Allgemeines
Bote 1997-1
Predigt
von S. E. Erzbischof Antonij
von Westamerika und San Francisco
in der Münchner Kathedralkirche
(2./15. Dezember 1996 – 28. Sonntag nach Pfingsten – Hl. Prophet Avvakum)
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Brüder und Schwestern!
Der Hl. Gregor der Theologe begann im 4. Jh. seine berühmte Homilie (und alle seine Homilien sind berühmt) mit dem Aufruf: Christus wird geboren, verherrlicht Ihn! Christus kam vom Himmel, begegnet Ihm! Christus ist auf Erden, erhebt euch in Gemüt und Geist zu Ihm! Vier Jahrhunderte später nahm der Schöpfer des ersten Hymnenkanons zu Christi Geburt, der Ehrwürdige Kosmas von Majum, diese Worte und gestaltete sie zu dem Irmos der Hymne, die uns beginnend mit der Nachtwache zum Fest des Einzugs der Allerheiligsten Gottesgebärerin in den Tempel so eindringlich klingt und zuruft: Christus wird geboren, verherrlicht Ihn, Christus kommt vom Himmel, geht Ihm entgegen, Christus ist auf Erden, erhebet euch zu Ihm! Ein Aufruf zur Verherrlichung und zur Begegnung. Zu was für einer Begegnung? Natürlich zu einer rein geistlichen.
Heute hörten wir aus dem Hl. Evangelium nach Lukas über eine Begegnung mit Christus dem Heiland, die in den Tagen Seines irdischen Lebens stattgefunden hatte. Über die wundervolle Begegnung, welche mit verschiedenen Details nicht nur der Evangelist Lukas, sondern auch der Evangelist Matthäus und der Evangelist Markus beschrieben. Es war so. Im dritten Jahr der Verkündigung Christi des Heilandes auf Erden, als Er aus Galiläa in das Gebiet des jüdischen Landes jenseits des Jordans (Mt. 19,1) zog, hörte ein Jüngling – wie wir bei Lukas hören ein Oberster (Lk. 18,18), (es wird vermutet, gar einer der Synagogenvorsteher), ein Vermögender also, wie weiter aus dieser Erzählung hervorgeht – von Christus dem Erlöser, der ein Prophet aus Nazareth sei, oder gar wie einige ahnten und errieten, der von allen ersehnte Messias, und dort vorbeiziehen würde. Da lief er Ihm entgegen, fiel auf die Knie und sprach: Guter Meister! Was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Jesus aber sprach zu ihm: Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein (Lk. 18,19) – im höchsten Grad, im vollen Sinn dieses Wortes. Als ob der Herr sprechen würde: Das bedeutet also, du fühlst, du weißt, mit wem du sprichst. Es ist ähnlich der Episode, als der Herr den von ihm geheilten Blindgeboreren trifft und ihn fragt, ob er an den Sohn Gottes glaube. Nach einigen Augenblicken dieses wortlosen Gespräches spricht plötzlich der Herr: Wenn du ins ewige Leben eingehen willst, über das du dich erkundigst, dann halte die Gebote. Welche? Der Herr zählt dem Jüngling die alttestamentlichen Gebote auf, die von der Beziehung zum Nächsten handeln: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugnis reden, du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren (Lk. 18,20). Der Jüngling antwortet, daß er all dies von seiner Jugend an gehalten habe. Er war nicht ein gewöhnlicher junger Mann, sondern ein Suchender, ein Fragender, der sich bemühte, nach den höchsten Idealen seiner Zeit zu leben und der hoffte, vom Herrn etwas Neues zu hören.
Aber erfüllte der Jüngling tatsächlich diese Gebote? Ja und nein. Er erfüllte sie eben als ein alttestamentlicher Mensch. Nur der Herr lehrte ihn, diese Gebote in aller Tiefe zu erfüllen. Ihr habt gehört, spricht der Herr, daß zu den Alten gesagt wurde: Töte nicht, aber Ich sage euch: Hege auch keinen Groll deinem Nächsten gegenüber; ihr habt gehört, daß gesagt wurde: Brich die Ehe nicht, aber Ich sage euch: Blicke auch nicht mit unreinen Augen, mit Lust und Verlangen auf eine Person des anderen Geschlechts. Der Jüngling konnte im Augenblick all dies nicht ganz verstehen, obwohl er ein für seine Zeit hervorragender junger Mann war.
Und da passierte etwas Besonderes, worüber heute nicht gelesen wurde, denn der Evangelist Lukas schreibt darüber nicht, nur der Evangelist Markus. Der Herr schaute diesen Jüngling an und liebte ihn (Mk. 10,21). Was bedeutet das? Gott ist die Liebe, das ist Seine hauptsächliche Eigenschaft und das ist Er ganz und gar. Der Herr liebt alle – in der Hinsicht, daß Er allen das Heil wünscht.
Und wenn gesagt wird, daß der Gottmensch Christus diesen Jüngling anblickte und ihn liebte, wer hätte dies fühlen, wer hätte dies wissen sollen? Von den drei Evangelisten spricht nur einer davon. Der Hl. Evangelist Johannes, bei dem von dieser Begegnung nichts steht, bezieht sich auf sich selbst als auf den Jünger, den Jesus lieb hatte (Jh. 21,20), d.h. sich nicht bei seinem Namen nennend spricht er mit tiefer Demut von sich: er, der beim Letzten Abendmahl an der Brust des Herrn lag, er, der alleine an Seinem Kreuz blieb, als die anderen davonliefen.
Vielleicht hatte der Evangelist Markus einen Grund, um die besondere Erinnerung an diesen Vorfall, diese Begegnung zu bewahren? Was wurde in der Folge aus diesem Jüngling? Also der Herr blickte ihn an und liebte ihn, wie der Evangelist Markus sagt; und wie auch die anderen berichten, spricht Er dann: Willst du vollkommen sein (Mt. 19,21), oder wie ein anderer sagt: eines fehlt dir (Mk. 10,21), so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach (Mt. 19,21); der Apostel Markus fügt noch hinzu: und nimm das Kreuz auf dich. Dies heißt: Sei bereit zu jeder Kränkung, zu jedem Leiden, zu jeder Qual, bis zum Kreuzestod. Diese Worte bedeuten: Geselle dich zu diesem Reigen: zu Petrus, zu Andreas, zu Jakobus, Johannes und den anderen heiligen Aposteln, wenn du vollkommen sein willst. Der Herr sagte: wenn du vollkommen sein willst. Er verlangt nicht von jedem Menschen, sich von seinem Vermögen loszusagen und es an die Armen zu verteilen. Aber wenn du etwas Besonderes suchst, dann handle so! Und jener Jüngling ging, wie alle Evangelisten bezeugen, betrübt von dannen (was Künstler des Abendlandes oft in ihren Gemälden darstellten), weil er großes Vermögen hatte.
Aber die Geschichte endete damit nicht. Die Apostel standen um den Heiland und der Herr spricht: Seht ihr, wie schwer kommen die Reichen in das Reich Gottes (Lk. 18,24). Die Jünger entsetzten sich. Das ist ebenso schwer, wie für ein Kamel durch ein Nadelöhr zu gehen. Hier gibt es zwei Auslegungen. Eine, daß “Kamel” auch eine Bezeichnung für ein dickes Schiffstau war, und die andere, daß ein Kamel mit Müh und Not durch ein gewisses Stadttor der Jerusalemer Stadtmauer hindurchdurchkam, das seiner Enge wegen “Nadelöhr” hieß. Das Kamel mußte auf den Knien liegend hindurchkriechen. Das heißt, für einen Reichen ist es äußerst schwer, ins Königreich Gottes zu gelangen, aber dennoch nicht ganz unmöglich. Und wieder fügt der Evangelist Markus eine Einzelheit hinzu, die nur er allein erwähnt. Der Herr mildert Seine Worte und spricht zu den Aposteln und jenen, die Ihn sonst noch hörten, indem Er sich liebevoll an Seine Zuhörer wendet: Liebe Kinder, wie schwer ist’s für die, so ihr Vertrauen auf Reichtum setzen, ins Reich Gottes zu kommen (Mk. 10,24). Die Apostel fragten darauf: Wer kann dann überhaupt gerettet werden? Und der Herr spricht nun die allertröstlichsten Worte, sowohl für die Apostel als auch für jenen von dannen gehenden Jüngling: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich (Lk. 18,27), während Markus hinzufügt: denn alle Dinge sind möglich bei Gott (Mk. 10,27).
Wir wissen nicht, was weiter mit dem Jüngling geschah, aber er ist dem Evangelisten Markus sehr ähnlich. Dieser war reich. Im Hause seiner Mutter Maria versammelten sich die ersten Christen, dorthin kam auch der Apostel Petrus, nachdem er von dem Engel aus dem Kerker befreit wurde (Apg. 12,12). Über den Evangelisten Markus schreiben die Kommentatoren des Hl. Evangeliums, daß dies derselbe Jüngling sei, welcher, als der Herr im Garten Gethsemane nach dem Verrat des Judas ergriffen wurde, nackt in ein Leinen eingehüllt hinter Christus, den sie wegführten, herlief. Er rannte offensichtlich von dem starken Wunsch getrieben, Ihm zu helfen. Aber die Krieger packten auch ihn, und das Leinen in ihren Händen fahrenlassend, floh er – es fehlte ihm die Entschlossenheit (Mk. 14,51-52). Auch wird über Markus, d.h. über Johannes mit dem Zunamen Markus, in der Apostelgeschichte erzählt, daß der Apostel Paulus ihn bei seiner ersten Reise mit sich nahm, aber sie fuhren zusammen nur bis Pamphylien, und der Apostel Paulus erachtete es für nicht billig Markus mitzunehmen, der in Pamphylien von ihnen gewichen war und nicht mit ihnen gezogen war zu dem Werk (Apg. 15,38); dann nahm Markus den Apostel Barnabas zu sich und sie fuhren nach Cypern. So bekundete er auch hier Unentschlossenheit. Aber was sehen wir dann? Danach war er bei dem Apostel Petrus, dann wieder bei Paulus, bei demselben Paulus, der ihn zuerst nicht mit sich nehmen wollte.
Ach wie sehr glich doch in seiner Jugend Johannes Markus, der spätere heilige Evangelist, jenem reichen Jüngling des Evangeliums, der zu dem guten Meister lief, welcher ihn anblicke und ihn liebte (Mk. 10,21)! Und wer außer Markus selbst hätte darüber berichten können!
Eben da wandte sich der Herr an die Apostel mit dem Wort: Liebe Kinder! Und von drei Evangelisten ist es wiederum nur der Hl. Markus, der diese rührende Einzelheit erwähnt (Mk. 10,24). Obwohl der Jüngling des Evangeliums damals unmutig wurde und traurig davon ging (Mk. 10,22), ist doch das ganze weitere Leben des Hl. Markus als Apostel und Gefährte der Apostelfürsten, der sein Kreuz auf sich nahm und dem, den er liebte, nachfolgte, ein wunderbarer Beweis dafür, daß bei Gott alles möglich ist. Amen.
Bote 1997-1
Aus dem Leben der Diözese
p Am Freitag, den 7./20. Dezember leitete Erzbischof Mark den Vorsitz bei der ordentlichen Versammlung des Diözesanrates in Wiesbaden. Hier wurden wichtige Fragen des Lebens unserer Diözese wie z.B. die Probleme der Bezahlung unserer Priester, die Verteilung der Priester in den Gemeinden u.ä. besprochen.
p Von Wiesbaden aus reiste Erzbischof Mark am Sonnabend nach Köln, wo er an der Vigil in der Hl. Demetrios-Kirche teilnahm. Am Sonntag, den 9./22. Dezember, zelebrierte er dann die Göttliche Liturgie in der Hl. Nikolaus-Gemeinde in Düsseldorf. Hier konzelebrierte ihm Priester Viktor Ussatchov und Diakon Vladimir Tsurikov. In seiner Predigt ging der Bischof auf die Lesung des Tages-Evangeliums ein, in der gesagt ist, daß von zehn Aussätzigen nur einer zurückkam und Gott dankte, und sagte, daß solche Menschen zu den “Auserwählten Gottes” gehören, von denen der Hl. Apostel Paulus in der heutigen Apostellesung spricht. Es wird gesagt, daß sie sich nicht nur in Barmherzigkeit, Güte, Sanftmut und Langmut kleiden (Kol. 3, 12), sondern, da dies Eigenheiten jedes Menschen sind, die ihm vom Schöpfer verliehen wurden. Nur unser Eigenwille und Egoismus verdrängt diese Eigenarten so stark aus unserem Leben, daß wir sie kaum noch als natürliche Gegebenheiten betrachten. Überall das stellt der Heilige Apostel die Liebe als Band der Vollkommenheit. Nur die Liebe zu Gott und den Nächsten ermöglicht uns, daß sich der Friede Gottes in unseren Herzen ansiedelt (Vers 14-15). Die Liebe ersetzt in uns alle Leidenschaften und verleiht uns die Kraft, die von Gott geschenkte positive Kraft der Leidenschaften zu nutzen. Die Liebe verleiht dem Menschen wahres Leben und Unsterblichkeit.
In seiner Ansprache beim Mittagsmahl dankte Erzbischof Mark Vater Viktor Ussatchov und seiner Matuschka herzlich für die Mühen, die sie in den 14 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland auf sich genommen haben, um die Gemeinden in Düsseldorf, Bochum und Kassel zu betreuen. Einige Zeit mußte Vater Viktor zu Beginn des Jahres auch in Frankfurt Erzpriester Dimitrij Ignatiew verteten, als dieser krank war. Vater Viktor und seine Frau kehren nach Weihnachten wieder nach Rußland zurück.
p Am Montag, den 17./30. Dezember 1996, wurde im Kloster des Hl. Hiob von Po¡caev in München der Novize Andrej Neyman zum Rassophor-Mönch geweiht. Erzbischof Mark nahm diese Mönchs-Tonsur am Ende des Apodipnon in Gegenwart der gesamten Bruderschaft vor. Andrej Neyman wurde 1948 in einer polnischen Emigranten-Familie in England geboren, wo er auch seine Schul- und Universitätsausbildung erhielt. Seit vielen Jahren sang er im Chor unserer Gemeinde zum Entschlafen der Gottesmutter in London, wo er zuletzt als Lektor tätig war. Im Sommer 1995 trat er in das Kloster des Hl. Hiob ein und durchläuft hier seitdem seinen Gehorsam in der Kerzenzieherei, Druckerei und in der Buchhaltung.
p Am 5./18. Dezember 1996 reiste Erzbischof Mark zum Fest des Heiligen Nikolaus von Myra nach Frankfurt, um dort an diesem Abend die Vigil und am folgenden Vormittag die Göttliche Liturgie aus Anlaß des Patronatsfestes der Frankfurter Gemeinde zu feiern. Am Abend zelebrierte Erzpriester Jevstafij Strach mit dem aus Amerika zu Besuch weilenden Diakon Vladimir Tsurikov. Vater Vladimir, ein Neffe des Frankfurter Erzpriesters Dimitrij Ignatiew, war vor einigen Jahren aus unserer Diözese mit dem Segen von Erzbischof Mark zum Theologie-Studium nach Jordanville gegangen. Dort hatte er nach Abschluß des Priesterseminars geheiratet und war zum Diakon geweiht worden. Er arbeitet als Krankenpfleger, um seine Familie mit zwei Kindern zu unterhalten, und zelebriert an Sonn- und Feiertagen zumeist im Kloster in Jordanville. In letzter Zeit unterrichtet er auch am Priesterseminar und übernahm einige Aufgaben in der Verwaltung des Seminars.
Die Litie mit der Brotweihe vollzog Erzbischof Mark mit Erzpriester Dimitrij Ignatiew und den vorgenannten Geistlichen. Am folgenden Tag, dem 6./19. Dezember zelebrierte der Diözesanbischof zusammen mit allen genannten Geistlichen sowie dem aus Wiesbaden angereisten Priester Slawomir Iwaniuk und Diakon Viktor Zozoulja. In seiner Predigt sprach Erzbischof Mark von der Verbindung zwischen Sanftmut und Demut einerseits und Zorn andererseits in der Person des Hl.Nikolaus. (s. unten)
Nach der Göttlichen Liturgie fand ein Gebetsgottesdienst an den Heiligen Nikolaus mit einer Prozession um die Kirche statt. Im Anschluß lud die Gemeinde im Refektorium zu einem Festmahl ein.
Bote 1997-1
Predigt von S. E. Erzbischof Mark am 6./19.12. 1996, in Frankfurt
zum Fest des Hl. Nikolaus, Erzbischof von Myra in Lykien
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Brüder und Schwestern!
Eine feste Regel des Glaubens und ein Vorbild an Sanftmut nennt die Kirche den Hl. Nikolaus in ihren Gesängen. Das Leben des Hl. Nikolaus zeigt uns, wie sich in der Person eines Menschen, eines Gottgefälligen, Eigenschaften, die auf den ersten Blick entgegengesetzt scheinen, vereinigen. Um eine feste Regel des Glaubens zu sein, trat er bei dem Ökumenischen Konzil mit heiligem Zorn gegen die Gegner des wahren Glaubens auf. Und gleichzeitig besaß er jene Sanftmut, über die nur ein Mann Gottes verfügen kann. Die Kraft des Zorns vereint sich mit Sanftmut und Demut, der Grimm gegen die Gegner des Glaubens und der Wahrheit mit Demut. Wie ist das möglich? Möglich ist das in einem Menschen nur deshalb, weil nämlich die Kraft zu richtig eingesetztem Zorn und Grimm von Gott dem Herrn gegeben wird. Gewöhnlicherweise, wenn es um Zorn und Grimm geht, verurteilen wir diese, denn wir setzen voraus, daß sie nur so anzuwenden sind, wie wir sie selber leider all zu oft anwenden – nämlich gegen unseren Nächsten, gegen die Geschöpfe Gottes. In der Tat sind uns diese hohen Fähigkeiten dazu gegeben, daß wir sie gegen die sich in uns verbergenden Leidenschaften einsetzen. Auf diese Weise verwandt, begreifen wir, daß sie sich sehr gut mit Sanftmut und Demut, mit der wahren Liebe verbinden lassen.
Darum, liebe Brüder und Schwestern, daß wir uns in richtiger Weise der Regel des Glaubens und der uns in der Taufe geschenkten göttlichen Gnade zufolge diese Gaben zunutze machen, müssen wir unser Herz reinigen. Hier steht uns eine schwere Arbeit bevor, denn das Herz, dieses kleine Gebilde, dieses kleine Organ unseres Körpers, ist eine spirituelle Dimension, die unsere stetige Aufmerksamkeit erfordert. Viele von uns wissen überhaupt nicht, was das Herz in seiner spirituellen Bedeutung ist. Darum, um in es einzudringen und es zu reinigen, ist die ständige Askesemühe der täglichen Erinnerung an Gott und des täglichen Kampfes gegen unsere Leidenschaften vonnöten. Wenn wir uns in unseren Geist vertiefen, dann finden wir in seiner Tiefe die Leidenschaften: Verachtung, Mißbilligung, Neid, alles Eigenschaften, die uns von Gott entfernen. Und wenn wir im täglichen Gebet, im Fasten, im Bekennen unserer Sünden diese Schlangen aus unserem Geist verjagen, dann gelangen wir durch den Geist zum Herzen. Aber das Herz birgt einen Abgrund in sich, auch wenn es, wie wir bereits sagten, äußerlich gesehen, ein kleines Organ unseres Körpers ist. Es beherbergt den Abgrund der Verwerfung Gottes, den Abgrund des Neides und der Bosheit, und allermeistens auch den Abrund der Eigenliebe. Nur durch die Läuterung dieses fürchterlichen sündigen Abgrundes kann sich im Herzen eine neue Tiefe auftun, diejenige der göttlichen Liebe, die Tiefe aller göttlichen Schätze, die Tiefe der Tugenden und letzten Endes die Tiefe der Liebe zu Gott. Nur so kann ein Herz unterscheiden zwischen Gut und Böse, kann es die Geister unterscheiden: nur ein durch tägliche geistliche Übung gereinigtes Herz kann die göttliche Kraft des Grimms und des richtig verstandenen und angewandten, mit Sanftmut gemilderten Zorns erfassen, deren Vorbild unser himmlischer Beschützer, der heilige Nikolaus ist.
In diesem Kampf, liebe Brüder und Schwestern, müssen wir vernünftig und überlegt vorgehen. Die Läuterung des Herzens von allen sündigen Überlagerungen wird durch die schrittweise Annäherung an das Ziel erreicht. Am vergangenen Sonntag hörten wir das Gleichnis über den Jüngling, der den Herrn fragte, wie man das himmlische Königreich gewinnen kann. Der Jüngling war enttäuscht, als er eine so einfache Antwort hörte: halte die Gebote, sprach der Herr zu ihm (Mt. 19,17).
Am heutigen Tag will ich euch einen so einfachen Rat geben: Lest die Heilige Schrift, taucht mit eurem Gemüt in sie ein, und euer Herz wird sich durch die beständige Berührung mit dem Wort Gottes reinigen, heiligen und erleuchten. Es wird nicht nur fähig sein, die Gnade Gottes aufzunehmen, sondern sie auch auszustrahlen und weiterzugeben. Dies zusammen mit dem Gebet, das nicht nur aus Pflicht verrichtet wird, sondern aus Liebe zu Gott, führt uns aus jener Welt, die im Argen liegt hinaus und geleitet uns zum ewigen Leben. Amen.
(Patronatsfest der Frankfurter Gemeinde)
Bote 1997-1
Orthodoxe Tagung
p Vom 26. bis 28. Dezember 1996 (n.St.) fand an der Kathedralkirche in München mit dem Segen und unter Leitung S.E. Erzbischof Mark die alljährliche Orthodoxe Tagung statt. Dieses Mal versammelte sich eine besonders große Zahl von Teilnehmernsowohl aus unserer als auch anderen benachbarten Diözesen. Traditionsgemäß wurde die Tagung mit einem Bittgottesdienst (moleben) eröffnet.
Unmittelbar nach dem moleben hielt Erzbischof Mark seinen Vortrag zum Thema: “Das Herz als Mittelpunkt der geistlichen Tätigkeit des Menschen”. Seinen reichen und gedrängten Überblick über die patristische Lehre vom Herzen begann der Bischof mit Zitaten aus den Werken russischer Philosophen des 19. und 20. Jh. über die Rolle des Herzens in der geistigen Entwicklung sowohl des Individuums als auch der Gesellschaft insgesamt. Die Entfremdung vom Herzen führt nach dem Ausdruck A.I. Ilyins zum Absterben und Fehlunktion aller geistlichen Organe des Menschen: “nicht zum Guten, sondern zum Schaden des Menschen und der Menschheit”.
Die gesamte Lehre der Heiligen Väter vom Herzen baut auf zwei Wahrheiten des Evangeliums auf: aus dem Herzen kommen böse Gedanken... Das sind die Dinge, die den Menschen unrein machen (Mt. 15, 19-20), und selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen (Mt.5, 8). Diese von den großen Vätern und Kirchenlehrern in ihrer Erfahrung erlebten Wahrheiten sind in ihren Schriften ausführlich dargelegt, damit der Mensch, der gottgefällig leben möchte, einen zuverlässigen Führer auf dem schwierigen Weg zur Reinigung des Herzens finde. Das geistliche Leben hat die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zum Ziel, in welchem der Geist Gottes im Herzen mit dem menschlichen Geist verbunden ist. Die göttliche Gnade offenbart deutlich ihre Gegenwart und Wirksamkeit nur dann, wenn der Mensch beständig an seinem Herzen arbeitet. Diese Arbeit ist nur in der Kirche möglich, und nur unter richtiger Anleitung und bei allmählichem Aufsteigen auf der Leiter des geistlichen Lebens. Die Gläubigen unserer Diözese hören von Erzbischof Mark nicht zum ersten Mal von der Reinigung des Herzens – beinahe in jeder seiner Predigten unterstreicht Vladyka die Rolle des Herzens im geistlichen Leben und ruft dazu auf, keine Mühen bei der Reinigung des Herzens zu scheuen (s. z.B. die Predigt auf S. 9 dieser Ausgabe des Boten).
Am zweiten Tag des Kongresses hielt Erzpriester Vater Ambrosius Backhaus aus Hamburg mehrere Vorträge.
In seinen Vorträgen über Organtransplantation, Gentechnik und künstliche Verlängerung des Lebens verschmolz Vater Ambrosius seine lebendigen Erfahrungen als Arzt und Priester, und eröffnete somit den Zuhörern einen neuen Zugang zu diesen Themen. Dabei enthielt er sich, ein fertiges Rezept über den Umgang damit zu geben, sondern forderte jeden auf, eine gut durchdachte, eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen, noch bevor er “von der Wirklichkeit überrollt wird” und in “die Maschinerie der Heilbehandlung” gerät.
Das am häufigsten übertragene Organ ist das Blut. Ein Hinweis, wie wir uns dazu stellen können, bietet die Geschichte der Forschung. Der erste Versuch einer Blutübertragung war erfolgreich. Der todkranke Patient genas. Der zweite jedoch scheiterte und der Patient starb. Doch der Forschung war schon ein positiver Auftrieb gegeben. Darin sieht Vater Ambrosius die lenkende Hand Gottes.
Viel Stoff zur Diskussion bot die Herztransplantation. Hierin war die Frage entscheidend, ob das Herz der Sitz der Seele ist, und ob daher eine Herzübertragung einen unzulässigen Eingriff in das gesamte geistige Wesen des Menschen bildet. Vater Ambrosius hatte zwei Gegenargumente: Die Pumpe, die bei einer Transplantation ersetzt wird, ist nur ein Teil des Herzens, das wiederum auf unzertrennliche Weise mit dem ganzen Körper verbunden ist. Wer diesen großen Zusammenhang sieht, kommt mit Vater Ambrosius zu dem Schluß, “daß man letzendlich die Pumpe nicht für sehr ernst halten muß”. Und zweitens lehrte ihn seine Erfahrung: “Menschen, die ein fremdes Herz haben, sind nicht wesensverändert.” Während die Funktion des Herzens mit Maschinen bis zur Organverpflanzung überbrückt werden kann, kann die des Gehirns nicht ersetzt werden. “Wenn das Gehirn tot ist, ist der Mensch so tot, daß ihm kein Artzt mehr helfen kann.”
Wir sollten uns fragen: Vielleicht ist es wirklich ein Opfer, nach meinem Tod einem anderen Menschen ein Organ zu schenken? Wir finden bei den Kirchenvätern auch den Hinweis, daß Gott, der den Menschen erschaffen hat, ihn jederzeit auch wiedererschaffen kann.
Das Leben ist ein Geschenk Gottes, das man bewahren muß, vor allem mit einer gesunden Lebensweise. Doch wir sollten uns vor der Gefahr hüten, solche Menschen zu verurteilen, die eigenes Leben aus Verzweiflung, sowie fremdes Leben aus Erbarmen nehmen.
Der Arzt verlängert kein Leben, das steht in der Hand Gottes. Ärztliche Eingriffe zur Lebensverlängerung schaffen Zeitgewinn, der zur Buße, zur Umkehr zu Jesus Christus genutzt werden kann. Der Arzt kann auch durch die Linderung von Schmerzen dem Menschen zu einem konzentrierteren Gebet verhelfen.
Unser Leben führen wir nur dann in Weisheit, wenn der Tod ständig vor uns steht. Das macht uns fröhlich, nicht traurig. Und: “Erst, wenn wir das in unserem Leben lieben, was durch den Tod nicht in Frage gestellt wird, dann können wir über die Verlängerung des Lebens reden.” Das Leben zu verlängern, ist vielleicht ein Auftrag Gottes an uns, aber kein Wert, der an höchster Stelle steht.
Die Genmanipulation bietet uns zwei Seiten. Positiv verhilft sie uns dazu, nützliche natürliche Prozesse zu beschleunigen, wie die Bekämpfung von Ölflecken und die Herstellung von Insulin. Es gibt auch weitere Gebiete, auf denen Gentechnik positiv eingesetzt werden kann (Zuckerkrankheit, Impfstoffe). Wir müssen dagegen die Praxis der künstlichen Befruchtung kritisch betrachten, nämlich als Ehebruch.
Die Fähigkeit, in das Erbgut einzugreifen (“Brave New World”) besitzen wir jedoch noch nicht. Wir sollten dabei eines nicht vergessen: Gott liebt die Schwachen. Daher können wir nicht anstreben, Leid, Mißbildung und Tod aus der Welt zu tilgen.
Am dritten Tag hielt Priester Nikolai Artemoff einen Vortrag. Anhand von Beispielen zeigt er die ethische Dimension auf, die in der Heiligen Schrift bei der Erwähnung des Leibes und seiner Organe charakteristisch ist. Ausgehend von den Funktionen der einzelnen Sinne und Glieder sowie ihrer Verbindung mit der Reinigung des Herzens war die Rede von der heiligen Ganzheitlichkeit des Menschen. Um dieser geheiligten Ganzheit willen, ruft us der Herr “die Hand abzuschlagen” bzw. “das Auge auszureißen”. Dann kam das Thema Unzucht und Ehebruchs in Verbindung mit dem Götzendienst zur Sprache, wonach es um den Glauben ging der “vom Hören” kommt und aufwächst zur “Schau”, die verbunden ist mit der Perspektive der Auferstehung, d.h. der neuen Verbindung der Menschen untereinander als Gleidern des einen Leibes Christi, der Kirche. Der Vortragende erinnerte daran, daß der Hl. Apostel Paulus die Bereitschaft der Galater lobt, “sich die Augen auszureißen und sie ihm zu geben” (Gal. 4, 15); daran, wie der Hl. Seraphim es für möglich hielt, der Schwester von N. Manturov, den er “noch brauchte”, vorzuschlagen, daß sie anstelle ihres Bruders stürbe – sie willigte ein, wurde krank und starb; und schließlich an das Heilungswunder am Tage der Beerdigung des Hl. Jonas von Chankou († 1925, verherrlicht 1996): der Heilige Hierarch erschien einem Jungen, dessen Beine gelähmt waren und sagte: “Da, nimm meine Beine, ich brauche sie nicht mehr”. Vater Nikolai unterstrich, daß wir uns, nach seiner Meinung, nicht auf das rational-abstrakte Denken einengen sollten, in der Erwartung, vorgefertigte Lösungen zu finden, sondern uns den Antworten öffnen sollten, die im Lichte des Kreuzes und der Herrlichkeit Gottes unmittelbar erlebt werden können, wenn die tägliche Askese und die Gottesgemeinschaft im Gebet das Zentrum unseres Lebens sind.
Gemäß der bereits gefestigten Tradition endete die Tagung mit einem Dankgottesdienst. Erzbischof Mark dankte insbesondere auch der Schwesternschaft der Kathedralkirche, die die Teilnehmer an allen Tagen schmackhaft beköstigt hatte. Vor der Abreise wurde ein Gruppenphoto der Teilnehmer gemacht (s. S. 3 des Umschlags).z
Bote 1997-2
Osterbotschaft
an die in Gott geliebten Gläubigen der Diözese von Berlin und Deutschland
Dies ist der Tag, den der Herr geschaffen, feuen wir uns und frohlocken wir darinnen (Ps. 117, 24).
Hinter uns liegt die vierzigtägige Fastenzeit…
Buße öfnete uns deren Türe. Das Kreuz, dem wir uns in der Mitte der Fasten verneigten, stützte uns im geistlichen Kampf der Enthaltsamkeit und des Gebets, erinnerte uns an die Leiden unseres Herrn Jesus Christus, des Gottes- und Menschensohnes, die Leiden, die Er um unserer Rettung willen auf Sich nahm. Schließlich verneigten wir uns den heilbringeden Leiden Christi selbst, Seinem Kreuze zu Golgatha.
Nun aber ist uns das gegeben, wofür wir im Laufe der Heiligen Vierzigtätigen Fasten beteten: wir verherrlichen und besingen Christi Heilige Auferstehung. So laßt uns denn diesen Tag, den der Herr schuf, in lichter österlicher Freude und Frohlocken begehen. Freuen wir uns, denn die unaussprechliche Freude dieses Tages öffnet uns die Tore des Himmelreiches. Freuen wir uns, denn an diesem Tag schenkte der Herr durch Seine Auferstehung uns, den von der Sünde Getöteten, das Leben mit Sich. Freuen wir uns, denn durch Sein erlösendes Opfer setzte Er uns wieder in unsere ursprünglichen Rechte ein, da Er uns wieder die Tore des Paradieses öffnete. Freuen wir uns und frohlocken wir, denn wahrlich freudig ist dieser Festtag auf Erden! Doch um wie unermeßlich viel größer wird dieser Festtag im Himmel sein! Wenn wir ihn hier, auf Erden, sehen und erleben, brauchen wir daran nicht zu zweifeln. Auch zweifeln wir nicht, daß jeder von uns diesen seligen und lichten Tag der Auferstehung erreichen und zum Teilhaber der nicht mehr abendwerdenden Freude im Reich unseres Himmlischen Vaters werden kann!
Wagt es denn etwa irgendjemand, die Pforte des ewigen Lebens zu schließen, die der Herr Selbst öffnete? Und selbst, wenn er es versucht, wird es ihm etwa gelingen?
Zweifeln kann nur jemand, der von Kleinglauben und Unglauben befallen ist. Doch mit den Heiligen Aposteln und Kirchenlehrern beteuere ich Ihnen: es gibt keinen Grund für solche Zweifel – unter einer Voraussetzung: wenn wir unser ganzes irdisches Leben als eine einzige Heilige Fastenzeit ansehen, während der wir uns würdig auf den Tag der Allgemeinen Auferstehung vorbereiten. Unser Leben ist uns für nichts anderes gegeben, als eben dafür.
Wir erinnern uns daran, zu welchem immensen Preis die Paradiesestore für uns geöffnet wurden: um uns Sünder willen wurde das unschuldige Blut des Gottmenschen am Kreuze vergossen. Wer kann uns denn danach aus Seinen Händen losreißen? Diejenigen losreißen, die Er im Mysterium der Taufe und der Erneuerung durch die Buße für immer umarmt hat? Wer kann bereuende verlorene Söhne aus den unlösbaren väterlichen Umarmungen entreißen?
Diejenigen von uns, die ihr geistliches Leben bewußt beobachten, wissen, wieviele Feinde uns auf diesem Weg zu unserem himmlischen Vaterland auflauern. Auf jedem Schritt erwartet uns: leeres Geschwätz, üble Nachrede, Überheblichkeit, Verurteilung, Zorn, ehebrecherische Gedanken, Unzucht, Geldgier, Selbstliebe, Eigendünkel, Ungehorsam. Gegen all diese sündigen Regungen übten wir uns in der Fastenzeit, indem wir uns mit der Kraft der Enthaltsakeit und des Gebets bewaffneten, zuvörderst dem Gebet des Hl. Ephrem des Syrers: Herr und Gebieter meines Lebens: gib mir nicht den Geist der Trägheit, des Kleinmuts, der Herrschsucht und der Schwatzhaftigkeit… Vergessen wir dieses Gebet nicht jetzt, wo wir uns aus dem Gefängnis unserer Sünden losgerissen und den lichten Tag der Auferstehung erreicht haben. Vergessen wir es nicht, damit wir nicht diesen Tag zur finsteren Nacht teuflischer Leidenschaften verwandeln. Bewahren wir in uns die demütige bewahrende Kraft dieses Gebets im Laufe des ganzen Jahres, ja des ganzen Lebens! Bewahren wir auch das Fasten – indem wir uns nicht nur von Freßsucht und Trinkerei enthalten, sondern ebenso von Verurteilung des Nächsten, Haß, Neid, bösen Worten – vom Fressen des Nächsten. Mögen die Worte dieses Gebets stets unsere Begleiter und Wegweiser sein: ja Herr, laß mich meine Fehler sehen und meinen Bruder nicht richten.
Wenn wir im Geist dieses Gebets leben, wird es uns auch nicht schwerfallen, den Reichtum zu bewahren, den wir in der Fastenzeit in unseren Herzen durch die Mysterien der Kirche und ihre Gottesdienste sammeln durften. Dann wird die Sünde ohnmächtig und wir können frohlocken: wo ist, du Tod, dein Stachel; wo ist, du Hölle, dein Sieg (1. Kor. 15, 55).
Zweifellos werden die Mächte der Hölle immer wieder an unsere Türen klopfen, ja selbst am heiligen Tag der Auferstehung selbst, denn für sie gibt es nichts Heiliges, und erbittert hassen sie unseren geistlichen Frieden und unsere Hinwendung zum Einzig Guten, zu Christus. Unsere Verfehlungen, besonders nach Ostern, wenn das äußere Fasten aufgehoben wird, entspringen zuvörderst unserem Kleinglauben und unserer Furcht vor dem Unbekannten. In dieser Furcht genauso wie in sorgloser Unachtsamkeit, die sooft nach einer Zeit erhöhter geistlicher Anspannung eintritt, neigen wir leicht dazu, die uns von Gott geschenkten Talente zu vergraben. Wenn wir uns dieser Neigung und Gefahr jedoch bewußt widersetzen, wird uns der Auferstandene Herr Selbst durch Sein Wort und Seinen Geist in alle Wahrheit leiten (Jo 16, 13) und uns in Kraft von oben kleiden (Lk 24, 49). Er wird vor uns alle Feinde unserer Rettung zerstreuen und uns in jeder irdischen Not Seinen Trost senden.
Ja, die ganze Welt mag sich gegen uns wenden. Doch wir wissen, daß der Fürst dieser Welt auf Golgatha besiegt wurde. Mag er uns alle Reiche dieser Welt zeigen; wir erinnern uns doch, daß der Herr Sich Selbst in der Wüster versuchen ließ. Dies ließ Er auch dafür zu, um uns von der Schönheit des Rückzugs in die innere Wüste des Gebets und des Gottesgedenkens zu überzeugen. Der Fürst dieser Welt wird uns durch Wollust versuchen – doch denken wir daran, daß kurzzeitige Lust zur bitteren Vertreibung aus dem Paradies führt, das Erdulden von Erschwernissen dagegen auf den Weg ewigen Genusses. Der Widersacher wird uns durch das Fleisch versuchen – doch denken wir an unseren wenn auch bescheidenen Fastenkampf: erhob uns nicht Fasten, Gebet und Wachen? führten sie uns nicht wie auf Flügeln von der Erde zu himmlischen Höhen empor? Wenn der todbringende Feind unseres Heils unser Fleisch nach unten zur Erde zieht, reicht es daran zu denken, daß der Lebenspender und Begründer unserer Rettung uns an diesem Tag wieder vom Baum des Lebens speisen läßt, welches Sein lebenspendender Leib und Blut ist.
Fürchten wir also weder Kummer noch Entbehrungen, da unser Herr uns – nach den Worten des Hl. Theodor Studites – vom Tod zum Leben geführt hat, aus der Finsternis ins Licht, aus der Sklaverei zur Freiheit, aus der Feindschaft zu wahrer Gemeinschaft, und in solchem Maße, daß Er uns gleich gemacht hat dem Ebenbilde Seines Sohnes (Röm 8, 29).
Antworten wir mit unserer Sohnesliebe Demjenigen, Der uns so geliebt hat! Und angesichts solcher Liebe seien wir Seine treuen Söhne und Nachfolger, die sich vor sechs Tagen irdischer Arbeit nicht scheuen, da sie des siebenten Tages ewiger Ruhe gewiß sind, der von unaussprechlicher Freude erfüllt ist!
Wenn wir uns auch in diesem Jahr an diesem Auferstehungstag den Sieg über die Sünde und ihre Folgen, über unsere Schwächen und Trennungen noch nicht vollständig angeeignet haben – so laßt uns daran doch nicht verzweifeln! Wenn wir jetzt das österliche Lied des Sieges Christi über den Tod anstimmen, so nehmen wir mit unserem ganzen Wesen die unaussprechliche Freude der Vollständigkeit dieses Sieges auf und denken wir daran, um wieviel größere Freude uns das Feiern des großen Tages der Erneuerung dort bereiten wird, im neuen Land der Verheißung, wohin uns der Auferstandene Heiland ruft. Auf die freudige Stimme der Frohbotschaft an die Welt: Christus ist erstanden, wird dort nicht nur Himmel und Erde antworten, sondern die gesamte erneuerte Schöpfung. Mit freudiger Stimme, die das All erfüllt, wird sie antworten: Er ist wahrhaftig auferstanden!
Auferstehung Christi-Ostern 1997
Bote 1997-2
5. Europäische Tagung für Kirchengesang
Vom 15. bis 20. Juli 1997 findet im Lesnaer Frauenkloster (Provement, Frankreich) die 5. Europäische Tagung für Kirchengesang statt. Diese Tagung ist die einzige ihrer Art in Europa. Erst im nächsten Jahr werden wir imstande sein, auch in Deutschland eine solche Veranstaltung durchzuführen. Sie gewährt orthodoxen Sängern und Chorleitern, die in verschiedenen Teilen des Kontinents leben, die Möglichkeit der Vervollkommnung im Kirchengesang.
Unter der Leitung qusalifizierter und erfahrener Spezialisten können die Teilnehmer ihre Kenntnisse des Typikons, der acht Töne, Geschichte, Solfeggio erweitern. Vorträge, praktische Übungen und Gesangsproben münden in einen feierlichen Abschlußgottesdienst – Vigil und Liturgie im bischöflichen Ritus, geleitet von Erzbischof Seraphim.
In den Gottesdiensten wird zum ersten Mal der Hl.Iona von Chankou gefeiert, der im Oktober 1996 vom Bischofskonzil unserer Kirche dem Chor der Heiligen zugezählt wurde. Den ersten Abend verbringen die Teilnehmer am Lagerfeuer, und am 17. Juli können sie zum Patronatsfest der Kirche des Hl. Märtyrer-Zaren Nikolaus in Villemouasson reisen oder Paris und Umgebung besuchen.
Auskünfte und Anmeldung:
Valentine de Grigorieff
159 A, Rue de Crimée
F-13003 Marseille
Tel.-FAX: 04 91 62 68 65/+33 4 91 62 68 65
Bote 1997-2
Aus dem Leben der Diözese
Am 14./27. Januar 1997 reiste Erzbischof Mark zur turnusmäßigen Sitzung des Bischofssynods nach New York. An der Sitzung, die am 28. Januar nach der Liturgie begann, nahmen der Vorsitzende des Synods und Ersthierarch der Auslandskirche, Metropolit Vitaly, teil sowie die Mitglieder des Synods Erzbischof Antonij von Westamerika und San Francisco, Erzbischof Laurus von Syracuse und Dreifaltigkeitskloster, Erzbischof Mark, Erzbischof Hilarion und der Stellvertreter des Sekretärs, Bischof Gabriel. Außerdem waren die Bischöfe Varnava von Cannes und Michael von Toronto anwesend. Als wichtigster Punkt stand auf der Tagesordnung die Frage der neu eingerichteten Bischofskonferenz in Rußland. Hiervon berichtete Bischof Michael, der vom Konzil im Herbst 1996 mit der Durchführung der ersten Sitzungen dieser Versammlung beauftragt war. An der ersten Sitzung in Odessa im Oktober 1996 nahmen alle in Rußland tätigen Bischöfe teil: Erzbischof Lazar und die Bischöfe Venjamin, Evtichij und Agafangel. Dabei wurde die Wiedereinsetzung von Erzbischof Lazar in seine Rechte als amtierender Diözesanbischof gemäß dem Beschluß des Bischofskonzils angenommen. Weiterhin wurde der Umfang der Kompetenzen der einzelnen Bischöfe festgelegt. Eine zweite Sitzung fand in Kiev unmittelbar nach Weihnachten statt. Hierbei wurden kanonische Fragen besprochen und einige zwischenzeitlich entstandene Probleme gelöst. Bischof Michael berichtete dem Synod ebenfalls über seine Erfahrungen in den Gemeinden im Norden Rußlands, insbesondere in der Gegend von St. Petersburg.
Erzbischof Antonij berichtete von seinem Aufenthalt im Heiligen Land und seinen Gesprächen mit dem Patriarchen von Jerusalem Diodor. Der Finanzexperte des Synods, Priester Peter Cholodnyj, gab seinen Bericht zur Finanzlage sowie zu anstehenden großen Ausgaben am Gebäude des Synods, in dem die Heizung, das Dach und die Fenster erneuert werden müssen, ebenso über die erfolgte Verlegung der synodalen Kerzenzieherei nach Mahopac und die Wiederaufnahme ihrer Arbeit. Weiterhin berichtete er über die schwierige Finanzlage unserer Kirche im Heiligen Land und über mögliche Lösungsprojekte, über notwendige Reparaturen an Gebäuden in Jerusalem und im Kloster an der Eiche von Mambre in Hebron sowie über die Notwendigkeit der Entsendung eines neuen Leiters der Geistlichen Mission in Jerusalem.
Am 27.1/9.2. 1997 feierte die Münchener Gemeinde ihr Patronatsfest. Die Besonderheit des Festtages ist, daß der Gottesdienst zu Ehren der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands immer auf den Sonntag fällt, der am nächsten zum 25. Januar liegt. Der 25. Jan. ist der Tag der Ermordung des Erstmärtyrers der Hll. Neumärtyrer, des Metropoliten von Kiev, Vladimir..
p Am Tag nach der Darstellung des Herrn, Sonnabend, d. 2./15. und Sonntag den 3./16. Februar zelebrierte Erzbischof Mark die Vigil und die Göttliche Liturgie in der Hl. Nikolaus-Kirche in Stuttgart. Ihm konzelebrierten die Priester Ilya Limberger und Johannes Kaßberger sowie Protodiakon Georgij Kobro. Am Sonntag vollzog der Erzbischof zwischen der Lesung der 3. und 6. Stunde die Taufe des jüngsten Sohnes von Vater Johannes Kaßberger, Alexij. Beim Kleinen Einzug nahm er die Myronsalbung des Kindes vor. Nach dem Gottesdienst versammelte sich ein großer Teil der Gemeinde in einem Restaurant, um die Taufe gemeinsam zu feiern. Anschließend weihte der Bischof die neue Wohnung der Familie Kaßberger.
p Am Mittwoch, den 12. Februar, gab in der Kathedralkirche in München ein Mädchenchor aus dem Gebiet Tver ein Konzert. Erzbischof Mark hatte diesen Chor bei seinem Besuch in Tver im Herbst 1996 kennengelernt und anläßlich einer Reise dieses Chors in die Schweiz auch nach München eingeladen. Die Mädchen im Alter von 7 bis 20 Jahren kamen am 11. Februar in München an, wo sie von der Schwesternschaft der Gemeinde verpflegt wurden. Am Morgen des 12. gaben sie ein Konzert in einer Schule in Fürstenfeldbruck, besuchtem dann das Kloster des Hl. Hiob von Po¡caev in München und wurden dann von einer Dame aus der Münchener Gemeinde durch die Sehenswürdigkeit der Stadt München geführt. Am Mittag und abend wurden sie wieder im Saal bei der Kirche verpflegt, und am Abend gaben sie ein Konzert, zu dem Gemeindemitglieder wie auch Außenstehende geladen waren. In einem ersten Teil sangen sie in der Kirche selbst geistliche Gesänge, die von Erzbischof Mark kurz erläutert wurden. Dabei standen auch die Zuhörer. Der zweite Teil des Konzert fand im Gemeindesaal statt. Hier boten die Mädchen Proben aus dem reichen Schatz von Volksliedern. Nach einem abschließenden Abendessen machte sich der Bus mit dem Chor auf die weite Heimreise nach Rußland. Die Mädchen und ihre Betreuerinnen waren besonders von dem herzlichen Empfang beeindruckt, der sich hier in einer russischen Gemeinde doch wesentlich von dem unterschied, was sie an anderen Stellen auf ihren Reisen gesehen hatten. Auf einem hohen Niveau des Chorgesanges stellten diese Mädchen ein reiches Programm russischer Musik vor, von der alle Zuhörer begeistert waren.
p Am Sonntag der Fleischentsagung, den 1. und 2. März (n.St.) zelebrierte Erzbischof Mark in der Kirche des Hl. Simeon vom Wunderbaren Berge in Dresden. Ihm konzelebrierte Priester Stefan Urbanowicz und Mönchsdiakon Evfimij (Logvinov). Einige Gläubige waren aus München und Berlin angereist, um bei diesem ersten bischöflichen Gottesdienst in Dresden zugegen zu sein. Der Gesangsteil des Gottesdienstes wurde von einem Quartett bestritten, das aus Stuttgart angereist war. Die Predigt hielt Erzbischof Mark angesichts der bevorstehenden Großen Fastenzeit und auf der Grundlage der sonntäglichen Lesungen aus dem Apostel und dem Evangelium über das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verantwortung auch gegenüber den Geringsten dieser Welt, die nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind und die wir durch unser Verhalten nicht in Versuchung führen dürfen. “Das persönliche Beispiel jedes Einzelnen von uns, sagte der Bischof, spiegelt sich im Leben der Allerschwächsten im Leibe der Kirche wieder. Sündigen wir gegen unsere Brüder, so sündigen wir, (1. Kor. 8, 12), gegen Christus. Aus dieser Sicht gewinnt unsere Freiheit besondere Bedeutung, denn sie ist Freiheit nicht nur in der Negation, nämlich von der Sünde, sondern gleichzeitig muß sie Freiheit in der Bejahung, nämlich in Christus sein. Christus ist es ja, Der auch in dem geringsten und verachtetsten Geschöpf dieser Welt anwesend ist, im Hungrigen, den wir speisen, im Armen, den wir bekleiden, im Gefangenen, den wir besuchen. So ist die Freiheit von Tod und Sünde auch die Freiheit für ein Leben in Christus. Diese Freiheit gewinnt ihre volle Bedeutung und Kraft erst in der Buße, auf die wir uns jetzt zur Großen Fastenzeit vorbereiten”.
Nach ausführlichen Gesprächen über den Fortgang der Renovierungsarbeiten an unserer Dresdener Kirche und einem Besuch des Zwingers mit seiner Gemäldeausstellung reiste Erzbischof Mark weiter nach Berlin, wo ihn der dortige Diakon bereits erwartete. Am Montag konferierte er hier mit den Geistlichen der Berliner Gemeinde, Priester Andrej Trufanow und Diakon Alexander Zaitsev, und empfing eine Reihe von Gläubigen zu persönlichen Gesprächen.
p Am Dienstag, den 4. März, nahm Erzbischof Mark an der nationalen Eröffnungsveranstaltung des Europäischen Jahres gegen Rassismus im Berliner Haus der Kulturen der Welt teil. Die Begrüßung der Anwesenden erfolgte durch den Regierenden Oberbürgermeister Diepgen und den Europäischen Kommissar aus Brüssel Padraig Flynn, und die Eröffnungsansprache hielt Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog. Anschließend gab der Senat der Stadt Berlin einen Empfang. Erzbischof Mark hielt es für wichtig, an dieser Veranstaltung als Vertreter unserer Kirche teilzunehmen, da das Ziel darin bestand, “die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit darauf zu lenken, ein friedferiges und kreatives Zusammenleben verschiedener Kulturen zu fördern sowie Einstellungen und Verhaltensweisen mitzuprägen, mit denen die Wurzeln für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beseitigt werden können”. In letzter Zeit hatte Erzbischof Mark immer wieder darauf hingewiesen, daß Fremdenfeindlichkeit teilweise sogar in der Handlungsweise staatlicher Instanzen zu vermuten ist, wenn diese zum Beispiel damit drohen, die wenigen in Deutschland verbliebenen Angehörigen der Roten Armee, die als Deserteure bezeichnet werden, nach Rußland abzuschieben, wo diese Personen ein grausames Schicksal erwartet.
p Am Sonntag der Butterentsagung zelebrierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie in der Kathedralkirche der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands in München. Vor dem Abendgottesdienst mit dem Ritus der Vergebung nahm er die kleine Weihe des Seitenschiffes vor, das dem Hl. Nikolaus von Myra in Lykien geweiht ist. Der Ikonostas des Seitenschiffes war gerade zwei Tage zuvor von russischen Schnitzern aus dem Baltikum fertiggstellt worden. Er wird jedoch erst eingeweiht, wenn alle Ikonen vollständig gemalt sind. Der Weihegottesdienst, bei dem Abt Agapit und Priester Nikolai Artemoff sowie Diakon Viktor Tschernikov konzelebrierten, begann in der Seitenkapelle, wo zunächst der Altartisch geweiht und bekleidet wurde. Von dort ging Erzbischof Mark mit dem Klerus in die Hauptkirche und nahm vom Altar ein neues Antimension, das er über dem Haupt erhoben auf einem Diskos – begleitet vom Klerus und Kerzenträgern – in feierlicher Prozession durch die Königspforte und das Hauptportal der Kirche zum Eingang des Seitenschiffes trug. Am Eingang wurden besondere Gebete zur Weihe der Kirche gelesen und gesungen, während die Priester das Seitenschiff von außen mit Weihwasser segneten. Danach zog der Bischof mit den Geistlichen in die Kirche ein und trat in den Altarraum, wo er das Antimension auf dem Altartisch niederlegte. Zu gleicher Zeit wurde die erste Kerze und sodann der siebenarmige Leuchter in dem neuen Seitenschiff des Hl. Nikolaus zum ersten Mal angezündet. Nun weihte der Erzbischof das ganze Seitenschiff mit Weihwasser. Nach Abschluß dieser Weihe begann der Abendgottesdienst mit dem Ritus der Vergebung in der Hauptkirche. An den folgenden Tagen wurden die Gottesdienste am Vormittag jeweils im Seitenschiff zelebriert, so auch die Liturgie der Vorgeweihten Gaben am Freitag der ersten Fastenwoche, während die abendlichen Gottesdienste mit dem Kanon des Hl. Andreas von Kreta und die Liturgie am Mittwoch abend in der Hauptkirche vollzogen wurden. Damit steht nun der Münchener Gemeinde für kleine Gottesdienste, zu denen sich nur wenige Gläubige versammeln, ein Seitenschiff zur Verfügung, das leichter zu beheizen ist als die große Kirche.
p Am 5./18. März nahm Erzbischof Mark am Abend nach dem Großen Apodipnon im Kloster der Hl. Hiob von Po¡caev in München die Mönchsweihe zum Tragen der Mantija des bisherigen Rassophoren Mönches Andrej (Neyman) vor. Die gesamte Bruderschaft begleitete den Kandidaten vom Nartex mit Kerzen und Gesang zum Ambo, wo der Erzbischof die Scherung vornahm. In der Mönchsweihe erhielt der neue Mönch den Namen Avraamij nach dem russisch-bulgarischen Märtyrer Avraamij, dessen Festtag auf den folgenden Tag, dem 6. März, fällt.(Der Hl. Avraamij der Bulgare, der durch seine Mildtätigkeit bereits vor seiner Taufe bekannt war, wurde im 13. Jh. von seinen mohammedanischen Stammesgenossen wegen seines Übertritts zum Christentum umgebracht.) Der neugeschorene Mönch, Vater Avraamij, verbrachte nach dem Brauch des Klosters drei Tage und Nächte nach seiner Weihe in der Klosterkirche und empfing bei allen Liturgien die Heiligen Gaben.
p Am Zweiten Sonntag der Großen Fastenzeit feierte Erzbsichof Mark die Gottesdienste in Berlin. Am Sonnabend, den 22. März, nachmittags angekommen, führte er eine kurze Unterrichtsstunde mit den Sängern des dortigen Chores durch und nahm dann am Abendgottesdienst teil, den Priester Andreij Trufanow und Diakon Alexander Zajcev zelebrierten. Die Lesung des Evangeliums in der Vigil nahm der Erzbsichof vor. Am Sonntag, den 10./23. März, zelebrierte er die Liturgie des Hl. Basilius d. Gr. mit den genannten Geistlichen. Nach der Liturgie führte der Diözesanbischof ein aussführliches Gespräch mit den zahlreich versammelten Gemeindemitgliedern, in dem viele Fragen des kirchlichen Lebens ausführlich behandelt wurden. Besonders begrüßte der Bischof die kürzlich nach Belrin umgezogene Witwe des im vergangenen Jahr verstorbenen Frankfurter Ikonenmalers Adam Russak, Nina Alexejewna, als neues Mitglied der Berliner Gemeinde.
Bote 1997-4
Aus dem Leben der Diözese
p Am 26. April./9. Mai 1997 reiste Erzbischof Mark zur turnusmäßigen Sitzung des Bischofssynods nach New York. Zum Sonntag der Hll. Myronträgerinnen zelebrierte er am Sonnabend, den 27. April/10. Mai, und Sonntag, den 28. April/ 11. Mai, auf Einladung des Erzpriesters Georgij Kallaur in der Gottesmutter-Entschlafens-Kirche in New Brunswick, New Jersey. Er predigte hier zum Thema von Glauben und Liebe, von denen die Myronträgerinnen beflügelt waren, und betonte, daß wir durch eben diese beiden Grundlagen unseres christlichen Lebens den Stein von unseren Herzen wälzen können, der uns an der lebendigen Kommunikation mit dem Auferstandenen Christus hindert. Dabei helfen uns die geringeren Brüder und Schwestern Christi, die uns täglich in Armen und Kranken, Waisen und Gefangenen begegnen, so daß wir an ihnen das tun können, was wir an Christus tun möchten. Nach dem Gottesdienst sprach Erzbischof Mark auf Bitte des Gemeindepriesters über das Thema unseres Umgangs mit der Heiligen Schrift und in Verbindung damit die Problematik von zeitgenössischen Übersetzungen der Schrift und liturgischer Texte, die oft an einer falschen, weil nicht orthodoxen Auslegung, Mangel leiden. Auf Fragen der Gläubigen nahm er auch zu kirchenpolitischen Fragen Stellung.
Die Sitzungen des Bischofssynods begannen am Dienstag, den 30. April/13. Mai, nach der Liturgie. An den S’tzungen nahmen der Vorsitzende des Synods und Ersthierarch der Auslandskirche, Metropolit Vitaly, sowie die Mitglieder des Synods Erzbischof Antonij von Westamerika und San Francisco, Erzbischof Laurus von Syracuse und Dreifaltigkeitskloster, Erzbischof Mark und Bischof Gabriel teil. Außerdem waren die Bischöfe Varnava von Cannes und Michael von Toronto anwesend. Erzbischof Ilarion war nicht aus Australien angereist. Die Sitzungen dauerten bis zum Donnerstag, den 2./15. Mai an.
In einer Pause zwischen den Sitzungen des Synods besuchte Erzbischof Mark zusammen mit anderen Bischöfen im New Yorker Metropolitan Museum eine hervorragende Ausstellung unter dem Titel “Der Glanz von Byzanz”. Hier waren seltene Ikonen, Mosaiken, Evangeliare, liturgische Gefäße u.a. aus Byzanz und den anliegenden Ländern, also auch dem frühen Rußland, Bulgarien, Armenien und Georgien zusammengetragen.
Am Freitag, den 3./16. Mai trat Erzbischof Mark die Rückreise nach München an, wo er in den frühen Morgenstunden des Sonnabends eintraf.
p Nachdem Erzbischof Mark die Gottesdienste zum Sonntag des Gelähmten in der Kathedralkirche in München vollzogen hatte, reiste er am Montag, den 6./19. Mai, nach Stuttgart, um dort auf dem Rotenberg die Göttliche Liturgie zu feiern, die hier traditionsgemäß am westlichen Pfingstmontag stattfindet. Hier konzelebrierten die Priester Nikolai Artemoff, Stefan Urbanowicz, Ilya Limberger und Johannes Kaßberger und Protodiakon Georg Kobro. Beim Kleinen Einzug in der Liturgie zeichnete Erzbischof Mark die Priester Ilya Limberger und Johannes Kaßberger mit dem Recht zum Tragen der Skufja aus.
Erzbischof Mark predigte über die Worte des Herrn in der Evangeliumslesung des Tages: “Von da an wandten sich viele Seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit Ihm” (Jo. 6, 66). Selbst die Jünger, die Seine Wunder gesehen und Seine Worte aus Seinem Mund gehört hatten, erwiesen sich als kleingläubig und wandten sich ab, als sie von den Schwierigkeiten erfuhren, die auf dem Weg der Rettung zu überwinden sind. “Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze” (Jo. 6, 63) – selbst den Jüngern fiel es schwer, sich von der Materie loszusagen und den Worten des Herrn ausschließlich zu folgen. Für uns bedeutet, dies, daß wir uns ständig überprüfen und ermahnen müssen, den Geist aus den Worten Christi zu erfassen und in ihm und durch ihn zu leben.
p Am Donnerstag, den 9./22. Mai, beging die Münchener Gemeinde das Patronatsfest in der Seitenkapelle der Kathedralkirche, die der Übertragung der Gebeine des Hl. Nikolaus von Myra in Lykien nach Bari gewidmet ist. Am Mittwoch abend vollzog Erzbischof Mark mit Priester Nikolaj Artemoff und Mönchsdiakon Evfimij und Diakon Andrej Sikojev die Nachtwache. Der Gottesdienst fand in der Hauptkirche statt, da die Seitenkapelle nicht genug Platz für die Gläubigen geboten hätte. Dafür wurde jedoch die Litia im Freien vor der dem Hl. Nikolaus geweihten Seitenkapelle gehalten. Am Donnerstag feierte der Erzbischof die Göttliche Liturgie, zu der neben den bereits erwähnten Geistlichen noch Abt Agapit aus dem Münchener Kloster und Protodiakon Georg Kobro gekommen waren, ebenfalls in der Hauptkirche. Nach der Liturgie wurde die Prozession um die Kirche mit der Lesung von vier Auferstehungs-Evangelien an jeder Seite der Kirche vor der Seitenkapelle mit dem letzten Evangelium und einem Gebet an den Hl. Nikolaus in der Kapelle selbst abgeschlossen. Erzbischof Mark hatte bei der Liturgie seine Predigt auf den Worten des Lukas-Evangeliums “Selig seid ihr, so euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schelten und verwerfen euren Namen als einen bösen um des Menschensohnes willen” (Lk. 6,22) aufgebaut und auf die Notwendigkeit des freiwilligen Ertragens von Schwierigkeiten und Verfolgungen und besonders Schmähungen hingewiesen. Dabei sprach er insbesondere davon, daß Schmähungen uns nicht nur von außen ereilen, sondern wir sehr viel stärker auf die Schmähungen achten sollten, die wir uns selbst durch die Zulassung sündiger Gedanken, Regungen und Worte zufügen. Hier gelte es, so sagte der Bischof, in erster Linie den Kampf aufzunehmen, diese Dinge als wirkliche Schmähungen unseres Namens als Christen zu erkennen, denn nur auf diesem Wege könnten wir die Seligkeit erreichen, wenn wir in diesem Leben das Materielle überwinden und unser Augenmerk auf die geistlichen Versuchungen und ihre Überwindung richten. Ohne diese Schmähungen aber, ohne Anfechtungen von außen wie von innen, können wir nicht auf Seligkeit hoffen, da wir ohne diese überhaupt kein christliches Leben führen können. Daher müssen wir auch für diese Möglichkeit der geistlichen Stärkung dankbar sein.
Nach dem Gottesdienst lud die Schwesternschaft der Gemeinde alle Gläubigen zu einer Festtafel in den Gemeindesaal ein. Hierbei beglückwünschte die Schwesternschaft im Namen der gesamten Gemeinde ihren Priester, Vater Nikolaj Artemoff, zu seinem Namenstag. Allerdings konnte dieser nicht einmal ausruhen, da er sofort nach der Liturgie nach Augsburg reisen mußte, um dort eine Beerdigung vorzunehmen. Danach erteilte er den in der Kirche versammelten Kindern Religionsunterricht. Am Abend sang er in der dortigen Gemeinde den Akathist an den Hl. Nikolaus und führte den üblichen Gesprächskreis durch im Anschluß durch.
p Am Sonnabend, den 11./24. Mai reiste Erzbischof Mark nach der Liturgie im Kloster des Hl. Hiob nach Berlin. Hier feierte er am Abend mit der Gemeinde die Nachtwache. Am 12./25. Mai, dem Sonntag der Samariterin, nahm er vor der Göttlichen Liturgie in der Berliner Kirche die Taufe des wenige Tage zuvor geborenen Sohnes Nikolai des Berliner Diakons Vater Alexander Zajtsev vor. Danach feierte er die Göttliche Liturgie mit Priester Andrej Trufanow und Diakon Alexander Zajtsev.
Bote 1997-4
Pilgerreise nach Bari
Am Montag, den 26.5.97 begann unsere Pilgerfahrt nach Bari bei strahlendem Sonnenschein. Über 60 Pilger aus den verschiedenen Städten der Diözese hatten sich morgens in der Kathedralkirche in München zum Bittgottesdienst eingefunden, um unter dem Schutz der Ikone des Hl. Nikolaus von Myra und der treuen Ägide von Vladyka Mark in Begleitung von Vater Stephan auf die Reise zu gehen. Die Fahrt in dem bequemen Doppelstockbus über die Autobahn Kufstein – Brenner nach Ravenna verlief reibungslos. Am frühen Abend war das erste Etappenziel erreicht. Nachdem die Zimmer in den beiden Hotels in Punto Marina verteilt und das gemeinsame Abendessen eingenommen waren, begab man sich zur Ruhe.
Am nächsten Tag, dem Dienstag, brachte der Bus die Pilger nach Classe, das schon zu Zeiten Caesars als Hafen gedient hatte. Das erste Ziel war die Basilika Sant-Apollinare in Classe, erbaut 535-549 von Julian Argentarius. Die Grabkirche des Hl. Apollinaris mit ihren berühmten Mosaiken macht einen imposanten Eindruck. Um ein vollständigeres Bild von den prächtigen byzantinischen Mosaiken zu bekommen, ging es weiter nach Ravenna zur Basilika San Vitale. Diese Kirche mit ihrer raffinierten Konstruktion aus einem inneren oktogonalen Bau, teils von warmer Dunkelheit, teils von alabasternem Licht durchflutet, der beerenartige Komposition aus Säulen, Pfeilern, Emporen, Arkaden, Bögen und Nischen ist von überwältigender, transparenter Raumwirkung. Ihre herrlichen, weltberühmten Mosaiken sind ohnegleichen. Von der Kirche San Vitale ging man nun weiter zum Mausoleum der Kaiserin Galla Placidia, das von Besuchern so stark belagert war, daß nur wenig Zeit zur Besichtigung blieb.
Unser weiterer Weg führte in Richtung Dom, der für uns jedoch von geringerem Interesse war, da der ursprüngliche Bau im 18. Jh. niedergelegt worden war, um Platz für einen barocken Neubau zu machen. So galt unser ganzes Interesse dem Baptisterium der Orthodoxen.
Diese jahrhundertealte Taufkirche war als separates Gebäude gedacht, da es in der Frühzeit üblich war, die Taufe nicht in der Basilika zu vollziehen, außerdem hatten nicht alle Kirchen das Recht, die Taufe zu spenden, das war allein bischöfliches Privileg. Das Baptisterium wurde im 5. Jh. unter Bischof Ursus als Achteck erbaut und von seinem Nachfolger Bischof Neon auf das Kunstvollste ausgeschmückt. Heute liegt es fast 3 m unter seinem ursprünglichen Niveau. Das Innere ist von überwältigender Wirkung. Über einem großen Taufbecken, das wie ein wahrer Brunnen wirkt, spannt sich eine üppige Mosaikkuppel, die im Zentrum die Taufe Christi beschreibt. In diesem Kleinod aus byzantinischer Zeit wird der orthodoxe Gläubige gleich von der rechten Stimmung ergriffen, denn man fühlt fast wie die Wände die Gebete aller vergangenen Jahrhunderte atmen. Hier sangen die Pilger ehrfürchtig den herrlichen Tropar der Taufe Christi, so wie sie an all den heiligen Stätten Tropare und Kondake den Heiligen zu Ehren erklingen ließen.
Wir besuchten auch das Baptisteriums der Arianer an der Kirche Spirito Santo. Sie war wahrscheinlich der erste Sakralbau Theoderichs für seine arianischen Glaubensbrüder, denn die Goten, Burgunder, Vandalen und Langobarden waren alle Arianer. Hier ist die Darstellung in der Kuppel wiederum die Taufe Christi. Aber welch ein Unterschied zur orthodoxen Taufszene! Hier tritt der ganze Ausdruck arianischen Glaubens zutage, hier wird ein Mensch getauft, er trägt den Habitus eines Menschen der damaligen Zeit, er ist überhaupt nicht der Eingeborene Sohn Gottes, wesensgleich mit dem Vater, sondern ein aus dem Nichts erschaffenes Wesen. So anschaulich machte diese Mosaikkomposition die gotteslästerlichen häretischen Gedankengänge.
Die Besichtigungsrunde durch die alten Kirchen Ravennas führte uns weiter zur Basilika San Francesco oder Santi Apostoli, die im 5. Jh. von Bischof Neon errichtet und ursprünglich den Hl. Aposteln geweiht war, als nächstes zur Basilika Sant’Apollinare Nuovo, und zum Schluß zur ältesten Basilika von Ravenna, San Giovanni Evangelista.
Am Spätnachmittag erfolgte die Abfahrt von Ravenna nach der 350 km entfernten Stadt Pescara, wo übernachtet wurde. Am Mittwochmorgen ging es dann nach Bari weiter, wo man gegen Mittag eintraf, um sich sogleich zum Mittagessen in ein Restaurant am Meer zu begeben. Anschließend fuhr man zur Russischen Kirche des Hl. Nikolaus und des Hl. Spiridon. Dort begrüßte uns Vladyka Amvrosij von Vevey, in dessen Begleitung wir zum Dom San Nicola hinübergingen, um in der dortigen Krypta ein Moleben und einen Akathist zu Ehren des Hl. Nikolaus von Myra zu halten und danach die Reliquien des Heiligen zu verehren. Später kehrte man zur Vigil in die Russische Kirche zurück. Nach dem Gottesdienst suchten wir unser Hotel auf und begaben uns nach dem Abendessen zu später Stunde alsbald zur Ruhe.
Der Donnerstag begann mit der Feier der Hl. Liturgie, welche Vladyka Mark mit Vater Stephan zelebrierte und in deren Verlauf Dr. Georg Seide aus München zum Subdiakon geweiht wurde. Nach dem Empfang der Hl. Gaben und dem Ende des Gottsdienstes beschenkte Vater Isaia aus Bari die Pilger mit Ostereiern, einem Fläschchen heiligen Öls, sowie einer kleinen Ikone des Wundertäters. Später fand im subtropischen Garten der Kirche eine Trapeza statt, und alle saßen beisammen im Sonnenschein und freuten sich über den gesegneten Tag.
Am frühen Nachmittag wurde noch ein Ausflug in den 60 km weiter südlich gelegenen Ort Matera unternommen, der zur Zeit des Ikonoklasmus im 8./9. Jh. eine Zufluchtsstätte für viele Mönche, vornehmlich aus Byzanz, bedeutete, die in ihren Klöstern wegen der Ikonenmalerei verfolgt und mit dem Tode bedroht wurden. In den höhlenreichen Karstgebieten Süditaliens fanden die Mönche Unterschlupf und sogar die Möglichkeit, Kirchen einzurichten. In Matera sahen wir sehr anschauliche Beispiele dafür. Nach zweistündigem Aufenthalt kehrte man nach Bari zurück, um dort nochmals den Dom aufzusuchen.
Diese gewaltige Basilika wurde anläßlich der Überführung der Gebeine des großen Heiligen von Myra nach Bari im Jahre 1087 gebaut.
Dort wurde auch noch ein Moleben gehalten und ein letztes Mal die Hl. Reliquien verehrt. Vladyka Mark salbte die Pilger mit Myron, die Frauen ließen ihre Kopftücher weihen und viele Pilger ihre mitgebrachten Ikonen. Vater Isaia dankte allen in bewegenden Worten, und ein Abendessen in entspannter, glücklicher Atmosphäre beschloß den ereignisreichen Aufenthalt in Bari.
Zu vorgerückter Stunde startete der Bus auf seine 1250 km lange Fahrt. Mit dem Segen von Vladyka Amvrosij und unter dem sicheren Schutz des Hl. Nikolaus von Myra, der uns nie verließ, bewältigten wir die Pilgerfahrt bis zur glücklichen Heimkunft in München am Freitag gegen 15.00 Uhr, wo in der Kathedralkirche dem Herrn für seine Güte gedankt wurde.
___________
p Zu Christi Himmelfahrt zelebrierte Erzbischof Mark gemeinsam mit Bischof Michael von Toronto die Gottesdienste in der Münchener Kathedralkirche. Erzbischof Mark hielt die Predigt über die geistige Bedeutung der Himmelfahrt, die wir erst erlangen können, wenn wir uns von der körperlichen Bedeutung freimachen. Dies ist nur den Demütigen möglich, da nur ihnen die Geheimnisse Gottes offenbart werden. In der Demut können auch wir uns “nicht von Jerusalem entfernen” (Apg. 1, 4), wenn wir unter Jerusalem die Tugenden verstehen und unter der Kraft, die uns gegeben wird – die Demut. Wenn uns der Herr jedoch die” Kraft von oben” verspricht, so meint Er damit nach der Aussage des Hl. Isaak des Syrers den Tröster, den Tröstenden Geist. Nach der Liturgie begrüßte Erzbischof Mark den jüngsten Bischof unserer Kirche, der zum ersten Mal in München mitzelebrierte. Bischof Michael war am Sonntag zuvor in Lienz gewesen und hatte dort zusammen mit Erzbischof Seraphim von Brüssel und Westeuropa die Gottesdienste zum Gedenken an die Opfer der sowjetischen Gewaltherrschaft zelebriert. In Lienz sollten nach dem 2. Weltkrieg Kriegsgefangene der Roten Arme von den britischen Truppen an die Sowjets ausgeliefert werden. Viele von ihnen hatten sich in dem Fluß Drau ertränkt, um dem Erschießen oder den Zwangsarbeitslagern der Sowjets zu entgehen.
p Am Sonnabend, den 7. und Sonntag, den 8. Juni, dem Sonntag der Väter des Ersten Ökumenischen Konzils, besuchte Erzbischof Mark die Gemeinde der Hl. Märt. Eugenia in Saarbrücken. Hier konzelebrierten ihm Erzpriester Miodrag Glisic, Priester Sergij Manoschkin und Mönchsdiakon Evfimij. Der Bischof predigte zunächst in russischer Sprache und fügte darauf noch eine kurze Predigt in deutscher Sprache hinzu. Nach der Liturgie nahm er zusammen mit Erzpriester Miodrag Glisic die Taufe zweier Kinder vor – eines davon war der Enkel des früheren langjährigen und inzwischen verstorbenen Kirchenältesten Prof. Braga, dessen Kinder seinerzeit bei dem damaligen Priestermönch Mark Religionsunterricht erhielten, als dieser die Saarbrücker Gemeinde von Wiesbaden aus mitbetreute.
p Die feierlichen Gottesdienste zum Hl. Pfingstfest zelebrierte Erzbischof Mark in der Münchener Kathedralkirche. Ihm konzelebrierte Priester Nikolaj Artemoff und Protodiakon Georg Kobro, Mönchsdiakon Evfimij und die Diakone Andrej Sikojev und Viktor Tschernikov. Beim Kleinen Einzug erhob Erzbischof Mark auf Grund eines Erlasses des Bischofssynods Vater Nikolaj Artemoff in den Rang eines Erzpriesters. Die Auszeichnung wurde ihm für seine vielseitige Tätigkeit als Hauptgeistlicher an der Kathedralkirche in München und für seine Verdienste als Vorsteher der Gemeinden in Augsburg und Landshut, sowie für sein weitläufiges missionarisches Wirken und die mannigfachen Wirkungsbereiche in der Seelsorge und in der Diözesanverwaltung verliehen.
Nach der Weihe der Heiligen Gaben vollzog der Bischof die Diakonsweihe an Dr. Georg Seide, einem langjährigen Mitglied der Münchener Gemeinde und bekannten Kirchenhistoriker, der sich in einer Vielzahl von Veröffentlichungen insbesondere mit der Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland auseinandergesetzt hat.
p Am Montag des Hl. Geistes feierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie in der Dreieinigkeits-Kirche in Erlangen. Obwohl das eigentliche Patronatsfest dieser Kirche am Vortag gefeiert wurde, versammelte sich auch an diesem Montag eine große Zahl von Gläubigen, die zusammen mit ihrem Oberhirten sowie dem Priester Evgenij Skopinzew, Erzpriester Nikolai Artemoff und Mönchsdiakon Evfimij sowie dem serbischen Diakon Vater Lukas diesen Tag feierlichen begingen. Nach der Liturgie richtete die sehr rührige Schwesternschaft der Gemeinde ein festliches Mittagessen im Garten neben der Kirche her. Hier hatten die Gläubigen Gelegenheit, sich untereinander und mit ihrem Bischof und den Geistlichen auszusprechen.
Am Nachmittag reiste Erzbischof Mark nach Regensburg weiter. Hier führte er am Abend den Vorsitz bei einer Sitzung des Gemeinderates und weihte danach die neue Wohnung des Regensburger Priester, Vater Stefan Urbanowicz. Danach traf er mit den Münchener Geistlichen erst in den späten Nachtstunden wieder in München ein.
p Am 7./20. Juni traf Erzbischof Mark in Frankfurt ein, um hier am Abend einen Gesprächskreis mit den Eltern der Kinder der Frankfurter Gemeindeschule durchzuführen. Der Bischof sprach über das Verhältnis des Christen zur Welt und beantwortete viele Fragen aus dem Kreis der Zuhörer.
p Am 8./ 21. Juni reiste Erzbischof Mark nach Bad Homburg, um zum Fest Aller Heiligen in der ihnen geweihten Kirche die Gottesdienste zu zelebrieren. Am Abend des Sonnabends zelebrierte Erzpriester Dimitrij Ignatiew mit Protodiakon Georgij Kobro und Diakon Viktor Zazoulia die Vigil in der kleinen Allerheiligenkirche. Der Bischof vollzog die Litia trotz leichten Regens vor der Kirche und trat zur Verlesung des Evangeliums in die Mitte der Kirche. Am Sonntag, den 9./22. Juni feierte Erzbischof Mark mit denselben Geistlichen die Göttliche Liturgie, nachdem er in der Mitte der Kirche angekleidet wurde. Er predigte vor einer großen Schar von Gläubigen, die sich trotz des schlechten Wetters versammelt hatten, über die Verpflichtung des Christen “alle Gebote zu halten” (Mt. 28, 19-20) und sagte, daß die Kraft dafür von Gott geschenkt wird, da Er uns verheißt: “Ich verleihe euch Macht, auf Schlangen und Skorpione zu treten und gegen alle Gewalt des Feindes, und nichts wird euch schaden” (Lk. 10, 19). Daher verlangt Christus nichts Unmögliches von uns. Der Bischof sagte, daß die Heiligen uns eben in dieser Hinsicht Vorbilder sind, da sie versuchen, alle Gebote einzuhalten, was am ehesten dann möglich ist, wenn wir erkennen, daß sie alle zusammengefaßt werden in einem “Doppelgebot”: “Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen Kräften” und “du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst” . Hiervon sagt Christus Selbst: “Es ist kein anderes Gebot größer als diese” (Mk. 12, 30-31). Wer versucht, dieses doppelte Gebot einzuhalten, wird ohne Schwierigkeiten alle anderen Gebote aus innerem Bedürfnis heraus einhalten, da ihn die Liebe zu Gott wie von selbst zur Liebe zu Dessen Schöpfung führt.
Nach der Liturgie mußte der Gebetsgottesdienst in der Kirche stattfinden, da eine Prozession wegen des strömenden Regens unmöglich war. Als sich die Gemeinde später im Garten des Priesterhauses in einem großen Zelt versammelte, zeigte sich doch wenigstens zaghaft die Sonne.
p Am Sonntag Aller Heiligen Rußlands, dem 16./29. Juni, weihte Erzbischof Mark bei der Liturgie in der Kathedralkirche der Heiligen Neumärtyrer und Bekenner Rußlands in München den Hypodiakon Nikolai Wolper aus Hamburg zum Diakon. Dem Bischof konzelebrierten Priestermönch Avraamij und Protodiakon Georg Kobro, Mönchsdiakon Evfimij, Diakon Andrej Sikojev. Zu der Weihe waren auch mehrere Gläubige aus Hamburg gekommen. Beim Mittagessen im Gemeindesaal gratulierte Erzbischof Mark dem neugeweihten Diakon und den aus Hamburg angereisten Gläubigen. Der Bischof hob besonders hervor, daß Vater Nikolai ein Schüler des verstorbenen Priesters Benedikt Lohmann ist, der ihm die Liebe zum Gottesdienst beigebracht hatte.
Vater Nikolai zelebrierte dann die ersten 40 Tage im Kloster des Hl. Hiob in München.
p Am 5. Juli reiste Erzbischof Mark mit Abt Agapit nach Berlin, wo er in der dortigen Gemeinde die Vigil feierte. Danach traf er mit dem Priester, Vater Andrej Trufanow, der Kirchenältesten und Gemeindemitgliedern zusammen, um allgemeine Fragen des Gemeindelebens wie auch persönliche Fragen zu diskutieren. Am folgenden Morgen, Sonntag, den 6. Juli reiste er nach Dresden, um hier die Göttliche Liturgie in der Kirche des Hl. Simeon vom Wunderbaren Berge zu feiern. In Dresden konzelebrierten ihm Abt Agapit und Diakon Alexander Zajcev aus Berlin. Zum Fest der Begegnung der Wundertätigen Ikone von Vladimir predigte Erzbischof Mark in Dresden zu dem Thema der Demut und des Gehorsams der Allerheiligsten Gottesmutter. Er betonte, daß derartiger Gehorsam wie ihn die Gottesmutter an den Tag legte, jeden Menschen zu einem wahren Knecht Gottes werden läßt, diese Knechtschaft aber die Mögklichkeit der Sohnschaft eröffnet, in welcher wir die Enge des irdischen Daseins überwinden und die Unendlichkeit Gottes aufnehmen können. In dieser Unendlichkeit wird uns die Fähigkeit verliehen, Dinge zu erfassen, die zunächst unverständlich erscheinen. So birgt das Leben in der Kirche ein Vielzahl von Überlieferungen und Regeln, die wir zunächst vielleicht nicht verstehen, dann aber allmählich mit dem Herzen erahnen und schließlich begreifen können. Demut und Sanftmut lassen uns zu Teilhabern am Lichte Gottes werden, das alles durchleuchtet und erhellt und uns gestattet, das Dunkel der Sünde hinter uns zurückzulassen. Als Lichtträger Gottes aber erkennen wir die Wahrheit, die Christus Selbst ist und nehmen Seine Gerechtigkeit in uns auf, die durch unsere Liebe zu Gott stets vervollkommnet wird, denn wir wissen, daß “Er gerecht ist und erkennen, daß, wer recht tut, der ist von Ihm geboren” (1. Jo. 2, 29).
Bote 1997-4
Aus dem Leben anderer Kirchen
Sie verbrennen dein Heiligtum, sie entweihen und werfen zu Boden die Wohnung deines Namens (Ps. 73,7-8)
Der hochgeweihte Afanasij, Bischof von Zachumsko-Herzegowina und Primorskij informierte S. H. den Serbischen Patriarchen Pavel und den Bischofssynod der Serbischen Kirche darüber, daß in dem Dorf Trijeban’ (auf der Straße von Stotz nach Mostar) die alte Kirche des Hl. Nikolaus von den Serben zerstört wurde.
Vladyka Afanasij erfuhr zufällig von dieser Zerstörung. Diese Kirche befindet sich, ebenso wie einige andere Kirchen auf dem nun der Föderation Bosnien und Herzegowina unterstellten Territorium, und Bischof Afanasij wurde trotz wiederholten Vorsprachen nicht gestattet, sie zu besuchen. Am 21. Mai 1997 nach dem von der europäischen Mission der OSCE arrangierten Gespräch “am runden Tisch” in Mostar mit dem katholischen Bishof von Mostar und dem muslimischen Mufta, bat Vladyka einige Herren von der Mission, die ihn zu dem Gespräch brachten, nach Trijeban’ zu fahren, um die Kirche anzuschauen, die während des Krieges 1992 geschlossen worden war, und über die versprochen worden war, daß sie sicher bewahrt werden würde. Als sie nach Trijeban’ kamen, sahen der serbische Bischof und seine Begleiter, daß die Kirche fast bis auf die Fundamente zerstört war.
Dies war eine kleine mittelalterliche Kirche von großer geistlicher und kultureller Bedeutung. Sie wurde von dem serbischen Heerführer Radoj Chrabren-Miloradovi¡c gebaut und wurde in den 30-40er Jahren des 16. Jh. mit Fresken ausgemalt und dann wiederholt durch die Bemühungen frommer Gläubiger erneuert. In der Kirche gab es eine bedeutende alte Ikone des Hl. Nikolaus und in der Vorhalle wunderbare Fresken des Jüngsten Gerichts, des Paradieses und Adams. Neben der Kirche befand sich eine orthodoxe Schule, die nun auch zerstört ist.
Die Kirche in Trijeban’ wurde vor einigen Monaten zerstört, als der Krieg bereits zu Ende war. Durch die Explosion wurde das Dach, die Altarapsis und ein beträchtlicher Teil der Mauern vollkommen zerstört, außer der rückwärtigen auf den Glockenstuhl gestützten. Diese Mauer hängt über, aber fiel nicht ein. Der zerstörte Altar ist von Steinen übersät. Alle Fresken an den Wänden, außer wenigen ziemlich kleinen Fragmenten mit ein paar ganz gebliebenen Gesichtern, wurden von der Detonation und Explosionswelle zerstört und vernichtet. Kleine Freskenfragmente kann man noch auf den Bruchstücken sehen, auf der Stukkatur und dem Stein, aber auch sie gehen kaputt von dem Regen und dem Lauf der Zeit. Vladyka Afanasij sammelte und nahm mit sich einige Stücke der verstreuten Fresken, von Handtellergröße: vom Paradies, oder von Adam, oder vom Jüngsten Gericht....
“Trauer und Bitternis erfaßten uns, – schreibt Bischof Afanasij – und füllten unser Gemüt. Wir verstummten vor dem Greuel dieser Barbarei und antichristlichen, antiorthodoxen und antiserbischen Zerstörungswut”
In solch einer Welt leben wir. Die orthodoxen Serben sind unsere Brüder. Der erste serbische Erzbischof, der Hl. Sabbas, der im russischen Panteleimon Kloster zum Mönch geweiht wurde, übersetzte den Nomokanon (Kirchengesetzbuch), das durch das Konzil von Vladimir am Ende des 13. Jh. in Gebrauch genommen wurde. In unseren Tagen erbaut sich an der gottweisen Theologie eines anderen Serben unseres Zeitgenossen, des ehrwürdigen Justin Popovi¡c von @Celije unsere ganze orthodoxe Welt, darunter auch die Leser des “Boten”. Achten wir diese Brüder in Christus, umarmen wir sie von ganzem Herzen? In unserer Diözese, wo alles in Ordnung ist, bauen wir, restaurieren und verschönenern wir die Kirchen, und vergessen zuweilen bei diesen glücklichen Unternehmungen, daß der Antichrist kommen wird und schon jetzt in der Welt ist (1. Joh. 4,3).
Bleibt in diesen letzten Zeiten auf der Erde auch nur ein einziges nicht zerstörtes oder nicht geschändetes Gotteshaus übrig? Die Heilige Schrift warnt uns, daß die Verfolgungen der letzten Zeiten alles übertreffen, was jemals zuvor war, und nur eines bleibt ohne Zweifel unzerstört, nämlich das menschliche Herz, das durch Liebe zu Gott und zu dem Bruder” schöner “als mit Gold und Edelsteinen” geschmückt wird.
Bote 1997-4
Unsere Kirche im Heiligen Land
Zu Pfingsten besuchte der Patriarch von Moskau Alexij das Heilige Land. Im voraus hatten Vertreter des Moskauer Patriarchats in Jerusalem bei der Mission der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland angefragt, ob die Delegation des Patriarchen unsere Klöster in Gethsemane und auf dem Ölberg besuchen könnte, um hier die Gebeine der Neumärtyrererin Großfürstin Elisabeth zu verehren und dort ein Totengedenken am Grabe des Archimandriten Antonin Kapustin zu halten. Dies war vom Synod der Auslandskirche positiv beschieden worden. Tatsächlich besuchte der Patriarch mit seiner großen Delegation in Begleitung einiger Bischöfe des Patriarchats von Jerusalem, dessen Gast er war, das Kloster in Gethsemane, und die Äbtissin bewirtete ihn danach gemäß der Tradition der orthodoxen Klöster im Osten mit Tee und Süßigkeiten. Auf dem Ölberg dagegen wurde der Delegation trotz der Anweisung des Bischofssynods der Einlaß verweigert.
Im Kloster der Heiligen Dreieinigkeit an der Eiche von Mamre war ein Besuch der Delegation überhaupt nicht vorgesehen gewesen. Dennoch trafen dort Vertreter der arabischen Sicherheitspolizei ein und forderten innerhalb einer halben Stunde alles für den Besuch vorzubereiten. Die Bruderschaft war darauf in keiner Weise vorbereitet. Die sechs in dem Kloster lebenden Mönche waren bereits seit Wochen durch palästinensische Militäreinheiten terrorisiert worden, die auf dem Klostergelände immer wieder Übungen abhielten und die Mönche zum Verlassen des Klosters aufforderten. Durch derartige Vorfälle gewarnt, hatte der Priestermönch, der den Schlüssel für die Kirche innehatte, diesen mit auf den Ölberg genommen. Daher öffneten die Polizisten mit einem Nachschlüssel die Kirchentür und der Patriarch wurde mit seiner Delegation eingelassen.
Am folgenden Tag erschien ein Vertreter der Mission des Moskauer Patriarchats, Abt Gurij mit drei Nonnen und verlangte die Übergabe des Klosters mit der Bergündung, dies sei russischer Besitz. Als die russischen Mönche unserer Kirche, die dort seit Jahren – Vater Georgij, der ursprünglich aus dem Kloster des Hl. Hiob in München stammt, bereits seit den 50-ger Jahren – leben, erklärten, daß dieses Kloster der Auslandskirche gehöre, sagten die ungebetenen Gäste, daß die Bewohner des Klosters schon “erleben würden wer hier das Sagen hat”.
Am Sonnabend, den 22. Juni/ 5. Juli trafen im Kloster an der Eiche von Mamre palästinensische Sicherheitskräfte der Arafat-Regierung ein und forderten unsere Mönche auf, binnen einer halben Stunde das Kloster zu räumen. Sie beriefen sich dabei auf einen Befehl Jassir Arafats. Abt Andronik forderte von ihnen ein Dokument als Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptungen. Die Polizisten konnten ein solches jedoch nicht vorweisen. Innerhalb kurzer Zeit brachen die Sicherheitskräfte alle Türen im Wohngebäude des Klosters der Hll. Vorväter auf und begannen, die Mönche mit Gewalt zu vertreiben. Gleichzeitig erschien besagter Abt Gurij vom Moskauer Patriarchat mit dem Leiter der Mission des MP, Archimandrit Feodosij, und einigen Nonnen. Die beiden Geistlichen durchsuchten die Wohnräume unserer Mönche, nahmen die Kirchenschlüssel in Beschlag und machten sich umgehend an den Heiligen Gefäßen in der Kirche zu schaffen. Sie verhielten sich von vorneherein wie Hausherren und kümmerten sich in keiner Weise um die Mönche und ebenfalls in der Zwischenzeit eingetroffenen Äbtissin Juliania und Nonnen, die von den palästinensischen Sicherheitskräften grob behandelt wurden.
Schließlich wurden unsere Mönche mit Schlägen aus dem Kloster vertrieben, einige in Handschellen gelegt und aus dem Kloster getragen, da sie nicht freiwillig zu gehen bereit waren. Äbtissin Juliania wurde über die Treppe geschleift, so daß ihr Kopf mehrmals auf die steinernen Stufen aufschlug und sie in der Folge in Jerusalem ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Der überalterte und kranke Mönch Georgij, der lange Jahre mit Abt Ignatij allein in Hebron lebte, verblieb in dem Kloster – dabei ist unklar, ob er verstand, was um ihn herum vor sich ging.
Israelische Zeitungen wie Ha’aretz, Jerusalem Post u.ä. berichteten in den folgenden Tagen über dieses himmelschreiende Unrecht. Dabei wurde deutlich herausgestellt, daß dieser brutale Übergriff auf einem Versprechen beruht, daß Arafat kürzlich dem Moskauer Patriarchen Aleksij bei dessen Besuch gab. Diese Vorgänge sind leider deckungsgleich mit dem Vorgehen des Moskauer Patriarchats gegen die Gemeinden der Freien Russischen Kirche oder Auslandskirche in Rußland. Dort wurde in den letzten Jahren regelmäßig die OMON gerufen, um die betenden Großmütter aus den Kirchen zu vertreiben – eine Truppe, die für ihr brutales und menschenverächtendes Durchgreifen berüchtigt ist. Leider zeigt sich hier, daß die Leitung des Moskauer Patriarchats noch keinen menschlichen Zugang zu ernsthaften kirchlichen Problemen findet. Der Abt des ältesten und ehrwürdigsten Klosters der Serbischen Kirche schrieb dazu aus Decani, daß die Vorgänge in Hebron nur dazu geeignet sind, die Möglichkeit einer Einigung zwischen den Teilen der Russischen Kirchen noch weiter in die ferne Zukunft zu rücken.
Am Mittwoch, den 25. Juli/9. Juli, flog Erzbischof Mark im Auftrag des Bischofssynods nach Jerusalem, um an Ort und Stelle zu klären, was in dieser Angelegenheit auf diplomatischem Wege zu erreichen sei. Ab Donnerstag morgen machte er, nachdem er das Hl. Grab des Herrn verehrt hatte, Besuche beim Patriarchat von Jerusalem, bei verschiedenen hochgestellten Vertretern der palästinensischen und israelischen Behörden, Vertretern der verschiedenen christlichen Gemeinschaften in Jerusalem, diplomatischen Vertretungen einer Reihe europäischer Staaten sowie der USA und Australiens. Am Freitag schlossen sich im Auftrag des Bischofssynods der inzwischen aus Amerika angereiste Erzpriester Georgij Larin und Protodiakon Evgenij Burbello an. Am Sonnabend kam noch Bischof Kyrill von Seattle und Erzpriester Viktor Potapov dazu. Nach all den Interventionen, in die dann noch die Frau Arafats, Suha, eine orthodoxe Christin, einbezogen wurde, gelang es schließlich am Sonnabend nachmittag, einen Termin beim palästinensischen Präsidenten Arafat für den späten abend des Samstags zu erhalten.
Die gesamte Delegation machte sich mit Äbtissin Anna und Mutter Moisseja als Dolmetscherin auf den schwierigen Weg nach Gaza. Die israelische Grenzkontrolle in Erez verlief sehr langsam, so daß die Delegation nicht zur verabredeten Zeit um 20:00 Uhr bei Arafat sein konnte. Auf palästinensischer Seite wurde die Delegation im Auftrag Arafats von dessen Militärwagen in Empfang genommen und in das schwerbewachte Verwaltungszentrum der palästinensischen Regierung in der Stadt Gaza gefahren. Um 22:30 Uhr empfing schließlich Präsident Arafat nach einer Sitzung seines Sicherheitsrates die Delegation unter Leitung von Erzbischof Mark. Die Unterredung dauerte bis nach 23:00 Uhr. Erzbischof Mark entschuldigte sich im Namen der Russischen Auslandskirche dafür, daß Patriarch Alexij zunächst am Zugang zum Kloster in Hebron gehindert wurde, betonte jedoch, daß ein solcher Ungehorsam einzelner Personen gegenüber der Kirchenleitung nicht dazu führen dürfte, daß die Mönche, die keinerlei Schuld an den Vorgängen tragen, aus ihrem Kloster vertrieben werden und das Kloster anderen übergeben wird. Er erinnerte auch daran, daß der neugeschaffene Staat Israel 1948 in dieser ungesetzlichen Weise mit unserem Besitz auf seinem Territorium verfahren sei, wobei ebenfalls brutalste Methoden gegenüber Mönchen und Nonnen angewandt wurden. Später mußte der Staat Israel dies jedoch als Unrecht anerkennen und der Auslandskirche eine Entschädigung zahlen. Der Großteil des damaligen Kirchenbesitzes wurde dann von der Sowjetunion an Israel zu einem Spottpreis (gezahlt in Zitrusfrüchten, deren größerer Teil nie Rußland erreichte) zurückverkauft, so daß es heute der Russichen Kirche völlig entfremdet ist. Die Russische Auslandskirche hat dagegen unter großen Opfern den Besitzstand im Heiligen Land gewahrt, der ansonsten überhaupt verlorengegangen wäre. Das weitere Schicksal muß innerhalb der Russischen Kirche geregelt werden, nicht aber durch Gewaltanwendung von außen. Arafat hörte diesen Ausführungen aufmerksam zu und beauftragte dann seinen Außenminister, Dr. Nabeel Shaath, die weiteren Unterredungen zu Beginn der folgenden Woche zu führen.
Am Dienstag, den 2./15. Juli fuhr Erzbischof Mark in den frühen Morgenstunden mit einer kleineren Delegation, bestehend aus Bischof Kyrill, den Erzpriestern Georgij Larin und Viktor Potapov sowie der Dolmetscherin Nonne Moisseja wiederum nach Gaza. Hier hatte die Delegation eine Besprechung mit dem Minister für Planung und Internationale Angelegenheiten Dr. Nabeel Shaath. Dieser hatte speziell zu diesem Zweck den Justizminister Abu Middain aus dem Urlaub gerufen. Beide Minister der Arafatschen Palästinensischen Regierung erkannten ohne Umschweife an, daß der Besitz in Hebron unserer Kirche zu Unrecht genommen wurde und entschuldigten sich im Namen der Regierung dafür. Ebenso sagten die beiden Minister, daß selbstverständlich so schnell wie möglich der status quo ante, d.h. der Zustand bis zum 5. Juli 1997, wiederhergstellt werden müsse. Die Delegation unter Leitung von Erzbischof Mark entschuldigte sich nochmals für den Ungehorsam der Nonnen und Mönche auf dem Ölberg und in Hebron, die den Patriarchen von Moskau in Begleitung der Bischöfe des Patriarchats von Jerusalem am Betreten der beiden Klöster gehindert hatten, betonten jedoch, daß ein solcher Vorfall entgegen dem Willen unseres Bischofssynods nicht mit der gewaltsamen Vertreibung unserer Mönche aus dem Kloster geahndet werden darf, das unsere Kirche seit 1868 bewahrt hat. Die Delegation überreichte ebenfalls ein Schreiben des Ersthierarchen unserer Kirche an Prädident Arafat, in welchem sich Metropolit Vitaly für den Ungehorsam unserer Nonnen und Mönche entschuldigt. Die Delegation versprach den beiden Ministern darüber hinaus, daß unsere Kirche dafür garantiert, daß in Zukunft alle Personen, die zum Besuch und Gebet an den in unserer Obhut stehenden Heiligen Stätten kommen, zu den dafür vorgesehenen Zeiten selbstverständlich zugelassen werden. Zum Abschluß bat Minister Dr. Shaath noch seinen Kabinettsminister, Isam Shawwa, sich in einem Gespräch mit der Delegation ein Bild von der gesamten Lage zu machen und einen Vorschlag der Art und Weise der Rückführung des Klosters an der Abrahamseiche von Mamre in Hebron in die Obhut der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland zu unterbreiten, was letztlich Prädident Arafat selbst entscheiden müsse. Am späten Nachmittag kehrte die Delegation erschöpft über den Grenzübergang Erez nach Jerusalem zurück und nahm am Abend im Gethsemane-Kloster an der Vigil für die Kaiserlichen Neumärtyrer teil.
Am folgenden Morgen zelebrierte Erzbischof Mark zusammen mit den Erzpriestern Georgij Larin und Viktor Potapov und den Priestermönchen Johannes und Peter sowie dem Protodiakon Evgenij Burbello aus New York die Göttliche Liturgie im Kloster in Gethsemane. Danach machte sich eine kleinere Delegation unter Leitung von Erzbischof Mark auf den Weg nach Ramallah, um dort mit unserem Rechtsanwalt Fuad Shehad zu konferieren. Zwischen den verschiedenen diplomatischen Begegnungen hatten Teilnehmer der Delegation noch Zusammenkünfte mit weiteren Vertretern der Konsulate und Botschaften der Vereinigten Staaten, Australiens und verschiedener europäischer Staaten, die sich ebefalls unserer Probleme angenommen hatten und alle um die Erhaltung des status quo besorgt waren.
Am Abend des 4./ 17. Juli nahm Erzbischof Mark im Kloster von Gethsemane an der Vigil zu Ehren der Neumärtyrerinnen Großfürstin Elisabeth und Nonne Varvara, deren unverwesliche Reliquien in Gethsemane ruhen, und des Hl. Sergij von Radonesch teil. Hier wurde erstmals der von Erzbischof Mark verfaßte liturgische Text für die Hl. Neumärtyrerin Elisabeth angewandt. Am Sonntag, den 20. Juli zelebrierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie im Christi-Himmelfahrts- Kloster auf dem Ölberg zusammen mit den Äbten Andronik und Pavel.
Für Montag, den 8./21. Juli war mittags eine Zusammenkunft unserer Delegation mit dem palästinensischen Justizminister Abu Middain, einem Verteter des Amtes für Religionsangelegenheiten, einem anglikanischen Bischof aus Nazareth und dem lutheranischen Bischof Munib Younan – beide arabischer Nationalität – und Vertretern des Moskauer Patriarchats beim Bürgermeister von Bethlehem, Herrn Hanna Nasser, in dessen Amtsräumen vorgesehen. Der Justizminister, der von anderen Problemen überrascht worden war, erschien zu dieser Besprechung nicht. Die Vertreter des Moskauer Patriarchats blieben ohne Ankündigung fern und entschuldigten sich auch nachher nicht. Alle Teilnehmer dieser Gesprächsrunde zeigten volles Verständnis für die Sorgen der Delegation unserer Kirche und versprachen, dies der palästinensischen Regierung zu übermitteln.
Am Abend desselben Tages führten die Mitglieder unserer Delegation ein Gespräch mit dem russischen Konsul in Tel Aviv. Sie legten ihm die Problematik dar und verwiesen darauf, daß derartige Streitigkeiten nicht nur der Russischen Kirche, sondern genauso dem gesamten russischen Volk schaden. Wie auch in anderen Besprechungen verwies die Delegation hier besonders darauf, daß all die russischen Heiligtümer und der Besitz im Heiligen Land längst in fremden Händen wären, hätte nicht die Russische Auslandskirche unter großen Anstrengungen und mit immensen Spenden ihrer Gläubigen diese Besitztümer in den vegangenen Jahrzehnten, in denen die Kirche in Rußland verfolgt war, bewahrt und instandgehalten. Auch heute ist die Kirche in Rußland noch nicht Besitzerin ihrer Heiligtümer, sondern der Staat überläßt ihr diese ledliglich zur Nutzung.
Am Mittwoch, den 23. Juli war die Delegation von Suha Arafat, der Gattin des palästinensischen Präsidenten, in Beit Jallah in den Räumen des Gouverneurs des Bezirks Bethlehem zu einer Besprechung eingeladen. Suha Arafat, mit der unsere Nonnen in ständigem Kontakt gestanden hatten, war grundsätzlich bereits voll im Bilde über unsere Probleme. Sie sagte, daß ihr Mann und die Minister schlecht beraten waren und nicht wirklich über die Lage der Russischen Kirche und insbesondere der Heiligtümer im Heiligen Land bescheid wußte. Sie betonte, daß sie in Gesprächen mit dem Präsidenten und den zuständigen Ministern darauf bestehen würde, daß unsere Mönche so bald wie möglich wieder ihr Kloster übernehmen können, und nahm die von Erzbischof Mark ausgesprochene Einladung zu einem Besuch des Klosters an der Eiche von Mamre nach der Wiederherstellung des vormaligen status quo mit Freude an. Ebenso versprach sie ihre tätige Mithilfe im Aufbau und der Festigung weiterer Kontakte mit den zuständigen Stellen.
Im Anschluß an die Besprechung, die in der Gegewart hoher Regierungsbeamter und Vertreter der Presse stattfand, lud Frau Arafat die gesamte Delegation zum Mittagessen in das Restaurant Al Sababa in Bethlehem ein. Während des Mittagessens saß Erzbischof Mark links von Frau Arafat und Mutter Moisseja aus dem Kloster in Gethsemane rechts von ihr. Beide hatten daher reichlich Gelegenheit, noch über eine ganze Reihe von Fragen mit Suha Arafat zu sprechen. Sie erwähnte, daß sie selbst orthodoxe Christin ist und es gerade deshalb auch für ihre Pflicht hält, in dieser schwierigen Situation zu helfen, die sie kurz zuvor auch mit Bischöfen des Jerusalemer Patriarchats diskutiert hatte.
Am Donnerstag, den 11./24. Juli, machte Erzbischof Mark nochmals einen Besuch beim Stellvertreter des Patriarchen von Jerusalem, Metropolit Kernelios, um ihm über den derzeitigen Stand der Dinge zu berichten und sich zu verabschieden. Danach führte er eine Besprechung mit den Geistlichen und der Bruderschaft der Mission und des Hebroner Klosters durch. Am Abend reiste er von Tel Aviv aus nach München ab.
Am 15/.28. Juli besuchte Erzbischof Mark den Seligsten Diodoros, den Patriarchen von Jerusalem und ganz Palästina, in dessen Residenz bei Kamena Vourla, ca. 160 km von Athen entfernt, wo der Patriarch den Sommer verbringt und sich einer Kur unterzieht.
Nach den Begrüßungsworten drückte Erzbischof Mark sofort tiefes Bedauern über die Vorfälle auf dem Ölberg und in Hebron aus, wo entgegen der Vorgabe des Bischofssynods der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland zu Pfingsten d.J. der Patriarch von Moskau Alexej am Zutritt zu den beiden Klöstern gehindert wurde. Erzbischof Mark sagte, daß er in Jerusalem vor zwei Wochen dem Stellverteter des Patriarchen, Metropolit Kornelios, eine schriftliche Entschuldigung des Ersthierarchen der Russischen Auslandskirche, Metropolit Vitaly, überreicht hatte, und er wiederholte noch einmal, daß wir beim Patriarchen für die grobe Verletzung des Gehorsams seitens des Bischofs Varnava, Archimandrit Bartholomäus und Äbtissin Juliania um Verzeihung bitten. Ebenso bekräftigte er, daß Äbtissin Juliania als Vorsteherin des Ölbergklosters abgelöst wurde und ihr vorgeschrieben wurde, nach Chile zurückzukehren, und daß der Leiter der Geistlichen Mission ebenfalls abgelöst wurde.
Der Patriarch brachte nochmals seine tiefe Empörung über das Verhalten der Äbtissin zum Ausdruck und sagte, daß sie an allem Übrigen schuld sei.
Erzbischof Mark legte kurz Bericht über seine Tätigkeit während seines Aufenthaltes in Jerusalem in Verbindung mit der illegalen Vertreibung unserer Mönche aus dem Dreieinigkeitskloster in Hebron ab und berichtete dem Patriarchen weiterhin von der Erklärung des Metropoliten Timotheos, die in der Jerusalem Post vom 28. Juli veröffentlicht war. Der Metropolit von Lydda schrieb dort, daß das Patriarchat von Jerusalem die Auslandskirche nicht anerkennt, mit ihr keine eucharistische Gemeinschaft habe, und jetzt alle Beziehungen abgebrochen habe. Der Patriarch zeigte sich darüber äußerst empört. Erzbischof Mark äußerte die Meinung, daß eine solche Erklärung völlige Verwirrung in unserem gegenseitigen Verhältnis stiften werde und außerdem unseren Feinden als willkommene Waffe gegen unser friedliches Dasein im Heiligen Land dienen wird. Daher fragte er den Patriarchen, ob sich etwas im Verhältnis zwischen dem Patriarchat von Jerusalem und der Russischen Auslandskirche geändert habe, insbesondere in der Frage der Anerkennung unserer Kanonizität und der Teilnahme an den heiligen Sakramenten. Der Patriarch antwortete unzweideutig, daß die Aussagen des Metropoliten Timotheos dessen persönliche Meinung darstellen, die jedoch in keiner Weise die Haltung des Patriarchats widerspiegeln. Er sagte: “Wir hatten stets eucharistische Gemeinschaft, wir haben sie und werden sie weiterhin haben. In dieser Frage hat sich nichts geändert”.
Hinsichtlich des Besitzes in Hebron sagte der Patriarch, daß sich kein Staat in diese Angelegenheiten einmischen dürfe. Auf die Bemerkung von Erzbischof Mark, daß derartige Vorgänge wie in Hebron völlig unsere Versuche einer friedlichen Lösung unserer Probleme mit dem Moskauer Patriarchat unterminieren, sagte der Patriarch, daß derartige Probleme auf innerkirchlichem Wege bereinigt werden müssen, nicht aber unter äußerer Gewaltanwendung. Patriarch Diodor verprach, sich unserer Fragen sofort nach seiner Rückkehr nach Jerusalem anzunehmen.
Nachdem sich der Patriarch in seine Gemächer zurückzog, führte Metropolit Irineos das Gespräch mit Erzbischof Mark weiter. Er drückte sein tiefes Bedauern über die Vorfälle in Hebron und die Hoffnung auf baldige Rückkehr unserer Mönche in ihr Kloster aus. Dabei verlieh er besonders seiner Sorge darüber Ausdruck, daß dieser Vorfall, wenn er nicht die richtige Lösung findet, als Präzedenzfall für ähnliche ungesetzliche Handlungen in anderen Fällen, d.h. in Hinsicht auf andere Kirchen, dienen kann.
Sowohl Patriarch Diodor als auch Metropolit Irineos brachten unzweideutig ihre Mißbilligung der Äußerungen von Metropolit Timotheos zum Ausdruck und versicherten Erzbischof Mark ihrer unveränderten Liebe zu unserer Kirche.
Von Athen aus flog Erzbischof Mark nach New York, um bei der kurzfristig einberufenen außerordentlichen Sitzung des Bischofssynods über die Tätigkeit der Komission im Heiligen Land in Verbindung mit der Angelegenheit in Hebron zu berichten.
Auf der Synodalsitzung am 16./29. und 17. /30. Juli 1997 fällte der Bischofssynod folgende Entscheidungen:
1. den Bischof von Cannes, Varnava, von allen Aufgaben bezüglich des Hl. Landes zu entbinden,
2. den Leiter der Geistlichen Mission in Jerusalem, Archimandrit Bartholomäus, von seinen Aufgaben zu entbinden und in die Verfügung des Ersthierarchen in Kanada zu überweisen,
3. Äbtissin Juliania von ihren Aufgaben als Vorsteherin des Christi-Himmelfahrt-Klosters auf dem Ölberg zu entbinden und an ihre frühere Wirkungsstätte in Chile zurückzusenden,
4. zum verantwortlichen Beobachter für die Angelegenheiten der Geistlichen Mission und der Klöster im Heiligen Land den Erzbischof von Berlin und Deutschland, S.E. Mark, zu bestellen,
5. vorübergehend mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Leiters der Geistlichen Mission den Erzpriester Georg Larin zu bestellen,
6. zur Überwachung der unverzüglichen Ausführung aller Erlasse des Synods den Bischof von Manhatten, S.E: Gabriel, ins Hl. Land zu entsenden.
Wir hoffen, daß der Vorfall in Verbindung mit der zeitweiligen Vertreibung unserer Mönche aus dem Kloster der Hl. Dreieinigkeit in Hebron alle zum Nachdenken und Gebet an den Dreieinigen Gott bewegt, Dem wir alle zu dienen bestrebt sind. Verletzung des Gehorsams, Lüge und Gewaltanwendung sind nur dazu geeignet zu zerstören.
Zur Zeit der Drucklegung dieser Nummer des “Boten” war das Problem noch nicht gelöst. Wir bitten um inständige Gebete, daß die Bruderschaft in ihr Kloster zurückkehren kann.
Bote 1997-4
Die Macht der Kirche ist in der Einheit des Glaubens und der Liebe beschlossen
Die folgenden Ausführungen beruhen auf Gedanken, die ich im Laufe des ersten Halbjahres 1997 sammelte. Anfang Juli wurde ich wie durch einen Messerstich ins Herz durch die Vertreibung unserer Mönche aus dem Hl. Dreieinigkeits-Kloster an der Eiche von Mamre bei Hebron erschüttert – eine Vertreibung, die von der palästinensischen Polizei auf Forderung des Patriarchen von Moskau vorgenommen wurde und brutale Gewalt, die an Mönchen und Nonnen der Auslandskirche vor den Augen von Vertretern des Moskauer Patriarchats ausgeübt wurde, die gleichsam im Hohn auf das heilige Engelsgewand, in Mönchsgewänder gekleidet waren. Wieder einmal zeigte diese Struktur ihr wahres Gesicht, ihre sowjetische, imperialistische Herkunft. Danach wäre es wohl natürlich, alles aufzugeben und sich nicht weiter mit der Problematik unserer gegenseitigen Beziehungen zu beschäftigen. Diese einfache Lösung habe ich von mir gewiesen, obwohl ich erwarte, daß mich dafür wiederum Verleumdung treffen wird. Wie bisher, so meine ich auch jetzt, daß wir für unseren kirchlichen Weg vor dem gesamten russischen orthodoxen Volk verantwortlich sind, und nicht nur oder am wenigsten vor der in ihren machthungrigen Gepflogenheiten erstarrten Hierarchie des MP. Daher veröffentliche ich meine Gedanken zu diesem Thema in der Form, in der sie vor den Ereignissen im Heiligen Land konzipiert wurden, die leider eine Schande für die ganze Russische Kirche darstellen.
Mein Besuch in Rußland gegen Ende 1996 rief eine ausgedehnte Diskussion über kirchliche und kirchenpolitische Fragen unserer Tage hervor. Die Reise nach Rußland insbesondere nach Tver hatte ich ausschließlich mit dem Ziel der Teilnahme an einer wissenschaftlichen Konferenz unternommen, die von der örtlichen Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Universität von Tver aus Anlaß der 725-Jahrfeier des Hl. Großfürsten Michael von Tver veranstaltet wurde. Nach Abschluß der Konferenz fuhr ich nach Moskau, wo ich einige freie Stunden hatte. Während dieser Zeit besuchte ich den Patriarchen von Moskau Alexej, mit dem ich zum ersten Mal bei dessen Besuch in Deutschland im November 1995 zusammengetroffen war,wovon ich seinerzeit selbstverständlich dem Vorsitzenden des Bischofssynods, Metropolit Vitaly, berichtet hatte. Genauso schrieb ich Metropolit Vitaly auch über meine zweite Begegnung im Dezember 1996. Dieser Brief fand in der Folge zusammen mit der Antwort von Metropolit Vitaly sowohl in Rußland als auch im Ausland Verbreitung, bis hin zur Veröffentlichung in verschiedenen Zeitungen.
Meines Erachtens nach zeugen die Reaktionen in beiden Teilen unserer Kirche, d.h. sowohl im Ausland als auch in Rußland selbst, von der Größe der Hindernisse, vor denen jeder von uns steht. Der Widersacher unserer Rettung wartet nur auf derartige Momente, um den Geist des Mißtrauens und der Feindschaft zwischen uns Gläubigen zu säen. Und dies ist in vielen Aussagen zutage getreten. Viele betrachten schon die geringste Bewegung von Gedanken in einer neuen und unvorhergesehenen Richtung als etwas Verdächtiges. In einer solchen Situation müssen wir uns noch viel in Geduld üben, wenn wir uns bewußt um gegenseitiges Verstehen bemühen wollen. Daher halte ich es für meine Pflicht, den Versuch zu unternehmen, die entstandenen Mißverständnisse auszuräumen und meine eigenen Ansichten zu den wichtigen kirchlichen Problemen genauer darzulegen.
Die Russische Orthodoxe Kirche im 20. Jh. ist in der Folge historischer Umstände nach schrecklichen Verfolgungen in verschiedene Teile geteilt. Am 7./20. 11. 1920 erließ der Hl. Patriarch Tichon zusammen mit dem Synod und dem Höchsten Kirchenrat (d.h. einer vom letzten freien Konzil der Russischen Kirche geschaffenen Instanz solchen Ranges, die bis heute nicht ihresgleichen hat) den Erlaß Nr. 362, demgemäß sich der freie Teil der Russischen Kirche bis zur Möglichkeit der Einberufung eines freien Konzils selbst verwalten sollte. Man kann nicht ernsthaft annehmen, daß hier eine mechanische Unterwerfung unter eine Verwaltungseinheit gemeint war, die sich selbst noch nicht von den Folgen der Einwirkung eben derselben atheistischen Machthaber befreit hat, gegen deren zerstörerische antikirchliche Tätigkeit das Anathema des Patriarchen Tichon und der Erlaß Nr. 362 gerichtet war.
Die Russische Orthodoxe Kirche ist unsere gemeinsame Mutterkirche – darüber besteht kein Zweifel. Unter Mutter verstehen wir jedoch etwas, was Leben hervorbringt. Die Verwaltungsstrukturen des Moskauer Patriarchats, wie sie sich seit 1927 bis zum heutigen Tage in Hinsicht auf die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland gebart haben, können jedoch nicht die Bezeichnung ihrer Mutter beanspruchen. Vereinfachungen sind bequem in der weltlichen Politik, die versucht sich zum Schaden der Kirche in deren Leben einzumischen, aber sie sind unangebracht in Fragen, die die Kirche Christi betreffen, insbesondere die geschundene Russische Kirche. Wer von der “Wiedervereinigung mit der Mutterkirche” spricht, sollte sich besser nicht selbstherrlich eine so erhabene Bezeichnung aneignen, sondern sich selbst in Sohnesliebe an eben diese Russische Kirche wenden, von der wir alle, die wir über siebzig Jahre in völlig unterschiedlichen Umständen gelebt haben und leben, in der einen oder anderen Weise abstammen.
Selbstverständlich haben sich in jedem Teil der Russischen Kirche Veränderungen ergeben, hat sich eine besondere psychologische Einstellung entwickelt. Wir müssen nach wahrer Einheit streben. Dafür müssen wir die heutige Situation ernsthaft untersuchen, das Vergangene mit Sinn erfüllen, geistlich wachsen. Unter den derzeitigen Umständen relativer Freiheit in Rußland müssen wir Bischöfe zweifellos bereits die Frage nach der Möglichkeit oder gar dem Zeitpunkt eines Konzils stellen, müssen wir über die Form und die Ziele seiner Durchführung nachdenken.
Die Trennung der Russischen Kirche in verschiedene Teile, die man m.E. nicht als “Schisma” bezeichnen darf, kann man nicht als normal ansehen. Allerdings, hat niemand ein fertiges Rezept zur Überwindung kirchlicher Meinungsverschiedenheiten. Ein solches Rezept kann es auch nicht geben. Wir müssen vielmehr zu einem schwierigen Weg des Gebets und der Buße bereit sein. Solange wir uns davor scheuen, können wir weder unsere persönlichen noch unsere pastoralen und schließlich allgemein-kirchlichen Aufgaben meistern. Machen wir uns an die Bewältigung dieser Aufgaben, so werden wir – trotz aller Versuche des Widersachers, die Einheit der Kirche und Ihrer Glieder zu zerrütten – einen Weg finden. Durch Seine Auferstehung hat ja unser Herr Jesus Christus einen Umschwung in unserer toten Welt herbeigeführt. Wir dürfen nicht in unseren bisherigen Überzeugungen erstarren, sondern wir sind dazu berufen, Ihm zu folgen, das Kreuz auf uns zu nehmen in dem Bewußtsein, daß Er uns den Eingang in das Reich des nichtabendwerdenden Tages geöffnet hat.
Dieser Weg verlangt von jedem von uns die Absage an das Verharren in herkömmlichen Vorstellungen vom kirchlichen Leben, wie sie im Zustand der Trennung entstanden sind, die Absage an erstarrte Denkmuster und vorgefertigte Stereotype. Gerade jetzt, da von Neuem die Möglichkeit gegeben ist, auf rein kirchlichem Weg alles Überkommene, für die Kirche Überflüssige, zu überwinden, entsteht die neue Gefahr, die gewohnte Trennung festzuschreiben. Unbedingt müssen wir unsere Freiheit verwirklichen und mutige Schritte unternehmen mit dem letztlichen Ziel, die Konfrontation zu überwinden, um alle positiven Kräfte des kirchlichen Lebens in den einen Strom der Russischen Orthodoxen Kirche zu einmünden zu lassen.
In Momenten des Endes von Verfolgungen sah sich die Kirche immer vor ähnliche Aufgaben gestellt. Und immer verlief diese Etappe nur mit großen Anstrengungen. Hier kann es nichts Mechanisch-Äußerliches geben – gefordert ist die Askese des Gebets, um den eigenen menschlichen Willen mit dem gütigen und vollkommenen Willen Gottes zusammenfließen zu lassen und ihn so ausschließlich auf das Wohl der Kirche zu lenken, jenseits jeglicher persönlicher Ambitionen und Interessen.
Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland hat sich immer als einen untrennbaren Teil des einheitlichen kirchlichen Leibes der Russischen Kirche, der einen Lokalkirche, betrachtet. Im kanonischen Verständnis der Orthodoxen Kirche ist die Möglichkeit des länger andauernden Verbleibens eines oder mehrerer Teile in der Loslösung von den anderen oder dem Ganzen nicht vorgesehen. Und wenn ein solcher Zustand ohne gewichtige Gründe über lange Zeit andauert, so führt er zum Schisma und schließlich zum Absterben von der lebendigen Teilhabe am Leibe Christi. Heute ist es noch nicht so weit, aber eine solche Entwicklung ist zu befürchten, wenn der Zustand der Trennung über den Zeitpunkt hinaus anhält, da die Gründe, die zur Trenung führten, entfallen sind.
Welche Probleme bedürfen der Lösung?
Wiederholt ist hingewiesen worden auf:
1. die Frage des Verhältnisses der Orthodoxen Kirche zu nicht-orthodoxen Gemeinschaften und die damit verbundenen Frage des Ökumenismus.
2. die Zusammenarbeit von Bischöfen und anderen Würdenträgern der Kirche mit den atheistischen Machthabern, und im weiteren Sinne das Verhältnis von Kirche und Staat überhaupt,
3. die Frage der Verherrlichung der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands.
Was trennt uns?
1. Zweifel entstehen leider sogar auf dogmatischem Gebiet bei der Frage nach den Grenzen der Kirche – welche Gemeinschaft können Glieder der Russischen Kirche mit Heterodoxen pflegen, die sich als Christen bezeichnen, d.h. wo verlaufen die Grenzen der Kirche. Auf diesem Gebiet sind die Vertreter des Moskauer Patriarchats, besonders jene Strukturen, die im Ausland wirken oder damit in Kontakt stehen, außerordentlich weit gegangen, haben Unzulässiges zugelassen. Die Auslandskirche, die sich ständig im Umkreis von Andersgläubigen befindet, kennt aus Erfahrung verschiedene Ebenen möglichen Umgangs mit ihnen, unterscheidet diese und pflegt mit ihnen gutnachbarliche Beziehungen, ohne in Gebetsgemeinschaft zu treten, welche die Kanones nicht zulassen. Sie verfügt über eine lebendige Erfahrung der Bewahrung der Orthodoxie unter Andersgläubigen bis hin zum Leben in glaubensmäßig gemischten Familien. Positive Äußerungen zum Ökumenismus, die in letzter Zeit von einigen Bischöfen des MP gemacht wurden, die in ökumenischen Kontakten den praktischen, materiellen Nutzen sehen und somit Ökonomie mit Dogmatik verwechseln, zeugen von einer Vermischung der Begriffszusammenhänge, die der Klärung bedarf. Auch hier kann die Auslandskirche ihren Beitrag zu einer wirklich kirchlichen Lösung der vorliegenden Problematik leisten, die die Russische Kirche so nötig braucht. Ökumenische Kontakte stellen keine neue Erscheinung dar – sie harren seit langem einer Lösung. Derartige Kontakte wurden gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts eingefädelt, in den ersten Jahrzehnten des Lebens außerhalb Rußlands begeisterten sich viele Vertreter der kirchlichen Emigration dafür und erst im Laufe der Zeit erkannten sie die negativen Seiten und die Gefahr der Begriffsvermischung.
Hier ist zu beachten, daß diese Frage nicht nur die Russische Kirche betrifft: ähnliche Stellungnahmen für und gegen ökumenisches Engagement sind praktisch in allen Ortskirchen zu hören. Eine eindeutige Lösung nahm kürzlich die Kirche Georgiens vor, indem sie den Weltkirchenrat verließ. Die Serbische Kirche befindet sich auf dem Wege dazu.
2. Anstoß erregt die Frage der Zusammenarbeit von Bischöfen und anderen Vertretern des Moskauer Patriarchats mit den atheistischen Machthabern. Auf diese Frage versuchte Patriarch Alexij bereits eine Antwort zu geben. Er legte ein öffentliches Reuebekenntnis ab und eine Beurteilung der “Deklaration” des Metropoliten Sergij (Stragorodskij), wobei er betonte, daß das damit verbundene Sergianertum nicht als richtungweisendes Moment für das kirchliche Leben dienen könne. Tatsächlich aber hat eine ganze Reihe der aktivsten Mitarbeiter der Organe der Staatssicherheit (KGB) bis heute ihre Posten inne, und dadurch beraubt sich das Moskauer Patriarchat der Früchte vollständiger Buße. Doch gerade angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dieses Problems muß man es besonders vorsichtig angehen. Die Erfahrung – sowohl positive als auch negative – der Befreiung der osteuropäischen Staaten vom Erbe des kommunistischen Totalitarismus zeigt dies. Umso umsichtiger muß man einen ähnlichen Prozeß der Läuterung in der Kirche anpacken, um nicht Menschen zu verunglimpfen, die der Judassünde nicht schuldig sind.
Damit ist das Problem jedoch keineswegs erschöpft. Die Wechselbeziehungen zwischen Kirche und Staatsmacht sind aus politischer Sicht nicht klar zu definieren, denn in der weltlichen Politik herrscht Relativität und Subjektivität. Richtig kann man das Verhältnis von Kirche und Staat nur aus der Sicht des Evangeliums betrachten. Hier kann es weder Zweideutigkeit noch Ungenauigkeit geben, denn der Charakter der Kirche, die “nicht von dieser Welt” und göttlich ist, wird durch die Frohe Botschaft Christi festgelegt. In diesem Sinn ist jegliche weltliche Macht außer der Macht des Gesalbten Gottes, eine gottlose Macht, da ihre Grundlagen und Bestrebungen nicht über die irdische Existenz des Menschen und der Menschheit hinausreichen. Daher lassen die Formen, welche die Zusammenarbeit des MP mit den heutigen russischen Machthabern annimmt, vorsichtig aufhorchen, wenn die Leitung des MP versucht, durch die Autorität der Kirche die unüberlegte und sprunghafte Politik der Regierung zu unterstützen. Stellen die triumphalen Zeremonien unter Teilnahme kirchlicher Würdenträger, die durch das Fernsehen übertragen werden, nicht eine gefährliche Imitation der Idee der “Symphonie” von Kirche und Staat dar? Diese im byzantinischen Reich entstandene Konzeption war selbst in ihren gelungensten Verkörperungen stets eher eine gedankliche Ikone, die der frommen Vorstellung anheimgegeben wurde, als ein praktisch verwirklichtes Programm. In der imperialen Epoche der russischen Geschichte trug das Verhältnis von Kirche und Staat lange Zeit das Siegel der antikirchlichen Politik des ersten russischen Imperators. Die ersehnte Symphonie konnte als Ziel der Bestrebungen erst mit der Wiederherstellung des Patriarchenamtes aufgenommen werden.
Allerdings wurde das Patriarchenamt erst wiederhergestellt, nachdem der Zar, der Gesalbte Gottes, zum Abdanken gezwungen wurde. Gott ließ diese beiden Gegebenheiten nicht gemeinsam zum Zuge kommen. Heute, da die Autorität der Kirche durch die Zusammenarbeit eines Teils ihrer Hierarchie mit dem atheistischen Régime geschmälert ist, da vom imperialen Glanz nur noch die Erinnerung geblieben ist, kann die ererbte Hülle der vergangenen Größe die Erben leicht in Verblendung führen. Die Orthodoxie kennt keine andere Größe auf der Erde außer der Größe der Heiligkeit. Eigentum und sogar Heiligtümer kann man erben, aber Heiligkeit kann man nicht erben – hier muß sich jeder Bewerber jedesmal von Neuem mühen. Ohne Streben nach Heiligkeit jedoch verwandelt sich die Kirche einfach in eine menschliche Organisation, mag sie auch noch so groß und mächtig sein. Auch hier kann die Erfahrung der Auslandskirche, die infolge ihrer besonderen Existenzbedingungen im Laufe ihrer gesamten Geschichte durch keine Abhängigkeit von irgendwelchen staatlichen Strukturen gebunden war, von Nutzen sein.
3. Schmerzlich berührt uns die Verzögerungstaktik des MP bei der Verherrlichung der Heiligen Neumärtyrer, insbesondere der Zarenfamilie. Die Diskussion darüber wird auf verschlungenen, für uns unverständlichen Wegen geführt. Bis zum letzten Bischofskonzil des Moskauer Patriarchats schien es, wie man sogar aus den Materialien der Kommission zur Verherrlichung entnehmen konnte, als sei die Zeit für die langersehnte Entscheidung reif, wenn es auch Hinweise darauf gab, daß die Verherrlichung am ehesten auf einem Landeskonzil erfolgen wird. Doch bisher gibt es keine Bewegung in dieser Frage. Wir fühlen in aller Schärfe, daß es ohne die Verherrlichung der Zarenfamilie und aller Neumärtyrer Rußlands keine wahrlich geistliche Buße hinsichtlich der Sünde des Zarenmordes geben kann, der auf dem Gewissen des gesamten russischen Volkes lastet, und durch die andauernde Wirkung der Sünde mangelt es auch an der Möglichkeit einer Reinigung des russischen Landes vom Unrat des sowjetischen Régimes. Allerdings müssen wir auch die Kraft der Verherrlichung erkennen, die durch die Russische Kirche im Ausland bereits vollzogen wurde. Diese Verherrlichung bedarf keiner Bekräftigung von irgendeiner Instanz. Unser Herr Gott gab uns die Möglichkeit zur Verherrlichung des Chores der russischen Neumärtyrer, und wir vollzogen sie im Jahre 1981. Diese Verherrlichung breitet zweifellos und in natürlicher Weise ihre Wirkung auf die gesamte Russische Kirche aus – nicht als einseitiges politisches Diktat, sondern als wirksame Liebe.
Auf welchem Wege und mit welchem Tempo sich andere Diözesen der Russischen Kirche diesem Werk kirchlicher Liebe anschließen, hängt von ihnen selbst ab. Hoffen wir, daß orthodoxe Menschen in Rußland ihre Herzen gegenüber der geistlichen Erhabenheit der Sache der Verherrlichung der heiligen Neumärtyrer öffnen und sich immer tiefer die Bedeutung des Martyriums und der Fürbitte für das ganze russische Land und die gesamte Russische Kirche, in der Heimat und in der Zerstreuung, zu eigen machen.
Was verbindet uns, und welche Probleme bedürfen der gemeinsamen Lösung?
Uns verbindet das Volk Gottes, welches unserer pastoralen Sorgewaltung anvertraut ist. Alle berufen wir uns auf ein und dieselbe historische Situation, in deren Folge verschiedene Teile der Einen Russischen Kirche entstanden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen wir alle die Bedeutung der Kirche in der Sache der Verkirchlichung und der Vergottung des Menschen in der gegenwärtigen Gesellschaft erkennen, die wie nie zuvor der Vergeistlichung des Lebens nach 70 Jahren des gottlosen Régimes bedarf. Heute, in einer Zeit, da der Atheismus in Rußland nicht ausgemerzt ist, da alle nur erdenklichen Sekten ihre Missionare dorthin entsenden, tragen wir alle Verantwortung für die Erleuchtung des einstmals orthodoxen russischen Volkes, genauso wie auch für seine Nachkommen im Ausland und für Menschen, die den orthodoxen Glauben infolge der Mission russischer Emigranten annahmen. In dieser Situation erweist die Verleumdung der Auslandskirche als “schismatisch” keinerlei Hilfe beim Heilen der Wunden der Russischen Kirche, sondern bekräftigt und betoniert nur noch die Entfremdung.
An erster Stelle steht m.E. die dogmatische Reinheit. Wenn wir feststellen können, daß es zwischen uns keine dogmatischen Unterschiede gibt, muß die bestehende zeitweilige Trennung zu Ende kommen.
Hinsichtlich der praktischen Wege der Rettung erklärt die Heilige Orthodoxe Kirche keinen Weg als ausschließlich und allein rettungbringenden. Die Kirche besteht auf der Reinheit der Sakramente und der Glaubenslehre, aber die Kirche ist keine Ideologie, keine Partei, sondern Leben, und deshalb gab es in Ihr und gestattete Sie immer eine Vielfalt verschiedener Ansätze und Ansichten, solange diese im Geist der Demut des Menschen vor der Größe Gottes vorgetragen werden. In der Russischen Kirche vor 1917 gab es eine große Bandbreite unterschiedlicher Formen des kirchlichen Lebens, sogar in der liturgischen Praxis. Dasselbe treffen wir auch heute in anderen Lokalkirchen an. Wenn sich bei uns im Ausland selbstverständlich bestimmte Formen des kirchlichen Lebens und unsere eigenen Vorstellungen davon entwickelt haben, so können diese doch nicht als einzig richtige angesehen werden, sondern wir dürfen sie lediglich als unser spezifisches Erbe und Reichtum betrachten. Niemand besitzt das Recht, uns dieser Erfahrung zu berauben. Doch dürfen auch wir den orthodoxen Menschen, die in Rußland Verfolgungen in dieser oder jener Form – sei es als Verfolgte oder gar als Mittäter der Verfolger – erlebt haben, nicht einen bestimmten kirchlichen Weg aufzwingen. Um die Situation richtig einzuschätzen, müssem wir einander kennenlernen und mehr über den zurückliegenden Weg erfahren. Jeder kirchliche Mensch kann in der Hinwendung zur Wahrheit Christi seine Erfahrung in die weitere Entwicklung der einen Russischen Kirche einbringen, und dieses Recht muß anerkannt werden. Dabei bedeutet eine solche Einstellung keineswegs eine Absage daran die Dinge beim Namen zu nennen – die Sünde als Sünde zu bezeichnen und die Lüge eben als Lüge.
M.E. ist ein Gesamtkonzil der Auslandskirche vonnöten, damit wir als Russische Auslandskirche endlich in einer freien inneren Aussprache eine Standortbestimmung vornehmen, die Positionen des gesamten Klerus und Volkes im Ausland hinsichtlich der gegenwärtigen kirchlichen Probleme bestimmen können. Darauf müßte dann die weitere ernsthafte Arbeit zur Vorbereitung eines Allrussischen Kirchenkonzils folgen.
Ein Gesamtkonzil der Auslandskirche müßte sich mit Fragen unseres Verhältnisses zum Moskauer Patriarchat und der weiteren Entwicklung dieses Verhältnisses beschäftigen:
– feststellen, was uns verbindet und was uns trennt,
– welche Form der Einheit möglich oder wünschenswert ist,
– ob eucharistische Gemeinschaft bei voller Autonomie möglich ist, oder
– welcher Zusammenhang zwischen eucharistischer Gemeinschaft und administrativer Einheit besteht.
Neben extrem einseitigen Ansätzen gibt es in der Russischen Kirche auch eine andere Tradition, deren Verdeutlichung bei der Suche vorläufiger Übergangslösungen auf dem Weg zur erwünschten Einheit helfen könnte. Es ist z.B. nützlich, die Gedankengänge eines so hervorragenden Hierarchen wie des geistl. Märtyrers Metropolit Kirill von Kazan nachzuvollziehen, dessen makellose Ekklesiologie unter Bewahrung einer kompromißlosen Haltung zur Reinheit der Kanones und Dogmen unterschiedliche praktische Formen ihrer Verwirklichung zuläßt. Bei all dem müssen wir auch die durch Blut besiegelte Definition der kirchlichen Einheit aus dem Sendschreiben der russischen Bekenner-Bischöfe im Auge behalten: “nicht in der Ganzheit der äußeren Organisation liegt Ihre (der Kirche) Kraft beschlossen, sondern in der Einheit des Glaubens und der Liebe Ihrer Ihr treu ergebenen Kinder”. Diese Stimme wahrer Freiheit, die durch den Stacheldraht der Lager von Solovki hindurchdrang, wendet sich auch heute an uns alle, denn in der Kirche gibt es keine Vergangenheit, und das Leben der Kirche ist immer Leben “mit allen Heiligen”. Und heute brauchen wir, die Kinder der Kirche, die so viele Verfolgungen und Bedrängnisse durchlitten hat, vorallem Liebe zu Ihr, Einheit im Glauben und Freiheit Christi – dann finden sich die äußeren Formen der Einigung von selbst.
München, 30. Mai/ 11. Juni 1997