Allgemeines
Bote 1989-1
Unsere Kirche und die Ökumene
(Erklärung des Bischofssynods der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland)
Im Jahr des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe Rußlands erinnern wir daran, daß die Russische Orthodoxe Kirche, gelenkt von Liebe und Sorge um die Einheit des ungewebten Kleides Christi, schon lange vor der starken Verbreitung der Ökumenischen Idee, im 19. Jh. theologische Gespräche mit den Altkatholiken, Anglikanern und koptischen Monophysiten aufnahm in der Hoffnung auf Wiederherrstellung der von ihnen verlorenen Einheit mit der Kirche.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. nahmen die Vertreter unserer Kirche lebendigen Anteil an verschiedenen interkonfessionellen Konferenzen mit diesem Ziel.
Die ersten Versuche wurden durch die tragischen Ereignisse unterbrochen, die mit der Zerstörung des Orthodoxen Russischen Reiches verbunden waren - die zweiten wurden durch neue Erscheinungen des Totalitarismus in Europa beendet. In der Folge entfernte sich die Okumenische Bewegung zusehends immer weiter vom Streben nach der Einen Wahrheit in Christus und wandte sich immer stärker einem allgemeinen Humanismus zu, der alle Menschen "guten Willens" umfassen sollte.
Wiederholt wiesen wir durch unsere konziliare Stimme auf die Gefährlichkeit eines solchen "humanitären Ökumenismus" hin, in dem die eindeutige Ausrichtung auf Christus (Christozentrizität) unserer Orthodoxen Auffassung von der Welt und ihrer Probleme verlorengeht. Mit dem Eintritt verschiendenster sektantischer Gruppierungen in die Ökumenische Bewegung verringerte sich ständig die Möglichkeit einer ernsthaften Diskussion ausschließlich christlicher Probleme, insbesondere der die Lehre über die Kirche betreffenden Fra-gen. In steigendem Maße wurden Fragen politischer Natur diskutiert, während religiöse Angelegenheiten vernachlässigt wurden.
1987 versammelten sich in dem italienischen Städtchen Assisi auf Einladung des Vatikans Vertreter nicht nur der christlichen Bekenntnisse, sondern ebenso Juden, Mohamedaner, Buddhisten und Anhänger der sogenannten Naturreligionen. Mit ihnen zusammen beteten auch einige orthodoxe Bischöfe, die damit die klaren Anweisungen der Heiligen Konzilien und der Heiligen Väter verletzten.
Durch diesen Schritt trat die Ökumenische Bewegung ganz offensichtlich in ein neues Stadium ihrer Entwicklung ein, vor dem wir bereits seit lan-gem gewarnt hatten. Wir bezweifeln nicht, daß alle Menschen guten Willens unserer entzweiten Welt großen Nutzen bringen können. Doch müssen wir gleichzeitig unzweideutig darauf hinweisen, daß eine solche Bewegung nicht als kirchlich bezeichnet werden kann. Die kirchliche Vereinigung und Gebetsgemeinschaft kann nur auf der Grundlage der Einen Wahrheit in Christus aufgebaut werden, d. h. in der Einen Apostolischen Kirche. Die scheinbare Vereinigung mit Vertretern anderer Religionen, die auf politischen Prinzipien beruht, muß immer Menschenwerk bleiben. Das Ziel der Orthodoxen Kirche aber liegt in der Wiederherstellung der gottmenschlichen Einigung, in der Verkirchlichung der Welt und dem Hinführen des Menschen zu Christus. Alle anderen Versuche, Frieden und Einheit unter Menschen herzustellen, sind der Kirche fremd.
Daher rufen wir die treuen Kinder der Heiligen Orthodoxen Kirche dazu auf, ihre Zeit und Energie nicht in leeren Versuchen der Herstellung irgendeines scheinbaren Friedens zu verlieren, sondern sich vollkommen in den lebendigen Strom unserer kirchlichen Einheit und der Verkirchlichung unserer gesamten Gesellschaft und unseres ganzen Lebens einzufügen, in dessen Mitte als unerschütterlicher Eckstein unser Herr Jesus Christus steht und die von Ihm begründete Eine katholische apostolische Kirche.
Bote 1989-1
Aus dem Leben der Diözese
Vom 24. bis 29. Oktober weilte Bischof Mark zu einem Besuch in Serbien. Am ersten Tag seines Aufenthaltes wurde er von Patriarch German em-pfangen, mit dem er über die Lage der Orthodoxen Kirche in der gegenwärtigen Welt, insbesondere über die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Orthodoxen Nationalkirchen in Deutschland und über das Verhältnis der Russischen Auslandskirche zum Moskauer Patriarchat im Jahr des tausendsten Jubiläums der Taufe Rußlands sprach. Weiterhin traf sich Bischof Mark mit einer Reihe von Bischöfen der Serbischen Orthodoxen Kirche, mit denen er verschiedene Fragen des Le-bens beider Kirchen diskutierte. In diesen Unterredungen wurden Fragen der zwischenkirchlichen Beziehungen, der pastoralen Betreuung besonders der Gläubigen in der Diaspora, der geistlichen Entwicklung der Jugend u.ä.m. berührt.
Die folgenden Tage widmete Bischof Mark und seine Begleiter dem Besuch alter Klöster und dem Gedankenaustausch mit ihren Bewohnern. Nach dem Besuch der durch ihre alten Fresken und an-dere historische Sehenswürdigkeiten berühmten Klöster Ravanica und Ljubostinja machten sie in dem Kloster Studenica Station, das kürzlich das 800-jährige Jubiläum seines Bestehens feierte, wo sie sich mit der Bruderschaft der Klosters im Gebet vereinigten. Weiter führte der Weg über Graçanica und die Stadt Prizren in Kosovo in das "Zaren-Kloster" Deçani.
Am Feiertag der Hl. Paraskeva-Petka, die vom serbischen Volk besonders verehrt wird, zelebrierte Bischof Mark die Vigil und die göttliche Liturgie unter Konzelebration der Klostergeistlichkeit in diesem berühmten Kloster, wo alle sich gerne des früheren Abtes erinnern, - des russischen Archimandriten Vater Theodosios, des ehemaligen Sekretärs des Metropoliten Antonij (Chrapovitskij). Am nächsten Tag fuhr Vladyka aus Deçani nach Pe{, der ersten Serbischen Archiepiskopie, deren Titel der Serbische Patriarch bis heute trägt. Überall wurde Vladyka und seine Begleiter mit großer Herzlichkeit empfangen, und über unser Leben befragt; an viele Stellen traf er auf Geistliche, die mit ihm an der Theologischen Fakultät in Belgrad studiert hatten.
Zum Abschluß seiner Fahrt durch die Serbischen Klöster besuchte Vladyka Mark das Frauenkloster ]elije, wo sich das Grab seines geistlichen Vaters, des Archimandriten Justin (Popovi{), befindet. Die Nonnen dieses Klosters bereiteten Vladyka solch einen warmen Empfang, daß seine Begleiter fühlten, daß er hier zu Hause ist.
Nach Belgrad zurückgekehrt, traf Bischof Mark mit dem Dekan und verschiedenen Professoren der Theologischen Fakultät zusammen und diskutierte mit ihnen Fragen der akademischen Bildung der orthodoxen Jugend, wie auch die materiellen Schwierigkeiten der Fakultät. Vor seiner Rückkehr nach Deutschland besuchte Vladyka S.E. Amfilohije, den Bischof des Banats, in Vr³ac.
Bote 1989-1
In Memoriam Viktor A. Drewing
Am 16. 1. 1989 starb unerwartet der langjährige Chorleiter der St. Nikolaus Kathedrale in München Viktor A. Drewing.
Viktor Drewing gehörte zu der Generation junger Russen, die nach dem 2. Weltkrieg das russische Gymnasium in München besuchten. Einer seiner Schulkameraden aus jener Zeit, mit dem er bis zuletzt freundschaftlich verbunden war, ist Erzpriester Dimitrij Ignatiew aus Frankfurt. Nach der Tätigkeit als Chorleiter in der von Vater Alexander Kiselev gegründeten und später von seinem eigenen Vater, Priester Anatolij Drewing, übernommenen Gemeinde des Hl. Seraphim von Sarov in München wirkte er sowohl in der Kirche des Hl. Nikolaus am Salvatorplatz, wie auch in der Kirche des Hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld. Besonders aber war er bemüht, durch Konzerte den russischen Kirchengesang der deutschen Öffentlichkeit nahezubringen. Hierbei legte er besonderen Wert auf den unverfälschten Gesang der frühen Jahrhunderte eigenständiger russischer kirchlicher Entwicklung.
Trotz sehr schwerer Krankheit und der großen körperlichen Anstrengung, die damit verbunden war, besuchte Viktor während der letzten Jahre alle Gottesdienste, empfing häufig die Kommunion und nahm noch am Tag vor seinem Tod an der Liturgie teil.
Im folgenden veröffentlichen wir einen Nachruf seiner Freunde.
In Memoriam
Viktor A. Drewing
Am Montag, den 16. Januar 1989, verstarb unser guter Freund Viktor A. Drewing, noch nicht 54 Jahre alt. Er entschlief still und ruhig. Der Herr rief ihn zu Sich, erlöste ihn von allen Leiden und Qualen.
Am Freitag, den 20. Januar, an einem kalten, aber schönen Morgen, beerdigten wir ihn in Obermenzing im Grab seines Vaters. Den Gottesdienst zelebrierten Vater Dimitrij, ein alter Freund aus Frankfurt, Vater Anastasij und Vater Nikolaj; es sang der Chor der Kathedralkirche unter Leitung von V. V. Ciolkovitch.
Mit dem Tod Viktors war zu rechnen, die Nachricht kam aber dennoch für uns alle unerwartet. Schon seit Jahren kämpfte er tapfer gegen seine schwere Krankheit, nie verlor er seinen Mut. Er war immer ein Optimist, selbst während der schwersten Krisen schmiedete er noch Pläne für die Zukunft: er wollte zu Ostern in der Kathedrale mit zwei Chören singen, eine neue Tonbandaufnahme und eine zweite Schallplatte machen. Noch im Februar dieses Jahres wollte er ins Heilige Land fahren, um dort zu beten, wieder gesund zu werden. All das konnte nicht mehr geschehen.
Wir hoffen, daß er uns allen als lebensfroher, tiefgläubiger und zuverlässiger Freund, in Erinnerung bleibt.
Schon in der letzten Zeit bedauerten wir sehr, daß seine Fähigkeiten als hervorragender Dolmetscher durch die nachlassende Sehkraft eingeschränkt wurden. In Dankbarkeit erinnern wir uns an die 10 Jahre seiner Mitarbeit als Übersetzer im Patentbüro, wo er sich mit den schwersten Themen aus dem Gebiet der Chemie und Technik befaßte. Es fiel ihm als Künstler nicht leicht, sich von der Stelle eines mehr oder weniger freien Mitarbeiters und Sprechers beim Rundfunk auf die regelmäßige Arbeitszeit im Büro umzustellen sowie kurzfristige und nicht zu verlängernde Termine einzuhalten. Viktor gewöhnte sich sehr schnell daran und wurde in kürzester Zeit zu einem Kenner und Experten. Er war immer zuverläßig und bereit, wenn es nötig war, auch nachts zu arbeiten. Solche Mitarbeiter findet man heutzutage kaum noch.
Unvergessen sind auch seine interessanten, ungewöhnlichen und lebendigen Vorlesungen, in denen er seinen Schülern nicht nur die russische Sprache beibrachte sondern auch die Liebe zum russischen Volk nahezubringen verstand. Das war seine Arbeit.
Doch sein Leben bestand nicht nur aus Arbeit. Sein Traum war der Gesang. Nach Abschluß des Konservatoriums gastierte er in verschiedenen Chören, die Volkslieder sangen. Doch das füllte ihn nicht aus. Schon zu Beginn der 60-er Jahre wurde Viktor Chorleiter in der Gemeinde seines Vaters, des Priesters Anatolij, in der Mauerkircher Straße (Tittmoninger Str./Werneck. Str.), dann in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus und in der Kirche des Hl. Erzengels Michael in Ludwigsfeld. 1976 gründete er den "Russischen Kammerchor München". Sein Ziel , das er auch verwirklichte, war die Aufzeichnung der Schallplatte "Lobe den Herrn meine Seele", und des Tonbandes "Gesänge der Orthodoxen Kirche".
Es begannen geistliche Konzerte zunächst im Kloster Schäftlarn und im Kloster Niederalteich. Später kamen Einladungen zum Singen in Coburg und in Südtirol, sowie in vielen Kirchen Münchens, wie z. B. der Theatinerkirche, Dreieinigkeitskirche, Gustav-Adolf-Kirche u s.w. 1980 war der Chor bereits sehr bekannt. Es gab viele Einladungen, nicht nur in München selbst, sondern in ganz Bayern. Großen Erfolg hatte der Chor in Donauwörth und Grönenbach. Später folgte die alljährliche Teilnahme an den vorösterlichen "Blutenburg Konzerten". Viktors Traum, eine Einladung zu den berühmten "Hofmusiktagen" in Landshut zu erhalten ging am 6. Juli 1986 in Erfüllung. Eben aus dem Krankenhaus entlassen und noch nicht bei vollen Kräften, mußte er im Sitzen seinen Chor dirigieren.
Nach diesem Konzert konnte er seine Tätigkeit als Chorleiter leider nicht mehr fortsetzen, und der Chor fiel auseinander. Viktor hatte genügend Willenskraft und Hoffnung, doch seine Kräfte ließen nach. All seine Arbeit mit dem Chor kostete nicht nur Energie, sondern auch finanziellen Enthusiasmus. Vom Entgelt des Dolmetschers finanzierte er die Vorbereitung und Auftritte des Chores. Man konnte kaum einen freigebigeren Sponsoren für solche Programme finden, die alte Gesänge des 15. bis 17. Jh. oder orthodoxe geistliche Musik in modernerem Arrangement z. B. von Strawinsky beinhalteten. Bei diesen Konzerten gab Viktor dem deutschen Publikum kurze Erklärungen zu dem, was der Chor sang, und weckte dadurch ein breites Interesse. Er brachte nicht nur Arrangements solcher Kenner wie Prof. Gardner zur Aufführung, sondern schuf auch selbst einen großen Fond zeitgenössischer Arrangements kirchlicher Gesänge.
Es wird sich kaum jemand finden, der genügend Begeisterung hätte, um diese Arbeit fortzusetzen. Hier hinterläßt er eine nicht auszufüllende Lücke.
Wie schon die Römer sagten: "De mortuis nil nisi bene". Viktor war kein Heiliger, er liebte das Leben, gutes Essen, aber die Fastenzeiten hielt er ohne Ausnahme ein und zwar streng, was in unserer Zeit sehr selten ist. Er war immer bereit zu helfen, nicht nur mit Worten, sondern mit Taten, und das sogar bis zu seinen letzten Tagen.
Möge er uns in guter Erinnerung bleiben!
Kira und Alexander v. Füner
Bote 1989-1
Christlich-Patriotische Union
Am 17. Dezember 1988 fand in Moskau die Gründungssitzung der Christlich-Patriotischen Union statt, wobei das Programm und die Satzung dieser Vereinigung angenommen wurden. Die Versammlung wurde von Vladimir Osipov eröffnet, der eine Rede über die historische Bedeutung der Gründung der Christlich-Patriotischen Union hielt. Über die Tätigkeit der Initiativgruppe "für die geistliche und biologische Rettung des Volkes" legte Evgenij Pa³nin Rechenschaft ab, der den Anwesenden über die Glückwunschtelegramme berichtete sowie über den ersten tragische Verlust der Christlich-Patriotischen Union, den vorzeitigen Tod des enthusiastischen Patrioten Rußlands Vladimir V. Ermilin, eines Leningrader Ingenieurs und aktiven Mitglieds der Union. Den Entwurf für das Programm der Vereinigung legte A. Andrejev vor. Den Entwurf für die Satzung unterbreitete den Anwesenden E. Pa³nin.
Auf der Gründungssitzung der Christlich-Patrio-tischen Union wurde das leitende Organ gewählt, dem der Vorsitzende der Union, V. N. Osipov, vorsteht, und es wurden Arbeitsgruppen gebildet:
1. Sekretariat (Leitung: E. I. Pa³nin und V. I. Ûimanjuk)
2. Formations- und Verlagsgruppe (Leitung: V. N. Osipov und Claudia Zagorujko)
3. Kulturzentrum (Leitung: N. Lyslov)
4. Analysegruppe (Leitung: A. Andrejev und V. Migunov)
5. Anmeldestelle zur Hilfeleistung für Gläubige bei der Registration von Kirchengemeinden und Eröffnung von Kirchen (Leitung: Alexej Zalesskij)
6. Ökologie-Gruppe (Viktor Beskrovnych)
7. Produktions- und Wirtschaftsgruppe (Leitung Ju. Venediktov)
8. Revisionsgruppe (Leitung: Nadezda Mamyreva)
9. Entwicklungsgruppe (Leitung: Sergej Ustinoviç)
10. Gruppe für Mildtätigkeit (Leitung noch nicht gewählt)
11. Verbindungsgruppe.
Programm der
Christlich-Patriotischen Union
Im Laufe der vergangenen anderthalb Jahrhunderte entfernte sich der überwiegende Teil der Gesellschaft von der Religion, was in bedeutendem Maße den Verlust des nationalen Selbstbewußtseins zur Folge hatte. Der Versuch der Atheisten, auf der Erde "das Paradies des vollen Magens" zu schaffen, führte dazu, daß das Jahr 2000 als letztes Jahr unseres Jahrtausends gleichzeitig auch das letzte Jahr des russischen Volkes und der russischen Zivilisation werden kann. Zerstört ist das Bauerntum - die Wurzel des Volkes, der Träger jahrhundertealter Traditionen. Zerstört ist die fruchtbare Erde, die Lebensmittel sind mit Chemikalien durchsetzt. Die geistige und physische Degenerierung des Menschen schreitet fort. Das Monopol des Atheismus führte zur geistlichen und moralischen Verarmung, förderte die Epidemie des Alkoholismus und der Drogenabhängigkeit. Familien zerfallen, es wächst die Zahl der Waisen, deren Eltern am Leben sind. Es wachsen Kriminalität und Sittenverfall. Wirtschaft, Politik und Kultur befinden sich in einer Sackgasse. Die Zerstörung eines Großteils der Denkmäler der Geschichte und Kultur, die Vernichtung des historischen Gedächtnisses der Nation führten dazu, daß unter der russischen Bevölkerung das Bewußtsein der Nation verloren geht.
Die Christlich-Patriotische Union sieht die Rettung der Nation in der Wiedererweckung der geistlichen Grundlage des Lebens. Um der geistlichen und biologischen Rettung des Volkes willen stellt die Christlich-Patriotische Union folgende Aufgaben:
1. Maximal die geistlich-moralische Erneuerung der Gesellschaft und Wiedererweckung des national-patriotischen Selbstbewußtseins der Völker Rußlands zu begünstigen. Das Wesen des russischen Volkes liegt in der Orthodoxie. In letzter Zeit dringt in das Bewußtsein der Gesellschaft immer mehr das Verständnis des Christentums als Quelle der Sittlichkeit ein. Nichts ersetzt die erzieherischen Kräfte der Religion. Die Christlich-Patrioti-sche Union beabsichtigt:
- die wahre Trennung von Kirche und Staat, so-wie von Staat und Atheismus anzustreben, für das russische Volk das Recht zu fordern, selbst zu entscheiden, ob es seine Kinder als Atheisten erziehen oder zum Glauben führen will, ohne dabei Verfolgungen ausgesetzt zu werden.
- sich vor der Russischen Orthodoxen Kirche für die Verherrlichung der Neomärtyrer des 20. Jh. einzusetzen,
- die Erlaubnis zum Bau von Kirchen und die Übergabe erhaltener Kirchen und Klöster an die Gläubigen, die Rückgabe von Reliquien und Heiligtümern an die Kirche durchzusetzen,
- den Gemeinden jede mögliche Hilfe zur Rückgabe von Kirchen zu leisten, die nicht zweckentsprechend benutzt werden,
- bei den Kirchen die Organisation von Sonntagschulen zum Zweck des Religionsunterrichtes anzustreben, die freie Publikation von liturgischer und theologischer Literatur, die Aufhebung der Beeinträchtigung christlicher Aufklärung, der Rettung des Volkes in der Bewahrung und Stärkung der Kirche,
- die Überprüfung der derzeit existierenden Ansichten über die Geschichte des russischen Vol-kes und des russischen Staatwesens zu erreichen mit dem Ziel, daß der historische Weg Rußlands und seines Volkes gerecht wiedergegeben wird; die historischen Kenntnisse des Volkes fördern, da nur das Bewußtsein der eigenen wahren Geschichte ihm dabei helfen kann, in Zukunft schicksalhafte Fehler zu umgehen; schöpferisch das kulturelle und historische Erbe aufzunehmen, welches durch viele Generationen unseres Volkes angesammelt wurde, wofür die Christlich-Patriotische Union Vorträge organisieren wird, die die Geschichte, Kultur und Lebensweise des russischen Volkes untersuchen, ein eigenes Presseorgan herausgeben wird, bei der Veröffentlichung und Verbreitung derartiger Literatur behilflich sein wird, die Bewahrung historischer Denkmäler und Wiederherstellung der zerstörten Denkmäler betreiben wird.
- die Wiederherstellung russischer Bezeichnungen, Bräuche, Traditionen, der Reinheit der russischen Sprache , der Volkskunst, der Handwerksarten, der Wiedererweckung der nationalen Symbolik anzustreben,
- die weite Behandlung dieser Themen unter Ausnützung der Massenmedien zu erreichen.
- das russische Volk befindet sich jetzt in der UdSSR in einer rechtlosen und ärmlichen Situation. Es kann seine Kultur nicht entwickeln, hat kei-ne eigene Akademie der Wissenschaftler, keine selbstständige Hauptstadt. Die Christlich-Patrioti-sche Union wird sich dafür einsetzen, daß
- das russische Volk gestützt auf das Bestreben des Volkes echte Gleichberechtigung mit den anderen Völkern der UdSSR erhält,
- die Frage der Übertragung der Hauptstadt der UdSSR in eine andere Stadt zur Diskussion gestellt wird, wobei Moskau den Status der Hauptstadt der RSFSR behält
- ein patriotisch-kulturelles Zentrum gegründet wird, dem die Einrichtung von Filialen in den anderen Republiken und Ländern folgt, in denen Russen leben.
2. Konstruktive Formen der Bewegung zur Veränderung der gesellschaftlichen Beziehungen in unserem Land unterstützen. Die Christlich-Patrioti-sche Union sieht die Verwirklichung hiervon in der Entwicklung der Teilnahme breiter Volksmassen an der Lösung der wichtigsten Fragen. Deswegen wird die Christlich-Patriotische Union Volksabstimmungen für die Lösung der wichtigsten Aufgaben der UdSSR im ganzen Land und für Fragen der RSFSR innerhalb Rußlands fordern. Entscheidungen, die in anderen Republiken getroffen werden, die Interessen Rußlands jedoch berühren, müs-sen ebenfalls durch Volksabstimmungen beschlossen werden und dürfen nur mit Einwilligung des gesamten Volkes verwirklicht werden. Im Fall der Ablehnung von Volksabstimmungen seitens der Regierung sollen öffentliche Meinungsumfragen durch die Kräfte der Christlich-Patriotische Union durchgeführt werden. Ihre Resultate sind zu veröffentlichen und der Regierung zur Kenntnis zu bringen, und die Erfüllung des Volkswillens zu fordern. Alle Unternehmungen, die auf eine grundlegende Veränderung abzielen, sind zu unterstützen. Bewegungen die Mildtätigleit und Gerechtigkeit anstreben sollen mitgetragen werden. Die bestehenden Organisationen der Mildtätigkeit sollen unterstützt werden und ein eigener Fond gegründet werden, dessen Ziel die Unterstützung der Christen bei der Eröffnung vorhandener und dem Bau neuer Kirchen sein soll, materielle Hilfe an Bedürftige, die Gründung von Kinderheimen für Familien, die Hilfe für Schwache und den Weg des Heils Suchende. Eine Vertretung der Christlich-Patriotischen Union in den Führungsorganen unseres Landes soll auf der Grundlage gleicher Rechte mit der KPdSU und anderen gesellschaftlichen Organisationen muß erreicht werden.
3. Die Christlich-Patriotische Union will an der ökonomischen Erneuerung teilnehmen, damit in kurzer Zeit ein wirtschaftlicher Aufschwung des Landes bei sparsamer Anwendung der nationalen Reserven und die Wiederherstellung der Fläche der Bewohnbarkeit erreicht wird. Die Union tritt für die Vereinigung freier und individueller Initiative ein, freier gesellschaftlicher Kooperation und staatlicher Regulierung. Die wirtschaftliche Erneuerung unseres Landes sieht die Christlich-Patriotische Union im wahren Eigentum des Volkes am Land und an den Produktionsmitteln. Jeder Bürger hat das Recht auf ein eigenes Stück Land. Deshalb wird die Union die Übergabe des Landes an das Volk fordern, die Gründung von Aktionärsgemeinschaften, deren Aktien in erster Linie den Arbeitern gehören sollen. Ihren eigenen Anteil an der Wirtschaft des Landes sieht die Christlich-Patrioti-sche Union in der Gründung einer landwirtschaftlichen Zone zur Produktion ökologisch reiner Produkte, die in erster Linie zur Versorgung von Kindern, alten Menschen und Invaliden dienen sollen. Die Bewahrung der natürlichen Reserven ist nur bei völliger Offenheit möglich. Die Christlich-Patrio-tische Union wird fordern, daß alle internationalen Verträge, die die Ausfuhr natürlicher Reichtümer des Landes vorsehen, dem Volk zugänglich gemacht werden, ebenso Pläne, die Veränderung der Zone der Bewohnbarkeit oder den Bau von Unternehmungen, die wenn auch nur potentiell für den Menschen und die Natur gefährlich sein kön-nen. Die Christlich-Patriotische Union unterstützt die Verwirklichung des Regierungsprogramms "zum Jahr 2000 jeder Familie eine getrennte Wohnung", wobei sie die günstigsten Bedingungen für jene schafft, die auf dem Land leben wollen. Sie strebt die Durchführung finanziell-organisatorischer Maßnahmen an, als deren Folge die Frau sich der Erziehung der Kinder und der Führung des Haushaltes widmen kann, was der Kräftigung der Familie dient.
4. Die Christlich-Patriotische Union soll die Entwicklung zum Rechtstaat garantieren, indem sie rechtstaatliches Denken, das Gefühl des Bürgertums und Patriotismus stärkt. Ein Rechtstaat ist nur bei äußerst klaren und gerechten Gesetzen und der Entwicklung von gesellschaftlicher Selbstverwaltung möglich. Die Christlich-Patriotische Union wird wahre allgemeine Diskussionen des Volkes zu allen Gesetzesprojekten fordern, die Veröffentlichung spezieller Bulletins während der Behandlung eines Gesetzestextes mit dem Ziel weitgehendster Einbeziehung der Volksmeinung. Sie wird auf der Ausschaltung der Praxis der Annahmen von Gesetzen und Gesetzesakten bestehen, die vor dem Volk geheimgehalten werden. Das Volk muß alle normativen Texte kennen. Sie wird die Organisation einer öffentlichen Kommission zur Kontrolle der Wahrung der Gesetzlichkeit fördern. Dieser Kommission sollen sowohl Vertreter aller gesellschaftlicher Organisationen wie auch einzelner Bürger angehören. Sie wird fordern, daß dieser Kommission ausgiebige Vollmachten zur Durchsetzung ihres Anliegens erteilt werden. Die Union wird die Änderung der derzeitigen Gerichtsbarkeit fordern: die Ersetzung der Volksvertreter durch jeweils auf ein Jahr wählbare Geschworene. Sie wird die Zulassung von Priestern und Gläubigen zur Teilnahme an der Umerziehung von Gesetzesübertretern fordern.
5. Die Christlich-Patriotische Union wird sich um allseitige Entwicklung freundschaftlicher Gefühle und Beziehung zwischen allen Völkern bemühen, die ein gemeinsames historisches Schicksal haben und zusammen in unserem Vaterland leben. Sie wird unter den Völkern anderer Republiken ausgiebige aufklärische Arbeit über die wahre Rolle Rußlands und des russisches Volkes in ihrer Geschichte leisten, das russische Volk über die Kul-tur, Geschichte und Tradition aller Völker aufklären, die sein historisches Schicksal teilen. Sie wird die Verbreitung feindlicher Gefühle gegenüber dem russischen Volk seitens jeder Art von Russophoben verhindern. Ein wahrer Patriot ist derjenige, der seine eigene nationale Kultur liebt und der Kultur anderer Völker gegenüber nötige Achtung zollt.
6. Sie wird der Entwicklung internationaler Beziehungen im Geiste christlicher Liebe und Duldsamkeit Vorschub leisten. Jedes Volk hat sein von Gott gegebenes Recht auf die freie Entwicklung seiner traditionellen Lebensart. Die Christlich-Patri-otische Union wird die Zusammenarbeit mit allen Völkern erstreben, die in ihren außenpolitischen Handlungen die gewaltsame Aneignung von Territorien und jeglicher Form von Genozid ausschließt. Sie wird die freie Rückkehr von Patrioten, die im Ausland leben, in ihre Heimat unterstützen.
7. Sie wird die Vereinigung und Koordination der Bemühungen aller patriotischen Kräfte in der Heimat und im Ausland anstreben. Zu diesem Ziel hält es die Christlich-Patriotische Union für unumgänglich, Kontakte zu allen bestehenden gesellschaftlichen Bewegungen herzustellen, die die in diesem Programm dargelegten Prinzipien teilen, und ihre Vertreter in anderen Ländern zu benennen und dort Filialen zu errichten.
Moskau, 17. 12.1988
Einstimmig von der Gründungsversammlung der Christlich-Patriotischen Union angenommen
Bote 1989-1
Erzpriester I.I. Bazarov - Erinnerungen
1864 wurde dann nach dem Testament des in diesem Jahr verstorbenen Königs auch sein eigener Leichnam in dieser Kirche neben dem seiner geliebten Gattin begraben. Deshalb befindet sich dieser ganze Berg im Besitz und unter Aufsicht des Württembergischen Hofes und obgleich hier in der Nähe der Kirche ein Haus für den Priester mit einem dazu gehörigen Garten und Weinberg gebaut wurde, war der ganze übrige Teil des Berges, welcher einen eigenen Hügel bildet, auf dessen Höhe unsere Kirche steht, von der Schloßver-waltung den Rotenberger Bauern zum Mähen verpachtet, und deswegen konnten wir keinen Schritt aus unserem Haus tun, ohne den geliebten Rasen zu betreten. Doch dieses Mal, als man uns mitteilte, daß um 6 Uhr abends ihre Hoheiten zu uns zum Tee kämen, unterlagen wir der Versuchung, sie auf der anderen Seite des Berges zu bewirten, von wo sich der Blick auf die Villa der Großfürstin öffnet, auf das Neckartal und die weiten Ausläufer des Schwarzwaldes. Ihre Hoheiten waren begeistert von diesem Platz. Während wir hier um unserem Teetisch saßen, liefen meine Kinder und die aus anderen russischen Familien eingeladenen Kinder auf dem Gras herum. Plötzlich erscheint aus dem Dorf eine Delegation, um sich zu beschweren, daß wir das Gras zertreten hätten, und einen finanziellen Ausgleich dafür zu fordern. Sowohl der Kronprinz als auch die Großfürstin waren auf diese Forderung erstaunt, und ich mußte ihnen erklären, warum diese Leute Recht hatten, eine Wiedergutmachung zu fordern. Da fragte sie die Großfürstin, wie hoch die Pacht ist, die sie zahlen, und erklärte sofort, daß sie ab nächstes Jahr diesen ganzen Berg pachten wird, und mir zur Nutzung nach eigenem Gutdünken überläßt. So wurde das auch gemacht, und bis heute zahlt die Königin nun ihrem Gemahl, dem König, die jährliche Pacht für den ganzen Berg, und ich nutze sowohl das Gras als auch vor allem den ganzen Berg ohne Einschrän-kung, auf dem ich seitdem verschiedene Pflanzungen unternahm, neue Wege anlegte und den ganzen Berg in einen Park verwandelte, auf dem man jetzt den Schatten genießen kann sowie verschiedene Früchte von den von mir angepflanzten Obstbäumen. Doch der größte Feiertag auf dem Rotenberg war immer der Pfingsttag. Dazu schmückten wir die Kirche nach russischer Sitte mit Birken, Blumen und Gras. Die Großfürstin mit dem Kronprinzen, die ganze Gesandtschaft und alle Russen von nah und fern, die nicht selten aus der Umgebung zu diesem Feiertag anreisten, füllten die Kirche. Nach der Liturgie versammelten sich alle bei mir zum Tee, und einige blieben zum Mittagessen, das immer in der reinen Luft im Garten stattfand, und blieben den ganzen Tag zu Spaziergängen um den Berg. Dies war eine unvergeßliche Zeit und viele meiner Amtsbrüder und Gemeindemitglieder beneideten mich um meine Rotenberger Idylle.
Im Juni dieses Jahres rief man mich nach Weimar, wo die Großfürstin Maria Pavlovna gestorben war. Hier versammelten sich außer mir der Berliner Priester und der hiesige Erzpriester Sabinin für die feierliche Beerdigung der Großfürstin. Hier lernte ich zum ersten Mal ihre Tochter kennen, die Prinzessin Augusta, die jetzige deutsche Kaiserin. Ich schenkte ihr damals meine Übersetzung der Panichida, und tat ihr damit einen solchen Gefallen, daß sie sich von diesem Büchlein nicht nur während der Panichiden am Grab ihrer verstorbenen Mutter nicht mehr trennte, sondern, wie sie mir selbst sagte später auch nicht bei ihren persönlichen Gebeten für die Seelenruhe ihrer Mutter. Dieses Mal schenkte sie mir als Zeichen ihres Wohlwollens eine Ikone des Gottesmutter von Kazan', die auf Porzellan gemalt war, in einem geschnitzten Holzrahmen, und sie nahm mir das Wort ab, daß ich mich immer in jeder Stadt, in die sie fahren wird, bei ihr melde, was ich auch heilig bis jetzt erfülle, besonders in Baden-Baden, wo sie sich häufig aufhält und ihre Hoheit jedes Jahr den Frühling und den Sommer verbringt. Einmal weilte ich in Baden-Baden nur wenige Tage während ihres Aufenthaltes und konnte mich nicht bei ihrer Hoheit melden. Als sie meinen Namen auf der dortigen Fremdenliste las, ließ sie sofort unseren Gesandten Kolo³in rufen und fragte ihn aus, weshalb ich in Baden-Baden war und sie nicht aufgesucht hatte. Dieser antwortete, daß ich nur auf eine Nacht gekommen und am nächsten Morgen abgereist war. Dies zwang mich dazu, mich unbedingt bei ihr zu melden. Ihr Bruder, der jetzt regierende Großherzog von Sachsen-Weimar, erwies mir sowohl in jener Zeit in Weimar als auch bei verschiedenen späteren Begegnungen sein besonderes Wohlwollen. Nach der Beerdigung der Großfürstin zeichnete er mich mit einem Brilliantring und dem Weimarer Orden des Weißen Falken am Halsband aus. Auf diese Weise wurde meinem Zeringer Löwen nun ein Falke zugesellt, und ich erinnerte mich an den Scherz des Grafen Tolstoj, der sagte, daß ich bald einen ganzen Zoo am Hals haben werde.
Im Juli begab sich unsere Großfürstin nach Bad Ems, wo sich in dieser Zeit die Kaiserin Alexandra Feodorovna aufhielt. Die Gottesdienste dort vollzog Jany³ev mit dem Klerus aus Wiesbaden. Doch ihn forderte die Großfürstin Elena Pavlovna nach Mecklenburg an zur Einweihung der Kirche in Rümplin, wo die Sommerresidenz der Großfürstin Katharina Michailovna eingerichtet werden sollte, die mit dem Herzog von Mecklenburg - Strelitz ver-heiratet ist, und ich wurde nach Bad Ems gerufen, um den Gottesdienst für die Kaiserin zu halten. Der Mecklenburgische Doppelstaat, der in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz zerfällt, besitzt jetzt drei russische Kirchen. Außer der in Rümplin gibt es dort jetzt eine Kirche in Ludwigslust, der Sommerresidenz der Großherzogin Elena Pavlovna, einer der 5 Töchter des Zaren Pavel Petroviç, die im Ausland verheiratet waren. Eine von Ihnen, Katharina Pavlovna, war die Würt-tembergische Königin und ist im Rotenberg begraben, eine andere, Alexandra Pavlovna, war mit dem ungarischen Palatin Joseph verheiratet und ist in Irom, in der Nähe von Budapest beerdigt, in einer speziell für diesen Zweck erbauten russischen Kirche. Die Dritte, Maria Pavlovna, die in Weimar starb ist in der herzoglichen Gruft beigesetzt, neben den Gräbern von Goethe und Schiller. Übrigens wurde an diese Gruft eine kleine russische Kirche angebaut, und den Sarg der Groß-fürstin stellte man so auf, daß er zur einen Hälfte in der russischen Kirche steht, zur anderen aber in der allgemeinen Gruft der Sachsen-Weimarer Her-zöge, die auch die sterblichen Überreste der bei-den großen deutschen Dichter in ihrer Mitte aufzunehmen geruhten. Die vierte der fünf Schwestern, die im Ausland verstarben, war Anna Pavlovna, die Königin der Niederländer, die im Haag starb. Schließlich, die fünfte, Elena Pavlovna, die in Mecklenburg beerdigt ist. All unsere Kirchen im Ausland sind nicht Hauskapellen, sondern richtige Kirchen, die meistens an auffallenden und erhabenen Punkten erbaut wurden, und ich erinnere mich der Bemerkung, die Gogol dazu machte, als die Kirche in Wiesbaden ebenfalls auf einem Berg gebaut wurde, von wo sie auf weite Entfernung zu sehen war.
"Sehen Sie, sagte er mir, wie die Ausländer unsere Kirchen verherrlichen, ohne dies selbst zu bemerken. Sie wird sie mit der Zeit alle mit ihrem Orthodoxen Kreuz segnen".
"Gebe Gott, daß diese prophetischen Worte unseres großen Dichters einmal Wahrheit werden".
Ende Juli verließ die Kaiserin Bad Ems und begab sich nach Interlaken.Ihr folgte auch unsere Großfürstin, ich aber kehrte auf meinen Rotenberg zurück. Hier unternahm ich mit meinen Kindern und deren Gefährten eine längst geplante Reise, teils mit der Eisenbahn, teils aber zu Fuß, zu den Ruinen des Rechberg und Hohenstaufen. Würt-temberg ist überhaupt reich an Denkmälern historischer Ereignisse, die auf einem kleinen Raum zusammenliegen. So ist vom Rotenberg das Schloß Hohenzollern zu sehen, die Wege des jetzt regierenden preußischen Kaiserhauses, und auf der anderen Seite unseres Berges liegt das Städtchen Waiblingen, das den Wibellinen in ihrem Kampf mit den Welfen ihren Namen verlieh, die ihrerseits ihren Sitz im südlichen Württemberg hatten. Leider sind von all diesen historischen Ereignissen sehr wenig materielle Denkmäler verblie-ben. So fanden wir auf dem Berg, auf dem einstmals das Stammschloß der Hohenstaufen stand, nichts außer einem Stein, der auf dem Platz aufgestellt wurde, wo das Schloß stand, alles andere wurde von den Bewohnern der benachbarten Dörfer für ihre Hausbauten weggetragen, und vielleicht kann man in dem einen oder anderen Stall Steine mit historischen Aufschriften entdecken, worum sich jetzt der unlängst gegründete Verein der Liebhaber der Heimatgeschichte sehr bemüht. Von dem Ausflug zurückgekehrt, setzte ich unbesorgt meine Villegiatura fort, unter Ausnutzung dessen, daß meine gesamte Stuttgarter Gemeinde zum Sommer in Badeorte und Sommervillen gereist war, als ich plötzlich eine Depesche vom Sekretär der Kaiserin Maria Alexandrovna erhalte, in der steht, daß ihre Hoheit wünscht, daß ich mit dem nächsten Postschiff von Stettin nach Carskoe Selo komme. Das war zu Anfang der Woche, die Schiffe aber fuhren Sonnabends, so daß mir nicht mehr als zwei Tage verblieben, um mich auf die Reise nach Stettin vorzubereiten. Mir war jetzt klar, daß die Verhandlungen über meine Einstellung als Religionslehrer für die Großfürsten mit dem Vorschlag der Großfürstin Maria Nikolaevna endeten, diese Stelle nicht ohne vorherige Probezeit anzunehmen, und daß man mich jetzt für diese Probe kommen ließ.
So setzte ich mich am 4. August mit dem "Preußischen Adler" aus Stettin in Bewegung. Das Wetter war angenehm, und wir näherten uns am dritten Tag der Reise Kronstadt, als sich uns aus Oranienbaum ein Hofkutter näherte und unser Schiff anhielt. Alle drängten sich an Bord, um den Grund für diesen Halt zu erfahren. Von dem Kutter kommt ein Hofbeamter an Bord des Schiffes und begibt sich mit einem Papier zum Kapitän. Ich höre, daß er meinen Namen nennt. Ich melde mich und der Beamte teilt mir mit: "Ich habe den Auftrag, Sie von dem Schiff zu holen und nach Carskoe Selo zu bringen". Meine Lage war nicht angenehm. Ich reiste auf dem Dampfer nach unserer Gewohnheit im Ausland in Zivilkleidung, und wenn meine geistliche Kleidung auch im Koffer bei mir war, so hatte ich doch keinen geistlichen Hut, den ich erst in Petersburg zu kaufen beabsichtigte. Dabei erinnerte ich mich, wie ich das letzte Mal nach meiner Ankunft in Peterhof in Erwartung meines Hutes aus Petersburg zwei Tage in meiner Zelle saß, ohne ausgehen zu können. Als ich das alles überlegt hatte und noch mehr befürchtete, daß man mich nach meiner Ankunft zur Kaiserin beordern würde, hielt ich es für vernünftiger, mich zunächst nach Petersburg zu begeben, und lehnte es ab, den Dampfer zu verlassen. Der Abgesandte widersprach mir nicht und bestand nur darauf, daß ich auf dem Papier, das ihm mit diesem Auftrag überreicht worden war, unterschrieb, daß ich es gelesen hatte und nach Petersburg gefahren sei, was ich auch tat, wobei ich hinzufügte, daß ich am folgenden Tag in Carskoe Selo erscheinen würde. Nach Beendigung dieser Verhandlungen setzte sich unser Dampfer wieder in Bewegung, und wir fuhren nach Kronstadt ein, von wo ein anderer kleinerer Dampfer uns nach Petersburg brachte.
Am Morgen des nächsten Tages kleidete ich mich ganz nach russischer Art in meine geistliche Kleidung und begab mich mit der Eisenbahn nach Carskoe Selo, wo mich am Bahnhof eine Hofkut-sche erwartete. Im Palais angekommen, traf ich am Eingang den Grafen Gorçakov, der schon wußte, daß mich die Kaiserin ein gerufen hatte und mich als aufgehenden Stern begrüßte und scherzend hinzufügte: "jetzt wird Sie Kardinal Bazanov schief ansehen".Er bezeichnete Vasilij Borisoviç gerne im Scherz als Kardinal, wodurch er dessen hohe Stellung in der Gesellschaft und seinen halb weltlichen und halb geistlichen Einfluß auf aktuelle Ereignisse kennzeichnete.
Bote 1989-2
Christus ist auferstanden!
Osterbotschaft an die gottfürchtigen Gläubigen der Deutschen Diözese
Gott stehe auf, Seine Feinde mögen zerstieben!
Diese Worte, die wir in der Osternacht und den darauffolgenden Tagen wiederholen, schrieb einstmals der Hl. Psalmensänger David in prophetischer Vorausschau auf die Ankunft und die Auferstehung Christi. Die Menschheit befand sich in der grausamen Gewalt der Sünde, und der Schöpfer Selbst kam Seinem Geschöpf zu Hilfe.
Und fliehen mögen vor Seinem Angesicht, die Ihn hassen!
Die Dämonen ertrugen die Ankunft und Anwesenheit Gottes nicht und zerstieben wie Asche. Das Licht der Ankunft Christi und in noch größerem Maße das Licht Seiner Auferstehung drei Tage nach Seinem freiwilligen Tod besiegte und vertrieb das ganze feindliche Geschwader: es verweht wie Rauch im Wind und zerfließt wie Wachs vor dem Feuer.
Kann es beim Anblick der Geschichte unserer Kirche in den letzten Jahrzehnten nicht scheinen, als ob die einstmals besiegten Feinde von neuem gegen Christus und Seine geistliche Herde ins Feld zogen und wenigstens einen teilweisen Sieg errangen? Versteht man die Worte der Heiligen Schrift im buchstäblichen Sinne, so ist das wohl so. Doch die Auslegung der prophetischen Worte durch die Heiligen Väter eröffnet uns, daß das Ge-bet des Hl. Psalmensängers nicht gegen Menschen, sondern gegen die Dämonen gerichtet war, denn nach seiner Erfüllung, d.h. nach der Befreiung der Menschheit aus der Gewalt der Dämonen, werden die Gerechten frohlocken, jubeln vor Gott und voll Freude sein und Seligkeit.
Der Grund der schrecklichen äußeren Zerstörung und Verwüstung ist demnach ein innerer; er ist im geistlichen Zustand unserer Herzen beschlossen. Diese Strafe ist nicht nur der Lohn für die Sünden vergangener Generationen, sondern vielleicht in viel größerem Maße Hinweis und Warnung vor bevorstehenden geistlichen Gefahren.
Die Bischöfe und Priester unserer Kirche, die den Weg des Martyriums wählten, ließen wirklich ihr Leben für die Schafe (Jo. 10, 11.15). Sind wir ihres Opfers würdig? Lassen wir auf der von ihrem Blut getränkten Erde aus diesem reichen Samen würdige Früchte wachsen? Oder geben wir uns dem geistlichen Schlafe hin? - Erinnern wir uns, wie einstmals der Prophet Jonas, der vor dem Auftrag Gottes fliehen wollte, inmitten der Aufregung unter den Seeleuten in äußerster Seenot, nicht nur oberflächlich einschlief, sondern in tiefen Schlaf versank (Jona 1,6)!
In diesen Tagen und Monaten sind unsere Blik-ke in besonderer Weise nach Rußland gerichtet. Zerstieben dort die Feinde des Herrn? Wir hören von der Öffnung einiger Klöster und mancher Kirchen. Doch schon setzen neue Verfolgungen ein, in feinerer Form als bisher, wie wir aus der Einsiedelei von Optina oder aus dem Kiever Höhlenklos-ter hören. Und dabei wird immer deutlicher, daß diese Verfolgungen unter Beteiligung der Kirchenleitung durchgeführt werden. Haben wir das Recht, darüber zu sprechen und mitunter gar anzuklagen? Derselbe Prophet Jonas sagte auf die Frage nach seiner Herkunft und dem Ziel seiner Reise in Erwartung des Todesurteils mutig: "Ich bin ein Knecht des Herrn, und ich fürchte den Herrn den Gott des Himmels, der das Meer und das Trokkene geschaffen hat." (Jona 1,9). Vor den heidnischen Götzendienern bekennt er die Allmacht Got-tes, bezeichnet Ihn als Schöpfer und Herrn des Alls, und wird so in der Todesstunde zum Verkünder Gottes, und der Herr würdigte ihn, zum lebendigen Vorbild und Verkünder Christi und Seiner dreitägigen Auferstehung zu werden. Vom Geist des Jonas waren die Märtyrer unseres Jahrhunderts getragen.
Doch wo stehen wir, Brüder und Schwestern? - Auf der Seite Jonas des Schlafenden oder Jonas des Bekenners? Was wird von uns gefordert? Beinahe an keiner Stelle der Erde wird heute von uns das physische Martyrium verlangt. Doch wo ist un-sere Predigt des allmächtigen Gottes? Seine Fein-de nisten in unseren Herzen. Der materielle Wohlstand beschwert uns, und wir werden träge, Chris-tus wenigstens in der Mühe des Gebets vor Sei-nen inneren Widersachern zu bekennen, gar nicht zu sprechen von der Bereitschaft in die ganze Welt hinauszugehen, über die uns der Herr auch ohne unseren Willen zerstreut hat, und "alle Völker zu Jüngern zu machen und sie zu taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und sie zu lehren, alles zu bewahren, was Ich euch geboten habe" (Mt. 28,19-20). Wie kann ich andere lehren, wenn ich selbst nicht alles beachte, was der Herr mir geboten hat?
Der Weg ist klar und deutlich. Er ist gerade, aber auch dornig, denn er ist übersät mit den Dornen unserer Sünden und dem Gestrüpp unserer Leidenschaften. Er ist nur durch das Kreuz zu reinigen, denn "ein Jünger ist nicht über den Lehrer" (Lk. 6, 40). Doch die Barmherzigkeit des allerbarmenden Gottes schenkt uns den Mut darauf zu vertrauen, daß "jeder, der vollendet ist, sein wird, wie sein Lehrer". Nicht äußere Taten führen uns zu solcher Vollkommenheit, sondern der bewußte und geduldige Kampf gegen die, "die Ihn hassen", d.h. alle Dämonen, leidenschaftlichen Begierden und unreinen Neigungen, die das menschliche Herz gefangenhalten.
Möge Gott aufstehen, mögen Seine Feinde zerstieben! Diesen Siegesruf singen wir in der heiligen Osternacht erst nach dem vielmaligen "Deine Auferstehung, Christus Erretter, besingen die En-gel im Himmel, so gewähre auch uns auf der Erde, Dich mit reinem Herzen zu preisen". Für diejenigen, die vergessen, daß der Auferstandene Herr nur mit reinem Herzen zu preisen ist, oder die in dieser Mühe träge werden, gewährt die Heilige Kir-che im Laufe der Großen Fastenzeit reichlich Mus-se, uns an das heilige Werk des Gebets und der Reinigung des Herzen zu erinnern. Üben wir uns jedoch auch in der auf das lichte Osterfest folgenden Zeit in dieser Tätigkeit, um mit reinem Herzen in ständig wachsender Freude mit der ganzen Kirche zu frohlocken:
Christus ist auferstanden -
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Ostern 1989
Mark, Bischof von Berlin
und Deutschland
Bote 1989-2
Aus dem Leben der Diözese
Erklärung
Auf Grund ihres Gesuches vom 12.2.1989 haben wir die Rumänisch-Orthodoxe Kirchengemeinde im Lande Nordrhein-Westfalen Hl. Nikolaus e.V. in die Diözese des Orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland aufgenommen.
Die Aufnahme der Rumänischen Gemeinde in die kanonische Gemeinschaft mit der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland erfolgt ausschließlich mit dem Ziel, der Rumänischen Gemeinde kanonischen Schutz und Hilfe zu gewähren, solange ihre Mutterkirche in Rumänien durch die atheistischen Machthaber ihrer Freiheit beraubt ist. Dieser Akt stellt eine vorübergehende Maßnahme dar und bedeutet daher keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Rumänischen Kirche.
Obwohl der neue (gregorianische) Kalender für die Russische Kirche in keiner Weise akzeptabel ist, erkennen wir angesichts der jahrzehntelangen Gewöhnung großer Teile des rumänischen Volkes die Notwendigkeit, daß die Gemeinde in Nordrhein Westfalen diesen Kalender beibehalten muß. Aus diesem Grund müssen wir jedoch in Hinsicht auf mögliche gemeinsame Gottesdienste sehr zurückhaltend bleiben, um nicht zu einer Vermischung der Kalender und damit einer Verwirrung der Gläubigen beizutragen. Durch die Aufnahme der Rumänischen Gemeinde ändern wir in keiner Weise unsere grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber dem neuen Kalender.
MARK, Bischof von Berlin
und Deutschland
Wassily Alfredowitsch begann seine schulische Ausbildung in Reval und beendete sie in Wismar.
Nach Gefangenschaft in den USA war er in Norddeutschland für die Eingliederung und Auswanderung heimatloser Ausländer tätig.
In Lübeck, dem Wohnsitz der Familie nach 1945, bestand eine kleine orthodoxe Kirche der russischen Exilkirche. Hier war W.A. zu Hause. Der Gottesdienst und die Aufgaben eines Ministranten waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen, da er auch noch in den letzten Jahren, wenn er den Chor leitete, ohne hinzusehen spürte, welche Dienste von ihm gefordert wurden. Er verließ wortlos den Chor, um die Kerze dem Evangelium voranzutragen. Der Chor war und blieb solches gewohnt, zudem W.A. vom Altar her weiter sang.
1949 erhielt die Gemeinde eine Seitenkapelle der Katharinen-Kirche, die mit großer Liebe ausgestattet wurde. Der Gottesdienst blieb trotz seiner großen Liebe zur Musik ein Mittelpunkt seines Lebens.
1955 begann er das Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik in Hamburg, von 1966-1974 war er als 1. Geiger im Orchester der Hamburger Symphoniker und zugleich als Lehrer an mehreren Gymnasien tätig.
Im November 1973 wurde er pädagogischer Leiter der Kreismusikschule Segeberg. Hier gründete er ein Orchester und baute ab 1980 das Schleswig-Holsteinische Jugendsymphonieor-chester auf.
Der 1. Vorsitzende des Schleswig-Holsteini-schen Jugendsymphonieorchesters (Max Fried-rich Jensen) schreibt: "Seit 1969 war Wassily Papmehl im Raum Dithmarschen tätig: als Geigenlehrer an der Musikschule und als Lehrer für Instrumentalunterricht an der Meldorfer Gelehrtenschule. Hier führte er wie auch in Segeberg, wo er seit 1973 Leiter der Kreismusikschule war, die Schüler zum Ensemblespiel.
An der Meldorfer Gelehrtenschule gründete er Vororchester, Kammermusikgruppen und das Schulorchester, in Segeberg das Musikschulorchester.
Auf Grund dieser Tätigkeiten wurde er 1980 vom Kultusministerium des Landes Schleswig-Hol-stein als Dozent in den Ferienkurs 'Musik' nach St. Peter berufen, wo er die Orchesterarbeit übernahm. Hier entstanden Bindungen der Schüler untereinander und zu ihrem Lehrer, die diesen ermutigten, die Jugendlichen im Herbst desselben Jah-res zusammenzurufen und ein Landesjugendor-chester zu gründen. Das Schleswig-Holsteinische Jugensymphonieorchester war ins Leben gerufen.
Auf Bitte Herrn Papmehls haben Eltern und Freunde ein Jahr später einen Verein gegründet, der dem Orchester eine rechtliche und finanzielle Grundlage geben sollte.
Das Orchester hat seit seiner Gründung kontinuierlich in einer durchschnittlichen Stärke von 80 Mitgliedern bestanden und das erworbene hohe musikalische Niveau gefestigt.
Das ist um so mehr anzuerkennen, als die Zusammensetzung des Orchesters mit Jugendlichen aus allen Teilen des Landes nur eine Probe im Mo-nat erlaubte und der Status der Musiker meist als Schüler und Studenten eine gewisse Fluktuation zur Folge hatte. Jedes Jahr wurden mehrere Konzerte gegeben, zumeist in Schleswig-Holstein, aber auch im Ausland. Stets waren Erfolg und Anerkennung groß.
Bereitwillig brachten Leiter und Orchester Mü-he, Zeit und Kosten auf. Wassily Papmehl arbeitete ohne Honorar. Die Freude am gemeinsamen Musizieren trug alle und alles.
Wassily Papmehls Geist und Können teilten sich den Jugendlichen mit und zeitigten Früchte, die in schönen Aufführungen die Hörer beglückten.
Das wichtigste Ergebnis dieser Arbeit liegt im Erzieherischen; die Heranführung an die Musik, das Erlebnis der Gemeinschaft beim Musizieren, das Vorbild des Lehrers werden lebenslange Prägungen in den jungen Menschen hinterlassen."
Er starb in den Morgenstunden des 18.2.89 in Meldorf nach einem arbeitsreichen Tag mit Unterricht und Musik, ohne daß vorher Krankheitserscheinungen zu erkennen waren.
Nur ein kleiner Teil der Trauernden fand bei dem Gottesdienst in der Lübecker Kirche am 24.2.89 Platz, viele füllten den großen Schulhof, den Platz vor der Kirche.
Nach dem Segen, als das Grab zugeschaufelt wurde, spielten die Bläser seines Orchesters unter den noch kahlen Bäumen des Friedhofs.
Es war nicht lange her, daß Wassily Alfredowitsch den Chor zur göttlichen Liturgie in Lübeck leitete.
Pilgerfahrt nach Rom
Vom 26.2. bis zum 4.3.89 fuhren Mitglieder der Münchner, Stuttgarter und Erlanger Gemeinde mit Bischof Mark nach Rom, um die dortigen orthodo-xen heiligen Stätten zu besuchen.
Am Montag, den 27.3., besuchten sie zunächst die Kirche Santa Maria Maggiore, eine der alten frühchristlichen Basiliken, und verehrten dort die Gebeine des hl. Apostels Matthias, des Begleiters der Apostel Epaphrates und des hl. Hieronymus. Dann fuhren sie zur Kirche und den Katakomben der hl. Märtyrerin Agnes und besuchten auch die alte, noch aus dem 4. Jh. stammende Kirche der hl. Konstanza, der Tochter des hl. Kaisers Konstantin, die durch die hl. Agnes vom Aussatz geheilt worden war.
Am Dienstag, den 28.3., fuhren sie zur Kirche des hl. Alexius, des Menschen Gottes, die über dem Haus seiner Eltern erbaut ist. Der hl. Alexius entfloh bei seiner Hochzeit in den Osten, wo er siebzehn Jahre unerkannt als Bettler in der Vor-halle einer Kirche der hl. Gottesmutter lebte. Er er-nährte sich nur von Wasser und Brot und gab alles, was er erbettelt hatte, den anderen Bettlern. Dann kam er nach Rom zurück und lebte dort weitere 17 Jahre bis zu seinem Tod unerkannt im Hause seiner Eltern. Die Pilgergruppe verehrte die Reliquien des Heiligen und fand in der Kirche auch die Trep-pe, unter der er gelebt hatte. Danach fuhr sie zur Kirche San Paolo fuori le Mura (St. Paul vor den Mauern), einer der alten christlichen Basiliken, ge-gründet von Kaiser Konstantin, wo sie die Gebeine des hl. Paulus und in der Sakristei Teile vom hl. Kreuz und Reliquien vieler Märtyrer verehrte und auch den wunderschönen Kreuzzug besichtigte. Das nächste Ziel war die Stätte der Enthauptung des hl. Paulus. An den Stellen, wo sein Haupt den Boden berührte, entsprangen Quellen, die heute noch da sind. Dort feierten die Pilger ein Moleben und fuhren dann zu den Katakomben des hl. Kallistus, wo neun Päpste der frühen Christenheit und zahlreiche Märtyrer begraben wurden. Sie wanderten dort durch die engen dunklen Gänge der Katakomben und hielten zum Abschluß ein Moleben an die hll. Märtyrer. Dann besuchten sie die Kirche San Lorenzo, wo die Gebeine des hl. Diakones Laurentius und des hl. Erstmärtyrers Stepha-nus ruhen, und verehrten diese.
Am Mittwoch, den 1.3., gingen sie zum Petersdom, konnten dort aber leider nicht die Gebeine des hl. Petrus verehren, da diese nur nach langer Voranmeldung zugänglich sind. Sie verehrten dort nur noch die Reliquien des hl. Johannes Chrysostomus.
Am Donnerstag, den 2.3., fanden sie unter der Kirche Santa Maria in Via Lata das Haus, in dem der hl. Apostel Paulus über ein Jahr in Gefangenschaft gelebt hat und auch einige seiner Briefe geschrieben hat. Dann gingen sie zum Mamertinischen Kerker, wo die hll. Apostel Petrus und Paulus vor ihrer Hinrichtung gefangengehalten wurden: Auf ihre Verkündigung hin bekehrten sich die beiden Gefängniswärter und die 47 Mitgefangenen zu Christus und wurden von den Aposteln aus einer Quelle, die auf dem Boden des Kerkers entsprang, getauft. Danach besuchte die Pilgergrup-pe das Kolosseum, wo über 200 Jahre lang die hll. Märtyrer von den wilden Tieren zerrissen wurden, unter ihnen auch der hl. Ignatius der Gottesträger. Hier feierte die Gruppe wieder ein Moleben. Dann verehrte sie in der Kirche San Pietro in Vincoli die kostbaren Ketten des hl. Petrus. Am Nachmittag besuchte sie die frühchristliche Basilika San Giovanni in Laterano, in der sich die Häupter der hll. Apostelfürsten, der Tisch des hl. Abendmahls und der Tisch, an dem der hl. Petrus die Eucharistie gefeiert hatte, befinden, allerdings zur Verehrung unzugänglich. Die Pilger verehrten in einer Seitenkapelle die Reliquien der hll. Justina und Kyprian und besuchten auch die alte Taufkapelle und die hl. Treppe, über die Christus gefangen zu Pilatus ge-führt wurde. Weiter waren die Pilger in San Clemente, wo die Gebeine des hl. Klemens und des hl. Ignatius ruhen. Früher befanden sich dort auch die Gebeine des hl. Kyrill, der in Rom einige Male slawischen Gottesdienst feierte und dann hier ermordet wurde. Seine Gebeine verschwanden spur-los. Danach besuchten die Pilger die Kirche Santi Giovanni e Paolo, zweier Christen, die in ihrem Haus, über dem sich jetzt die Kirche befindet, ermordet wurden. Dort unten ist auch die erste christ-liche Hauskapelle. Schließlich war die Gruppe noch in der Kirche des hl. Gregor Dialogus, der uns die Liturgie der Vorgeweihten Gaben hinterlassen hat, und fanden dort auch seinen alten Bischofsstuhl.
Am Freitag, den 3.3., besuchten die Pilger die Kirche Santa Croce in Gerusalemme und verehrten dort Teile des hl. Kreuzes Christi.
Abends fuhren sie mit dem Zug wieder nach München zurück.
D.S.
Bote 1989-2
Wassily Alfredowitsch Papmehl
21.5.25 - 18.2.89
Wassily Alfredowitsch Papmehl wurde 1925 in Reval geboren. Wie seine Mutter, Antonia Papmehl, geb. Simelewa, wurde er in der orthodoxen Kirche getauft, der er von Herzen verbunden blieb. Sein Vater war ein bekannter Geiger und früher Professor der Musik an der Universität in St. Petersburg.
Bote 1989-2
Kirche und Kult
-zur Lage der Kirche in Rußland
Im Laufe der letzten Monate erfolgte in der So-wjetunion eine gewisse äußere Liberalisierung, die auch eine begrenzte geistliche Befreiung nach sich zog. In diesem Prozess sind Anfänge wichtiger Aufgaben zu erkennen, die im Falle einer wirklichen Befreiung von der jetzigen atheistischen Macht vor der Russischen Orthodoxen Kirche und der gesamten Gesellschaft stehen werden.
Das russische Volk, wie auch andere Völker, die zum Verbund der UdSSR gehören, ist geistlich dermaßen verstümmelt, daß die physische Befreiung sogar zu einer Gefahr werden kann, wenn nicht rechtzeitig die Wege zum Verständnis des Vergangenen und zu einer darauf folgenden Neuorientierung des Lebens und zum Aufbau auf geistlichen Grundlagen belegt werden. Heute er-scheinen in der Sowjetunion eine große Zahl von Materialien, die vom Beginn der Überwindung der geistlichen Sklaverei zeugen. Dabei werden interessante Fragen berührt, die die Lage der Kirche und des Volkes in Rußland betreffen. So erschien z. B. in der Zeitschrift "Soziologische Forschungen" Nr. 5, 1988 der Aufsatz "Kult und Sklavendienerei" des armenischen Psychologen L. N. Dzrna-zjan. Der Verfasser dieses Aufsatzes untersuchte über 160 Gedichte der 30- und 40-er Jahre und kam zu dem Schluß, daß "der Personenkult Stalins keine zwangsweise oder demonstrative Verherrlichung des propagandierten Bildes darstellten, sondern eine völlig reale und echte Verehrung" (S. 66). Die semantische Analyse förderte drei Grundbegriffe zutage: "Groß - Vater - Sonne", um die Kombinationen wie "Großer Vater", "Große Sonne", "nicht untergehende große, helle und lichtspendende, glänzende Sonne" gebildet wer-den. Und "großer Vater" - "Stählern", "mächtig", "tapfer", "weise", "genial"... (Der Vater zeigt den Weg, und die Sonne beleuchtet ihn" (S. 66). Der Verfasser dieses Aufsatzes weist auf die Gründe hin, die von einem wahren Kult sprechen lassen: "Zunächst fällt die erstaunliche Ähnlichkeit der genannten Qualifikationen mit den traditionell-histo-rischen Formen der Verherrlichung und des Lobpreises mittelalterlicher Monarchen auf, was auf das totalitär-monarchische Wesen der Stalinschen Makrostruktur schließen läßt. Die Spitze der Hierarchie ist der "strahlende Herrscher", der über unbegrenzte Macht verfügt. Zur Bewahrung des vollen höfischen Quorums ist nur der Poet vonnöten, der den Herrscher beweihräuchert und besingt. In diesem Sinn ist es charakteristisch, daß vielen Gedichten hochtrabende Zueignungen vorangestellt sind, wie z. b.: "dem einzigen Freund, den Führer der Völker... von dem nichtigen Poeten eines ergebenen Volkes". Der Verfasser unterstreicht, daß die Begriffe "groß, Vater und Sonne" auch traditionelle Formen der religiösen Verherrlichung darstellen: "das übernatürliche Wesen - Stalin - ist vollkom-men, allmächtig und allwissend. Ewig (unsterblich), allbeherrschend und lebenspendend, ist er mit den Besonderheiten einer klassischen (und keineswegs modernisierten) theistischen Gottheit ausgestattet... und so erschien durch die Ironie der Geschichte in der Rolle einer Gottheit der Atheist Stalin".
Der armenische Verfasser erkennt deutlich in welchem Maße seine Landsleute ihre christlichen Wurzeln verloren: "Da die Autoren der untersuchten Gedichte Vertreter eines christlichen Volkes waren, hätte man wohl erwarten können, daß dem auf die Tribüne einer Gottheit erhobenen Subjekt solche Eigenheiten wie "liebevoll", "allesverzeihend", "barmherzig" zugeschrieben würden... der neue Gott ist "stählern", (d.h. kalt, unzugänglich, emotional entfremdet)... Den leeren Platz des abgeschafften christlichen Gottes nahm nicht eine neue göttliche Persönlichkeit theistischer Modifi-kation ein (dafür fehlt ihm das vollkommene transzendente Wesen), sondern eine vor fast 2000 Jahren vergessene heidnische Gottheit, welche rücksichtslos züchtigen, grausam strafen kann, gnadenlos töten, und alle Fragen über Leben und Tod aus eigener Macht entscheiden kann" (S. 68).
Im Laufe von Jahrzehnten mußten wir uns daran gewöhnen, auf den Seiten der Zeitschrift des Moskauer Patriarchats Ruhmesworte über die So-wjetmacht und ihrer Führer zu lesen und dergleichen aus dem Mund hochgestellter Vertreter der Hierarchie in Rußland und im Ausland zu hören. Tatsächlich hat das Moskauer Patriarchat am Personenkult teilgenommen, und führt ihn in vielem bis heute fort, wobei es sich in Liebedienerei ergeht. Aus den angeführten Worten des Wissenschaftlers wird deutlich, daß das Wesen dieses Kultes in der Rückkehr zu heidnischen Gottheiten liegt.
"Der heidnische Gott stand wie ein Phönix aus der Asche tausendjährigen Vergessens auf und errichtete für sich anstelle christlicher Kirchen im ganzen Land schreckenerregende Abbilder aus Bronze und Granit. Das Christentum wurde in den Schmutz des Götzendienstes getreten. Die neue Gottheit faßte nicht nur im geistlichen Leben der Gesellschaft fest Wurzel, sondern sie erhielt eine fleischgewordene materielle Verkörperung. Des-halb ist die Antwort auf die Frage der alten Frau im Film von T. Abuladze "Die Buße" nicht ganz richtig. Der Weg führt doch zum Gotteshaus, aber nicht zum christlichen, sondern zum heidnischen. Der Inhalt des Glaubens wurde also ausgetauscht und folglich auch des Objektes des Glaubens und vor allem der Art seiner Offenbarung im Leben der Menschen. Nachdem sie einen Kreuzzug gegen das 'Opium für das Volk' erklärt hatte, erschien die neue Gottheit und der neue Glauben doch wieder als dasselbe 'Opium' ".
Doch hier müssen wir die Frage stellen, ob die Gotteshäuser des Moskauer Patriarchats unter-schwellig nicht von demselben Heidentum ange-steckt sind, ob in dessen Hierarchie nicht eine ebensolche Auswechslung des Glaubensinhaltes stattgefunden hat? Die ständigen Verlautbarungen des tonangebenden Teils des Episkopats mit Ergebenheitserklärungen, der Geist dieser Verlautbarungen gibt leider Anlaß so zu denken. Wir sind uns natürlich dessen bewußt, daß die Mehrzahl der einfachen Priester und Gläubigen an die-ser sklavischen Liebedienerei nicht teilhat. Doch wo sind die Grenzen? Inwieweit kann ein einfacher Priester oder Gläubiger auf der Grundlage des rei-nen orthodoxen Glaubens bleiben, wenn die höchste Hierarchie wenigstens teilweise von einer Häresie infiziert ist? Wir sind nicht im Stande zu beurteilen, wie weit einerseits die Grundlage die-ses heidnischen Kultes und die Ansteckung durch die Häresie in der Psychologie der absteigenden hierarchischen Struktur der offiziellen Kirche fortgeschritten ist, noch andererseits wie freiwillig oder gezwungen derartige Aussagen seitens der Vertreter des Moskauer Patriarchats sind. Diese Fra-gen werden möglicherweise auf der Tagesordnung eines künftigen Konzils der befreiten Russi-schen Kirche stehen. Vielfältige Abweichungen von den Traditionen unserer Kirche und der kanonischen Ordnung - falsche Taufe, fehlende Katechese, Vernachlässigung des Sakraments der Beichte - lassen die Vermutung zu, daß die Ansteckung schon weit fortgeschritten ist.
Den psychologischen Zustand des Volkes unter der gottlosen Macht charakterisiert Dzrnazjan folgendermaßen: "Jahrhundertealte humanisti-sche Traditionen (vielleicht sogar abstrakte) des Christentums wurden durch eine heidnische Konzeption des Menschen als Tier ersetzt, was zu einem geistlichen, und, was noch schlimmer ist, mo-ralisch-psychologischen Rückschritt führte. Die Ka-tegorie der allumfassenden Liebe wurde in den Schmutz getreten, und folglich auch die gesamte christliche Wertskala, die ein allgemein-mensch-liches Niveau der moralisch-psychologischen Ent-wicklung voraussetzt. Sie ist zu abstrakt für den heidnischen Verstand. Für ihn hat weder Allge-mein-Menschliches einen Wert (wenn auch nur in der Theorie wie im Christentum), noch selbst Nationales, als Weg zum ersteren. Es gibt eine Dominante, einen Ausgangspunkt in der Wertskala - 'klassenbewußt-sowjetisch'. Um ihretwillen und des Großen Vaters - des Gottes Stalin - ist alles erlaubt: Mord, Verleumdung, Gewaltanwendung, Terror. Das Hauptziel ist dem 'weisen Führer' ver-ständlich, der für dich denkt und für das Geschehene verantwortlich ist. Alles andere ist Unsinn und 'bourgeoise Überbleibsel'... Es gibt jetzt keinen 'Menschen als solchen' mehr, er ist als 'Artbegriff' und 'absolutes Wesen' verschwunden. Es gibt nur den 'Klassengenossen' und die 'progressive Menschheit'. Alles wird auf den Gegensatz 'Freund-Feind' nivelliert, der von der Höhe des heidnischen Totalitarismus durch die Höchste Gott-heit und ihre Götzendiener definiert wird" (S.68 f.).
Hierin ist ein schrecklicher Rückschritt, eine geistliche Verarmung zu erkennen. Das Volk wählte nach Meinung des Autors den Glauben an eine heidnische Gottheit:"Die blinde Unumgäng-lichkeit in der Gestalt einer heidnischen Gottheit, ihrer unerbittlichen Götzendiener und der von ihnen und nur ihnen diktierten sozialen Wirklichkeit hörte nicht auf, '...eine blinde Macht zu sein, die den Menschen fremd und feindlich gegenüber-stand'. Es gab keine ebenso wirksame Wahl, und das Volk wählte. Man mußte glauben, selbst wenn die Gottheit eine heidnische war, selbst wenn dies zum moralisch-psychologischen Rückschritt führ-te...'ab jetzt ist es nicht sündig, zu denken, sondern sündig ist, zu handeln'. Und das heißt, denke und wünsche, was du willst ('begehe Ehebruch', schaue 'mit Verlangen'), doch handele nicht entsprechend, sonst wirst du bestraft. Und zwar nicht von innen (nach der inneren Moral), sondern von außen - von der Gottheit und ihren Dienern, ihren Spiegelbildern. Auf diese Weise wurde eine der größten moralisch-psychologischen Errungenschaften des Christentums - die innere moralische Kontrolle - durch eine äußere ersetzt" (S. 69). Der Verfasser beschreibt, wie aus den äußeren Handlungen Glauben wächst: "Oder war es doch Angst? Ich meine, von Angst kann man nur zu Beginn sprechen, danach wurde aus ihr Glaube.Und es liegt nicht nur daran, daß die Menschen psychologisch nicht lange unter den Bedingungen permanent frustrierender, Streß-erzeugender Angst leben können... der Mensch muß irgendwie sein Verhalten rechtfertigen, optimale kognitive Harmonie einführen. Als Unterstützung für eine solche Überzeugung dient das Postulat 'alle handeln so, also denken sie auch so'... Die Rechtfertigung des Vaters als Gottheit, die in vieler Hinsicht 'meinen' patriarchalischen Vater ersetzt... löst alle Probleme.... Infolge des Gesagten ist es nicht schwer, die Ursachen der Liebedienerei zu erkennen.. Alles hat seine Rückseite. Wenn Stalin groß ist, dann bin ich klein, nichtig, unbedeutend; wenn er der Vater ist, so bin ich der Sohn, der unterwürfig danach strebt, der väterlichen Liebe würdig zu wer-den, wenn Stalin die Sonne ist, so bin ich Staub, Asche. Er ist ein Genie, weise, ich aber... Der Mensch wurde von der christlichen Tribüne des 'vergöttlichten menschlichen Individuums' und 'absoluten Wesens' auf die Ebene eines heidnischen 'Tier-Menschen' herabgesetzt'. 'Ich' bin nichts, 'wir' - alles. Außerhalb des 'wir' bist du eine gesichtslo-se Unbestimmtheit, eine 'erniedrigte' Nichtigkeit. 'Alles ist zweifellos moralisch, da es im Namen der Massen geschieht'. Und der 'strahlende' Führer der Massen ist der Vater-Stalin. Das wird von der offiziellen Propaganda eingeflößt, und so ist die Wahl der Heiden" (S. 70). Ist nicht davon der Glau-be der höheren Hierarchie des Moskauer Patriarchats angesteckt, die weiterhin in Liebedienerei vor den atheistischen Machthabern verharrt?
Es ist bemerkenswert, daß sich der Autor des genannten Aufsatzes auf die Analyse des stalin-schen Personenkultes und seiner Folgen be-schränkt, ohne darauf zu verweisen, daß gerade Lenin und seine Mitstreiter den Grund dazu gelegt hatten - die Zerstörung der Persönlichkeit.
Der Verfasser charakterisiert ausgezeichnet den psychologischen Zustand von Feigheit und Schweigen, der bis heute für einige typisch ist: "In solchen Fällen hilft eine neue Rationalisierung: 'Ich kann allein nichts ändern' oder 'Vielleicht ist das alles wirklich nötig, denn wir sind ja in feindlicher Einkreisung'. Mit einem Wort, das Schweigen ist wieder gerechtfertigt und sogar nützlich. Ein Mensch, der einen solchen Weg durchlaufen hat, wird in doppelter Weise gefährlich. Gewissensbisse, die er schnell unterdrückt, lassen sich ab und zu wieder verspüren, insbesondere beim Zusammentreffen mit einem anderen 'verstehenden, bewußten und gewissenhaften' Menschen. Bei jedem solchen Anflug wird in ihm ein moralisches Minderwertigkeitsgefühl geweckt, und um seelische Ruhe zu erlangen, schließt er sich in die Reihen der Kämpfen gegen die 'Andersdenkenden'... Die Methoden sind bekannt - es ist am leichtesten, jemanden zu verleumden, auszulie-fern, anzuschwärzen. Das schlimmste hierbei ist die Formel der Rechtfertigung eines solchen Ver-haltens: 'Ich bin auch ehrlich, nicht minder als du, du darfst und kannst nicht ehrlicher sein als ich'. Wer den Weg der Gemeinheit und des Blutvergießens beschritten hat, findet keinen Weg zurück; er muß sich endgültig von der eigenen Rechtmäßigkeit überzeugen." (S. 71).
Hier zeichnet sich deutlich der tragische geistliche Zustand des zeitgenössischen Menschen im sowjetischen Imperium: "Die Standbilder des heidnischen Gottes sind zerstört, doch er ist noch lebendig, wirkt in mir, in dir, in uns allen und unter uns. Er wirkt als unsichtbarer Schatten, der ab und zu aus dem Unterbewußtsein hervortritt und in dem immer noch vorhandenen konservativ-pro-gressiven Denken projiziert wird, das unsere Kin-der zu 'diszipliniert' (im schlechtesten Sinn dieses Wortes) macht, uns mit allen möglichen inneren Barrieren Komplexe erwachsen läßt ('Schweige, sonst wirst du verbannt'), und das Augenmerk unserer inneren Kontrolle zum externen Objekt lenkt ('Suchen Sie den Schuldenbock') usw. Die Anzeichen sind vielzählig und verschiedenartig. Man muß sie unbedingt eingehend untersuchen, ohne sich auf eine nur oberflächliche Analyse zu begrenzen".
Welch furchtbares inneres Dilemma charakterisiert eine Gesellschaft, in der der Verfasser seinen Aufsatz mit den folgenden Sätzen beschließt: "Es ist möglich, daß das Beschriebene den Unwillen einiger Kollegen hervorruft, die vom Geist der 30-er und 40-er Jahre getränkt sind. Doch überlegen Sie, ob in Ihnen nicht der interiorisierte stalinsche Heide spricht"? (S. 71).
In dieser tragischen Atmosphäre leben auch die Bischöfe und Priester und Gläubigen in Rußland. Unsere Aufgabe ist es, sie durch unser Gebet zu unterstützen und ihnen mit allen uns zugänglichen Mitteln zu helfen, damit sie sich von dem von aus-sen aufgezwungenem Heidentum befreien kön-nen, welches in die Tiefe ihres Bewußtseins und Unterbewußtseins eingedrungen ist. Gott kann nicht durch "unser großes sozialistisches Vaterland" ersetzt werden. Dem Menschen muß seine Gottähnlichkeit zurückgegeben werden, die Ikone Gottes in ihm muß wieder hergestellt werden. Ist dazu die Spitze des Moskauer Patriarchats fähig? Sie lebt nach den Worten eines anderen Verfassers der gleichen Zeitschrift im "inneren Ausland" (S.B.Filatov: Brauchen wir ein "inneres Ausland"?). Der Verfasser bemerkt richtig, daß die Bischöfe "in ihrer engen Welt" leben: "Wie sieht von außen die Geistlichkeit, das innere Leben der Kirche aus? Es fallen die schwarzen 'Wolga-Autos' der Bischöfe auf. - Entweder ist es die örtliche Nomenklatur oder ausländische Gäste? Die Zeitschrift des Moskauer Patriarchats macht in periodischen Abständen Mitteilungen über die Auslandsreisen und den Em-pfang ausländischer Gäste in den Residenzen. Sehen diese Bischöfe jemanden außer sich gegenseitig und den Ausländern? Es scheint, als ob die Führung eines sozialen Institutes mit den Millionen sowjetischer Bürger verbunden sind und sich in den wichtigsten Fragen ihres geistlichen Lebens, ihres Gewissens anvertrauen, in einer kleinen Welt für sich lebt" (S. 44).
Eine solche Trennung des Episkopats und ei-nes Teils der Geistlichkeit ist zweifellos durch die Jahrzehnte der Verfolgung bedingt, und die rei-che Ausstattung - schwarze 'Wolgas' und Residenzen - werden ihnen sicher nicht ohne List überlas-sen. Aus einem solchen goldenen Käfig kann man sich nur schwer befreien, doch ein wahrer Seelsorger muß die tiefe Zwiespältigkeit einer solchen Situation fühlen, und in ihm muß der Wunsch zur Überwindung dieser Barrieren wachsen, die ihn von dem gläubigen Volk trennen. In unserer Zeit zwingt niemand mehr die Bischöfe, sich vom Volk abzugrenzen, doch sie gewöhnten sich im Laufe von Jahrzehnten an ein völlig abstraktes Verständ-nis der seelsorgerlichen Tätigkeit.
Das sehen sogar völlig außenstehende Men-schen. So lesen wir etwa in dem genannten Aufsatz: "Blättern wir die Nummern der Zeitschrift des Moskauer Patriarchats des letzten Jahrganges durch. Dies ist die offizielle Zeitschrift der Russi-schen Orthodoxen Kirche. Und man sollte meinen, sie spiegelt das Leben der Kirche wider, ihre Ansichten und Interessen. Die Lektüre der Zeitschrift hinterläßt einen seltsamen Eindruck. Es wird viel von internationalen, ökumenischen Kontakten geschrieben. Ein großer offizieller Teil: Wer womit ausgezeichnet wurde, wer wohin versetzt wurde, Nekrologe, Berichte über Reisen und Gottesdienste einzelner Bischöfe. Sehr viel darüber, wo der heiligste Patriarch Pimen und der Vorsitzende der Druckabteilung (in dessen Ressort sich die Zeitschrift befindet), der Metropolit von Volokalamsk und Jurjewsk, Pitirim gewesen sind und was sie getan haben. Wie viel man auch suchen mag, man findet in der Zeitschrift nichts über die inneren Probleme der Kirche. Gibt es etwa in ihr keine Korrup-tion, Inkompetenz, keine Diskussionen über ideelle und praktische Fragen, keine Probleme in den Gemeinden. Die Zeitschrift schweigt sich auch über gesellschaftliche Probleme aus. Wie versteht die Kirche die Perestrojka? Gibt es keine Meinungen? Die Mehrzahl der Gläubigen sind Pensionäre und Invaliden. Hat die Zeitschrift nichts über deren Probleme zu sagen? Oder über Alkoholismus und Drogensucht? Über die Erhaltung der Kulturdenkmäler? Ja manches noch, sollte man meinen, könnte die Zeitschrift des Moskauer Patriarchats beschäftigen, doch dem ist nicht so" (S. 44f.).
Das sind nicht die Worte irgend eines "Feindes" im Ausland, sondern eines einheimischen, sowjetischen Gelehrten. Wer macht denn jetzt dem Moskauer Patriarchat den Vorwurf fehlender Loyalität? Doch das Gesetz der Überloyalität hat seine eigenen Gewohnheiten. Und zu einem Zeitpunkt, zu dem im Lande in den letzten Jahrzehnten unerhör-te Veränderungen vor sich gingen, zu dem die Massengesellschaft "Pamjat" wie viele andere Ver-einigungen nicht nur zum Schutz der "Kulturdenk-mäler" auftreten, haben die Hierarchen des Moskauer Patriarchats anscheinend nichts zu sagen: "Blättert man die offizielle Zeitschrift der Orthodo-xen Kirche durch, so fühlt man verwundert, daß man etwas längst Bekanntes angreift, etwas aus der Atmosphäre der jüngsten Vergangenheit, das was wir jetzt als 'Zeit des Staus' bezeichnen. Es ist der selbstzufriedene, gutmütige und völlig inhaltlose Stil der Provinzzeitungen des Anfangs der 80-er Jahre". So verzeichnet Filatov.
Wie wir aus den Erklärungen der Gesellschaft "Pamjat" und ähnlicher Vereinigungen in Rußland sehen, wird die Orthodoxie häufig mit Rassismus und Chauvinismus vermischt und in eine Mischung abstrakter historischer Vorstellungen verwandelt, die der Orthodoxen Kirche zugeschrieben wer-den, doch all dies erfolgt ohne Kontakt zum Glauben an die Dogmen der Kirche. Hier eröffnet sich ein weites Feld für die Katechese und seelsorgerliche Tätigkeit im weitesten Sinne des Wortes. Wa-rum füllt das Moskauer Patriarchat nicht dieses Va-kuum? Warum fährt man fort, Erwachsene ohne jegliche Vorbereitung zu taufen (wobei tatsächlich nur der Kopf beträufelt wird) und nach der Taufe ohne seelsorgerliche Betreuung zu lassen? Reichen die physischen oder geistlichen Kräfte nicht aus, ist die Geistlichkeit durch die Zeit des Staus gelähmt oder vom Sergianertum oder Erneuerertum durchsetzt?
Welch schwere Probleme vor der ganzen Russischen Orthodoxen Kirche stehen, zeigt beson-ders die ausführliche Arbeit der Redakteurin der Zeitschrift "Nadezda", Z.A. Krachmal'nikova, "Bittere Früchte der süßen Gefangenschaft" vom Oktober 1988. Zoja Krachmal'nikova beschuldigt das Moskauer Patriarchat unumwunden der Häresie, der "Revision des Evangeliums". Diese Autorin kann niemand der unüberlegten Vorwürfe gegen das Moskauer Patriarchat beschuldigen. Sie war selbst zu Leiden für Christus bereit, saß selbst für das Wort Christi im Gefängnis. Daher kommt ihren Worten besondere Bedeutung zu. Sie prangert in erster Linie die Lüge an. Über das Konzil, das das Moskauer Patriarchat aus Anlaß des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe Rußlands durchführte, schreibt sie:" Das Konzil demonstrierte die Krise des orthodoxen Bewußtseins, seine Dokumen-te... gehen in die Geschichte unserer Kirche ein und werden zu Lehrbeispielen ekklesiologischer Unfruchtbarkeit und Politisierung, einer Unfruchtbarkeit, die vergeblich durch lautstarken und leeren Wortreichtum überdeckt wurde, in dem weder echter Schmerz, noch wirkliche Liebe lag".
Am Beispiel des Metropoliten Juvenalij und seines Verhältnisses zur Verherrlichung der Heiligen Neomärtyrer legt Z.A. Krachmal'nikova dar, daß die Führer des Moskauer Patriarchats "die Grundlagen des echten Glaubens an die Kirche" nicht annehmen.SIe schreibt: "Das politische Den-ken des Metropoliten Juvenalij ist nicht nur mit den Grundlagen der Orthodoxie in Widerspruch getreten, sondern es spielte auch eine bestimmte Rolle in der politischen Behandlung der Ereignisse, die mit den Verfolgungen der Kirche verbunden sind". Metropolit Juvenalij nimmt wie viele seiner Mitarbei-ter die Haltung eines aktiven Apologeten der Kirchenverfolgungen ein. Doch dies führt weiter zum Schisma: "Im Akt der Absage unseres Episkopats von der Einheit mit den Neomärtyrern, von der Einheit mit der Himmlischen Kirche, liegt vielleicht die Sünde des geistlichen Schismas mit den orthodo-xen Vätern beschlossen... Niemand unter den irdischen Machthabern ist für diese Lossage verantwortlich. Sie erfolgte freiwillig. Die Gefühllosigkeit hinsichtlich des Verlustes der Tugend ist ein Resultat der Zwiespältigkeit und der 'Theologie der Kompromisse'".
Jahrzehnte der Verfolgungen konnten nicht spurlos an der Kirche vorübergehen. Doch wesentlich schwerwiegender sind für das Gewissen der Russischen Kirche die Jahrezehnte der Lüge und Kompromisse im Namen der Kirche. Lüge und Pharisäertum haben das Moskauer Patriarchat vollkommen erfaßt, angefangen mit der Loyalitätser-klärung des Metropoliten Sergij (1927). Vom Geist dieser Erklärung ist zumindest die höchste Hierarchie bis heute durchdrungen. Ihre Vertreter stellen im Ausland nach wie vor ihre Behauptungen über die Freiheit der Kirche in der Sowjetunion auf...
Einen wahrhaft christlichen Weg kann die Russische Orthodoxe Kirche erst dann beschreiten, wenn die Sünde dieser Lüge ausgemerzt ist, die in die Häresie führt, und erst dann, wenn sie sich von dieser Sünde gereinigt hat und sich vollkommen mit dem Geist der Heiligen Russischen Neomärty-rer identifiziert, indem sie nicht nur äuißerlich einen Teil von ihnen verherrlicht, sondern sich eben vom Geist des Martyriums und des Bekennertums ei-nes jeden von ihnen und ihrer aller durchdringen läßt.
E.M.
Bote 1989-2
Erzpriester I.I. Bazarov - Erinnerungen
Man wies mir eine Wohnung im sog. "Halbkreis" gegenüber dem Schloß zu, wo alle Erzieher der Großfürsten untergebracht waren, und am selben Tag wurde ich von der Kaiserin empfangen, die mir eine ausführliche Unterredung gewährte, insbesondere über die Erziehung der Zarenkinder. Im Verlauf dieser Unterredung kam der Zar herein, der mich sehr liebenswürdig begrüßte. Er blieb einige Minuten still stehen, hörte unserem Gespräch zu, mischte sich jedoch mit keinem Wort ein. Das erstaunte mich dieses Mal etwas, doch in der Folge erfuhr ich, daß er die Erziehung der Kinder völlig der Kaiserin überlassen hatte und nie an den Anweisungen dazu teilnahm. Nur bei den Plänen von Titov, der als Erzieher des Thronfolgers eingeladen war, tat er seinen Willen entgegen den Wün-schen der Kaiserin kund, die den träumerischen Plänen Titovs hinsichtlich der Erziehung des Thronfolgers von ganz Rußland zugeneigt war. Infolge der deutlichen Willenskundgebung des Zaren trat Titov von seinen Verpflichtungen zurück und kehrte auf seinen Posten als Gesandter in Stuttgart zurück.
Von mir wurde natürlich keinerlei Lehrplan erwartet. Meine Aufgabe war nur der Religionsunterricht und in der Ausübung eines sittlichen Einflus-ses auf meine Zöglinge. Die Kaiserin hatte aller-dings in ihren Zielen, die sie im Brief an die Groß-fürstin Ol'ga Nikolaevna niedergelegt hatte, bei der Auswahl meiner Person für diese Aufgabe einen umfangreicheren Lehrplan im Sinn, da dort die Re-de von der erzieherischen Bedeutung des Religionslehrers und seinem Einfluß auf die Erzieher selbst die Rede war. Doch eben darin bestand die ganze Schwierigkeit der Aufgabe. Ich weiß nicht, ob die Erzieher das verstanden oder ob sie von oben einen Hinweis erhalten hatten, doch ich bemerkte seit meinem ersten Erscheinen in ihrem Kreis, daß sie mir nicht besonders gewogen waren. Es begann damit, daß sie alle über meine Ankunft erstaunt waren, als ob sie unerwartet sei. Ich nehme an, daß sie vielleicht wirklich nichts über die Unterredungen über mich wußten.
Indessen wurde ich fast jeden Tag zu Gesprä-chen mit der Zarin gerufen. Das weckte in ihnen zunächst Neid, und dann begann es ihnen Angst einzuflößen. So begann gegen mich eine Intrige, die mir die Großfürstin Maria Nikolaevna vorausgesagt hatte. Sie errieten, daß man mich dem Thronfolger beigesellen und durch mich vielleicht sogar Bazanov selbst ersetzen wollte. Daher riefen sie eilig aus Petersburg den Erzpriester Rozdestvenskij herbei, der wohl in diesem Sommer mit den Groß-fürsten schon in Happsala war, doch keine derartige Nähe zur Kaiserin genoß. Sie riefen ihn unter dem Vorwand, daß der in Happsala mit dem Thronfolger begonnene Unterricht abgeschlossen wer-den müsse, und brachten ihn in demselben Halb-kreis neben mir unter, mit der Bemerkung, daß es mir nicht langweilig werden sollte. Unterdessen lud man mich täglich zum Essen entweder zu den Groß-fürsten oder zur Großfürstin Maria Nikolaevna ein. I. V. Rozdestvenskij wurde auch eingeladen und stand als längst vertrauter Mensch mit allen in gutem Einvernehmen. So verging eine ganze Wo-che. Unter diesen Umständen war ich sehr froh, von unserer Großfürstin einen Brief zu erhalten, in dem sie schrieb, daß ich ohne irgend ein positives Versprechen zu geben zum 14./26. September nach Stuttgart zurückkehren sollte, zur Rückkehr ihrer Hoheit dorthin aus Interlaken. Man mußte das kaum verborgene Vergnügen meiner Mitbewohner im "Halbkreis" sehen, als ich ihnen diese Nachricht mitteilte. Mein Onkelchen Rozdestvenskij wurde böse und sagte, daß er nichtden ganzen Unterricht bewältigen könne. Die Kaiserin, zu der ich mit dieser Nachricht kam, war sehr traurig über meine Abreise und verabschiedete sich sehr freundlich von mir. Ich selbst bestieg am 9. September die Postkutsche, um über Warschau nach Deutschland zu reisen, und fühlte, welcher Stein mir von den Schultern gefallen war, nicht weil ich zu meinem freien Leben nach Stuttgart zurück-kehrte, sondern von der stickigen Luft, mit der sich alle schwer tun, die nicht daran gewöhnt sind. Nach Stuttgart zurückgekehrt, erzählte ich alles der Groß-fürstin Ol'ga Nikolajevna. Sie antwortete mir, daß das alles ganz gut wäre, wenn es einige Jahre frü-her geschehen wäre, aber jetzt, wo ich schon so lange der Beichtvater ihrer Hoheit war, wäre es unannehmbar, als Assistent für Religionsunterricht nicht einmal bei Bazanov, sondern Rozdestvenskij eingesetzt zu werden.
"Ich habe der Kaiserin versprochen, sagte sie schließlich, Sie für den Thronfolger abzugeben, und nur für dieses Ziel würde ich mich von Ihnen trennen".
Danach verstand ich, daß mein Schicksal trotz meiner vielen Versuche zum Dienst nach Rußland zurückzukehren, von oben zum Dienst an der Kir-che und am Vaterland im Ausland vorbestimmt war. So erinnere ich mich eines Gespräches zu diesem Thema mit dem Wiener Erzpriester Rajevskij. Voll jugendlichen Eifers entwickelte ich damals vor ihm Beschwerden darüber, daß unsere geistlichen Vorgesetzten uns Priestern im Ausland wenig Entfaltungsmöglichkeiten geben. Ich meinte, daß man darauf hätte achten müssen, daß die jungen Men-schen, die den Dienst im Ausland antreten, hier sowohl ihre Kenntnisse, als auch ihre Ansichten über die Bedürfnisse der Kirche erweitern, wes-halb man sie nach einer bestimmten Zahl von Jahren nach Rußland zurückrufen und ihnen mehr oder weniger einflußreichen Posten einräumen müsse, auf denen sie ihr in der Praxis erworbenes Wissen zum Nutzen des kirchlichen Lebens in der Heimat anwenden könnte. Darauf antwortete er mir, daß unsere geistlichen Vorgesetzten zufrieden sein müssten, wenn sie fähige Personen für die Posten im Ausland finden, und, wenn sie solche gefunden haben, müssen sie diese schätzen und an ihre Stellen nicht neue ernennen.
"Schauen Sie sich um, sagte er, wer könnte derzeit E. I. Popov in London oder I. V. Vasiljev in Paris besser ersetzen oder Jany³ev in Wiesbaden, oder Sie in Stuttgart oder in Wien? Selbst wenn Sie uns gegeneinander austauschen, so würden wir ungeeignet für die neue Tätigkeit sein, wäh-rend jetzt jeder an seiner Stelle ist, Erfahrung und Routine gewonnen hat, der Kirche und der Heimat mit großem Nutzen dient". Goldene Worte, und wieviel Wahrheit war in ihnen, wenigstens für jene Zeit!
Im Juni 1860 kam die Kaiserin Alexandra Feodorovna nach Wiesbaden, und infolge dessen über-siedelte dorthin auch unsere Großfürstin und ich mit dem Klerus zur Durchführung der Gottesdienste. Dies war der letzte Besuch der Kaiserin in Wiesbaden und überhaupt in Rußland, da sie im Herbst dieses Jahres verstarb. Interessant war ein Vorzeichen dieses Ereignisses, das vor meinen Augen geschah, am Geburtstag des verstorbenen Kaisers, am 25. Juni, hielten wir einen Gedenkgottesdienst in den Räumlichkeiten der Kaiserin. Als ich ihrer Hoheit eine brennende Kerze gab, erlosch diese plötzlich in ihrer Hand. Die Kaiserin wandte sich ohne die geringste Betrübnis an die neben ihr stehen Großfürstin Olga Nikolajevna und sagte: "Siehe! Ich werde sterben".
Nachdem wir die Kaiserin verabschiedet hatten, die aus Wiesbaden unmittelbar nach Rußland reis-te, da sie nach ihren Worten nicht in fremden Gefilden sterben wollte, beschloß ich mit unserem Gesandten V. P. Titov eine Reise nach Oberbayern zu machen, wo alle 10 Jahre eine Aufführung der Passionsspiele stattfindet, die Massen von frommen und noch mehr neugierigen Menschen von allen Enden der Welt anziehen. Ich nahm meinen ältesten Sohn mit, und wir machten uns Anfang August auf die Reise. Mit der Eisenbahn nach München gekommen, erkundigten wir uns, wie man den berühmten Ort in den Tiroler Alpen erreicht. Nachdem man uns den Weg beschrieben hatte, warnte man uns in München, daß wir ohne vorherige Buchung einer Kutsche und Unterkunft riskieren, unser Ziel wegen der Menschenmenge, die zu diesem Schauspiel eilt, nicht erreichen. Wir beschlossen jedoch auf gut Glück zu fahren. Wir setzten mit dem Dampfer über den Starnberger See über, der in der Folge wegen des unglückli-chen Todes des Bayerischen Königs so berühmt werden sollte, der sich in dessen Wellen stürzte und seinen Leibarzt mit sich in die Tiefe riß. Am Landeplatz sahen wir eine zahllose Ansammlung von Fuhrwerken aller Art von Postkutschen und Omnibussen angefangen bis zu einfachen Fuhrwerken mit Sitzen aus Brettern. Als wir ans Ufer kamen, stellten wir fest, daß die besseren Fahrzeuge alle schon von den mit uns reisenden Passagieren im voraus aus München bestellt waren, und wir mußten uns ein Plätzchen in einem der Omnibusse oder Pferdefuhrwerke suchen, auf die sich alle sofort im Handgemenge stürzten. Es gelang uns jedoch, irgendwie drei Plätze in einer diesen Kutschen zu finden, in der 12 Personen saßen, größten Teils einfache Menschen. Es waren ungefähr 6 Stunden Reise bis nach Oberammergau, und einen solchen Weg in dem ungemütlichen Fuhrwerk durchzuhalten, wäre unmöglich gewesen. Zum Glück ging der Weg größten Teils berg-auf und deshalb im Schritt, so daß wir häufig unse-ren Omnibus verlassen und zu Fuß gehen konnten, wobei wir die Alpenluft und die malerische Umgebung genossen. Diese Reise, wie auch die Auf-führung in Oberammergau beschrieb und druckte ich in der Zeitschrift "Strannik" 1861 unter dem Ti-tel: "die Passionsspiele in Oberbayern", weshalb ich hier das Beschriebene nicht wiederholen, sondern nur einige Episoden aus dieser interessanten Reise erwähnen werde. Als wir an dem Ziel unserer Reise ankamen, befanden wir uns vor den Schwierigkeiten, die man uns in München vorausgesagt hatte. Wir kamen am Samstag abend dorthin, am Vorabend der Aufführung, welche imLaufe des Sommers jedes zehnten Jahres jeweils sonntags gegeben wird, und unsere erste Sorge war es, für uns Karten für die morgige Vorstellung zu erhalten. Deshalb gingen wir zum Theater, welches aus-serhalb des Dorfes auf dem Feld gelegen ist. Hier erstaunten uns die Figuren kostümierter Perso-nen, die auf dem Feld umher gingen und bei den ringsherum aufgebauten Zelten aus Bierkrügen tranken. Es zeigte sich, daß das die morgigen Schauspieler waren, alle aus Oberammergau, Pha-risäer, Römische Soldaten, Volk in der Kleidung der Zeit, und als wir an die Unterkunft dachten, wel-ches schwierig zu erhalten war da alles längst belegt war und uns deshalb an einen Einwohner wandten, sagte dieser, nachdem er etwas nachgedacht hatte auf eine der kostümierten Personen zeigend: "Fragen Sie diesen Pharisäer, vielleicht findet sich in seinem Haus noch Platz. Doch auf unsere Frage antwortete der Pharisäer, daß bei ihm schon alles überfüllt sei.
"Aber versuchen Sie es dort bei der Gottesmutter, dort finden Sie vielleicht noch eine Unterkunft".
Wie seltsam es uns auch anmuten mochte, solche Adressen zur Suche einer Unterkunft zu hören, gingen wir doch zu dem uns gewiesenen Haus der Gottesmutter, wobei wir jedoch zunächst dachten, daß das Haus wegen einer Darstellung der Gottesmutter auf den Wolken an der Wand des Hauses so genannt wird. Tatsächlich jedoch nahm die Tochter des Hausherrn in der Rolle der Gottesmutter an dem Schauspiel teil, und die Bewohner des Dorfes waren schon so mit ihren Rollen verwachsen, daß sie sich auch im täglichen Umgang nicht beim Namen nannten, sondern nach den Rollen, auf die sie sich im Laufe von 10 Jahren von einem Spieljahr zum nächsten vorbereiten.
Fortsetzung folgt
Bote 1989-3
Aus dem Leben der Diözese
Erzpriester Theodor Trofimov +
Seminar in Frankfurt
Am Mittwoch, den 19. April eröffnete Bischof Mark das diesjährige "Seminar für Orthodoxe Liturgie und Spiritualität" in Frankfurt. Den Festvortrag hielt S.E. Amfilohije (Dr. Radovic) serbisch-ortho-doxer Bischof vom Banat, zu dem Thema "Das We-sen der orthodoxen Liturgie". Er sprach von der Liturgie als dem allumfassenden Mysterium, in welchem Sich Gott dem Menschen schenkt und der Mensch sich mit Gott vereinigt. Damit eröffnet die Liturgie als ein Unterpfand des ewigen Lebens den Sinn menschlichen Daseins.
Den zweiten Vortrag des Tages hielt Protopresbyter Georgios Metallinos: "Bezeugte Heiligkeit - wer ist ein Heiliger?" Der Vortragende schilderte das Wesen der Heiligkeit. Er sagte, daß die Heiligen beseelte Wohnstätte Gottes sind, die an der ungeschaffenen Gnade Anteil haben. Ein Heiliger ist nach den Worten des Vortragenden keine moralische, sondern eine ontologische Erscheinung. Alle Heiligen sind lebendige Strahlen der Herrlichkeit Gottes - daher der Schein um ihre Häupter auf den Ikonen. An zahlreichen Beispielen zeigte er die Vergottung des Menschen als eine greifbare Erfahrung.
In einem weiteren Vortrag sprach Vater Georgios am folgenden Tag über "Das Lebend er Pfarrgemeinde". Er legte seiner Darstellung das den Jüngern gegebene Versprechen der Wiederkehr Christi zugrunde. Jesus wird jedem offenbar, der sich Ihm eröffnet, denn Er ist in jedem Glied Seiner Kirche anwesend. Die Kirche ist zugleich eine örtliche wie auch eine göttliche Gemeinschaft.
In seinem am Freitag, den 21. April, gehaltenen Vortrag "Anspruch und Botschaft der Orthodoxie" wies Prof. Johannes Panagopoulos darauf hin, daß die Botschaft der Orthodoxie keine Stellung-nahme zu aktuellen Problemen in den Vordergrund stellen kann, da sie von geistiger Natur ist und die existentiellen Fragen des Seins berührt. In der Welt des Geistes kann nicht die Tatsachenforschung helfen, sondern die mystische Erfahrung der neuen Schöpfung Gottes. Er charakterisierte das Dogma als einen charismatischen Hinweis für unser Leben, wobei es sich wesentlich von westlichen Dogmenverständnis unterscheidet. Die Orthodoxie versteht sich nach seinen Worten nicht als eine Ergänzung zu anderen Religionen, denn die Wahrheit ist unteilbar.
Prof. Panagopoulos sprach am selben Tag über den "Sinn der kirchlichen Feste". Nach seinen Worten stehen die kirchlichen Feste im Mittelpunkt des menschlichen Lebens und verleihen diesem den Sinn. Sie spiegeln Denk- und Lebensweise der Kirche wider, denn Freude und Friede sind vorherrschende Elemente im Neuen Testament. Jesus Christus sieht er als eine Personifikation der Freude schlechthin. Vor Christus sah man die Fes-te als Pausen im Arbeitsleben an. Im christlichen Verständnis verwandeln die Feste, die nicht einzeln dastehen, sondern als Glieder in einer Kette in den Kalender der Kirche eingebunden sind, unsere Welt. Sie sind nicht Symbole, sondern wer-den als Wirklichkeit verstanden - jedes Fest ist ein Teil des ursprünglichen Ereignisses. Das Fest ist ein Vorbild der himmlischen Freude.
Am 24. April sprach Emmanuel Banu über "Objektiven Glauben und subjektive Erfahrung". Glau-be ist das Ruhigbleiben in Gott. Die Wahrheit ge-nügt sich selbst. Der Glaube ist eine höhere Art des Wissens, er zieht die Teilwahrheiten zusammen zu einem Ganzen. Im Christentum gibt es ei-nen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Lie-be: wer nicht liebt, glaubt nicht.
Am 25. April sprach Erzpriester Ambrosius Backhaus über das "Entschlafen der Gottesmutter - das Evangelium vom Sterben". Er erinnerte da-ran, daß die Gottesmutter bereits drei Tage vor ihrem Tod wußte, daß sie sterben würde. Ein solches Bewußtsein ist für einen gewöhnlichen Menschen schrecklich, nicht nur ungewöhnlich, denn er kann mit seinem Todesdatum nicht leben, die Furcht des Todes läßt uns zu Knechten werden. Im Augenblick des Todes werden wir von Gott angesprochen, wir sind im Tode in Gott geborgen. In seinem Vortrag vom "Evangelium von der Freiheit des Menschen" sprach Vater Ambrosius von der Bedeutung der richtigen Entscheidung des Menschen, die zur Freiheit führt. Unsere Entscheidungen, von den kleinen angefangen, müssen unter der Gewißheit gefällt werden, daß Gott kein mißgünstiger Richter ist - Seine Liebe ist das tragende Element.
Der erste Teil des Seminars wurde durch den Vortrag von Christa Schaffer über die "Liturgie als Theophanie und Abbild des Himmels" abgeschlossen. Sie begann ihre Ausführungen mit der Feststellung, daß das Verlangen nach Gottesschau tief im Menschen verwurzelt ist, dem modernen Menschen jedoch die Fähigkeit dazu weitgehend fehlt. Die Riten der Kirche entfalten eine Pracht, die den Menschen aus den Verkrustungen des Alltags lö-sen soll. Wir brauchen Bilder und Symbole, um die Gegenwart Christi zu erfühlen, nicht aber mit dem Kopf erfassen wollen. Christus ist Opferpriester und Opferspender - Er ist Sieger über den Tod. Der Schmerzensmann ist im Osten nicht bekannt. Auch am Kreuz ist Christus Sieger. Das Kirchenschiff wird als Darstellung des gesamten Universums aufgefaßt. Der Mensch steht hier als Kind zweier Welten: der unfaßbare Gott geht ein in den Kirchenraum, dieser wird zum Himmel, und so fühlt sich der Mensch im Gotteshaus als Himmelsbewohner.
Neben den Vorträgen hatten die Teilnehmer des Seminars Gelegenheit, an den reichhaltigen Gottesdiensten der Karwoche teilzunehmen. Besonderer Dank gilt Vater Dimitrij Ignatiew, der das Seminar geistlich leitet und die Teilnehmer immer wieder in Gesprächen ermuntert, das Gehörte auch zu erleben, Herrn Prof. Panagopoulos, der mit seiner Gattin während der gesamten Seminardauer stets zu Erklärungen und Gesprächen zur Verfügung stand, und Frau Antic, die trotz einer durch schwere Krankheiten im Familienkreis angestrengten Lage geduldig die technische Leitung des Seminars bewältigte.
Kathedrale in München
Innerhalb der vergangenen Monate führten Vertreter der Münchener Gemeinde des Hl. Nikolaus Verhandlungen mit der Stadtverwaltung über die Möglichkeit eines Kirchenbaus. Die ersten Baupläne, die unser Architekt im Winter einreichte, wurden abgelehnt, da die von uns geplante Kirche nach Ansicht der städtischen Vertreter zu hoch war und sich somit nicht in die städtebauliche Umgebung einpaßte. Unmittelbar nach dem Osterfest legten wir einen neuen Bauplan vor. Dieser findet nun offensichtlich die grundsätzliche Zustimmung der städtischen Behörden. Zur Zeit erwarten wir die genaue Ausmessung des Grundstücks durch das städtische Vermessungsamt. An unseren Plä-nen arbeitet unser Architekt Georgij A. Römmich, und die Zeichnungen werden von dem Mitglied des Gemeinderates Vadim A. Jessikowskij erstellt.
Kathedrale in London
Im Mai d.J. faßte ein Londoner Gericht einen Beschluß, durch den unsere Gemeinde ihre Kir-che zum Entschlafen der Gottesmutter an dem Platz Emperor's Gate innerhalb von sechs Monaten räumen muß. Die Londoner Gemeinde hat die-se Kirche 30 Jahre lang benutzt, nachdem sie ihre vorherige Kirche wegen des Baus eines Autobus-Bahnhofs aufgeben mußte.
Die Gottesmutter-Entschlafens-Kathedrale (s. Bilder auf der vorderen und hinteren inneren Umschlagseite dieser Ausgabe) war von unserer Gemeinde zunächst auf einen Zeitraum von 21 Jah-ren gepachtet worden. Nach Ablauf des Vertrages verlängerte die anglikanische Gemeinde, der die-ses Gebäude gehört, den Vertrag nicht, nahm je-doch unsere Zahlungen an und zeigte somit Einverständnis mit unserem Verbleiben in dieser Kir-che. Inzwischen reichte die anglikanische Gemeinde bei der städtischen Baubehörde Baupläne ein, denenzufolge die Kirche abgerissen und an ihrer Stelle ein Hochhaus mit Wohnungen und Büroräumen und einem Gemeindesaal im Untergeschoß gebaut werden sollte. Die Wohnungen und Büroräume waren als wichtige Einnahmequelle gedacht. Doch gegen diesen Plan protestierten in erster Linie die Nachbarn und Anlieger von Emperor's Gate, die in ihrer bisher stillen Umgebung kein Hochhaus wünschten. Auf Grund der Proteste der Anlieger und unserer Gemeinde lehnte die Baubehörde diese Pläne ab. Das jetzt durch Gerichtsbeschluß genehmigte neue Projekt sieht den Bau von zwei Architektenbüros und einer Wohnung in dem Gebäude vor, das das äußere Aussehen ei-ner Kirche bewahren soll.
Vor der Entscheidung des Gerichts veranstalteten unsere Gemeindemitglieder und sympathisierende Engländer eine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude. Dabei verwiesen sie darauf, daß viele von uns Zeugen der Zerstörung von Kirchen in Rußland waren und deshalb den Verlust ihrer Kirche in London besonders tragisch empfinden. Leider blieben diese Proteste ohne Einfluß auf den Gerichtsbeschluß. Die anglikanische Gemeinde des Hl. Stephan kann jetzt in unserer langjährigen Kirche Büroräume bauen.
Am Sonntag nach Ostern, dem Thomas-Sonn-tag, zelebrierte die Göttliche Liturgie in der Londoner Entschlafens-Kathedrale ihr Vorsteher, S.E. Mark, der Bischof von Berlin, Deutschland und Großbritannien. In seiner Predigt unterstrich Bischof Mark, daß wir niemandem außer uns selbst Vorwürfe wegen des bevorstehenden Verlustes unseres Gotteshauses machen dürfen. Der Herr lehrt uns durch diesen schweren Verlust, uns nicht an irdische Güter zu binden, zu verstehen, daß wir auf dieser Erde nur vorübergehende Wanderer sind. Wir müssen uns endlich darum bemühen, selbst tu lebendigen Tempeln Gottes zu werden - dann schenkt uns der Herr auch eine Kirche, in der wir uns zum Gebet versammeln können. Eine der wichtigsten Aufgaben, die in dieser schwierigen Lage zu bewältigen sind, besteht darin, daß wir untereinander fester zusammenrücken und ernsthaft nach Möglichkeiten zum Bau oder Kauf einer eigenen Kirche Ausschau halten müssen.
Während seines einwöchigen Aufenthaltes in Großbritannien leitete Bischof Mark Sitzungen des Gemeinderates, bei denen über vorrangige Entscheidungen beim weiteren Vorgehen gesprochen wurde und einige Komitees zur Suche nach einem Bauplatz oder einer alten Kirche zum Kauf und nach Möglichkeiten der Pacht eines geeigneten Gebäudes für die Übergangszeit gebildet wur-den. Bischof Mark traf sich ebenfalls mit dem anglikanischen Bischof von London, Dr. Leonard Gra-ham, führte Verhandlungen mit Vertretern verschiedener kirchlicher und staatlicher Stellen, mit unseren Rechtsanwälten und mit einzelnen Gemeindemitgliedern, denen er Anweisungen für ihre verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Frage der Kirche erteilte.
Gebe Gott, daß unsere Brüder und Schwestern in London bis zum Oktober neue Räumlichkeiten finden, in denen sie sich in Ruhe und unabhängig von anderen zum Gebet versammeln können!
In memoriam
+ Erzpriester Theodor Trofimow
Am Thomas-Sonntag, d. 7. Mai 1989, verstarb unerwartet der Vorsteher der Kirche des Hl. Nikolaus in Stuttgart, Erzpriester Theodor Trofimow, im Alter von nicht einmal 60 Jahren.
Vater Theodor wurde am 9. September 1930 geboren. Er besuchte das Theologische Institut in Paris, verließ es jedoch nach zwei Semestern, da er dem dort vorherrschenden Geist nicht zustimmen konnte. Am 17. Mai 1954 wurde er von Erzbischof Alexander in der Münchener Kathedralkirche des Hl Nikolaus zum Diakon geweiht. Am 30. März 1958 weihte ihn ebenda derselbe Bischof von Berlin und Deutschland zum Priester. In der Folge war Vater Theodor als Priester der Hl. Alexander-Nevsky-Gemeinde in Mannheim tätig, die zunächst in einer Baracke im Flüchtlingslager untergebracht war, dann aber ein festes Gebäude erhielt, das Va-ter Theodor mit viel Liebe als Kirche herrichtete.
In diesen Jahren liebte er es, die Gottesdienste vollständig nach dem Typikon durchzuführen. Er selbst lebte sehr asketisch. Er fastete streng und unterzog sich anderen asketischen Übungen. Ständig arbeitete er an seiner theologischen Bildung, fast alle neuen Bücher kannte er, und jeder, der mit ihm ein ausführlicheres Gespräch führte, konnte sich davon überzeugen, daß er ein außerordentlich gründlich gebildeter und belesener Priester war. Immer wieder fanden neben den russischen Gläubigen auch Griechen, die dem alten Kalender anhängen, ihren Weg zu Vater Theodor und erkannten in ihm einen liebevollen Beichtvater, der sich um alle Belange des Lebens seiner Gläubigen kümmerte. In einer Gemeinde, die sich vorwiegend aus einfachen Menschen, Flüchtlingen aus Rußland und der Ukraine, zusammensetzte, verstand es Vater Theodor, einfach und verständlich für alle zu predigen und dennoch auch den intellektuell anspruchsvolleren Gemeindegliedern immer etwas neues zu vermitteln.
Häufig zelebrierte Vater Theodor in jenen Jah-ren auch in anderen Gemeinden. Lange Zeit betreute er einmal im Monat die Gemeinde der Hl. Eugenia in Saarbrücken. Auch zelebrierte er in Freiburg oder vertrat bei Krankheit oder anderweitig bedingter Abwesenheit Vater Leonid Ignatiew in Frankfurt. Überall war er beliebt, alle wußten die Inbrunst seines Gebets zu schätzen.
Das Jahr 1973 brachte eine tiefe Zäsur im Le-ben von Vater Theodor. Er erkrankte sehr schwer, wandte sich aber erst zu spät an einen Arzt. Trotz eines langen Krankenhaus-Aufenthaltes genas der damals erst 43-jährige von dieser Krankheit nie mehr. Lange Monate war er nicht imstande, die Gottesdienste durchzuführen. Später begann er wieder sporadisch zu zelebrieren. 1974 bat er Bischof Paul, nach Stuttgart ziehen zu dürfen. Dort stabilisierte sich sein Gesundheitszustand allmählich, von seiner Krankheit verblieb jedoch ein ständiges Zittern seiner Hände. Aus diesem Grund fürchtete er sich auch, alleine zu zelebrieren - er konnte in den folgenden Jahren nur dann zelebrieren, wenn ein Diakon assistierte. Zunächst half ihm der sehr betagte Diakon Konstantin Chramejew, der jede Woche eigens aus Regensburg anreiste. Später wurde auf Vater Theodors Wunsch der zur Stuttgarter Gemeinde gehörende Dr. Paul Sohnle zum Diakon geweiht. Auf diese Weise konnte Vater Theodor trotz seiner schweren Krankheit all die letzten Jahre ohne größere Unterbrechungen die Gottesdienste in Stuttgart durchführen. Noch in diesem Jahr feierte er alle Gottesdienste der Großen Woche und zu Ostern.
Der Diözesanbischof erhielt die Nachricht von Vater Theodors Ableben während seines Aufenthaltes in England. Daher wurde die Beerdigung auf Dienstag, den 16. Mai angesetzt. Um acht Uhr morgens feierte Bischof Mark in der Stuttgarter Nikolaus-Kirche, in der Vater Theodor Trofimow aufgebahrt war, die Göttliche Liturgie unter Assistenz von Erzpriester Miodrag Glisic, der Priester Vitalij Gavriliuk, Nikolai Artemoff, Josef Wowniuk, Slavomir Iwaniuk, Erzdiakon Agapit und Diakon Paul Sohnle. Auf die Liturgie folgte sofort der Totengottesdienst, bei dem außer den genannten Geistlichen Erzpriester Dimitrij Ignatiew mitzelebrierte, wohl der älteste und vertrauteste Freund des Verstorbenen. Die Beerdigung erfolgte um ein Uhr auf dem Friedhof in Bad Cannstadt.
Ewiges Gedenken dem verstorbenen treuen Diener Gottes!
Der Bote 1989 - 3
Die Theologie der Revolution*
"Die Vergangenheit besitzt eine schreckliche Macht
Und sie verzeiht keinen Verrat"
V. Chrustalev
In letzter Zeit wächst bei manchen Christen in Verbindung mit der sog. "perestrojka", "glasnost"" und den "Menschenrechten" der Gedanke an eine Normalisierung der Existenz der Kirche im Rahmen des atheistischen Staates. Einige Priester sandten eine Reihe von Briefen an die staatliche Verwaltung, an die Patriarchie und die Oberhäupter anderer Konfessionen. Die in diesen Briefen zum Ausdruck gebrachten Forderungen und Vorschläge beruhen im Wesentlichen auf dem Wunsch, die Bürgerrechte der Gläubigen mit den Rechten der übrigen Mitglieder der Gesellschaft gleichzustellen, die Ansichten des Staates und der Gläubigen dahingehend zu verändern, daß die letzteren nicht mehr als "Menschen zweiter Klasse" angesehen werden, und das Recht auf gesellschaftliche, pädagogische und karitative Tätigkeit der Kirche zu erhalten. Der Heiland hatte noch Lehren, welche seine Jünger, obschon sie schon in vielem unterrichtet waren, nach seinen eigenen Worten noch nicht tragen konnten - vielleicht aus Gründen, die ich schon genannt habe - und die er ihnen deshalb verbarg. Der Geist sollte uns das alles lehren, wenn er bei uns Wohnung genommen hätte. Eine von diesen Lehren war nach meiner Meinung auch die Gottheit des Heiligen Geistes selbst, die später deutlich werden sollte, wenn die Jünger für das Verständnis reifer und zugänglicher geworden wären, nämlich nach der Himmelfahrt des Heilands, dem ob eines solchen Wunders der Glaube nicht versagt werden konnte. Was konnte jener Größeres versprechen und der Geist Größeres lehren? Wenn es etwas gibt, was man als groß und der göttlichen Freigebigkeit würdig betrachten muß, so ist es sicher das, was Christus versprach und der Geist lehren sollte.
Das sind meine Überzeugungen. Möchten wir, meine Freunde und ich, sie immer behalten und Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist verehren, die drei durch ihre Eigentümlichkeiten, aber eine einzige Gottheit sind, ohne Teilung der Herrlichkeit, der Ehre, der Wesenheit, der Oberherrschaft, wie es neulich einer der Gottesträger erklärt hat. Wer sich nicht so einstellt und sich an die Zeitströmungen hält, bald diese, bald jene Haltung einnimmt und sich in den wichtigsten Angelegenheiten nur zu schwächlichen Entschlüssen aufraffen kann, der möge, wie die Schrift sagt, den aufsteigenden Morgenstern nicht sehen und nicht die Herrlichkeit der himmlischen Lichtfülle. Denn wenn der Geist nicht angebetet werden darf, wie kann er mich dann durch die Tau-fe vergöttlichen? Und wenn er angebetet werden muß, muß er dann nicht auch innerlich verehrt wer-den? Und wenn wir ihn verehren müssen, ist er dann nicht Gott? Eins hängt am anderen, wie an einer goldenen, heilbringenden Kette. Es ist der Geist, der uns die Wiedergeburt gibt. Diese Wiedergeburt bringt die Umgestaltung. Und diese Umgestaltung läßt uns die Würde des Umgestalters erkennen.
Das sind die Gründe, die man geltend machen könnte, wenn man annehmen wollte, daß von der Gottheit des Heiligen Geistes in der Schrift keine Rede ist. Aber hier steht dir eine Fülle von Schriftzeugnissen zu Gebote, die es dir beweisen, daß die Gottheit des Heiligen Geistes reich bezeugt ist, zumindest für die, welche nicht allzu beschränkt und dem Geist nicht zu fremd sind. Sieh einmal zu! Christus wird geboren, der Geist geht ihm voran. Er wird getauft, der Geist gibt Zeugnis. Er wird versucht, der Geist führt ihn nach Galiläa. Er vollbringt Wunder, der Geist begleitet ihn. Er fährt auf, der Geist folgt ihm nach. Gibt es überhaupt eine nur Gott zustehende Großtat, die der Geist nicht vollbringen kann?
Gibt es unter den Bezeichnungen, die man Gott gibt, außer dem Ungezeugt- und Gezeugtsein, eine, die ihm nicht zusteht? Denn die persönlichen Eigentümlichkeiten müssen dem Vater und dem Sohn verbleiben, damit keine Vermischung in der Gottheit entstehe und in allem Ordnung und Einklang herrsche. Ich erzittere in Ehrfurcht bei dem Gedanken an den Reichtum von Benennungen, denen zu widerstreiten die Gegner des Heiligen Geistes sich nicht entblöden. Denn die Schrift nennt ihn: Geist Gottes, Geist Christi, Nus Christi, Geist des Herrn, selbst Herr, Geist der Kindschaft, der Wahrheit, der Freiheit, Geist der Weisheit, der Einsicht, des Rates, der Kraft, der Erkenntnis, der Frömmigkeit, der Furcht Gottes. Er ist tatsächlich Urheber aller Dinge, erfüllt alles mit seiner Wesenheit, enthält alles, erfüllt die Welt durch seine Wesenheit, er kann durch die Welt in seiner Macht nicht begrenzt werden. Er ist gut, er ist gerecht, er lenkt alles durch Natur und nicht auf Grund einer Gnade, er heiligt, wird aber nicht geheiligt, er mißt, wird aber nicht bemessen, er teilt mit, nimmt aber nicht teil an den anderen, er erfüllt, wird aber nicht erfüllt, er enthält, aber er ist nicht enthalten, ihn empfängt man als Anteil, er ist verherrlicht, er wird mitgezählt, er wird angedroht. Er ist der Finger Gottes, er ist ein Feuer wie Gott, nach meiner Meinung, um zu zeigen, daß er gleichwesentlich ist, er ist der Schöpfergeist, der wiederaufbaut durch Taufe und Auferstehung, er ist der Geist, der alle Dinge kennt, der lehrt, der weht, wo er will und so-viel er will, der führt, der spricht, der sendet, der aussondert, der zürnt, der versucht wird, der offenbart, der erleuchtet, der das Leben schenkt oder vielmehr der selbst Licht und Leben ist, er macht zu Tempeln, er vergöttlicht, er vollendet, so sehr, daß er der Taufe voraufgeht und man seiner auch noch nach der Taufe bedarf, er macht alles, was Gott macht, er wird in Feuerzungen verteilt, er verteilt seine Gnadengaben, er macht zu Aposteln, zu Propheten, zu Evangelisten, zu Hirten und zu Lehrern, er ist denkend, vielfältig, klar, durchdringend, er kennt kein Hindernis, ist unbefleckt, oder mit anderen Worten: Er ist die höchste Weisheit, er offenbart seine Tätigkeiten unter vielen Gestalten, er erklärt alles, er offenbart alles, er ist selbstherrlich, er ist unveränderlich. Er ist auch allmächtig, wacht über alle Dinge, umfaßt alle Geister, die denkenden, reinen, feinen, ich meine alle Engels-mächte und die der Propheten und Apostel zumal, und zwar nicht an ihren verschiedensten, hier und dort verstreuten Orten, woraus sich ergibt, daß er von keinem Ort begrenzt ist.
Wenn man all das liest und lehrt und wenn man den Heiligen Geist dazu noch "den anderen Hel-fer", d.h. in etwa, den "anderen Gott" nennt, wenn man weiß, daß die Lästerung gegen den Heiligen Geist die einzige unvergebbare Sünde ist, wenn man bedenkt, wie furchtbar Ananias und Saphira gebrandmarkt wurden, weil sie den Heiligen Geist belogen hatten, d.h., weil sie Gott und nicht einen Menschen belogen hatten, glaubst du, daß man daraufhin den Heiligen Geist als Gott oder als etwas anderes verkünden soll? Wie ungemein schwerfällig mußt du sein und wie weit ab vom Geist, wenn du das alles bezweifelst und darüber belehrt wer-den mußt. Du siehst, wie zahlreich und treffend diese Namen sind. Weshalb muß man dir all diese Zeugnisse wörtlich anführen?
Ausdrücke, die man in der Schrift liest und die auf eine niedrigere Stellung hindeuten, wie (der Geist) wird gegeben, er wird gesandt, er wird geteilt, er ist eine Gnade, er ist eine Gabe, er ist ein Hauch, er ist eine Verheißung, er ist eine Fürbitte, und andere Ausdrücke derselben Art, die ich nicht alle aufzählen will, muß man auf die erste Ursache beziehen, damit man sieht, von wo der Geist ausgeht, damit man nicht nach der Art der Vielgötterei drei getrennte Ursprünge annehme. Denn man kommt auf dieselbe Gottlosigkeit hinaus, ob man jetzt nach der Art des Sabellius die Personen in eins sieht oder die Naturen nach der Art des Arius trennt.
Ich für mein Teil habe viel und mit liebendem Bemühen in meinem Geist hin und her überlegt und meinen ganzen Spürsinn aufgeboten auf der Suche nach einem Bild für eine so bedeutungsvolle Sache, aber es gelang mir nicht, ein geeignetes Bild für die göttliche Natur zu finden. Gewiß bin ich auf eine geringe Ähnlichkeit gestoßen, aber die ganze Fülle entglitt mir, und ich blieb mit meinem Vergleich in der Niederung stehen. Ich habe mir wie andere vor mir eine Quelle, einen Fluß und einen Strom vorgestellt, und ich habe eine Ähnlichkeit gesucht zwischen dem Vater und der Quel-le, dem Sohn und dem Fluß, dem Heiligen Geist und dem Strom. Diese Dinge sind nämlich nicht von der Zeit zerteilt, und ihr Zusammenhang ist nicht zerrissen. Dennoch scheinen sie sich durch ihre drei Eigentümlichkeiten einigermaßen zu unterscheiden. Aber ich habe zunächst befürchtet, daß dieser Vergleich ein Ausfließen der Gottheit ohne jede Beständigkeit annehmen ließe. Weiter habe ich befürchtet, daß durch diesen Vergleich ein der Zahl nach Einziges eingeführt würde (eine Person), das sich in je verschiedene Gestalten verwandelt.
Ich habe dann an die Sonne gedacht, den Sonnenstrahl und das Sonnenlicht. Aber auch hier besteht die Gefahr, zunächst einmal, daß man sich dabei irgendeine Zusammensetzung der einfachen göttlichen Natur ausdenkt, wie sie sich bei der Sonne und den Dingen in der Sonne findet. Sodann, daß man die ganze Wesenheit dem Vater zuspricht und den anderen keine Selbständigkeit zugesteht, sondern in ihnen nur Kräfte Gottes sieht, die nur in ihm und nicht für sich Bestand ha-ben. Denn Strahl und Licht sind nicht verschiedene Sonnen, sondern irgendwelche Ausflüsse aus der Sonne und wesenhafte Eigenschaften. Endlich würde man, wenn man die Personen so auffaßt, wie es der Vergleich nahelegt, dem ganzen Gott zugleich Sein und Nichtsein zuschreiben, und das wäre doch völlig abseitig.
Von irgendeinem habe ich auch die folgende Gedankenskizze gehört. Er stellt sich einen funkelnden Sonnenstrahl vor, der ringsum erzitternd von der Bewegung der Wasser, auf eine Wand gestrahlt wird. Der Strahl empfängt die Bewegung durch Vermittlung der dazwischenliegenden Luft und wird sodann festgehalten von der Widerstand leistenden Substanz (d.h. von der Wand), und es entsteht so ein überraschendes Erzittern des Strahls. Er erbebt in zahlreichen und gedrängten Bewegungen, so daß man nicht unterscheiden kann, ob es sich eher um einen Lichtstrahl als um mehrere oder eher um mehrere als um einen handelt. Durch die Schnelligkeit des Zusammenprallens und Auseinanderfallens entflieht nämlich der Strahl, bevor das Auge ihn fassen kann.
Es ist mir jedoch auch unmöglich, diesen Vergleich anzunehmen. Einmal sieht man nicht klar, was diesen Strahl in Bewegung setzt. Nun gibt es aber nichts, was Gott voraufgeht, so daß er davon in Bewegung gesetzt werden könnte. Denn er ist selbst Ursache von allem und hat keine ihm vorausliegende Ursache. Ein zweiter Fehler liegt darin, daß auch dieses Bild uns dieselben Gedanken an Zusammensetzung, Ausfließen, an eine unstete und unbeständige Natur nahelegt, und nichts von alledem ist bei der Gottheit denkbar. Kurz, ich finde nichts, was meine Überlegung zufriedenstellt, wenn ich in Bildern den Gedanken auszudrücken versuche, der mir vorschwebt, es müßte denn je-mand dem Bild nur eins entnehmen und verständig genug sein, das übrige zu verwerfen.
So schien es mir schließlich am besten zu sein, die Bilder und Schatten fahrenzulassen, weil sie trügerisch sind und von der Wahrheit weit abstehen. Ich halte es für das Zeichen eines frommen Sinns, wenn man bei wenigen Aussagen stehenbleibt, den Geist als Führer benutzt und bis zum Ende das Licht bewahrt, das ich von ihm empfangen habe. Er ist mein Genosse und Vertrauter, den ich ausgewählt habe auf meiner Reise durch die Zeitlichkeit, indem ich nach Kräften versuche, die anderen dazu zu bringen, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist anzubeten, die einzige Gottheit und Kraft; denn ihm ist alle Herrlichkeit, Ehre, Macht in alle Ewigkeit. Amen.
beruhen im Wesentlichen auf dem Wunsch, die Bürgerrechte der Gläubigen mit den Rechten der übrigen Mitglieder der Gesellschaft gleichzustellen, die Ansichten des Staates und der Gläubigen dahingehend zu verändern, daß die letzteren nicht mehr als "Menschen zweiter Klasse" angesehen werden, und das Recht auf gesellschaftliche, pädagogische und karitative Tätigkeit der Kirche zu erhalten.
Bei allen positiven Seiten dieses Programms fühlt man hierin den Wunsch, die Kirche nicht so sehr vom Standpunkt der Ihr eigenen und nur von Ihr begründeten Wahrheit zu betrachten, als vielmehr vom Standpunkt allgemein-menschlicher "Menschenrechte" im westlichen Verständnis die-ses Ausdrucks. Eine solche Position leidet jedoch an eine grundlegenden Fehler: sie stellt nicht die im gegenwärtigen Moment wichtigste Frage - was für einer Kirche hinsichtlich der Art ihrer Lehre sol-len diese Rechte und Privilegien zugutekommen? Soll das die Christliche Kirche mit Ihrer göttlichen Lehre sein oder soll es die traurig bekannte Häresie des Moskauer Patriarchats sein, die man als "Theologie der Revolution" bezeichnet, die versucht die Verwandtschaft zwischen Kommunismus und Christentum zu beweisen, und die in ihrer Schmähung des Heiligen Geistes so weit geht, zu behaupten, daß der gesamte Weg der christlichen Kirche von Ihrer Gründung durch Ihren Göttlichen Lehrer bis zur Oktoberrevolution negativ war, da doch die letztere erst die Grundlagen für das richtige Funktionieren der Kirche in der Welt gelegt habe.
Zweifellos werden bei einem solchen Ansatz all die Privilegien, die einige Christen anstreben und von denen sie schreiben, eher zum Schaden als zum Nutzen gereichen. Welchen Nutzen werden denn tatsächlich Sonntagsschulen bei den Kirchen zum Zweck von Religionsunterricht bringen, wenn die Kirche in ihnen die Propaganda der "Theologie der Revolution" verbreitet. Wird nicht auch jede Art karitativer Tätigkeit zur Agitation zugunsten dieser Irrlehre, wenn ihre Falschheit nicht genügend aufgezeigt und die Lehre selbst unschädlich gemacht wird.
Im Folgenden wird ein Auszug aus dem Vortrag des Protopresbyter Georgij (jetzt Bischof Gregor) Grabbe auf dem Dritten Allgemeinen Konzil der Auslandskirche 1975 unter dem Titel "Das Dogma der Kirche in der gegenwärtigen Welt" angeführt, in welchem eine ausführliche Charakteristik der "Revolutionstheologie" und der mit ihr zusammenhängenden Tätigkeit des Moskauer Patriarchats gegeben wird.
"Das Moskauer Patriarchat versucht derzeit, das äußere Erscheinungsbild der Orthodoxie zu bewahren, z.B. in der Beobachtung des liturgischen Typikons, doch hat es eine Anpassung nach Art der Erneuerer (eine Sekte, die nach der Revoluti-on von 1917 von der Sowjetregierung unterstützt wurde in der Hoffnung, dadurch die Kirche zu zerstören (Anm. d.Red.) an die sowjetischen Lebensprinzipien angenommen, dogmatisiert diese je-doch mitunter und geht auf dem Weg der List und Apostasie weiter als die Erneuerer. Wie der sowjetische Autor P.K. Kuroçkin schreibt: "Die Patriarchatskirche besiegte die Erneuerer und war gezwungen, das Erbe der Besiegten nicht nur auf dem Gebiet der politischen Neuorientierung aufzunehmen, sondern auch in der Sphäre der ideologischen Umgestaltung" (Die Evolution der gegenwärtigen russischen Orthodoxie, russ. Moskau, 1971, S. 82). Kuroçkin schreibt richtig von den Vertretern der Patriarchie: "Auf den Seiten der kirchlichen Presse, in mündlichen Ausführungen vor Ungläubigen verkünden sie immer häufiger die Ähnlichkeit, ja Verwandtschaft der kommunistischen und christlichen sozialen und moralischen Ideale". Er zitiert einen Aufsatz Ivanovs in der Zeitschrift des Moskauer Patriarchats: "In der Liquidierung der kapitalistischen Beziehungen unter den Menschen, in der Abschaffung der Ausnutzung des Menschen durch den Menschen, sieht die Kirche die Annäherung des Menschen an die gleichen Ideale, die vom Evangelium verkündet werden" (ibid. S. 81).
Gleichzeitig mit der Bewahrung der äußeren Formen kirchlichen Lebens durch die Hierarchie des Moskauer Patriarchats muß das Gedankengut der Erneuerer in Menschen fortleben, die unter ihrem Einfluß aufgewachsen sind....
Doch schlimmer als alles andere ist die Anwendung des Marxismus auf die Theologie des Moskauer Patriarchats. Durch die Schaffung einer neu-en theologischen Disziplin - der 'Friedenstheologie'- versucht das Patriarchat, eine Lehre zu erstellen, die seinen Dienst an der Weltrevolution rechtfertigt. Patriarch Pimen sagte in Genf, daß nur eine der sowjetischen Gesellschaft feindliche Propaganda im Westen nicht erlaubt, die zweifellosen Errungenschaften der sozialistischen Lebensweise zu sehen, die in vielem angeblich "mit den Idealen des Christentums übereinstimmt" (ZMP, 1973/ 11, S. 61). Die sog. 'Friedenstheologie' ist im Kern eine chiliastische Predigt des Reiches Gottes auf Erden mit Hilfe der Einpflanzung des kommunistischen Sozialismus. In dem Schreiben des Pries-ters Nikolaj Gajnov und dreier Laien an das Mos-kauer Konzil vor der Wahl des Patriarchen 1971 wurden in Verbindung mit Verlautbarungen von Metropolit Nikodim und seinen Mitarbeitern mit Recht Fragen aufgeworfen. Die Autoren des Briefes zitieren die Worte über die Vereinigung der Menschen 'im Dienst der Versöhnung' mit dem Ziel, dadurch 'das Himmelreich zu erlangen, das sich mit Macht nähert'. Die Zeitschrift des Moskauer Patriarchats schrieb: "für die christliche Religion kann es keine indifferenten oder neutralen Gebiete der Wirklichkeit geben. Die in der Welt erfolgenden Veränderungen sieht das Christentum als Wirksamkeit der göttlichen Vorsehung an, als Offenbarung der Kraft Gottes mit dem Ziel der Errichtung des Reiches Gottes auf Erden" (62/12,S.12).
Der Frieden, den das Moskauer Patriarchat anstrebt, ist nicht geistlicher Frieden, sondern politischer und dabei ein falscher, denn die sog. 'Friedenstheologie' ist mit der Lügenpropaganda der Sowjets verbunden. Das Moskauer Patriarchat versucht, die kommunistische Propaganda zu unterstützen und verfällt dabei in die Predigt eines gewissen Chiliasmus, d.h. die Erreichung des Goldenen Zeitalters und allgemeinen Friedens durch menschliche Mittel politischer Art. Wenn der Herr sagte: "Sucht zuerst das Himmelreich, und das übrige wird euch gegeben", so das das Moskauer Patriarchat die Frage in umgekehrter Ordnung: das Himmelreich muß durch das äußere Mittel der kommunistischen Sozialordnung erreicht werden.
Deshalb rief 1963 Metropolit Nikodim in seinem Vortrag "der Frieden und die Freiheit" auf der örtlichen Konferenz der Friedensbewegung in Holland zur Annäherung der Kirche an diese Welt auf. "Von früher Zeit an, sagte er, begannen die Apologeten der Unveränderlichkeit der sozialen Verhältnisse die Gedanken der Christen zur völligen Entfremdung von der Welt zu bewegen mit dem Ziel, sie von den brennenden sozialen Problemen abzulenken, von dem Kampf für die Umgestaltung der Gesellschaft auf der Grundlage der Gerechtigkeit. Unter anhaltendem Einfluß einer solchen pseudo-christlichen Predigt wuchsen ganze Generationen engstirniger Fanatiker mit einer verzerrten Vorstellung vom Christentum heran" (JMP, 1963, Nr. 1, S. 40).
Von wem sagt sich Metropolit Nikodim in diesen Worten los? Er sagt sich von der patristischen und asketischen Vergangenheit los, er versucht, die Kirche von ihrer Hinwendung zum Himmel auf den Weg irdischer sozialer Aufgaben umzulenken. Sein Reich Gottes auf Erden ist das kommunistische System.
Ihn unterstützt Prof. Erzpriester V. M. Borovoj, der sich noch deutlicher ausdrückte: "die systematische Theologie und die historischen Kirchen wa-ren aus dem einfachen Grund niemals auf Seiten der Revolution, weil sie Gefangene eines kosmocentrischen Verständnisses der Realität waren, Gefangene eines statischen Verständnisses der ein für alle mal festgelegten Ordnung auf der Erde. Erst in den letzten Jahrzehnten, während deren im philosophischen, wissenschaftlichen und theologischen Denken tiefgreifende Veränderungen vorgingen, eine Art Revolution in Folge der anthropozentrischen Betrachtung des Kosmos, einer evolutionärer Konzeption des Universums und ei-nes neuen Überdenkens der gesamten Menschheitsgeschichte, - erst danach tauchte die Möglichkeit der Ausarbeitung einer Theologie der Entwick-lung der Revolution auf" (JMP 1966, Nr. 9, S. 78).
Ein anderer Autor, Erzpriester P. Sokolovskij, schrieb in der gleichen Zeitschrift, daß die Kirchen "zu lange passiv beobachteten und nicht an der Schaffung und Kräftigung einer radikalen neuen Gesellschaft teilhatten, deren Prototyp die Geschichte nicht kennt. Den Kirchen war eine einfache Sicht der Vergangenheit eigen, die mit einer bestimmten Tradition verbunden war, gleichsam in Übereinstimmung und identisch mit dem Willen Gottes. Etwas radikal neues sahen die Kirche als etwas rein menschliches an, auf dem angeblich das Wohlwollen Gottes nicht ruht und das deswegen in der Geschichte keinen Bestand haben soll" (JMP, 1976, Nr. 9, S. 36).
Auf diese Weise stellt die "Theologie der Revolution" eine religiöse Aneignung der Revolution dar, doch darüber hinaus eine Theologie des Opportunismus, die ihrem Wesen nach auf der Apostasie aufbaut. Man kann dies auch mit der Darbringung von Opfern an Götzen vergleichen mit dem Versuch, dies mit dem Christentum zu verbinden. Wie ist dies mit dem Glauben an die Kirche als dem Leib Christi zu vereinbaren?
In dieser Richtung auf die Apostasie verliert das Moskauer Patriarchat bereits das Christentum, das sie mit einer Religion dieser Welt verwechselt. Entgegen dem Wort des Heilands (Mt. 6, 24) versucht sie im Kompromiss zwei Herren zu dienen. Und in Übereinstimmung mit der Warnung des Herrn ist sie so weit gegangen, daß sie dem Christentum nicht dient, dem atheistischen Kommunismus aber eifrig untertan ist.
Um bewerten zu können, was das Moskauer Patriarchat (und nicht nur dieses) schließlich durch die Evolution auf dem Weg der "Theologie der Revolution" und der "Theologie des Friedens" erreicht hat, ist ein Detail interessant. Bei dem Treffen an "runden Tischen" internationaler Konferenzen mit religiösen Vetretern anderer christlicher Konfessionen und anderer Religionen achten we-der die Vertreter des Moskauer Patriarchats noch die anderen Teilnehmer auf etwas, was zumindest für die christliche Kirche nicht gleichgültig sein kann, nämlich den ständig wachsenden, keine Grenzen kennenden moralischen Verfall. Gerade damit sollte man sich befassen darauf das Augenmerk der christlichen Kirchen lenken, doch sie zie-hen es vor, mit der Gelehrsamkeit von Abgängern der Militärakademien über die Menge, Arten und Standorte von Atomraketen u.ä. zu diskutieren. Woraus entspringt ein solches Phänomen? Es entsteht daraus, daß sich, wie der Protopresbyter Georgij Grabbe richtig bemerkt, diese Menschen bereits in der "Friedenstheologie" von dem Christentum lossagten und das Problem des "Friedens" nicht aus christlicher, sondern eher aus antichristlicher Sicht betrachten, welche der selige Augustinus seiner Zeit folgendermaßen charakterisierte: "Sie machen sich keine Sorgen darum, daß ihre Republik im höchsten Maße verdorben und verroht ist. Wenn sie nur, sagen sie, bestehen bleibt, blüht, voll von Reichtum und durch Siege berühmt oder, was noch besser ist, der Frieden gesichert ist. Was brauchen wir noch? Alles, was wir am meis-ten brauchen, besteht darin, daß jeder seinen Reichtum ständig vergrößert, damit dieser für die gewöhnlichen Ausgaben reicht... Mag das Volk nicht denen applaudieren, die gute Ratschläge ge-ben, sondern denen, die ihm Vergnügungen bringen. Mögen schwere Dinge nicht befohlen wer-den, unreines nicht verboten... Mögen die Provinzen den Königen nicht als Herrscher der Sitten dienen, sondern als Herren und Verwalter der eigenen Erfolge, - sie verehren sie nicht vom Her-zen, sondern fürchten sich unnütz und sklavisch. Möge das Gesetz allen verbieten, einem fremden Weinberg Schaden zuzufügen, anstatt dem eigenen Leben. Niemand soll vor Gericht gezogen wer-den, es sei denn er fügt einem fremden Gegenstand, einem fremden Haus, der Gesundheit Schaden zu oder belästigt jemanden oder schadet ihm gegen seinen Wunsch. Aber untereinander oder miteinander oder mit allen, die dazu einverstanden sind, soll jeder tun, was ihm beliebt. Mögen die öffentlichen Prostituierten vermehrt werden sowohl für die, die sie benutzen wollen, wie auch besonders für die, die nicht ihre eigenen haben können. Sollen geräumige und reich ausgestattete Häuser gebaut, und häufig reiche Gastmale gegeben wer-den. Mögen bei Tag und Nacht wo und wem es gefällt, Spiele, Saufgelage bis zum Übermaß stattfinden. Mögen überall Tanzveranstaltungen stattfinden, die Theater von wilden Freudengeschrei erfüllt werden, von allen möglichen Ausdrücken tierischen Vergnügens. Möge der jenige als Feind der Gesellschaft gesehen werden können, dem solcherlei Wohlstand nicht gefällt. Möge jeder, der diese Ordnung verändern will, vertrieben und ausgemerzt werden. Mögen jene Götter für wahr gehalten werden, dank derer ein solches Wohlergehen vom Volk erlangt wurde und das Erlangte aufrecht erhalten werden... Dieses glückliche Leben soll nicht von Angst verfinstert werden weder vonseiten des Feindes, noch vonseiten einer Epidemie oder eines anderen Übels" (Civitas Dei, Buch 2, Kap. 20).Offensichtlich hat der selige Augustinus keinen einzigen der wichtigsten Punkte unter den sogenannten "Menschenrechten" oder wie man jetzt im Westen sagt "der Freiheit der Selbstverwirklichung" ausgelassen.
Was die "Friedenstheologie" und "Friedologie" des Moskauer Patriarchats betrifft die von den Vertretern einer Reihe anderer Konfessionen und Religionen unterstützt wird, so kennzeichnete ihr We-sen ein anderer Kirchenlehrer, nämlich der Heilige Simeon der neue Theologe: "Auf welche Weise wird jemand zum Friedensstifter, der sich selbst von Gott entfremdet und nicht auf die Worte hört: 'im Namen Christi bitten wir, als ob Gott Selbst durch uns verkündet: versöhnt euch mit Gott'? Wie wird jemand zum Friedensstifter, der sich Gott widersetzt und durch die Verletzung der Gebote mit ihm kämpft; ein solcher ist, selbst wenn er zwischen allen Frieden stiftet ein Feind Gottes, da er selbst diejenigen, die er miteinander versöhnt, nicht so versöhnt, wie es Gott gefällig ist. Denn (da er selbst der erste Feind seiner selbst und Gottes ist), werden diejenigen Seine Feinde, die sich durch solche Menschen versöhnen". (zit. nach Erzbischof Vasilij Krivoschein, der Heilige Simeon der neue Theologe, S. 144 f.)
Hieraus ist ersichtlich, daß zur Erlangung wah-ren Friedens vor allem die Liebe zu Gott unumgänglich ist und das Streben nach dem Reiche Gottes, das nicht von dieser Welt ist, nicht aber die Vereinigung mit den Feinden Gottes im Versuch, einen Frieden herzustellen, wie er vom seligen Augustin dargestellt wird. In der Theologie des Mos-kauer Patriarchats (und nicht nur hier allein) macht das Fehlen der Wahrheit, d.h. der Liebe zu Gott, auch die wahre Liebe zum Nächsten unmöglich; diese wird durch einen vergänglichen Humanismus ersetzt.
Hieraus folgt ebenso, daß die Herstellung des wahren Guten ohne den Sieg der Wahrheit unmöglich ist. Für Rußland liegt der Sieg der Wahrheit in der Buße über die Sünde der Abkehr des Volkes vom Glauben im Tausch gegen den Trug der Revolutionäre, die das Paradies auf Erden versprachen. Zieht man das in Betracht, so erscheint die "Theologie der Revolution" und "Friedenstheologie" besonders gefährlich, wie auch die Gefahr, sich auf eine Ebene mit den Kommunisten zu stellen, indem man von ihnen gleiche Rechte für Gläubige und Ungläubige fordert, ohne ihr unterschied-liches Verhältnis zu der vom russischen Volk begangenenen Zerstörung des christlichen Staates zu erwähnen. "Die Vergangenheit besitzt eine schreckliche Macht, und sie verzeiht keinen Verrat" (B. Chrustalev). Besondere Bedeutung gewinnt auf diese Weise das Gedenken der Hll. Neomärtyrer Rußlands wie auch der gegenwärtigen Märtyrer, die für den Glauben leiden.
Ohne dieses Gedenken werden unsere Ansprüche auf eine neue Gesetzgebung, die den Gläubigen und Ungläubigen gleiche Rechte einräumt, sinnlos und trügerisch. Solange Menschen eben dafür leiden, daß sie an die Verbrechen erinnern, die durch die Revolution an der Kirche begangen wurden, bleibt jegliche "Verbesserung" der Gesetzgebung nur ein schweigendes Einverständnis zur gemeinsamen Plattform von Christentum und Kommunisten, d. h. zur "Theologie der Revolution". K. S.
Bote 1989-3
Kirche und Staat
Seit der Verherrlichung der Neomärtyrer Rußlands durch die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland sind zum tausendjährigen Jubiläum der Taufe Rußlands 7 Jahre vergangen. In dieser Zeit wurde die Bedeutung der Verherrlichung der Neomärtyrer für Rußland immer klarer. Die Verherrlichung war seitens gewisser Kreise im Westen umstritten. Aus Rußland kamen dagegen nur unterstützende Stimmen (nimmt man einmal den zur Ge-nüge bekannten Metropoliten Pitirim aus, der im Ausland den Versuch machte, die Verherrlichung zu diskreditieren), so daß die Kritiker sich ins Schweigen zurückzogen. Mittlerweile ist die Frage der Neomärtyrer so aktuell geworden, daß Metropolit Juvenalij auf dem Landeskonzil des Moskauer Patriarchats sich genötigt sah, auf diese Frage Be-zug zu nehmen. Er wehrte sie mit der Behauptung ab, man wolle keine "politischen Leidenschaften entfachen" - politisierte und entkirchlichte also die brennende Frage nach den Neomärtyrern. Ende des Jahres erwähnte A. Neznyj in einem Interview mit dem Vorsitzenden des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Charçev, folgende Neomärtyrer: Metropolit Vladimir von Kiev, Metr. Andronik von Perm', Erzbischof Germogen von Tobol'sk, Metr. Venjamin von Petrograd. Charçev versuchte zunächst die Sowjets zu rechtfertigen: die Kirche sei auf Konfrontationskurs gewesen. Aber auch Charcev ist gezwungen, sich wenigstens den Anschein zu geben, als mache er ein Eingeständnis. "Zugleich möchte ich anmerken: wir geben der Gesellschaft die Namen der repressierten1 Aktivisten von Partei und Staat zurück, der Wissenschaftler, Schriftsteller, Militärs... Wir sind erfüllt von dem Wunsch, das Gedenken der unschuldigen Menschen zu verewigen, die Opfer des Krieges gegen das eigene Volk wurden. Unter ihnen müssen auch kirchliche Würdenträger sein" (Ogonjok 50/1988).
Partei und Staat werden an erster Stelle und in einem Atemzug genannt und gleichzeitig überläßt es Charcev dem Leser, sich nach eigenem Geschmack die Frage zu beantworten, wer denn den "Krieg gegen das eigene Volk" geführt habe. Und wer ist dieses "wir", das so großzügig Namen "zurückgibt" und nur davon zu träumen scheint, die "unschuldigen Opfer" zu verewigen? So wird mit den Neomärtyrern seitens des Regimes ein abgekartetes Spiel im größeren Zusammenhang des sogenannten "neuen Denkens" geführt, um die sich im Volk regenden Prozesse zu vereinnahmen und zu unterlaufen.
In diesem Zusammenhang ist das Gespräch ei-nes Korrespondenten für "Argumenty i fakty" (Nr. 10/1989, März) mit dem Geschäftsführer des Moskauer Patriarchats, Metropolit Vladimir von Rostow und Nowotscherkassk interessant. Das Interview steht im Zusammenhang mit der Entscheidung des Synod des Moskauer Patriarchats vom 27-28 Dezember 1988, eine Kommission zum Studium der Materialien hinsichtlich einer Rehabilitierung von Geistlichen und Laien der Russischen Kirche zu bilden. Metr. Vladimir ist mit der Aufstellung der Kommission beauftragt.
Das Interview erschien unter der Rubrik "Rehabilitation und Kirche". Es trägt den zynischen Titel: "Einem jeden nach seinen Werken".
Die spielerisch-lockere Sprachweise des Fragenden einerseits und die willfährig-ausweichen-den Antworten des Hierarchen andererseits vermitteln einen beklemmenden Eindruck.
"In der Nacht vom 4. auf den 5. September 1943 schlug Stalin bei dem Treffen mit den Metropoliten Sergij, Aleksij und Nikolaj vor, ihm eine Lis-te der repressierten Geistlichen zu einer späteren möglichen Rehabilitierung vorzulegen. Was waren die Folgen dieser Abmachung?" - lautet die erste Frage.
"Obwohl das Moskauer Patriarchat, wie Sie verstehen, an einer Lösung dieser Frage außerordentlich interessiert war, konnten wir eine solche Liste aus dem einfachen Grund nicht vorlegen, daß wir keine speziellen Angaben über die repressierten Kleriker unserer Kirche hatten. Über das Schicksal vieler Bischöfe und Laien wissen wir auch heute fast gar nichts. Diese Daten gibt es wahrscheinlich in den staatlichen Archiven bei den entsprechenden Instanzen. Wir verfügen hauptsächlich lediglich über die Fakten, die in den Briefen ihrer Verwandten dargelegt werden."
Man fragt sich zunächst, warum die Angaben der Verwandten für eine Suchliste nicht genügt hätten.
Der Metropolit verweist sodann auf die staatlichen Archive der "entsprechenden Instanzen". Diese hätte man damals wie heute bemühen kön-nen. Die Worte des Metropoliten überzeugen nicht.
Der Metropolit übergeht allerdings die wohl nicht unwesentliche Überlegung: was wird sein, wenn Stalin der eine oder andere auf der Liste nicht paßt, und er uns dann die Frage stellt, warum wir uns für "Feinde des Volkes" und "Konterrevolutionäre" einsetzen? Schweigen ist Gold. Stalin wird mit dieser Attitüde gerechnet haben, als er den Vorschlag machte. Jetzt tut das Sowjetregime ganz unschuldig, der Vertreter des Moskauer Patriarchats aber sagt weder die eine noch die andere Wahrheit, sondern spielt - obwohl er nicht mehr in Gefahr ist - das Spiel des Regimes wieder brav mit und gerät sofort aus dem Regen in die Traufe, denn so sind eben die heutigen Spielregeln - Glasnost! Ganz in diesem Sinne greift der Journalist in die Glasnost-Wundertüte:
"Nach gewissen Angaben wurden von 1918 bei 1938 etwa 250 Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe der Russischen Orthodoxen Kirche repressiert. Zum Jahre 1939 verblieben insgesamt nur 4 amtierende Bischöfe in Freiheit: 3 Metropoliten und 1 Erzbischof (außerdem befand sich eine gewisse Anzahl Bischöfe im Ruhestand oder gal-ten als Kirchenvorsteher). Können Sie heute wenigstens annähernd die Gesamtzahl der repressierten Kleriker und Laien der Russischen Orthodoxen Kirche nennen?"
Die Antwort ist sehr kurz: "Vorläufig nicht".
Diese Antwort entspricht nicht der Frage, die "Glasnost-Offenheit" suggeriert, weil die in der Fra-ge genannten Zahlen bisher in der Sowjetpresse noch nie erschienen. Auf diese Fangfrage gäbe es nur eine richtige und nicht minder offene Antwort: Gott allein weiß es, weil die riesige Zahl kraft der auch Ihnen bekannten Arbeitsweise des Regimes nicht feststellbar sein kann. Selbst wenn man sich nur auf die Stalinzeit einschränken wollte und nur auf die nunmehr enttabuisierte Zwangskollektivierung bezieht, infolge deren nach Schätzungen 7-11 Millionen Menschen aus dem orthodoxen Bau-erntum starben ("Entkulakisierung"), steht man vor Größenordnungen, die nicht näher bestimmbar sind. Gemäß dem Fünfjahresplan, der auch die Ausrottung des Glaubens an Gott zum Ziel hatte, wurde die Kirche intensiv verfolgt. Wer kann schon sagen, unter welchen Vorwänden unsere Gläubigen hingemordet wurden?
Von alledem sagt der Metropolit jedoch nichts. Er erweckt einerseits den Eindruck, als wären die-se Zahlen feststellbar, und andererseits - als könne die Kirche auch nicht annähernd irgendetwas sagen. So bucht der Journalist weitere Punkte für das Regime und gegen die Kirche. Aber es kommt noch härter - mit noch mehr "Glasnost". Der Journalist geniert sich nämlich nicht, die Jahre 1918-1924 d.h. die Zeit unter Lenin direkt anzusprechen (ohne Namensnennung Lenins):
"Sind Sie der Auffassung, daß unter den ca. 70 Bischöfen der Kirche, die in den Jahren 1918-1924 verhaftet, verurteilt oder erschossen wur-den, ausschließlich 'unschuldige Opfer der Bolschewiken' waren?"
Die Antwort des Kirchenmannes: "Dies ist noch ein Problem und zwar ein ziemlich kompliziertes. Wir verfügen ja bislang nicht über Materialien, auf deren Grundlage man den Schluß ziehen könnte, ob der eine oder andere Repressierte unschuldig litt, oder aber ob er wegen politischen Motiven zur Verantwortung gezogen wurde".
Mit anderen Worten: wer von den Kommunis-ten "aus politischen Gründen zur Verantwortung zogen" wurde, ist also a priori "schuldig". Die Methode der Kommunisten aber, sämtliche ungenehmen Personen mit irrwitzigsten Beschuldigungen zu überhäufen, war auch damals schon sattsam bekannt.
Für die nun folgende Frage, bittet der Journalist sogar um Entschuldigung. In der Tat, man mag da-rin eine "kitzelige" Frage sehen, aber der Metropolit zeigte schließlich soeben seine Bereitschaft, je-den, dem die Machthaber das Schlagwort "politisch" anhängen, fallenzulassen. Und so schließt sich die Frage nach Verrat und Denunziantentum in der Kirche durchaus logisch an:
"Das Jahr 1937 war wohl das 'ertragsreichste': mindestens 50 Vertreter der höchsten Geistlichkeit der Russischen Orthodoxen Kirche wurden repressiert. Verzeihen Sie die vielleicht kitzelige Fra-ge: aufgrund welcher Denunziationen wurden die Geistlichen verhaftet? Gab es nicht Provokateure im kirchlichen Bereich?"
"Es fällt mir schwer, Ihnen dies eindeutig zu beantworten, da ich 1935 geboren wurde und nicht Augenzeuge war. Ich kann mich nur aufgrund der Erzählungen anderer äußern. In der Kirche dienten Menschen. Da jedoch diese gesellschaftliche Plage alle berührte - die Parteilichen wie die Parteilosen, konnte sie auch die kirchliche Sphäre nicht auslassen."
Die Aussage entbehrt nicht einer tragischen Wahrheit. Aber der Metropolit weist den Journalisten weder auf das von ihm selbst soeben gezeigte Übergewicht der vernichteten Hierarchen (250) gegenüber den zum Jahre 1939 im Amt verbliebenen (4) hin, noch auf die heute offen diskutierte Selektion der Unehrlichkeit durch das Regime. Kann er es? Dies würde ja an die Wurzeln der heutigen Führung des Moskauer Patriarchats rühren, an die berüchtigte "Loyalitätserklärung" von 1927, an die Position des Metropoliten selbst. Zugleich sehen wir hier ein kleines aber sprechendes Beispiel für das reale Funktionieren der "Loyalitätserklärung" von damals bis heute.
Früher war man noch gewohnt, zwischen den Zeilen nach einem hintergründigen Sinn zu su-chen, den der Kirchenmann in Bedrängnis herüberfunkt. Bei den heutigen Erfahrungen darf man sich sicher sein, daß der Metropolit selbst gar nicht merkt, was er hier über den Zustand und die Wege des Moskauer Patriarchats real aussagt, (soeben war doch die Zahl 250 mit den 4 verbliebenen - Metropolit Sergij an der Spitze - kontrastiert worden!). Der Satz entspricht vielmehr einfach dem Standard des Wohlwollen verbreitenden "perestrojka"-Voka-bulars und wird vom Sprecher nicht in der logischen Struktur des Interviews, sondern auf der fiktionalen Ebene der Sowjetsprache erlebt.
Der Journalist dagegen scheint das entlarvende Spiel bewußt zu führen; nach dem Verrat des Metropoliten an den Märtyrern, sofern ihnen nur das Etikett "politisch" aufgeklebt wird, und nach dieser Beantwortung der Frage über die Verräter in den kirchlichen Kreisen, schließt der Journalist mit einer Konjunktion die Frage an, die alle vorhergehenden Fragen voraussetzt und umfaßt - die Frage nach der heutigen Situation:
"Und wie wird es um die kirchlichen Mitarbeiter stehen, die in den Jahren der Stagnation verurteilt wurden? Werden sie rehabilitiert werden?"
"Diese Personen unterlagen seinerzeit der Amtsentsetzung seitens der Kirche. Jetzt ist die Suspension aufgehoben. Zum Beispiel verhält sich das so mit Priester G. Jakunin, er zelebriert in einer Gemeinde. Dies ist das, was wir eine kirchliche Rehabilitation nennen. Was jedoch die politische Seite dieser Frage betrifft, so liegt sie außerhalb unserer Kompetenz, das ist die Sache der Rechtsorgane".
Die Aufhebung der aus politischen Gründen verhängten Zelebrationsverbote wird nicht so allumfassend vorgenommen worden sein, wie die Antwort suggeriert, weil die wenigsten Geistlichen, so wie Vater Gleb im Zeichen der "perestrojka" freigelassen wurden. Er ist deshalb auch das einzige Beispiel, das hier - publikumswirksam - zitiert wird. Hier verbergen sich noch das wesentlich schwierigere Problem der nicht verurteilten und doch aus politischen Gründen suspendierten Geistlichen, die von der Frage nicht berührt werden. Diese Antwort jedoch zeigt auch, daß das Moskauer Patriarchat seine Geistlichen in Zusammenarbeit mit dem atheistischen Parteistaat zusätzlich verfolgte, in-dem es Zelebrationsverbote aussprach, welche schwer auf der Seele der Betroffenen lasteten, sofern der Einzelne nicht die völlige Ungesetzlichkeit des Vorgehens dieser Hierarchie erkannte. Können wir uns auch nur in einen Teil der Probleme eines solchen Menschen einleben?
Das Interview zeigt einen Bruchteil dessen, was den Menschen entgegentritt, die genötigt sind, sich mit dem realen Phänomen des Moskauer Patriarchats auseinanderzusetzen. Tatsache ist, daß Metropolit Sergij nach seiner "Loyalitätserklärung" von 1927 an mit Zelebrationsverboten zuwege ging, um seinem Standpunkt in der Kirche zum Sieg zu verhelfen, und damit oft der zupackenden Hand des totalitären Staates vorauseilte.
Natürlich zeigen die Aussagen im Munde des Geschäftsführers des Moskauer Patriarchats, wel-che Grenzen das Regime seiner "perestrojka" set-zen möchte. Das Interview macht deutlich, daß die vom Moskauer Patriarchat über Jahrzehnte als die einzig "weise" und richtige angepriesene Verhaltensweise nicht nur moralisch falsch, sondern auch uneffektiv ist. Weder die frühere noch die jetzige Gefügigkeit wird belohnt. Im Gegenteil, sie wird schamlos zum Schaden der Kirche ausgenutzt. Bedrückend ist in dem Interview der Kontrast zwischen der scheinbar "freien Rede" des Journalisten und der prosowjetisch-loyalen (sprich: fiktionalen) Haltung des Kirchenmannes dort, wo es heute dem Ansehen der Kirche schadet, weil Aufrichtigkeit gefordert und möglich ist. Diese Art des Redens beraubt die Kirche des Kredits im Volk, den sie zur Zeit hat.
Uns aber zeigt sie die Psyche eines der höchstrangigen Hierarchen der offiziellen Kirche.
Nach der Rehabilitierung des Metropoliten Seraphim (Çiçagov) publizierte die "Zeitschrift des Moskauer Patriarchats" eine Lebensbeschreibung, die - in dieser Offenheit erstmalig - über Verhaftungen und schließlich die Erschießung des Metropoliten spricht. Der Artikel weist in die gleiche Richtung wie die beiden obengenannten Interviews.
Wenn in Moskau eine Verherrlichung der Neomärtyrer ansteht, dann stellt sich sofort die Frage: wer wird verherrlicht? Eine Auswahl derer, die vom Parteistaat "rehabilitiert" wurden?
Metropolit Seraphim wurde rehabilitiert, wäre al-so eine "passende" Kandidatur. Der Artikel im ZMP bringt sogleich noch eine Zusatzfrage ins Spiel. Es wird nämlich ausdrücklich erwähnt, daß der Metropolit die Loyalitätserklärung von 1927 unterstützte. Man muß wissen, daß drei hervorragende Hierarchen - die Metropoliten Kyrill (Smirnov), Agafangel (Preobrazenskij) und Iosif (Petrovych), deren erste beiden noch von Patriarch Tichon als Patriarchatsverweser benannt wurden - sich gegen die Loyalitätserklärung wandten und mit dem Autor der Erklärung, Metr. Sergij, der in Überschreitung seiner Befugnisse die Krirchenleitung usurpierte, die Kommunionsgemeinschaft abbrachen. Metr. Ser-gij benutzte die Tatsache, daß Metr. Iosif von Petrograd in Rostov festgehalten wurde, setzte ihn ab und ersetzte ihn durch einen ihm genehmen Hierarchen, dieser war Metropolit Seraphim (Çiça-gov)...
Werden, so stellt sich die Frage, unter den Geistlichen, die das Moskauer Patriarchat zu verherrlichen beabsichtigt, solche sein, die die politische Linie der Loyalitätserklärung unterstützten? Dies würde größte Spannungen in der Russischen Kirche hervorrufen, weil um der Wahrheit willen zuguterletzt die eindeutige Verurteilung der Loyali-tätserklärung zum antichristlichen Regime stehen muß. Würde jedoch das Moskauer Patriarchat jetzt Personen, die die Loyalitätserklärung mittrugen, zu Heiligen erklären, dann wäre die Tür zur Katakombenkirche und der Russischen Kirche im Ausland, die im heutigen Rußland zunehmende Bedeutung erlangen, endgültig zugeschlagen.
Deshalb ist anzunehmen, daß die Spitze des Moskauer Patriarchats klug genug sein wird, sich die mit einem solchen Schritt verbundenen Schwierigkeiten zu ersparen. Eine interessante Äußerung soll Metropolit Pitirim zum gleichen The-ma der Rehabilitation im sowjetischen Fernsehen gemacht haben: diese Menschen bedürfen unserer Rehabilitierung nicht. Ein zweifellos richtiger Gedanke! Die Kirche kann daher Geistliche und Gläubige als Neomärtyrer verherrlichen, die der Sowjetstaat nicht rehabilitiert. Unter den heutigen Bedingungen könnte sich das Moskauer Patriarchat einen solchen Schritt durchaus leisten. Die Frage ist, ob es das tun wird? Wie so vieles Zweideutige, was dem Munde der Moskauer Kirchenführung entstammt, kann der Satz auch dahingehend verstanden werden, daß diese Menschen bei Gott sind auch wenn sie nicht als Neomärtyrer verherrlicht werden, weil sie nicht rehabilitiert sind. In der Tat, die Neomärtyrer brauchen unsere Verherrlichung nicht (und die sowjetische Rehabilitierung schon gar nicht). Aber wir bedürfen der Verherrlichung der neuen Heiligen, um uns nicht von der Gemeinschaft der Heiligen zu trennen. In Rußland wird dies immer deutlicher gesehen.
Unter diesem Druck des kirchlichen Bewußtseins ist anzunehmen, daß das Moskauer Patriarchat nach dem russischen Sprichwort verfahren wird, damit "die Wölfe satt werden und die Schafe ganz bleiben" - in diesem Fall die kommunistischen Wölfe und die kirchlichen Schafe. Also müssen wir in Bälde mit der Verherrlichung zweier Symbolfiguren rechnen: Patriarch Tichon und Metropolit Vladimir von Kiev. Hierbei kann der Patriarch in der Wei-se umgedeutet werden, wie es in den letzten Jahrzehnten immer weiter vorangetrieben wurde, nämlich als der, der den Übergang der Kirche vom unzeitgemäßen konterrevolutionären Antikommunismus zum Einvernehmen mit den sozialistischen Werten und "hehren Zielen der Revolution" den Weg geebnet haben soll (wobei man im Moskauer Patriarchat auch vor Geschichtsfälschungen nicht zurückschreckt - vgl. Bote 1/1988).
Die Verherrlichung dieser zwei Hierarchen - stellvertretend für alle, die unschuldig litten - bietet sich an, um der brisanten Frage nach den Neomärtyrern wenigstens teilweise den Wind aus den Se-geln zu nehmen und gleichzeitig den Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, die sich aus einer Verherrlichung der Neomärtyrer für die Kirchenleitung des Moskauer Patriarchats notwendig ergeben, solange es der Lüge die "Loyalität" nicht versagt. Ein solch doppeldeutiges und halbherziges Eingeständnis seitens des Patriarchats wäre je-doch dem Verrat an den Neomärtyrern immer noch näher als einer wirklich kirchlichen Verherrlichung. N.A.
1 Man könnte diesen jetzt so häufig gebrauchten Begriff mit "verfolgten" wiedergeben, wenn er nicht auch den Tod des Betroffenen einschließen würde. "Repressiert" heißt, wie weiter unten deutlich wird: "verhaftet, verurteilt oder erschossen". Einen so bequem undeutlichen Oberbegriff haben wir im Deutschen nicht gefunden und lassen deshalb "Repressionen", "repressiert" als eine Eigenheit der Sowjetsprache stehen.
Bote 1989-3
Erinnerungen
Erzpriester I.I. Bazarov
Die Gottesmutter antwortete auf unsere Frage nach einer Unterkunft, daß in ihrem Haus alles besetzt sei, aber auf dem Dachboden ein Doppelbett stände, auf dem auch drei Platz finden können. Uns schien es etwas seltsam, die Nacht so zu verbringen, und deshalb fragten wir, ob es im Hause nicht wenigstens ein Sofa oder eine Bank für den Dritten gäbe. Es fand sich ein Sofa, doch es war zu kurz. Man konnte nichts ändern. V. P. Titov erklärte sich bereit, die Nacht auf diesem Sofa zu verbringen und mir mit meinem Sohn das Doppelbett auf dem Boden zu überlassen. nachdem wir die Unterkunft sichergestellt hatten, gingen wir auf die Su-che nach einem Abendessen und zur Besichtigung des uns interessierenden Städtchens. Um 8.00 Uhr abends hörten wir Kanonenschüsse und Glockengeläut, womit der Vorabend der morgigen Aufführung angekündigt wurde; in den Straßen hörte man die Musik einheimischer Künstler. Man muß anmerken, daß die Oberammergauer, die dieses Schauspiel für ihr ausschließliches Eigentum halten, außer ihren Dorfbewohnern keine anderen Schauspieler zulassen. Nachdem wir all das angeschaut hatten, erinnerten wir uns daran, daß es Zeit war, schlafen zu gehen - um so mehr, als wir am Morgen früh aufstehen mußten, da die Vorstellung um 8.00 begann. Doch wie groß war unsere Verwunderung, als wir das Zimmer öffneten, in dem Titov auf seinem Sofa schlafen sollte, und es voll von Leuten fanden, die auf dem Fußboden schliefen. Das waren einfache Bauern, die aus der Umgebung zu der Vorstellung gekommen waren und keinen anderen Platz zum Übernachten hatten, als die gastfreundliche Gottesmutter, die so viele Gäste unter ihr Dach ließ, wie hineinpaßten. So mußte Vladimir Petroviç über die Schlafenden klettern, um zu seinem Sofa zu gelangen. Mich aber führte die junge Hausfrau mit meinem Sohn auf den Dachboden zu dem Doppelbett und bat uns hier die Schuhe auszuziehen, damit sie sie noch am Abend putzen könnte, da sie am folgenden Morgen früh in die Kirche gehen wollte, um vor ihrem Auftritt in der Rolle der Gottesmutter die Kommunion zu empfangen. Diese Pflicht erfüllen alle Hauptdarsteller, die die Rollen von Christus, den Aposteln und den Frauen aus dem Evangelium darstellen. Außerdem wird die Rolle Christi einem Mann untadeligen Verhaltens überlassen, der auch gut aussehen soll.
Am nächsten Morgen standen wir früh auf und eilten zu dem Schauplatz. Dort waren schon große Volksmengen versammelt, die den Beginn dieser heiligen Handlung ehrfürchtig erwarteten, denn in den Augen der katholischen Bauern war dies nicht eine einfache Aufführung der Geschehnisse des Evangeliums, sondern eine liturgische Handlung, so wie in unserer Kirche z. B. im Altertum die Darstellung der drei Jünglinge im Feuerofen oder der Einzug in Jerusalem mit dem Patriarchen auf dem Pferd vollzogen wurde. Das Oberammergauer Spiel nahm mit der Zeit den Charakter einer richtigen Theatervorstellung an, nimmt aber dennoch sowohl durch die Erhabenheit und Heiligkeit des Inhaltes als auch durch die Ehrfurcht und die künst-lerische Reife der Aufführung die Seele gefangen und zieht die Aufmerksamkeit in solchem Maße an, daß man trotz der 8-stündigen Dauer mit nur einer einstündigen Pause weder vom langen Sitzen, noch von der gespannten Aufmerksamkeit auf die sich wechselnden Szenen müde wird. Diese Beobachtung verwunderte mich noch mehr, als ich 20 Jahre später im Jahr 1880 in Begleitung desselben ältesten Sohnes und schon meiner Enkel, seiner Söhne im Alter von 9 und 7 Jahren, diese Aufführung besuchte. Diese Burschen wurden nicht nur nicht müde, sondern folgten der Aufführung von Anfang bis Ende mit noch größerer Aufmerksamkeit als wir Erwachsene. Und in der Tat ergreift dieser ungewöhnliche Ablauf der heiligsten Ereignisse der Weltgeschichte in lebendigen Personen unwillkürlich Geist und Herz. Ich fürchtete mich nur beim ersten wie beim zweiten Mal bei die-ser Aufführung davor, daß bei einem so heiligen Gegenstand eine Profanierung geschehen könn-te. Doch wenn man die Vorbereitung der Schauspieler selbst, die vor der Aufführung die Kommunion empfangen und das ehrfürchtige anwesende Volk sieht, das zu dieser Darstellung wie zu einem Heiligtum herbeikommt, ergreift einen unwillkürlich die gleiche Stimmung, und man denkt nur daran, daß diese Aufführung die einzige ihrer Art ist, die mit ihrem lokalen Hintergrund nur an diesem Ort und dabei nicht häufiger als alle 10 Jahre stattfinden kann.
Nachdem wir den ersten Teil angeschaut hat-ten, gingen wir mit den anderen um 12 Uhr in die Freiheit, um unsere Kräfte für die folgenden vier Stunden zu stärken. Man mußte an das Mittagessen denken, doch wir konnten eben nur daran denken, denn diese gute Absicht auszuführen war unmöglich. Die diesen Platz umgebenden Zelte mit Verpflegung und Bier waren von den aus dem Theater herausgeströmten Zuschauern buchstäblich umlagert, und jedes Stück Brot, jeder Krug Bier konnte nur im Kampf erobert werden. In das Dorf zurückzukehren war unmöglich, da zum Es-sen und Ausruhen lediglich eine Stunde Zeit war, das Dorf aber nicht nahe, und so waren wir wieder gezwungen, uns um Hilfe an die Zöllner und Pharisäer zu wenden, die hier in ihren Theaterkostümen spazierengingen. Mit der den Tirolern eigenen Gutmütigkeit beeilte sich jeder von ihnen, uns et-was zu bringen, der eine brachte Brot, der andere Würstchen, der dritte einen riesigen Krug Bier. Und nachdem wir uns mit dieser bescheidenen Nahrung gestärkt hatten, eilten wir zurück, um un-sere Plätze einzunehmen, umso mehr als schon der zweite Kanonenschuß zu hören war, und nach dem dritten die Vorstellung begann. Im zweiten Teil war der Höhepunkt die Kreuzigung. Diese Szene wurde makellos gespielt. Es war sehr vernünftig, daß der Akt des Annagelns an das Kreuz hinter der Szene durchgeführt wurde. Man hörte nur das Einschlagen von Nägeln, und als sich der Vorhang hob, eröffnete sich den Zuschauern das Bild von drei Kreuzen, mit den an ihnen hängenden Körpern, das vollständig nach dem Vorbild des berühmten Gemäldes von Rubens komponiert war. Doch es wäre gut gewesen, wenn dies wirklich nur ein Bild gewesen wäre, wenn auch ein lebendiges. Als aber aus dem Mund des Gekreuzigten die berühmten sieben Wörter aus dem Evangelium erklangten, empörte sich das religiöse Gefühl unwillkürlich; man fühlte eine Prophanierung der heiligen Handlung, besonders deshalb, weil diese Worte im lokalen Dialekt gesprochen wurden, den das einfache Volk spricht.
Nachdem wir all das bis zum Ende durchgehalten hatten, verließen wir diese Vorstellung um 5 Uhr, voll verschiedener Eindrücke, über die wir uns nicht Rechenschaft ablegen konnten. Was uns jetzt beschäftigte, war, daß wir nicht noch eine Nacht im Hause unserer Gottesmutter bleiben wollten, sondern nach Möglichkeit eine andere, bequemere Unterkunft suchen wollten. Zum Glück bot uns gleich beim Theater ein Kutscher aus Partenkirchen an, uns in diesen Ort zu fahren, der durch seine schöne Lage berühmt ist und deswegen von vielen Touristen besucht wird. Wir freuten uns über dieses Gelgenheit, ergriffen sofort unser Gepäck und fuhren los.
Bote 1989-4
Unsere Kirche in der Heimat
Der Patriarch und der Leninismus
Verfasser: Bischof Grigorij
In der dritten Nummer des Journals des Mos-kauer Patriarchats dieses Jahres ist auf der zweiten Seite das Neujahrstelegramm des Patriarchen Pi-men an M. Gorbaçev veröffentlicht. Es hat ungeheuere Bedeutung.
In diesem und in seinem Telegramm an den Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten Charçev wird die "Rückkehr zu den leninistischen Prinzipien der Beziehungen von Kirche und Staat" gefeiert. In dem Telegramm an Gorbaçev schreibt der Patriarch nach den Neujahrsgrüßen: "Wir bringen unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck für Ihre beständige Rücksicht auf die Gläubigen und deren Bedürfnisse und für alles, was Sie tun zur Wiederherstellung der leninistischen Normen für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat ".
Aber worin bestehen nun die "leninistischen Normen" für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat?
Es ist das Prinzip der völligen Rechtlosigkeit der Kirche, das im Leninschen Dekret vom 23. Januar 1918 und in anderen Dokumenten über die Beziehungen von Kirche und Staat verkündet wurde. Die grausamste Verfolgung von Glauben und Kirche geschah gerade im Namen des Grundsatzes dieser Leninschen Dekrete. Sie riefen sofort heftige Proteste und ein Anathema von seiten des heiligen Bekenners Patriarch Tichon, sowie des Allrussischen Konzils hervor. Schon bald nach Lenin fand Metropolit (in der Folge Patriarch) Sergij Mittel und Wege, um zwei Herren zu dienen: Gott und der Ihm feindlichen kommunistischen Macht. Auf diesem Weg wird jetzt der Atheist Lenin verherrlicht. Der Lobpreis seiner Normen klingt für den Christen genau so absurd, als wenn es jemand einfallen würde, die Prinzipien von Nero oder Diokletian über die Beziehungen zu den Christen im alten Rom zu preisen.
Es schien, daß die Verkündigung von Gorba-çevs "Perestrojka" neue Normen für die Definierung der rechtlichen Lage der Kirche hervorrufen würde. Aber leider brachte sie nicht mehr als einige administrative Lockerungen. Wir brauchen uns nicht besonders darüber zu wundern, denn wir wissen, daß diese Macht kommunistisch ist und bleibt.
Aber erstaunen muß uns, daß der Patriarch im Namen der Kirche seine Dankbarkeit für die Anwendung der leninistischen Normen in den Beziehungen zur Kirche zum Ausdruckt bringt. Bereits einer der Gründer der Erneuerungsbewegung na-mens Vvedenskij gab eine etwas genauere Definition des Wesens des Leninschen Dekretes: "Dieses Dekret entsprang den eigentlichen Grundprinzipien der Verfassung der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik). Die sowjetische Organisation verläßt sich ausschließlich auf ihre menschlichen Kräfte: 'Laßt uns die Befreiung mit unseren eigenen Händen erringen': das ist der Triumph des Humanismus im eigentlichen Sinn des Wortes. Das menschliche Element wird dem göttlichen entgegengestellt. Der Mensch stürzt Gott." (A. Vvedenskij. Kirche und Staat).
Welch eine Verkehrung der Begriffe muß wohl im Patriarchen vorgegangen sein, daß er der sowjetischen Macht für die Wiederherstellung derartiger leninistischer Normen für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat dankt?
Bischof Grigorij
Bote 1989-4
Aus der Geschichte unserer Diözese
Russische Kirchen in Deutschland:
In dieser Ausgabe setzen wir die Berichte über alte russische Kirche in Deutschland fort, die im Boten Nr. 6/1988 mit der Beschreibung der Kirche in Baden-Baden begonnen hatte. Wir halten uns weiterhin an das Buch von Erzpriester Maltzew, unterwerfen seinen Stil allerdings einer Überarbeitung und kürzen den Text dort, wo er technische Einzelheiten beschreibt, die für den heutigen Leser nicht mehr interessant erscheinen.
Berlin:
Die Hauskirche zu Ehren des Hl. Apostelgleichen Großfürsten Vladimir an der Kaiserlich Russischen Botschaft Unter den Linden 7 bestand seit 1837. Damals wollte der verstorbene Kaiser Nikolaj Pavloviç, der mit der preußischen Prinzessin Alexandra Feodorovna, der Tochter des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., verheiratet war, für sei-ne Aufenthalte in Berlin ein eigenes Haus erwerben. Er kaufte dieses Haus am 30. Oktober (11. November) für 30.000 Taler von der Herzogin Sa-gan. Die Kirche befand sich im Erdgeschoß des Hauses zwischen dem ersten und zweiten Hof. Sie trug weder ein Kreuz, noch hatte sie Glocken, so daß es nach äußeren Kennzeichen schwierig war, ihre Existenz zu erraten. Die Kirche konnte nicht mehr als 150 Personen fassen. Eine bewegliche Kirche gab es für die russischen Gesandten am Preußischen Hof zu Berlin bereits seit 1718. Sie befand sich zunächst in verschiedenen Privathäusern, die von der russischen Regierung für die Botschaftsbüros, den Botschafter selbst und das ihm zugeordnete Personal angemietet wurden. Die Kirche wurde damals dem Gesandten "persönlich" überlassen und wurde bei seiner Versetzung an einen anderen Ort mit ihm weitergeführt. Die erste derartige Kirche wurde im Jahre 1718 dem Grafen Alexander Gavriloviç Golovkin mit dem Priester Gerasim Titov geschickt...
1729 wurde nach Berlin an den Hof Seiner Königlichen Hoheit vonPreußen der Minister Fürst Sergej Dmitrieviç Golicyn beordert und mit ihm wur-de der Priester Ioann Nikitin entsandt, dem 1730 ein Unglück geschah: er fiel aus dem Fourgon und erlitt starke Verletzungen; in der Folge bat er selbst wie auch der Gesandte um Erlaubnis, nach Rußland zurückzukehren. An seine Stelle wurde, bereits zur Zeit des Gesandten Graf Pavel Iv. Jaguzinskij, der Priester Leontij Vasil'ev aus der Stadt Usman' (Gouv. Tambov) bestellt, der nach der Abreise des Grafen Jaguzinskij die Kirchengeräte an die nahegelegene Potsdamer Kirche gab. 1741 befand sich in Berlin zur Amtszeit des wirkl. Kammerherrn und außerordentlichen Gesandten Graf Petr Grigor'eviç Çerny‚ev die Kirche "Begegnung des Herrn". In ihr zelebrierte der Priestermönch Kirill aus dem Kirillo-Jur'ev-Kloster der Novgoroder Diözese. Nach seiner durch Alter bedingten Abreise nach St. Petersburg im Jahr 1747 wurde die Ausstattung dieser Kirche von Graf Çerny‚ev mit nach England genommen. 1761 wurde der Öko-nom des Alexander-Nevskij Klosters, der Priestermönch Varlaam, nach Berlin entsandt.
1763 forderte der in Berlin wirkende Pionier-Oberst und außerord. Gesandte Fürst Vladimir Serg. Dolgorukov (der zur Zeit Friedrichs des Gr. 24 Jahre an der Spitze der Gesandtschaft stand) und in seiner Abwesenheit der Botschaftsrat Petr Mal'cev für Berlin einen Priester und eine bewegliche Kirche. Diese wurde 1764 aus Holland gebracht. Als Priester in ihr wurdeVater Iakov Kljuça-revskij ernannt, der dem Fürsten persönlich bekannt war und "die Liebe und Achtung von Menschen verschiedener Bekenntnisse erworben hat-te". Er verblieb dort bis 1773 , als er aus Gesundheitsgründen nach Rußland zurückkehrte. Der Priestermönch erhielt als Gehalt lediglich 100 Rubel im Jahr. 1746 erfolgte ein Gesuch um Erhöhung dieses Gehalts, welchem wohl auch stattgegeben wurde, denn dem 1764 als Kirchensänger nach Berlin entsandten Trofim Nikiforoviç Mukovozov wurde bereits eine Entlohnung von 150 Rubeln angewiesen.
1733 wurde der bisherige Diakon der St.-Pe-tersburger Andreas-Kathedrale Trifon Timofeev Kedrin als Priester nach Berlin entsandt. Die Berliner Kirche selbst heißt 1774 Hl. Fürst Vladimir-Kir-che und befindet sich im "Gesandtschaftshaus" an der Wilhelmstraße . Das Schicksal der Kirchendiener oder Sänger war traurig: Mukovozov erkrankte unheilbar, ein anderer (aus dem Kiever Seminar) Timofej Andreev kehrte 1777 zurück. Der an deren Stelle eingesetzte Sanitätsschüler Stepan Ivanoviç Maljutin und Konstantin Jakovlev Zubarov gerieten auf dem Weg in einen Sturm auf dem Meer und verloren dabei ihr gesamtes Hab und Gut, woraufhin sie sich in Berlin verschuldeten und trotz des Wunsches, Fremdsprachen zu erlernen, dies wegen Mangels an Mitteln nicht verwirklichen konnten. Als man an den Synod die Bitte um Erhöhung ihres Gehaltes sandte, folgte die Antwort, daß ihre Lernbegier den Synod nichts anginge. 1779 verstarb Zubarov, und an seine Stelle trat der beim Gesandten (Fürst Dolgorukij) befindliche Ivan Poœarskij, der dann in seinem Amt bestätigt wurde. Obwohl Maljutin wegen schwacher Gesundheit um Rückkehr in die Heimat bat, ging es ihm offensichtlich später besser. In jener Zeit (1779) belief sich der Lohn der Kirchensänger auf 200 Rubel, das Gehalt des Priesters aber auf 500.
Am 1. Juli 1782 starb Vater Kedrin, der fast 10 Jahre (seit 1773) in Berlin gedient hatte und allen in bester Erinnerung blieb. An seine Stelle wurde nach der Wahl des Erzbischofs von Novgorod und St. Petersburg Gabriel aus dem St. Petersburger Priesterseminar der "Hörer der Theologie" Gabriel Semjonov Dankov geschickt (1792-1799). Am 9. August 1799 erhielt er den Auftrag, nach Dresden zu gehen und von dort (17. Januar 1800) nach Mecklenburg-Schwerin zur Erbprinzessin von Mecklenburg-Schwerin Elena Pavlovna. Von hier sollte er auch sein Gehalt erhalten, da das Außenministerium ihn und seine Kirchengehilfen in Berlin aus seiner Obhut entließ. Nach Berlin aber wurde am 1. Mai 1800 aus Dresden Vater Joann Çudnov-skij versetzt, der 1791 als Seminarist an die Dresdener Mission gekommen war. Auf kaiserlichen Befehl zelebrierte er gelegentlich Gottesdienste bei ihrer Kaiserlichen Hoheit, der Großfürstin Anna Fjodorovna in Coburg und war ihr geistlicher Vater. Als er am 12. Februar 1801 vom Tod des Kirchendieners Andrej Jankovskij Mitteilung macht, bittet er um Ernennung seines Sohnes Nikita an dessen Stelle. Dieser hatte diese Aufgaben im Beisein der Großfürstin Elena Pavlovna, der Erbprinzessin von Mecklenburg-Schwerin, während ihres Aufenthaltes in Berlin versehen. Dem Gesuch, das Minister Baron Kriedener unterstützte, wurde stattgegeben. Als Gehalt standen dem Priester damals 700 Rubel zu, den beiden Kirchendienern je 200 Rubel und für kirchliche Auslagen 200 Rubel.
Vater Çudnovskij übersetzte 1804 aus dem Deutschen die Belehrungen Reinhards, die aus unerfindlichem Grund nicht veröffentlicht wurden. Am 30. Juli 1812 kehrt Vater Çudnovskij mit sei-nem Sohn, dem Kirchendiener Nikita und einem anderen, Ivan Stepanov, nach Rußland zurück. Wahrscheinlich war dies im gleichen Maße eineFolge der Kriegshandlungen wie auch der Tatsache, daß der damalige Berliner Gesandte (Alopeus) ein "Fremdländer" war, d.h. nicht orthodoxen Bekennt-nisses. Vater Çudnovskij diente in der Kirche bei der Theaterverwaltung in St. Petersburg. Doch auf kaiserlichen Befehl vom 25. April 1813 wurde in der Berliner Gesandtschaft die Kirche wiederhergestellt und er wurde erneut nach Berlin entsandt, nun bereits als Erzpriester. 1814 erhielt er ein Kreuz und 1829 aus Anlaß der von ihm vorgenommenen Einweihung der Hl. Alexander Nevskij Kirche (am 10. Juni) in der russischen Kolonie Alexandrovka bei Potsdam wurde ihm in Anwesenheit des Za-ren Nikolai I. und von Mitgliedern des Preußischen Königshauses der preußische Orden des Roten Adlers 3. Grades verliehen, 1832 der Orden der Hl. Anna 2. Grades mit Krone. 1834 wurde Erzpriester Çudnovskij im Alter von 80 Jahren mit einer Pension von 1200 Rubel (jährlich) zur Ruhe gesetzt. Doch er verstarb in dem gleichen Jahr und wurde neben dem Altar innerhalb der Umzäunung der von ihm 1829 eingeweihten Alexander Nevskij Kirche bei Potsdam begraben. Hier hatte er während seiner Dienstzeit in Berlin auch Gottesdienste für die russischen Kolonisten durchgeführt. Diese Kolonisten stammten aus der Gruppe von Militärsängern, die der Zar Alexander I. dem Preußenkönig Wilhelm geschenkt hatte, als sie 1813 nach der Einnahme von Paris nach Rußland zurückkehrten...
Am 30. August 1872 wohnte der Liturgie in der Berliner Gesandtschaftskirche Zar Alexander II. bei, sowie der deutsche Kaiser und König von Preussen Wilhelm I. und der Kaiser von Österreich-Ungarn Franz-Joseph. Nach Beendigung der Liturgie erachtete es unser Herrscher und Kaiser für angemessen, anzuordnen, daß bei dem Gottesdienst der Name des "Herrschers dieses Landes", des Königs Wilhelm, erwähnt werde.
Doch, obwohl die Gesandtschaftskirche innen gut eingerichtet ist, ist sie doch zu klein und von außen nicht nur schmucklos, sondern überhaupt nicht zu bemerken, sodaß viele sie nur mit Mühe finden können! Indessen ist diese kleine Hauskirche die einzige Vertreterin der Orthodoxie und dient als Ort des Gebetes nicht nur den orthodoxen Russen, sondern ebenso den Orthodoxen anderer Nationen: Griechen, Serben, Rumänen, Bulgaren u.a. mit ihren Vertretern, den Botschaftern an der Spitze! Wenn in vielen weniger großen und bedeutenden Städten im Ausland (Dresden, Wiesbaden, Bad Ems, Genf, Florenz, Bad Kissingen, Darmstadt, Bad Homburg u.a.) längst wunderbare und erhabene orthodoxe Kirchen stehen, die eine wahre Zierde dieser Städte darstellen, steht es uns dann nicht zu, in der Hauptstadt Deutsch-lands selbst, die über 2 Millionen Einwohner zählt, mit ihren höchsten diplomatischen Vertretern, Generalkonsulaten und Vertretungen eine ähnliche Kirche zu haben? "Es unterliegt keinem Zweifel, lesen wir im 'Bruderschaftsbericht' für das Jahr 1891, daß die Frage des Baus einer orthodoxen Kirche in Berlin nicht nur auf keine Widerstände seitens der örtlichen Behörden stoßen würde, sondern sogar wünschenswert war und ist, was man aus den wiederholten Anfragen seitens deutscher höchstgestellter Personen schließen kann. So fragte noch der verstorbene Kaiser Friedrich nicht selten: "warum gibt es in unserer Hauptstadt keine russische Kirche?" Der jetzt regierende deutsche Kaiser Wilhelm II., dem es mit seiner Gattin gelungen ist, ungewöhnlichen Eifer und Neigung zur Verschönerung der Hauptstadt durch eine ganze Reihe wunderbarer Kirchen an den Tag zu legen, hat mehrmals unsere Heimat mit ihren wunderbaren Kirchen besucht. Er würde die Russen nicht nur des Trostes, in seiner Residenz eine schön gebaute orthodoxe Kirche zu haben, nicht berauben, sondern nach aller Wahrscheinlichkeit würde er noch seine hohe Unterstützung für eine so schöne Sache geben, dies umso mehr, als bei dem Erbau lutheranischer und katholischer Kirchen sowohl in unseren beiden Hauptstädten (gemeint ist Petersburg und Moskau - Red.) als auch in anderen Zentren bei uns kostenlos oder für äußerst geringe Bezahlung Bauplätze auf den besten Straßen und Plätzen zur Verfügung gestellt wurden. Daneben wurde auch unmittelbare Hilfe in Form verschiedener Spenden geleistet, wie z. B. Kirchenglocken u.ä. Natürlich reichen die eigenen Mittel der hiesigen Gemeinde nicht zur Verwirklichung dieser großen Aufgabe aus...
Nach dem im Ausland seltenen bischöflichen Besuch der Berliner Gesandtschafts- und Potsdamer Alexander Nevskij Kirche durch den Höchstgeweihten Leontij (den späteren Metropoliten von Moskau) und damaligen Vikarbischof von Novgorod und St. Petersburg am 25. August 1861 zelebrierten in der Gesandtschafts- und in der Friedhofskirche der Bruderschaft: der Hochgeweihte Nikolaj, Bischof der Aleuten und Alaskas - am 21. Mai 1895, der Erzbischof von Finnland Antonij - am 29. und 30. Juni 1897, der Bischof von Nordamerika Tichon (der spätere Patriarch, der als Bekenner 1925 an den Folgen der Haft starb - Red.) - am 26. Mai 1903 und 1. Januar 1904, der Bischof der Aleuten und Alaskas Innokentij - am 15. Februar 1904. Die Kirche der Bruderschaft wurde am 30. Mai 1904 vom Vikarbischof von Moskau Trifon (in der Welt Fürst Turkestanov) besucht.
Bote 1989-5
Aus dem Leben der Diözese
Am 3./16. Juli wurde während der göttlichen Liturgie in der Hl. Nikolaus Kathedrale in München Johannes Kaßberger zum Diakon geweiht. Vater Johannes, der beim Kloster des Hl. Hiob in München ausgebildet wurde, ist als zweiter Diakon der Hl. Nikolaus Kirche in Stuttgart ernannt.
Anläßlich des Patronatsfestes der Kathedralkirche zum Entschlafen der Allerheiligsten Gottesmutter hielt sich Bischof Mark Ende August d. J. zwei Wochen in England auf. Neben den feierlichen Gottesdiensten in der Londoner Kathedrale zelebrierte Bischof Mark auch in dem Kloster in Brookwood und im Frauenkloster zur Verkündigung der Allerheiligsten Gottesmutter in London. Während seines Aufenthaltes in England suchte er verschiedene Gebäude auf in der Hoffnung, einen geeigneten Platz für die Einrichtung einer neuen Kirche zu finden. Anfang nächsten Jahres muß unsere Gemeinde die bisher benutzte Kirche verlassen. Obwohl die Anglikanische Kirche unserer Gemeinde die gemeinsame Nutzung einer alten Kirche in der Londoner City angeboten hat, sehen wir dies nicht als Lösung an, weil wir in dieser Kirche weder einen Ikonostas aufstellen, noch die Kirchenbänke entfernen können. Die Gemeinde sucht weiter nach der Möglichkeit des Baus einer neuen Kirche oder der Anmietung einer anderen Möglichkeit, ist dabei jedoch bisher ohne Erfolg geblieben. In diesem Zusammenhang führte Bischof Mark Gespräche mit verschiedenen Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben.
Zum Feiertag des Hl. Alexander Newskij, am 30. August/12. September zelebrierte Bischof Mark die Gottesdienste in der Kirche des Hl. Alexander Nevskij in Mannheim. Mit ihm zelebrierte Priester Slawomir Iwaniuk. Diese Gemeinde hatte seit Jahren keinen bischöflichen Gottesdienst erlebt.
Am Sonnabend den 3./16. September gab die Gemeinde der Hl. Märtyrerin Alexandra in Bad Ems einen Empfang aus Anlaß des bischöflichen Besuches. Der Empfang fand im Stammschloß Nassau-Oranien in dem Städtchen Nassau in der Nähe von Bad Ems statt. Es waren hochgestellte Persönlichkeiten des staatlichen, gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens anwesend. Am Abend wurde in der Kirche der Hl. Alexandra die Vigil und am Sonntag den 17. September die Göttliche Liturgie gefeiert. Mit Bischof Mark zelebrierten der Vorsteher der Kirche, Erzpriester Paul Echinger, und Archidiakon Agapit und Diakon Nikolaus Wiese.
Die Kirche in Bad Ems hat jetzt eine gründliche Renovierung von außen erfahren. Die Fundamente wurden erneuert. Der Verputz und der Anstrich sind in einem erstklassigen Zustand. Das Kirchengebäude selbst steht unter nationalem Denkmalschutz.
Am selben Sonntag abends war Bischof Mark as Anlaß des Patronatsfestes bei der Vigil in der Hl. Elisabeth Kirche in Wiesbaden anwesend. Die Litia und die Lesung des Evangeliums vollzog er mit den Priestern Michael Artzimovitch aus Meudon in Frankreich und Priester Slawomir Iwaniuk sowie dem Archidiakon Agapit und Diakon Andrej Philipps aus Frankreich.
Am Montag, den 5./18. September feierte Bischof Mark mit denselben Geistlichen die Göttliche Liturgie, auf die ein Moleben und eine Prozession um die Kirche bei strahlendem Sonnenschein folgte. Während seines Aufenthaltes in Wiesbaden konnte sich Bischof Mark von dem zügigen Fortgang der Arbeiten zur Restaurierung der Kirche und des Kirchenhauses überzeugen.
Am Vorabend des Feiertages der Geburt der Allerheiligsten Gottesmutter zelebrierte Bischof Mark die Vigil in der Kathedralkirche in München. Am Feiertag selbst, den 8./21. September leitete er den Gottesdienst in der Gemeinde zur Geburt der Allerheiligsten Gottesmutter in Nürnberg. Mit ihm zelebrierte der Vorsteher der Gemeinde, Priester Josif Wowniuk, und Priester Nikolaj Artemoff, sowie Diakon Georgij Kobro.
Im Kloster des Hl. Hiob von Pocaev in München fand am 22. August/4. September die Mönchsweihe des rasophoren Mönches Vladimir (Forbes) statt. Der neue Mönch erhielt in der Weihe zur Mantija den Namen Benjamin zu Ehren des Hl. Neumärtyrers Venjamin, des Metropoliten von Petrograd. Vater Benjamin ist Australier und lebt seit einem Jahr im Kloster des Hl. Hiob. Zuvor war er Lehrer in Adelaida in Australien, wo er auch orthodox wurde und einige Zeit den Kirchenchor leitete.
Am Sonntag, den 28. August/10. September weihte Bischof Mark Vater Benjamin während der Göttlichen Liturgie in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in München zum Mönchsdiakon. Ebenso empfing Vater Benjamin am 25. September/8. Oktober in der Kathedrale die Weihe zum Mönchpriester.
Am selben Sonntag abends war Bischof Mark aus Anlaß des Patronatsfestes bei der Vigil in der Hl. Elisabeth Kirche in Wiesbaden anwesend. Die Vigil und die Göttliche Liturgie am nächsten Tag vollzog er mit den Priestern Michael Artzimovitch aus Meudon in Frankreich und Priester Slawomir Iwaniuk sowie dem Archidiakon Agapit und Diakon Andrej Philipps aus Frankreich.
er mit den
Am Vorabend des Feiertages der Geburt der Allerheiligsten Gottesmutter zelebrierte Bischof Mark die Vigil in der Kathedralkirche in München. Am Feiertag selbst, den 8./21. September leitete er den Gottesdienst in der Gemeinde zur Geburt der Allerheiligsten Gottesmutter in Nürnberg. Mit ihm zelebrierte der Vorsteher der Gemeinde, Priester Josif Wowniuk, und Priester Nikolaj Artemoff, sowie Diakon Georgij Kobro.
Im Kloster des Hl. Hiob von Poçaev in München fand am 22. August/4. September die Mönchsweihe des rasophoren Mönches Vladimir (Forbes) statt. Der neue Mönch erhielt in der Weihe zur Mantija den Namen Benjamin zu Ehren des Hl. Neumärtyrers Venjamin, des Metropoliten von Petrograd. Vater Benjamin ist Australier und lebt seit einem Jahr im Kloster des Hl. Hiob. Zuvor war er Lehrer in Adelaide in Australien, wo er auch orthodox wurde und einige Zeit den Kirchenchor leitete.
Am Sonntag, den 28. August/10. September weihte Bischof Mark Vater Benjamin während der Göttlichen Liturgie in der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in München zum Mönchsdiakon. Ebenso empfing Vater Benjamin am 25. September/8. Oktober in der Kathedrale die Priesterweihe.
Bote 1989-5
Moleben an die Hll. Kaiserlichen Märtyrer
am 4./17. Juli 1989
auf dem Donskoj Friedhof in Moskau
Wie das westliche Fernsehen und die Presse verschiedentlich berichteten, fand am Tag der Ermordung der Zarenfamilie, dem 4./17. Juli 1989 auf dem Donskoj Friedhof in Moskau ein Bittgottesdienst an die Heiligen Kaiserlichen Neomärtyrer statt. Aus Rußland erreichte uns der Bericht eines Augenzeuge, der für unsere Leser sicher von Interesse ist:
"Am 17. Juli fand auf dem Donskoj Friedhof ein Bittgottesdienst statt (natürlich nicht in der Kirche). Es zelebrierte Vater V. und Mönchsdiakon D. M., weiterhin ein Priester, ein Priestermönch und ein Diakon. Vater V. zelebrierte an der östlichen Mauer, wo eine Skulptur aus der Christi-Erlöser-Kirche (diese Kirche wurde von den Sowjets gesprengt, Teile des Marmors wurden von Gläubigen an verschiedenen Stellen Moskaus aufbewahrt; Anm. d. Red.) steht - der Hl. Sergij segnet Dimitri Donskoj. Es waren einige hundert Menschen anwesend. Vor dem Anfang des Gottesdienstes und zum Schluß spielte ein Orchester - junge Leute aus dem Konservatorium - sie spielten 'Gott schütze den Kaiser' (die Hymne des alten Rußland; Anm. d. Red.). Ein junger Mann trug das Banner des russischen Reiches, ein großes Banner auf einem hohen Stab. Die Frau des Priesters hatte viele kleine dreifarbige Fähnchen gemacht und verteilte sie zusammen mit Photographien der Zarenfamilie. Sie verteilte auch 400 Kerzen. Es sang ein Chor. Die Kerzen wurden angezündet und alle sangen 'Himmlischer König'. Die Polizei und Sicherheitskräfte in Zivil umgaben uns und schrien in die Megaphone: 'Sofort auseinander gehen! Diese Versammlung ist nicht erlaubt. Die Organisatoren werden bestraft. Geht auseinander oder wir wenden Gewalt an.' Am Anfang hatten wir Angst. Wir dachten an Tbilissi (Tiflis). Doch dann verflog die Angst. Nicht ein einziger ging fort. Alle standen mit Kerzen und achteten nicht einmal auf die Schreie. Ein alter Mann mit Ordensspangen vom Krieg trat zu einem Milizionär und sagte: 'Stört uns nicht beim Gebet. Ihr achtet das russische Volk nicht.' Der sagte: 'Bist du vielleicht das Volk?' Er antwortete: 'Alle, die hier beten, das ist das Volk und ihr seid Henker, die den Zaren getötet haben.' Der antwortet verlegen: 'Was heißt wir? Wir waren damals noch gar nicht auf der Welt.'
Bei der Ektenie wurde der Ersthierarch der Russichen Auslandskirche, Metropolit Vitalij, kommemoriert. Man sang 'Viele Jahre' für den Großfürsten Vladimir Kirilloviç, seine Tochter und ihren Sohn. Wir bemerkten nicht einmal, wie die Miliz still geworden war, obwohl sie weiter da stand. Es war als stände eine unsichtbare Mauer zwischen uns und ihnen. Sie schwiegen bis zum Ende.
Vater V. las deutlich und laut, und seine Stimme flog von der Wand über die Gräber. Der stärkste Moment war, als das Gebet gelesen wurde - alle standen auf den Knien mit Kerzen, und zwei Milizionäre nahmen die Mützen ab und hielten sie an der linken Schulter und standen still, wie bei der Ehrenwache. Auf einem Ständer bei den Skulpturen, stand eine große auf Holz gemalte Ikone des Zaren, es brannte eine Kerze. Hier lagen auch Blumen und man sah die Ikonen des Patriarchen Tikhon, der Neomärtyrer, des Hl. Johannes von Kronstadt.
Nach dem Moleben verehrten alle die Ikonen und das Kreuz, und Vater V. segnete alle mit Weihwasser. Dann wurde eine Panichida auf dem Grab von J. Polosov gehalten.
Als alles beendet war, sagte jemand: 'Geht nicht auseinander. Bildet einen dreifachen Ring um die Geistlichkeit und begleitet sie zu den Autos'. Vor dem Tor wachte die Miliz gleichsam auf, sie fingen wieder an zu schreien und zu drohen.
Alles war wie im Traum. Hinterher erst verstanden wir, daß ein Wunder geschehen war. Man fühlte dort sehr deutlich die Anweseheit des Herrn, und Er bewahrte alle.
In Sverdlovsk versuchte man an dem Tag, einen Bittgottesdiesnt am Haus der Ipatjevs abzuhalten. Doch die Miliz kam und vertrieb sofort alle, viele wurden festgenommen..."
Weihnachtsbotschaft
des Hochgeweihten Mark, des Bischofs von Berlin und Deutschland,
an die gottfürchtigen Gläubigen der Deutschen Diözese
"Du erstrahltest, o Christus, aus der Jungfrau, als geistige Sonne der Gerechtigkeit, und der Stern wies auf Dich in der Höhle, in der der Unfaßbare gefaßt ward".
Ist unser geistliches Ohr offen, um diese gottbeseelten Worte zu erhören?
Das Ende der vierzigtägigen Fastenzeit vor dem Fest der Geburt Christi gibt uns Anlaß, über unsere geistliche Verfassung nachzudenken. Haben wir unseren Schoß zum Empfang und zur Aufnahme des Unfaßbaren durch leibliche und geistliche Enthaltsamkeit vorbereitet? Zum Fest der Geburt Christi ruft uns die Heilige Kirche auf: "Himmel und Erde sollen sich heute prophetisch freuen, Engel und Menschen geistlich frohlocken, denn Gott erschien im Fleische, den im Dunkel Verweilenden und im Schatten Sitzenden, geboren aus der Jungfrau". Sind wir bereit zu geistlichem Frohlocken? Haben wir, die wir im Dunkel und Schatten unserer täglichen Sünden sitzen, unsere Augen auf den Anblick des nicht abendwerdenden Lichtes vorbereitet? Wird uns das Licht der geistigen Sonne der Gerechtigkeit nicht blenden?
Der Fall des Menschen ist so tief, und die Liebe Gottes so groß, daß Gott weder einen Fürsprecher noch einen Engel sandte, sondern der Herr Selbst kam, um uns zu retten (Jes. 63,9). Daraus erkennen wir, daß Gott uns nicht nur belehrt oder ruft, wie Er dies von alters her tat, als Er dem Patriarchen Abraham in der Gestalt dreier Engel oder dem Moses im Feuer des brennenden Dornbusches erschien. Er Selbst "erschien auf der Erde und lebte unter den Menschen" (Baruch 3,38). Der körperlose Gott stieg zu unserer Leiblichkeit herab, um uns zur Unverweslichkeit zu emporzuführen. Dadurch, daß Er "unter den Menschen lebte", schenkte Er uns nicht nur Gesundheit, sondern gab uns das wahre Leben wieder. Der, Welcher von Sich sagte: "Ich bin die Auferstehung und das Leben" (Joh. 11,25), führte uns aus dem Schatten des Todes und machte uns zu Teilhabern Seines Lebens als unserer Rettung.
Der nach der Natur grenzenlose Gottessohn erniedrigte Sich bis zu unserer begrenzten Natur und führte uns in den Zustand von Gottessöhnen der Gnade nach. Er - das aus der jungfräulichen Mutter geborene Wort Gottes - machte uns wortlose Menschen zu Teilhabern Seiner Göttlichen Natur und nahm uns als Seine Brüder im Fleische an.
Wo aber ist, christliche Brüder, unsere Dankbarkeit für so große Liebe? Wo ist unser geistliches Frohlocken über ein so großes Geschenk? Gehen unsere guten Gefühle nicht in der Hast der sündigen Welt unter? Verschlingt uns nicht äußere Betriebsamkeit und Geschäftigkeit, die uns dabei auch nur des geringsten Gedankens an unsere hohe Würde und Berufung beraubt?
Die Kraft Gottes wird uns in den Sakramenten der Kirche mitgeteilt. Treten wir zu ihnen ohne Hast und Eile! Bereiten wir uns auf diesen Feiertag, aber auch auf jeden anderen Tag, den uns Gott schenkt, in Ruhe vor! Erwerben wir die Kraft des Gebets, indem wir am Wort Gottes teilhaftig werden, an Seiner Weisheit und Wahrheit! Die Welt, in der wir wohnen, atmet Lüge und zerstört und vernichtet in der Absage an das wahre Leben - den fleischgewordenen Gottessohn - alles Gute, Gesunde und Lebensbejahende. In diesen Tagen erleben wir im geteilten Deutschland den Drang nach Freiheit und die Ablehnung eines unnatürlichen Systems der Unterdrückung. In Rußland beobachten wir mit Besorgnis die Entfaltung von nationalem und allgemeinem Haß, der durch die antinationale und gottlose Macht gezüchtet wurde. Und viele, die scheinbar auf dem Boden der Kirche stehen, begünstigen unter dem vermeintlichen Schutz der Kirche die fortschreitende Entfremdung und Zersplitterung der Menschen untereinander. Unter dem Deckmantel und selbst im Namen der Kirche wirken Kräfte des Bösen und der Lüge... Umso mehr sind wir in dieser Zeit aufgerufen, Zeugen Dessen zu sein und zu werden, Der von Sich sagte: "Ich bin die Wahrheit". Diese Wahrheit leuchtet auf als "Sonne der Gerechtigkeit" und erleuchtet uns. Er wünscht, uns über die Kommunikation mit uns durch Seine Liebe aus dem Dunkel der Unwahrheit herauszuführen.
Der in Bethlehem geborene Herr brachte uns nicht nur eine äußere Wahrheit. Nein, Er nahm unsere ganze Natur an, vereinigte die Wahrheit und das Leben mit unserem Fleisch - wurde Mensch. Uns muß deshalb nicht an irgendeiner abstrakten Wahrheit als einer Lehre gelegen sein, sondern am wahrhaften Leben als der Verkörperung unseres geistlichen Zustandes. Von Christus können wir nicht einfach nur lernen - Ihn müssen wir annehmen als das Leben Selbst: in Ihm müssen wir leben, mit Ihm atmen - in Ihm und mit Ihm müssen wir leben, und das wird uns nur dann zuteil, wenn Er in uns lebt. Er aber nimmt in uns Fleisch an durch jede Wahrheit und Gerechtigkeit. Christus ist unser Friede. Er hat das Getrennte vereint und die neue Menschheit geschaffen.
Lassen wir als Kinder des Lichtes jegliche Unwahrheit hinter uns, die uns ins Verderben führt, lasssen wir uns nicht vom Bösen überwältigen, sondern mühen wir uns, das Böse durch das Gute zu besiegen (Röm. 12,21), ohne jemandem Böses mit Bösem zu vergelten (17). Für diese Reinheit unserer Wünsche und Gedanken müssen wir kämpfen - und kämpfen können wir nur mit und in Christus, dem Sohn des Lebendigen Gottes. Und nur in diesem unsichtbaren Kampf sind wir mit Ihm. Wir haben diese Kraft, diese Macht erhalten: durch die Gnade der Taufe haben wir die Gnade der Sohnschaft empfangen. Das im ärmlichen Stall Fleisch gewordene Wort Gottes schenkte uns alle Schätze des künftigen Zeitalters. Wir sind das neue auserwählte Volk Gottes! Wo immer wir leben mögen, befinden wir uns in der Minderheit unter denen, die sich vom Weg und der Wahrheit lossagten. Doch Gott berief uns als "Lichter in der Welt" (Phil. 2,15). "Lasset euer Licht leuchten vor den Menschen" (Mt. 5,16). Der Herr, der uns erleuchtete, legte in uns den Samen der Rettung. Mag dieser reiche Frucht in unserer Demut bringen, unserer Barmherzigkeit, unserer Bereitschaft, denen zu verzeihen, die uns erniedrigen und schmähen. Mühen wir uns wenigsten darum, daß niemand durch uns in Versuchung geführt werde, daß niemand wegen unserer Taten Gott schmähe! Mögen sich durch unsere Worte und Werke, durch unser ganzes Leben, die weihnachtlichen, feierlichen, wahrhaftigen Worte der Kirche bewahrheiten: "Heute erschien das Licht den im Dunkel Verweilenden und erhob die Demütigen", und "alle dämonische Verblendung nahm ein Ende, Christus herrscht in Ewigkeit". Amen.
Mark, Bischof von Berlin und Deutschland
München, Christi Geburt 1989
Bote 1989-6
Aus dem Leben der Diözese
Am Donnerstag, den 15./28. September fand aus Anlaß des Abschlusses der äußeren Instandsetzungsarbeiten ein bischöflicher Gottesdienst in der Christi-Verklärungskirche in Baden-Baden statt.
Erst im letzten Jahr wurde der lang anhaltende Prozeß mit dem Moskauer Patriarchat über den Be-sitz dieser Kirche abgeschlossen. Unsere Diözese übernahm die Kirche in äußerst vernachlässigtem Zustand - es bestand sogar die Gefahr des Einsturzes der Kuppel. Die Erhaltung der Bausubstanz forderte eine grundlegende Instandsetzung. Im Laufe dieses Jahres wurde die Kuppel befestigt und vergoldet, das Dach vollkommen neu mit Zinkblech bedeckt, die Mauern instandgesetzt und gereinigt. Ebenso wurde ein neues Heizungssystem eingebaut. Es verbleiben noch die Arbeiten zur Restaurierung des Inneren der Kirche. Wir hoffen, daß diese im kommenden Jahr durchgeführt werden können.
Die Göttliche Liturgie feierte Bischof Mark mit den Erzpriestern Dimitri Ignatiew und Miodrag Gli‚ic´, dem Vorsteher der Kirche, den Priestern Bozidar Patrnogic, Nikolaj Artemoff, Josif Wowniuk und Slawomir Iwaniuk, dem Archidiakon Agapit, Diakon Georg Kobro und Mönchsdiakon Benjamin. Außer den Gemeindemitgliedern aus Baden-Baden waren Gläubige aus anderen Gemeinden der Diözese anwesend, ebenso auch Vertreter der örtlichen Kirchen, des Landes und der Stadt, die die Bauarbeiten finanziell und beratend unterstützt hatten. In seiner in deutscher Sprache gehaltenen Predigt betonte der Bischof die Bedeutung der Erneuerung von Kirchen sowohl in Rußland als auch im Ausland.
Auf die Liturgie folgte ein Empfang im Runden Saal des Kurhauses. Bischof Mark begrüßte die Gäste mit einem Hinweis auf die Bedeutung der Freiheit, die wir genießen auf dem Hintergrund der andauernden Schwierigkeiten des kirchlichen Lebens in Rußland. Er wies darauf hin, daß noch im Juli dieses Jahres der Befehl zur Sprengung einer Kirche in der Stadt Privolœsk erteilt wurde.
Das reichhaltige Mittagessen wurde von Gemeindemitgliedern der Baden-Badener Gemeinde zubereitet. Während des Essens hatten die Teilnehmer der Feierlichkeiten Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Im Anschluß hielt der Hypodiakon Gleb Rahr einen Vortrag zum Thema "Die Kirche und die Perestrojka". Zum Abschluß der Feierlichkeiten begrüßte der Bürgermeister der Stadt Baden-Baden, Dr. Carlein, die Anwesenden, beglückwünschte unsere Diözese zum Abschluß der Bauarbeiten und brachte seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, daß sich die Kirche endlich wieder in den richtigen Händen befindet. Hoffen wir, daß die Arbeiten im Inneren der Kirche ebenso schnell und erfolgreich durchgeführt werden.
Am Freitag, den 30. September/13. Oktober traf Bischof Mark in Berlin ein, um das Patronatsfest in unserer Kirche des Schutzes der Allerheiligsten Gottesmutter in der Hauptstadt unserer Diözese zu feiern.
Auf dem Flughafen wurde er von dem Gemeindevorsteher, Priester Evgenij Sapronov, und Vetretern der Gemeinde begrüßt. Der Bischof war während der Nachtwache anwesend und zelebrierte am folgenden Tag, dem 1./14. Oktober, die Göttliche Liturgie. Die kleine Kirche war von Gläubigen gefüllt und fast alle blieben zu dem Mittagstisch, den die Frau des Priesters mit Hilfe der Gemeindemitglieder zubereitet hatte. Die Anzahl der Gläubigen und die herzliche Atmosphäre unter Gemeindemitgliedern verschiedensten Alters und Herkunft zeugten von der erfolgreichen pastorale Arbeit von Vater Evgenij. Erst am Vorabend waren die von den Gläubigen selbst durchgeführten Malarbeiten in der kleinen Kirche und der zu ihr gehörigen Räumlichkeiten beendet worden.
Vom 23. Oktober bis 4. November machte Bischof Mark in Begleitung eines Novizen und eines Gemeindemitglieds aus München eine Pilgerfahrt auf den Heiligen Berg Athos. Er besuchte einige Klöster, in denen er während der letzten 4 Jahre nicht gewesen war.
Am 5. /18. und 6. /19. November feierte Bischof Mark die Gottesdienste in der Gemeinde des Hl. Demetrios von Saloniki in Köln aus Anlaß des Patronatsfestes. Ihm konzelebrierten Erzpriester Paul Echinger und der Vorsteher der Gemeinde, Priester Boœidar Patrnogic, sowie Archidiakon Agapit und Diakon Nikolai Wiese.
Auf der Rückreise aus Köln machte der Hochgeweihte Bischof Mark am Sonntag den 6./19. November in Bad Homburg Station, um im dortigen Museum eine Ausstellung zu eröffnen, die die Stadt, mit Hilfe der Gattin des Ortspriesters, Matuschka Ignatiewa, zum Thema "Russische Kirchen in deutschen Badestädten" ausgerichtet hatte. Der Eröffnung der Ausstellung wohnten als Ehrengäste der Bürgermeister der Stadt Bad Homburg, Dr. Assmann, und Ihre Königliche Hoheit, die Prinzessin bei Rhein und Hessen bei.
Zwei Tage darauf, am 8./21. November, beging unsere Gemeinde in Ludwigsfeld den Festtag ihres himmlischen Beschützers, des Hl. Erzengels Michael, mit feierlichen bischöflichen Gottesdiensten. Mit Bischof Mark zelebrierte Priester Anastasij Drekopf, Priestermönch Benjamin, Priester Josif Wowniuk und Archidiakon Agapit.
Nach der Göttlichen Liturgie und der Prozession um die Kirche lud die Gemeinde die Gäste zu einer Festtafel ein.
Bote 1989-6
Pilgerreise zu den heiligen Stätten
Konstantinopels und Kleinasiens
In der Zeit vom 10. bis 24. September 1989 unternahm eine Gruppe von Gläubigen der Frankfurter und Münchner Gemeinden unter der Leitung von Erzpriester Dimitrij Graf Ignatiew eine Rundfahrt durch die heiligen Orte der heutigen Türkei.
Höhepunkt einer jeden Reise in die Türkei ist der Besuch der großartigen Kathedrale Hagia Sophia-- der Weisheit Gottes, in der Hauptstadt des Byzantinischen Reiches Konstantinopel.
Bedauerlicherweise ist diese bedeutendste Kirche der orthodoxen Welt in ein Museum umgewandelt worden, so wie alle übrigen Gotteshäuser, die auf dem Besichtigungsplan der Pilger vermerkt waren. Darüberhinaus wurde den Wallfahrern allerorten sogar ein kurzes Gebet verweigert, so daß diese schon zu Beginn ihrer Rundreise einen Vorgeschmack darauf bekamen, was sie an den übrigen christlichen Orten erwarten sollte.
Am Rande der Altstadt machten sie Halt an den Wänden des Studion-Klosters, des Bollwerks der Ikonenverehrung im 8. und 9. Jahrhundert, als die heiligen Ikonen der Schändung preisgegeben wor-den waren. Die Russische Kirche verdankt diesem Kloster zudem noch ihre Kirchenregel der ersten Jahrhunderte nach der Christianisierung.
Dem dreitägigen Aufenthalt in Konstantinopel schloß sich ein Ausflug mit Überquerung des Marmarameeres nach Nicäa an, wo 325 und 787 das erste und das siebte Ökumenische Konzil stattfanden.
Allen Anfeindungen seitens der türkischen Behörden gegenüber Christen zum Trotz, hielten die Pilger überall kurze Gebete im Flüsterton ab, die an jene Heiligen gerichtet waren, welche mit den jeweiligen Heiligtümern in Verbindung stehen. Dieser Umstand tröstete alle Reisenden über vieles hinweg, zumal ja die Wallfahrt dadurch nun doch nichts von ihrem eigentlichen Sinn einbüßen mußte.
Von Konstantinopel flogen die Pilger nach Ankara, von wo aus sie ihren Weg nach Kappadokien, der Heimat der großen Kirchenväter des 4. Jahrhunderts, der Hll. Basilius des Großen, seines Bruders Gregorius von Nyssa und Gregorius des Theologen, fortsetzten. Einen unvergeßlichen Eindruck hinterließen dort bei allen Wallfahrern die wunderbaren Höhlenkirchen der Mönchssiedlungen aus der Zeit des Hierarchen Basilius des Großen, welcher als Begründer des heutigen Mönchtums gilt.Er reformierte das frühe Mönchtum, indem er einzelne Elemente der Einsiedelei mit der koinoby-tischen Form verband. Infolgedessen ist die daraus entstandene Form des Mönchtums, bei allen Abarten, im Grunde bis heute erhalten geblieben. Den Pilgern wurde die Ehre des Besuchs der Kirche zu-teil, welche den Namen dieses Hierarchen trägt und mit wunderschönen Fresken geschmückt ist. Ganz in der Nähe davon stiegen die Pilger voller Ehrfurcht auch noch in mehrstöckige unterirdische Städte herab, welche Christen dereinst als Zufluchtsorte bei Verfolgungen gedient hatten.
Am Mittelmeer zog aus einer Vielzahl sehenswerter antiker griechisch-römischer Städte die Stadt Myra in Lykien das meiste Interesse der Gläubigen aus Frankfurt und München auf sich, denn es ist die einstige Wirkungsstätte des hl. Nikolaus des Wundertäters, des himmlischen Beschützers beider Gemeinden. Die St. Nikolaus-Kirche ist zwar in guterhaltenem Zustand, doch auch sie ist, wie alle übrigen, in ein Museum umgewandelt worden. Somit hielten die Pilger erneut im Stillen verborgen auf dem Vorhof der Kirche ein kurzes Gebet ab, während im Innern der Kirche halbausgezogene, rauchende Touristen den Altarraum betreten und sich auf den Altartisch niedersetzen durften. Hierbei sei erwähnt, daß derartige Sakrilegien in der Türkei ausnahmslos in christlichen Kirchenmuseen die Regel sind, und daß solcherlei Entweihungen in den zahlreichenMoscheemuseen und sogar in heidnischen Kultstätten unvorstellbar wären. Hier wird nämlich für Ordnung gesorgt, ja sogar die Ausübung ritueller Handlungen ist dort gestattet. Das alles ist umso mehr verwunderlich, da sich die Türkei in zunehmendem Maße anschickt, den Anschluß zu Westeuropa zu erlangen. Es bleibt zu hoffen, daß dies bei solch diskriminierenden Gesetzen nicht gelingen wird.
Schließlich darf in diesem Bericht der Besuch der Stadt Ephesus, eines kulturellen Zentrums der altertümlichen griechisch-römischenZivilisation, wo der hl. Apostel Paulus zwei Jahre verbracht hatte, nicht unberücksichtigt bleiben. Im monumentalen Amphitheater der Stadt kam es seinerzeit zu einem Aufruhr, als ein gewisser Silberschmied namens Demetrius den Pöbel gegen den Apostel und dessen Gefährten aufgehetzt hatte (Apostelgesch. 19).
In der ersten Kirche der Welt, die der Mutter Gottes zu Ehren geweiht ist, fand 431 das dritte Ökumenische Konzil statt. An den Überresten dieser Basilika erzählte Vater Dimitrij, wie gerade hier damals bekräftigt worden war, daß die Allreine Jungfrau Maria im wahrsten Sinne des Wortes auch Gottes-Gebährerin ist.
In der Basilika des hl. Johannes des Theologen besuchten die Pilger die Grabstätten der heiligen Evangelisten Johannes und Lukas. Auch hier, wie bei der ehrfürchtigen Besichtigung aller anderen christlichen Stätten, gab Vater Dimitrij aufschlußreiche Erläuterungen, wobei er sich auf seine profunden Kenntnisse der Kirchen- und Weltgeschichte berufen konnte. Dies hatte zur Folge, daß sich alle Reisenden der heiligen Bedeutung all dieser geweihten Orte bewußt waren und folglich die Fülle der Gnade Gottes an diesen Heiligtümern im Anschluß an bereits erwähnte Untergrundgebete spüren konnten. Die Pilger wurden mit Erkenntnissen bereichert und trugen überwiegend angenehme Erinnerungen davon, weshalb man die Wallfahrt in allen Bereichen als Erfolg werten kann. Die fromme Besichtigung solcher Orte, die durch Gottes Diener gesegnet worden sind, erfüllt die Herzen aller Pilger mit wirklicher, spiritueller Freude. Dem tun auch mögliche negative Begleiterscheinungen, die durch äußere, politische Umstände hervorgerufen wer-den, keinen Abbruch. Jeder Christ hat die Pflicht, seinen Glauben zu bekennen, sei es nun in antichristlicher, oder aber pseudochristlicher Umgebung. Das griechische Wort für Märtyrer, "Martis", bedeutet wörtlich übersetzt "Zeuge". Demnach ist Christsein heutzutage gleichbedeutend mit Martyrium. Also wird den Pilgern die Einverleibung der Gnade Gottes, welche den ersten christlichen Märtyrern zueigen gewesen ist, mittels einer Aufsuchung der Stätten ihrer Heldentaten ohne jeden Zweifel zur geistlichen Stärkung gereichen, denn Gott der Herr Selbst beschützt sie vor allen Gefahren und läßt sie an Seinen segensreichen Gaben teilhaben.
Bote 1989-6
(Buchbesprechung: Verantwortung in der Diaspora)
Das kirchliche Rußland in der Diaspora
Georg Seide,
Verantwortung in der Diaspora
Die Russische Orthodoxe Kirche
im Ausland, DM 39,80
Kyrill & Method Verlag, München
Als sich Ende des vorigen Jahrhunderts die progressivsten Kräfte der Russischen Orthodoxen Kirche unter dem Theologen und Bischof Antonij Chrapovizkij, dem Philosophen Vladimir Chomjakov, dem Mathematiker Pavel Florenskij und vielen anderen engagierten orthodoxen Christen formierten, geschah dies unter der Flagge "Glasnostj" (einem zutiefst kirchenslavischen Wort). Sie führten damit eine Tradition zu ihrem Höhepunkt, die in Metropolit Petr von Moskau ihren großen Ahnen sehen durfte.Es ging um die Rückbesinnung und Stärkung der russischen Kirche. Weg von westlichen Einflüssen, zu-rück zur orthodoxen Lehre der Hll. Väter - unter Berücksichtigung der anbrechenden Moderne samt ihrer wissenschaftlichen Ansprüche.
Der spätere Metropolit Antonij wurde zum geistigen Vater des ersten freien und unabhängigen Gesamtkonzils seit Peter I. Auf diesem erhielt Rußland 1917 mit dem Hl. Tichon nach 200 Jahren wieder einen Patriarchen. Metropolit Antonij wurde wenige Jahre später zum Ersthierarchen der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland. Pavel Florenskij, inzwischen auch in Deutschland bekannt, starb ebenso wie Patriarch Tichon als Bekenner und Märtyrer in der Sowjetunion.
Die russische kirchliche Emigration unter Metropolit Antonij formierte sich 1921 auf ihrem ersten Gesamtkonzil in Karlowitz (Jugoslavien). Sie berief sich auf einen Erlaß Patriarch Tichons vom 7./20 November 1920 (Nr. 362), in der dieser die Bischöfe in der Emigration aufforderte eine "oberste kirchliche Verwaltungsinstanz" zu schaffen, sollten Teile der Kirche aufgrund des Krieges von der kirchlichen Leitung in Moskau abgeschnitten werden.
Seit jener Zeit ist unsere, die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland (ROK), mit ihren Gemeinden, Kirchen und Klöstern eng mit dem europäischen Schicksal im 20. Jahrhundert verwoben. "Verantwortung in der Diaspora" von Georg Seide reflektiert in umfassender Weise ihre Geschichte und ihren Weg in Wort und zahlreichen bisher unveröffentlichten Photos und Dokumenten. (Das Buch enthält neben den Ikonen Patriarch Tichons und der Ikone der Neomärtyrer auch eine farbige Abbildung der "Wundertätigen Ikone der Gottesmutter von Iveron". In einem eigenen Kapitel läßt der Autor jenen Ikonenmaler berichten, der einst das Abbild der Heiligen Gottesmutter vom Berg Athos zu uns gebracht hat.)
Der auch über den zweiten Weltkrieg hinaus immer wieder anschwellende Flüchtlingsstrom trug die Traditionen des orthodoxen Christentums und die typisch russischen Kirchen mit ihren Zwiebelkuppeln in alle Teile der Welt. Und oft genug wurden die verschiedensten Nationen zur neuen Heimat zahlloser Immigranten. Auf diese Weise wurden die Länder der Diaspora nicht selten zum ersten Mal real mit der geistigen Welt eines Dostojevskij, der russischen Ikonenmalerei, dem orthodoxen Kirchengesang und der russischen Religionsphilosophie vertraut.
Die Gründung der Auslandskirche resultierte aus der wohl größten Christenverfolgung der Kirchengeschichte. Das Buch zeigt, warum sich die russischen orthodoxen Gläubigen in der Emigration vor allem auch dem Andenken der tausenden Bischöfe, Priester, Mönche, Nonnen und Laien verpflichtet fühlen, die dieser Verfolgung zum Opfer fielen. Ihre Verherrlichung und Kanoniserung 1981 kann daher keinesfalls, wie so oft, als "rein politischer Akt" denunziert werden. Denn er ist ein zutiefst geistlicher und dem Geist der orthodoxen Kirchentradition verpflichtet: das Blut der Märtyrer ist das Fundament, auf welchem die Kirche selbst ruht. Hier schließt sich der Kreis zu orthodoxen Christen wie Alexander Schmorell, der zur Gruppe der "Weißen Rose" in München gehörte: er war Mitglied der Hl. Nikolaj- Gemeinde am Münchener Salvatorplatz.
Mit diesem Buch wird ebenso verständlich, worauf die enge, schwesterliche Verbindung der ROK und der "Katakombenkirche" gründet. Klar wird, warum die seit 1927 andauernde Distanzierung vom sog. "Moskauer Patriarchat" ein Akt der Freiheit war und bis heute geblieben ist. Damals unterzeichnete der von Stalin favorisierte Metropolit Sergij in der Sowjetunion die sog. "Loyalitätserklärung", die das Ende der kirchlichen Autonomie Moskaus markierte. Sergij wurde für diesen Dienst mit dem Patriarchenamt belohnt und erwies sich so als der "Arius des 20. Jahrhunderts". Das Moskauer Patriarchat aber degenerierte auf diese Weise zu einer bloßen "Nomenklaturaabteilung" der antichristlichen Sowjetmacht.
Dieses Buch ist auch für Laien deshalb lesenswert, weil der Einstieg in das Material leicht gemacht wird. Die verschiedenen Kapitel können eigenständig gelesen werden. Sei es der Bericht über die innerkirchlichen Auseinandersetzungen vor und nach dem II. Weltkrieg, sei es die Frage der orthodoxen Mission in allen Teilen der Welt. Alles in allem: "Verantwortung in der Diaspora" ist eine eindrucksvolle Gesamtdarstellung des kirchlichen Rußlands in der Emigration.
Georg Seide gebührt der Verdienst, seine langjährigen Forschungsergebnisse nun endlich auch in einem großen, allgemeinwissenschaftlichen und populär geschriebenen Buch dargelegt zu haben.
André Sikojev