Mt 10,32-33.37-38; 19,27-30 (23.06.2019_Sonntag_aller_Heiligen)
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,
eine Woche nach Pfingsten feiern wir an dem heutigen Sonntag das Fest „Aller Heiligen“. Die enge zeitliche Verbindung zu Pfingsten verdeutlicht die enge inhaltliche Verbindung zwischen dem Wirken des Heiligen Geistes und der Heiligung. Daher erkennt die Kirche die Frucht des Heiligen Geistes in den Heiligen.
Bei so viel Heiligem stellt sich die Frage, was das Heilige in „heilig“, den „Heiligen“, der „Heiligkeit“ und dem „Heiligen“ Geist bedeutet.
- Gott als allein Heiliger – die Heiligen als Anteilnehmer
In der göttlichen Liturgie singen wir: „Einer ist heilig, einer, der HERR.“ Gott ist der Heilige. Wenn Gott alleine der Heilige ist, wie können wir dann Menschen als Heilige bezeichnen? Der Grund dafür liegt darin, dass Gott sich uns mitteilt und uns an Ihm Anteil gibt. Gott bleibt dabei Quelle aller Heiligkeit. Und wie es zu einer Quelle auch einen Fluss gibt, so bleibt Gott nicht nur bei sich selbst, sondern lässt uns ebenfalls an seiner Heiligkeit Anteil nehmen. Gerade in dieser Teilhabe an Gottes Heiligkeit sind die Heiligen nicht von sich aus heilig. Sie sind nicht eigene Götter, welche unabhängig von Gott stehen. Vielmehr bezeichnen wir diese Menschen als heilig, weil in und an ihnen die Heiligkeit Gottes sichtbar wird.
Christus sagte von sich selbst: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ (Joh 14,9) Christus konnte dies sagen, weil Er der Natur nach mit dem Vater eins war. Aber auch in den Heiligen sehen wir den Vater. Denn die Heiligen sind der Gnade nach als Kinder Gottes mit dem Vater eins. In dieser Einheit mit dem Vater lebten die Heiligen sich nicht mehr selbst, sondern Christus lebte in ihnen (Gal 2,20) und der Geist Gottes wirkte durch sie (Röm 8,14).
- Die Heiligen als Beispiele des gelebten Evangeliums
In dieser Abhängigkeit zu Gott bleiben die Heiligen ein Zeugnis des Zusammenwirkens Gottes und des Menschen und geben ein Beispiel für ein Leben nach dem Evangelium, wie wir es heute gehört haben (Mt 10,32-33.37-38; 19,27-30). Denn die Heiligen kannten Jesus Christus und bekannten Ihn vor den Menschen als Gott und Heiland. (10,32) In dem Vertrauen auf Christus liebten sie Ihn mehr als ihre Eltern oder ihre eigene Familie. (10,37) Auch wenn sie ihre Eltern ehrten, so blieb doch die Liebe zu Gott größer wie die Liebe zu der Familie. So weit es ging liebten sie Gott durch ihre Familie und lebten in der Familie die Kirche im Kleinen. Jedoch wurde die Familie nie zum Selbstzweck, nie zum alleinigen Zentrum oder zu einem eigenen Gott. Und so nahm jeder Heilige sein Kreuz auf sich und folgte Christus nach. (10,38) In der Hoffnung auf das ewige Leben, strebten die Heiligen der Ewigkeit und den ewigen Gütern entgegen. (19,27.29) Es ging dabei nicht um irdische Reichtümer, sondern um das ewige Leben.
- Das gelebte Evangelium als Heiligung
Doch wo beginnt bei uns der Weg auch Heilige zu werden, sodass Gottes Wirken in uns immer mehr sichtbar wird? Von Pfingsten kommend, steht uns die Ausgießung des Heiligen Geistes noch besonders deutlich vor Augen. Durch diese Sendung des Geistes wurden die Körper der Apostel zum Tempel des Heiligen Geistes. (1Kor 3,16) Auch wir werden bei der Myronsalbung (Apg 8,17) im Sakrament der Taufe geheiligt und zum Tempel des Heiligen Geistes. Und als Tempel Gottes sind auch wir - ein jeder von uns - in der Taufe dazu aufgerufen in der Heiligung zu wachsen. (1Thes 4,3) Die Heiligung beginnt dort, wo wir Christus kennenlernen, Ihn bekennen lernen und im Vertrauen auf Seine Vorsehung unser Kreuz auf uns nehmen. Denn wie Christus und alle Heiligen sich in ihren Leben in jeder Lage an Gott hielten, so müssen auch wir dies tun – mit Gottes Hilfe, in guten, wie auch in schweren Zeiten.
Mögen alle unsere Heiligen für uns unseren Herrn und Heiland bitten, dass auch unser Leben ein lebendiges Evangelium wird, in welchem Christus sichtbar ist. Denn Ihm gebührt alle Verherrlichung, Ehre und Anbetung in alle Ewigkeit. Amen.
Zum Weiterlesen noch ein paar Ausschnitte aus dem Kommentar zum Evangelium nach Matthäus von Chrysostomus:
Wenn aber Paulus viele Vorschriften betreffs der Eltern gibt und sagt, man müsse ihnen in allem gehorchen, so wundere dich darüber nicht. Denn nur in den Dingen befiehlt er ihnen zu gehorchen, die der Gottesfurcht nicht zuwider sind. Sonst ist es eine heilige Pflicht, ihnen jegliche Ehre zu erweisen. Wenn sie aber mehr verlangen, als erlaubt ist, so darf man ihnen nicht gehorchen. Deshalb heißt es bei Lukas: "Wenn jemand zu mir kommt und nicht haßt seinen Vater, seine Mutter, sein Weib, seine Kinder und seinen Bruder, ja selbst seine eigene Seele, so kann er nicht mein Schüler sein" . Damit befahl der Herr nicht, so ohne weiteres zu hassen; denn das wäre durchaus gegen das Gesetz, sondern nur: wenn eines von jenen mehr geliebt sein will als ich, so hasse ihn insoweit. Sonst stürzt der Geliebte und der Liebende ins Verderben.
Sage mir doch, wer ist eigentlich gequält und gepeinigt, derjenige, der nach köstlichen Speisen und Getränken verlangt, ohne sie genießen zu können, wie er will, oder der, der kein solches Gelüsten hat? Offenbar, wer die Begierde darnach hat, ohne sie befriedigen zu können. Denn darin liegt ja gerade die Pein, dass man voll Verlangen ist und es nicht stillen kann, dass man Durst hat, ohne trinken zu können. Als darum Christus die Hölle beschreiben wollte, hat er sie mit diesen Farben geschildert: Er führt den Reichen vor Augen, wie er im Feuer liegt, und wie gerade das seine Strafe war, dass er nach einem Tropfen Wasser lechzt, ihn aber nicht erhält.
Leichter noch wird ein Mensch das Fliegen zustande bringen, als seine Habgier durch Vergrößerung des Besitzes befriedigen. Wenn einer nämlich Dinge anstrebt, die im Bereiche der Möglichkeit liegen, so kann er sich in der Aussicht auf den Genuß freuen; wer hingegen Unmögliches verlangt, dem bleibt nichts anderes übrig, als diese Sehnsucht zu ersticken, weil auf eine andere Weise die Seele nicht zur Ruhe zu kommen vermag. Um also nicht zwecklos in Schmerzen zu leben, müssen wir die Liebe zum Besitz, die fortwährend peinigt und nie zum Schweigen zu bringen ist, aufgeben und uns dafür einer anderen Liebe zuwenden, die uns selig macht und sehr leicht befriedigt werden kann, nämlich wir müssen unser Verlangen auf die Schätze dort oben richten.