Predigt zum 1. Herrentag der Großen Fastenzeit / Triumph der Orthodoxie (Hebr. 11: 24-26; 32 - 12: 2; Joh. 1: 43-51) (05.03.2017)
Liebe Brüder und Schwestern,
nun liegt die erste Woche der Großen Fastenzeit hinter uns. Wer die Möglichkeit hatte, die Gottesdienste während dieser (neben der Karwoche) intensivsten Tage des Kirchenjahres zu besuchen, braucht eigentlich mehr nach dem Sinn des Fastens zu fragen. Die Seele ist von solch einer gnadenhaften Leichtigkeit und Wärme erfüllt, dass Ostern eigentlich schon jetzt kommen könnte. Aber der Reiseplan sieht bis dahin nun mal noch einige wunderbare Highlights vor. Der erste große Höhepunkt ist der heutige Gedenktag an den Sieg des orthodoxen Glaubens über alle Häresien, die das christliche Römische Reich in seiner Blütezeit erschütterten. Dieser Festtag gibt Anlass zur demütigen Dankbarkeit, nicht zur Selbstbeweihräucherung. Verbunden mit dem Dank für die Bewahrung der Rechtgläubigkeit und der dogmatisch-kanonischen Unbeflecktheit der Kirche wird zugleich für die gebetet, die noch nicht die Einheit mit Christus in Seiner Kirche vollzogen haben. Es gibt für einen Christus Liebenden keine größere Freude als die von Ihm ebenso Geliebten in der Wahrheit leben zu wissen (s. 3. Joh. 4). Niemand wird ausgegrenzt (ebd. 5), vielmehr werden alle zur Einheit im Glauben gerufen. Dies sollte betont werden, um gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, hier werde ein Vorwand zu konfessionellem Chauvinismus geliefert. Dieser führt in seiner extremsten Form bekanntlich zu Gewaltexzessen, wie wir sie täglich in nahen und fernen Teilen der Welt und sogar bei uns durch religiösen Fanatismus erleben, welcher einer rein auf das Irdische bezogenen Logik folgt: "Ihr tötet unsere Frauen und Kinder, dafür töten wir bei euch möglichst viele Ungläubige". Der wahre Glaube darf aber niemals zwischen Liebe zu Unsrigen und Hass gegenüber Anderen unterscheiden, da Gott alle Seine Kinder liebt und sie zur Einheit im Glauben ruft. Und wenn wir Christus lieben, lieben wir auch alle Menschen ohne Ausnahme. Deshalb wollen wir, dass allen Menschen Gutes widerfährt. Und das absolut Gute ist Christus, an Den wir glauben. Er ist die wahre Freude, ohne Ihn ist jeglicher Überfluss an irdischen Gütern nichts. Somit ist die Liebe zu Gott untrennbar mit der Liebe zum Menschen verbunden, da wir Christen wissen, dass es kein größeres Glück gibt, als in der Liebe Gottes zu sein, die sich aus der Befolgung der Gebote ergibt (s. Joh. 15: 11-13; 1. Joh. 4: 7-9; 2. Joh. 6). Wie anders ist es wohl zu erklären, dass Menschen, die alles aus irdischer Sicht Erstrebenswerte haben (Gesundheit, Reichtum, Ansehen, Macht etc.), oftmals nicht glücklich sind?!..
Als Christ kann ich gar nicht anders als sehnlichst zu wünschen, dass alle Menschen weltweit miteinander in Christus verbunden sind. Das ist die Liebe, die von Gott kommt (gr. Agape). Jede andere Form von Liebe ist im Vergleich dazu minderwertig und zweitrangig (Eros, Stergo, Phileo), auch und vor allem das zur alltäglichen Norm gewordene interreligiöse Süßholzgeraspel, das möglicherweise zu einem besseren gegenseitigen Verständnis im täglichen Miteinander führt, aber die essentiellen Fragen aus falsch verstandener "Liebe" ausklammert ("Wir glauben doch alle an einen Gott"). Demnach kann die Mission der orthodoxen Kirche in dieser Welt nur sein, das Modell von der Einheit der Kirche, wie es in der Epoche der sieben Ökumenischen Konzile gelebt und gelitten wurde, mit Wort und Tat zu verkünden. Das auf die hl. Kaiserin Theodora (+ um 867) zurückgehende Fest der Orthodoxie A.D. 845 steht für ein genuines Einheitsmodell der Oikumene. Die Kirche ist folgerichtig die Verkörperung des Doppelgebots der Liebe (s. Mt. 22: 37-40; Mk. 12: 30-31; Lk. 10: 27-28; 1. Joh. 4: 19-21). Außerhalb des Leibes Christi ist keine Wahrheit und keine Agape möglich. "Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit nicht tut und seinen Bruder nicht liebt, ist nicht aus Gott" (1. Joh. 3: 10). Es ist nunmal so, dass es kein Alternativmodell zur kirchlichen Einheit des ersten Jahrtausends gibt, das historisch alle drei christlichen Familien verbindet - Orthodoxie, Katholizismus und Protestantismus. Da die Kirche Roms, aus welcher später der Protestantismus hervorging, alle Beschlüsse der Ökumenischen Konzile mitgetragen hat, kann die verlorene Einheit folglich nur dort wiedergefunden werden, wo sie einst abhanden gekommen ist: im Zustand der vollkommenen Einheit des Glaubens unter Wahrung der kulturellen Verschiedenheit.
Wer das begriffen hat, der weiß auch, wie er dem diesjährigen Reformationsjubiläum zu begegnen hat. Wir dürfen m.E. (bei allem gebotenen Respekt und der Wahrung elementarer Anstandsregeln) nicht müde werden, bei den bevorstehenden gesellschaftlichen Ereignissen in der Sache zu verdeutlichen, dass Splitterungen jeglicher Art im krassen Gegensatz zur göttlichen Liebe stehen, dass "versöhnte Verschiedenheit" keinen Ersatz für die Einheit im Glauben darstellt. Das Fehlen realer Einheit kann auch nicht durch illusorische Floskeln wie: "Ach, Bruder Rahr, wir haben zwar verschiedene Auffassungen zu bestimmten Sachfragen, aber im Glauben sind wir eins", übertüncht werden. Kein Wunder, dass der, welcher selbst zu nichts Kreativem imstande ist, immer wieder neue Raubkopien feilbietet, um die Kinder Gottes vom Weg des Heils abzubringen. Und das destruktive Potential des Pioniers der Produktpiraterie und des Etikettenschwindels ist beträchtlich. Das kirchliche Kerngeschäft - die Seelsorge - liegt brach. Stattdessen erleben wir heute einen ökumenischen Überbietungswettbewerb der skurrilsten Aktionen von der Art eines "Running Dinner" (kulinarischer Etappen-Rundgang von Kirchen zu Moscheen, Synagogen und Tempeln), während die Sorge um das Seelenheil in diesem Multi-Kulti-Firlefanz kaum auch nur rudimentär wahrzunehmen ist. Und deshalb tut heute ein Festhalten an der gesamtkirchlichen Paradosis Not. Amen.
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2017
Deutsch