Predigt zum 10. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 4:9-16; Mt. 17:14-23) (01.09.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
vor einer Woche konnten wir beim Gang unseres Herrn auf dem Wasser erkennen, dass Gott die von Ihm geliebten Jünger immer neuen, stets schwereren Glaubensprüfungen unterzieht, damit diese mit dem zunehmenden Schwierigkeitsgrad der Herausforderungen im Glauben wachsen. Der Herr möchte zudem, dass auch wir nicht auf einem Niveau verbleiben, sondern ständig im Glaubensleben fortschreiten. Deshalb schickt Er auch uns immer neue und anspruchsvollere Prüfungsaufgaben, in denen wir uns im Vertrauen auf Seinen allmächtigen Beistand bewähren können. Und der Herr kennt unsere Schwäche und Unbeständigkeit. Auch die Jüngern Christi, die ja im Verlauf von dreieinhalb Jahren ständig die leibhaftige Anwesenheit des Herrn genießen durften und die kurz zuvor bei ihrer paarweisen Aussendung zur Verkündigung mit der Macht ausgestattet worden waren, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben (s. Mk. 6:13; Lk. 9:6), vermochten jetzt, als der Herr für eine kurze Zeit nur wenige hundert Meter entfernt auf dem Gipfel des Berges der Verklärung war, einen mondsüchtigen Jungen nicht zu heilen. Sie werden zurecht dafür vom Herrn gescholten, wenngleich alle ihre ungläubigen und unbelehrbaren Zeitgenossen dieser Schelte unterliegen. Und wir alle erkennen in ihnen unsere eigene Unwürdigkeit gegenüber unserem Herrn, dass wir uns fragen müssen, wie lange uns der Herr überhaupt noch ertragen wird?
Wenn der Herr in Form einer rhetorischen Frage dazusagt: „Wie lange muss Ich noch bei euch sein?“ (Mt. 17:17), dann können wir daraus den Schluss ziehen, dass die Zeit kommen wird, in der die Jünger nicht mehr dinghaft den Herrn bei sich haben werden. Dann wird der Herr in Person des „Beistands“, wie auch in Seiner Abschiedsrede angekündigt (s. Joh. 16:7), „alle Tage bis zum Ende der Welt“ mit Ihnen sein (Mt. 28:20). Für unsere Urahnen war die Gemeinschaft mit Gott als etwas Natürliches gegeben, während ihre neutestamentlichen Nachfahren nach dem Pfingstereignis spirituell (= übernatürlich) durch asketische Anstrengung dieser Gemeinschaft teilhaftig werden können. Und so verhält es sich mit der Anwesenheit Christi in unserem Leben: die Jünger hatten Ihn dreieinhalb Jahre ständig mit den Sinnen wahrnehmbar bei sich; nach dem Pfingstereignis werden sie jedoch allein durch den Glauben in der Lage sein, in der Gnade des Heiligen Geistes die Werke Ihres Herrn weiterzuführen (s. Joh. 4:24; 14:2). Und deshalb wurden die Jünger immer von neuem solchen Prüfungen ausgesetzt.
An diesen Gedankengang schließt sich der heute verlesene Abschnitt aus dem ersten Brief des heiligen Apostels Paulus an die Korinther an: „Ich glaube nämlich, Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt, wie Todgeweihte; denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und Menschen. Wir stehen als Toren da um Christi willen, ihr dagegen seid kluge Leute in Christus. Wir sind schwach, ihr seid stark; ihr seid angesehen, wir sind verachtet. Bis zur Stunde hungern und dürsten wir, gehen in Lumpen, werden mit Fäusten geschlagen und sind heimatlos. Wir plagen uns ab und arbeiten mit eigenen Händen; wir werden beschimpft und segnen; wir werden verfolgt und halten stand; wir werden geschmäht und trösten. Wir sind sozusagen der Abschaum der Welt geworden, verstoßen von allen bis heute“ (1 Kor. 4:9-13).
Worum geht es? Paulus zieht eine Unterscheidungslinie zwischen den Aposteln, welche unter widrigsten Umständen das Wort Gottes verkünden, und den selbstgefälligen Korinthern, die sich schon vor den Toren des Königtums Gottes wähnen. Diese Selbstsicherheit, die stark an die des reichen Kornbauern erinnert, mag dem eigenen Selbstwertgefühl schmeicheln, ist aber tödlich für die Seele (s. Lk. 12:20). Wer wie die Aposteln Jesu Christi das Königtum Gottes in dieser Welt verkünden will, muss sich auf einiges gefasst machen. Vor allem wird ihnen der Hass der säkularisierten Christen dafür entgegenschlagen, dass sie unbequeme Wahrheit in dieser Welt verkünden. Aber die Tröstungen Gottes werden sie dabei stets begleiten, wie aus dem Hinweis ersichtlich wird, dass die treuen Diener des Wortes zum Schauspiel für die Engel werden. Wie ist das, bitte, zu verstehen?! Nach den Worten des heiligen Johannes Chrysostomos (+407) wird dadurch die Bedeutung dieser Verkündigung im Auftrag Christi hervorgehoben. Dass die Welt, also die Menschen, von davon Kenntnis haben werden, das allein ist noch kein Indiz für die Gottgefälligkeit dieses Dienstes. Menschenmassen können, vom Widersacher verführt, sich sehr leicht von scheinbar eminent bedeutungsvollen, vor Gott aber nichtigen Dingen in den Bann ziehen lassen. Wenn aber das Schauspiel von den himmlischen Wesen aufmerksam und wohlwollend verfolgt wird, dann ist das sehr wohl eine Auszeichnung „von oberster Stelle“. So verhält es sich auch mit unseren regulären Gottesdiensten (z.B. der Vigil), die nicht immer gut besucht sind. Wenn aufrichtig und mit herzlicher Innigkeit gebetet wird, dann ist auch bei nur zwei oder drei Anwesenden der Herr Jesus Christus mitten unter ihnen (s. Mt. 18:20) und die Kirche ist, wenngleich für die leiblichen Sinne nicht wahrnehmbar, „zum Bersten voll“. Schauen Sie in unserem Kirchenkalender unter dem heutigen Datum nach, und Sie wissen, was ich damit meine: Hl. Märtyrer Andreas der Heerführer und mit ihm 2593 Märtyrer (284-305). Hl. Pitirim, Bischof von Velikaja Perm (1455). Hll. Märtyrer Timotheos, Agapios und Thekla (um 304). Synaxis der Moskauer Heiligen. Hl. Nikolai Lebedew der Bekenner, Presbyter (1933); hl. Ehrwürdige Maria Korepowa die Bekennerin, Nonne (nach 1942). Wie wir alle heute da noch Platz gefunden haben?!.. Amen.