund von Metropolit Sergij, sein Günstling - der Dekan des Staroduber Dekanats, Erzpriester I., dessen genauen Namen wir nicht kennen. Er klagt Bischof Damaskin vor der lokalen GPU kontrarevolutionärer Predigten an.
Vladyka Damaskin wurde auf die Solovki-Inseln verbannt. Dort traf er viele gleichgesinnte Geistliche, die er bisher nur vom Briefwechsel her kannte; aber Briefen konnte man unter den sowjetischen Verhältnissen oftmals nicht richtig trauen. Mit diesen Gleichgesinnten und Leidensgenossen teilte Bischof Damaskin seine wertvollen Erfahrungen.
Zu jener Zeit war die Korrespondenz mit den Häftlingen bereits sehr erschwert. Briefe an Bischof Damaskin erreichten diesen nicht, Antworten trafen keine ein.
Als er 1934 freigesetzt wurde, erzählte Vladyka Damaskin über seinen Aufenthalt im Solovezki Lager fast nichts, außer, daß der Hunger oftmals ihn und andere Häftling zwang, am Ufer kleine Muscheln und Schnecken zu sammeln.
Seine Mitgefangenen erzählten, daß er jede freie Minute von den Waldarbeiten benutzte, um sich von den Arbeitergruppen in die Tiefe des Waldes zu entfernen und dort zu beten. Wenn dieser Märtyrerbischof in der Nähe irgendwo betete, dann hätte dort eine Atmosphäre ungewöhnlicher Friedlichkeit und stiller Sanftheit geherrscht, selbst in den bunt-gewürfeltsten und gröbsten Arbeitergruppen, die sonst jeglicher Form von Andacht oder Ehrfurcht absolut abhold waren.
1934 begibt sich Bischof Damaskin in den Süden. Möglichkeiten für eine offene, großangelegte Tätigkeit gibt es für ihn bereits keine mehr. Die Periode der vielzähligen, langen und klaren Sendschreiben, der teilnehmerreichen Versammlungen, der viel besuchten Gottesdienste war vorüber. Ein Freund Vladykas drückt sich in dessen Worten aus: “Die allgemeine antireligiöse Zersetzung, darunter auch die innerkirchliche, zwingt einen dazu, sich eher auf die Errettung einer Minorität als einer Majorität von Leuten zu konzentrieren.” Bischof Damaskin sammelt eine kleine Schar von Gläubigen um sich.
Er bereist die ihm bekannten Städte, besucht die Glaubensbrüder. Die Priester ruft er auf, in die Untergrundkirche zu gehen. Unter ihnen versucht er, einen geachteten, ehrwürdigen Erzpriester von Kiew, einen Professor der Geistlichen Akademie, zu überzeugen, sich der von ihm (Bischof Damaskin) gesammelten Untergrundgemeinde anzuschließen. Der Erzpriester lehnt jedoch ab, was Vladyka dermaßen betrübt, daß er einen Herzanfall bekommt. Seine Gesundheit gerät nun ins Wanken.
Nach einiger Zeit wird dieser Erzpriester, der die Kooperation mit der geheimen Kirche verweigert hatte, dennoch von der Sowjetmacht verhaftet und er stirbt schließlich im Gefängnis; aus eigener Erfahrung mußte er sich so von der Unvermeidlichkeit, zur Durchführung von ehrlicher kirchlicher Aktivität ungeachtet der Schwierigkeit dieses Unterfangens unter sowjetischen Verhältnissen, in den Untergrund zu gehen, überzeugen.
Zu dieser Zeit gehen Vladyka sowie einige seiner entschiedensten Gefolgsleute zu einer illegalen Existenzweise über. Er besucht Städte, die für ihn verboten sind, bei seinen Fahrten unterläßt er die Registrierung bei den lokalen NKVD-Behörden. Geheim wohnt er bei Glaubensbrüdern und Kollegen.
Nur in einem verhielt sich Vladyka widersprüchlich: er nahm sein Priestergewand nicht ab, schnitt seine Haare nicht, wie dies jetzt fast alle geheimen Priester in Rußland, um sich vor den Machthabern zu verbergen, zu tun pflegten. Vladyka war die äußere, durch Kleidung und Haartracht erzielte, an Christus erinnernde Form zu teuer, um auf sie zu verzichten.
Anmerkung: Durch dieses Verhalten beschämt er die heutigen Geistlichen im Ausland, die ohne jede Nötigung und Veranlassung das heilige Gewand des Heeres Christi ablegen, das nach dem Vorbild unseres Göttlichen Führers und Religionstifters geschaffen wurde.
Nach all dem bisher Gesagten sind ihm ohne Zweifel auch die Worte zuzuschreiben, die uns zu diesem Thema von einer dritten Person nach den Erzählungen eines der neueren Emigranten, wiedergeben wurden: “Mögen ruhig unsere neuen Pastoren, die im verborgenen arbeiten, Haare und Bart schneiden und das Priestergewand ablegen. Von ihnen fordern wir dieses Gelübde auch gar nicht. Mögen sie das Bild Christi nur in ihrer Seele tragen. Aber wir, die alten Geistlichen gelobten bei der Weihe in den Priesterstand vor dem Kreuz und dem Evangelium nach der alten Regel unter anderem auch, Haare und Bart wachsen zu lassen und ein der geistlichen Berufung angemessenes Gewand zu tragen. Daher dürfen wir dieses Gelübde nicht brechen. Unser Schicksal stellen wir dem Willen Gottes anheim.”
Anmerkung: Der neue Emigrant, der dies erzählte, hatte noch hinzugefügt, daß man heutzutage in der Sowjetunion allgemein nur Priestern in Zivil, die rasiert sind, glaube. “Aber wenn einer mit Bart und in der Rjasa auftritt, und dazu noch mit dem teuren Brustkreuz, so ist er ein Engel.” Natürlich ist diese Meinung etwas übertrieben und unverblümt, aber charakteristisch für die heutigen, so sehr entstellten Zeiten.
Im Spätherbst 1934 wurde Vladyka erneut verhaftet. Zu jener Zeit war es schon verboten, den Häftlingen Päckchen zu schicken, und der Briefwechsel mit ihnen war praktisch ebenso untersagt. Nur Leute, die aus den inzwischen viele Millionen zählenden Lagern zurückkehrten, brachten Nachricht über jene, die zusammen mit ihnen gefangen waren.
Über Vladyka Damaskin hieß es, daß er in einem KZ in Kazachstan als Buchhalter, sogar als Agronom arbeitete, solange ihm dies vom NKVD nicht verboten wurde. In verschiedenen Etappen trieb man ihn dann bald nach Norden, bald nach Süden. Während solch einer Teilstrecke, als die bereits geschwächten Verbannten auf dem Weg vor Erschöpfung umfielen und der bewaffnete Geleitschutz auf die Zurückgebliebenen schoß, packte Bischof Damaskin seinen völlig erschöpften Freund, Gehilfen und geistlichen Sohn, Vater Ioann S., um ihn vor diesem Schicksal zu bewahren, kurzerhand auf seine Schultern, und obwohl er selber völlig am Ende war, trug er den Priester auf seinen Schultern bis zum Standort.
1935 wurde Vladyka aus Kazachstan nach Sibirien ins KZ verschickt. Lange Zeit hörte man nichts von ihm, bis schließlich die Nachricht über seinen Tod eintraf.
Über die Umstände seines Endes gibt es einige bruchstückhafte Meldungen. Wenn man sie zusammenfügt, dann stellt sich das Bild über das Ende des großen Leidendulders Christi so dar:
Der Priester, Vater Andrej B., der der geheimen, von Bischof Damaskin angeführten Kirche angehörte und von den Bolschewiken in der Ukraine kurz vor dem Einmarsch der Deutschen erschossen

*Nach dem Buch von Erzpriester M. Polskij “Russische Neomärtyrer” und anhand weiterer vereinzelter Zeugnisse