Predigt zum 7. Herrentag nach Pfingsten (Röm. 15:1-7; Mt. 9:27-35) (11.08.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
der Herr kommt mit Seinen Jüngern von einer Seiner zahlreichen Missionsreisen zurück nach Kafarnaum, wo die Massen auf Ihn warten. An Ausruhen nach den Strapazen dieser Reise ist demnach nicht zu denken. Als Er endlich in das Haus geht, in dem Er mutmaßlich Seine vorübergehende Bleibe hatte (s. Mt. 8:20; Lk. 9:58), kommen zwei Blinde zu Ihm, die Er sofort heilt, nachdem diese ihm bestätigen, dass sie an Seine Heilkraft glauben. Der heilige Theophan der Klausner (+1893) vergleicht den Glauben mit der Lunge des Menschen: je größer die Lunge, desto mehr Luft kann der Mensch einatmen, und je größer der Glaube, desto mehr kann Gott im Leben des Menschen bewirken. Wo aber überhaupt kein Glaube vorhanden ist, da kann auch der Allmächtige nicht wirken, weil Er das größte Geschenk des Menschen, die Freiheit (s. Joh. 8:32; Gal. 5:13), respektiert. So ein Mensch ist vergleichbar mit einem Kranken, dem die Lunge komplett herausoperiert worden ist, er kann den Lebensatem nicht in sich aufnehmen. Der Mensch muss folglich Gott „einladen“, so der heilige Bischof Theophan weiter, damit Dieser in ihm tätig werden kann (s. Joh. 14:23; 1 Joh. 3:24; Offb. 3:20), so wie wir es übrigens im täglichen Gebet an den Heiligen Geist tun („… komm und nimm Wohnung in uns…“).
Somit ist eine der ungezählten Wundertaten des Herrn (s. Joh. 21:25) vollbracht. Gleich darauf folgt die nächste Wunderheilung eines besessenen Stummen. Auch die könnten wir durch eine kurze Wiedergabe des Geschehens erwähnen und … - abhaken? Nein. Hier wollen wir uns doch nach Möglichkeit in die Materie vertiefen und zunächst die betreffende Textstelle in ihrem Wortlaut anführen: „Als sie gegangen waren, brachte man zu Jesus einen Stummen, der von einem Dämon besessen war. Er trieb den Dämon aus, und der Stumme konnte reden. Alle Leute staunten und sagten: ´So etwas ist in Israel noch nie geschehen`. Die Pharisäer aber sagten: ´Mit Hilfe des Anführers der Dämonen treibt Er die Dämonen aus`“ (Mt. 9:32-34; vgl. Lk. 11:14-15). Was ist bei diesem Wunder so besonders? Ob ihrer Vielzahl können uns die Taten des Herrn bei der Lektüre des Evangeliums kaum noch erstaunen, anders als die Leute vor Ort, die ja zumeist nur die Werke des Herrn sahen, die Er in ihrer Umgebung vollbrachte. Von den anderen Taten hatten sie wahrscheinlich von Augenzeugen des Geschehens gehört, doch wie ein chinesisches Sprichwort besagt: „Einmal sehen ist besser als tausendmal hören“. Doch nicht darum geht es uns jetzt. Worum dann? - Das entscheidende Merkmal der Heilung erkennen wir in dem Umstand, dass der Mann von einem Dämon besessen und stumm gewesen ist. Es war also, wenn Sie so wollen, nicht nur ein medizinischer, sondern auch ein seelsorgerischer Fall. Stellen Sie sich nur mal vor, der Herr hätte den Mann nur von seiner Stummheit geheilt, aber nicht vom Dämon befreit!.. Was wären dann für Worte aus dem Mund des plötzlich Geheilten gekommen!?.. Und dieses Exempel der allumfassenden Liebe Gottes lehrt uns, dass Gott vor allem an der Heilung der unsterblichen Seele gelegen ist, - unendlich mehr als an der körperlichen Genesung. Es geht dem Herrn im vorliegenden Beispiel folglich darum, dass wir zwischen Ursache und Folge unterscheiden. Die Ursache ist die Krankheit der Seele, also die Sünde, die jedesmal nichts anderes als eine Spielart der dämonischen Besessenheit ist. Die Folge ist die Krankheit des Leibes. Worauf müssen wir nun bedacht sein? - Auf die Heilung der Seele, natürlich! Ist die Ursache beseitigt, wird die Folge von selbst wegfallen. Aber wie können wir das bewirken? Aus eigener Kraft ganz bestimmt nicht, auch wenn wir es wollen, „denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangenhält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden. Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod verfallenen Leib erretten?“ (Röm. 7:22-24). Nur unser Herr Jesus Christus! Sonst keiner! „Dank sei Gott, durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ (7:25a)
Es gibt also zwei folgenschwere Fehler, die wir vermeiden müssen: Erstens, nur bzw. zuerst an die körperliche Gesundheit denken. Das obige Beispiel von dem von einem stummen Dämon Besessenen illustriert uns einleuchtend, dass mit der Gesundheit des Leibes das Heil noch nicht erlangt ist, wenn die Seele krankt. Und zweitens dürfen wir uns niemals der Illusion hingeben, dass wir selbst gegen das „Gesetz der Sünde“ ankämpfen können, bloß weil wir mit unserer Vernunft dem „Gesetz Gottes“ dienen (s. Röm. 7:25b). Jeder um ein spirituelles Leben bemühte Christ weiß aus leidvoller Erfahrung, dass er, wie tausendfach in der Beichte bestätigt, „mit dem Verstand“ begreift, was zur Erfüllung des göttlichen Willens zu tun bzw. zu unterlassen ist, aber dennoch diesem immer wieder zuwiderhandelt.
Von diesem inneren Kampf sind aber nicht die betroffen, die lediglich nach äußeren Kriterien leben. Für sie ist es ein Leichtes, ähnlich dem Pharisäer aus dem bekannten Gleichnis (s. Lk. 18:9-14), „ein guter Mensch zu sein“. Sie sind entweder auf Außenwirkung bedacht und heucheln bewusst vor sich hin, oder aber sie sind sich dieses Selbstbetrugs nicht gewahr und befinden sich dadurch im Zustand der dämonischen Verirrung (slaw. прелесть), was die heiligen Väter unisono für das größte erdenkliche Unheil für die Seele betrachten.
Nichts von beidem wünsche ich irgendeinem Menschen. Wir haben die Kirche mit ihren heilbringenden Mysterien der Beichte und der Eucharistie, die uns bei aufrichtigem Glauben und ungekünstelter Demut an der die Seelen rettenden Gnade Gottes teilhaben lassen. Mögen die Feinde Christi dann sagen, was sie wollen (vgl. Mt. 9:34). Auch durch sie werden wir selig (s. Mt. 5:11). Amen.