Predigt zum 4. Herrensonntag der Fastenzeit
Liebe Brüder und Schwestern,
nun stehen uns noch gute zwei Wochen an, bis wir am Kreuze stehen, Christus begraben und schließlich die Lichte Auferstehung Christi mit unseren geistlichen Augen betrachten können. Bis dahin werden wir aber noch Einiges erledigen müssen, nämlich unser geistliches Leben wenn möglich in Ordnung bringen, denn ohne das ist die wahre Begegnung mit dem Auferstandenen nicht realisierbar. Um uns auf das Wiederbeleben des inneren Menschen besinnen zu lassen, legten die seligen Schöpfer des Orthodoxen Typikons fest, am 4. Herrensonntag der Fastenzeit des Hl. Johannes Klimakos zu gedenken. Dieser Eremit und Beichtvater mehrerer Heiligen, dessen Wirken wohl auf das 6. Jh. zu datieren ist, verfasste seine „Himmelsleiter“ mit der Absicht, seinen Brüdern in Christo in Form der 30 Stufen den Weg zur Vollkommenheit und wahren Freiheit im Paradise zu zeigen. Dieses asketische Programm des Klimakos wurde zum Teil sogar im Westen rezipiert, wo es man zur Grundlage des klösterlichen Lebens nahm.
Großes Verlangen nach der Verfassung der „Leiter“ kann man wohl noch damit erklären, dass das syntaitische Mönchtum im 6. Jh. seine bedeutesten Veränderungen erfahren hat, weshalb man in dieser Schrift ein Lebensprogramm für die nach der vita angelica (der engelsgleichen Leben) strebenden Mönche sah. Aber was können wir, die in der Welt wandelnden Menschen, – wenn überhaupt – aus diesem zweifelsohne wichtigen Werk lernen? Zunächst muss man zugeben, dass es heutzutage jene im Glauben eifrigen Brüder und Schwestern gibt, die in solchen Schätzen wie Klimakos´ Leiter ein allgemein gültiges Mittel gegen alle im Leben herrschenden Probleme zu suchen pflegen. Dieses Vorgehen kann ohne Fragen lobenswert sein, insbesondere wenn man authentische Askese zum Maßstab seines Lebens nimmt. Man bedenkt aber nie, dass derartige Praktiken für eine unerfahrene Seele schädlich sein können, selbst wenn man dabei gute und auf den ersten Blick harmlose Ziele verfolgt. Im heutigen christlichen Leben braucht man jedoch sich lange Zeit nicht mit fester Speise, sondern mit Milch zu ernähren, um allmählich und alles verstehend in die kirchliche Realität eingeführt zu werden. Denn die wahre Askese erfordert festes Fundament, das des Öfters nicht gegeben ist oder von vermeintlichen Asketen für unwichtig gehalten wird. Das Hauptgerüst des Glaubens soll auf Fels und nicht auf Sand gebaut werden, gerade darum, weil man sich ohne das dem Teufel gegenüber zwangsläufig angreifbar macht.
Um besser zu verstehen, wessen man für das erwähnte Fundament bedarf, gibt uns der Herr ein wirksames Rezept für die Stärkung unseres Glaubens: „Diese Art (sprich böse Geiste) vermag durch nichts auszufahren, außer durch Gebet und Fasten“ (Mk 9:29). Wenn unser Leben auf diesen zwei Säulen, Gebet und Fasten, fußt, dann haben wir bereits mehrere Stufen der Himmelsleiter bestiegen. Ich meine vor allem jenen Maßstab der Askese, den man für heutige Zeit sowie heutige Christen setzen kann und darf, nicht zuletzt, weil wir ja keine sinaitischen Mönche sind, die in der Wüste ihr tugendhaftes Leben führen. Aus diesem Grund halte ich es für notwendig, des Hl. Johannes nicht durch die sinnlose Lektüre seiner Schrift, sondern durch das Streben nach der Festigung wahren Gebets und nicht pharisäischen Fastens zu gedenken. Für Manche ist das zweite nur eine mehr oder weniger passende Gelegenheit, ein paar Kilo abzunehmen, während man sich immer und wieder allen möglichen Lüsten aussetzt und dadurch sein anfangs gutes Bestreben zunichte macht. Insofern lassen wir uns heute die zu beherzigenden Gebote unseres Herrn befolgen und, wie Paulus an die Hebräer schreibt, in Hoffnung und Vertrauen einen festen und sicheren Anker unserer Seele haben (Hebr 6:19). In diesem Zustand, in wahrem Fasten und eindringlichem Gebet mögen wir die restliche Fastenzeit verbringen! Amen.