Historische Beschreibung der Einsiedelei von Optina
"Eine Wüste, aber nicht das Weltall, mußte Johannes bereitmachen, daß er fähig wurde den Weg des Herrn zur Erlösung des Weltalls zu bahnen." (Metropolit Filaret von Moskau in "Predigten und Reden")
Ruhmvoll und majestätisch ist die heilige Erde Rußlands! Viele teure und dem Herzen nahe heilige Orte, Kirchen, Kapellen und Klöster gibt es dort, gegründet von den gottesfürchtigen Eiferern, welche durch ihr flammendes Gebet, wie die Sonne durch ihre leuchtenden Strahlen, die russische Erde erwärmten.
Einer dieser gnadenreichen Horte der hohen geistlichen Kultur, die vom Licht des Evangeliums Christi erhellt wurden, ist die "Vvedenskaja Optina Pustyn'" (das dem Einzug der Gottesgebärerin in den Tempel geweihte Optina-Kloster), welche einen wichtigen Platz in der Geschichte der geistigen Erleuchtung des russischen Volkes einnimmt. Das Schicksal dieses Klosters ist vielgestaltig und vielbedeutend für den Liebhaber der einheimischen Altertümer, lehrreich und erbaulich für den frommen Eiferer.
Die Optina Pustyn' (= Einsiedelei) liegt im Gouvernement Kaluga, zwei Werst von der ruhmreichen Stadt Kozel'sk entfernt. Beim Abstieg des Weges in das wiesenreiche Tal liegt das gottbefohlende Kloster mit der ganzen Schönheit seiner prächtigen Kirchen und Türme vor dem Blick des Wanderers: auf drei Seiten wird es von dichtem Wald umgeben; im Westen fließt die muntere Œis-dra direkt an der Klostermauer vorbei; an ihrem linken Ufer erstreckt sich wie ein grüner Teppich eine Hochwasserwiese, die von dem sich dahin-schlängelnden Flüßchen Kljutoma (einer der Zu-flüsse des linken Œisdra-Ufers) benetzt wird.
Das Kloster nahm einen großen Platz ein, umgeben von einer Steinmauer, an deren vier Ecken Metallengel mit Posaunen aufgestellt waren; diese Engel drehten sich bei Wind und brachten einen besonderen Quietschton hervor, der die Aufmerksamkeit der Pilger auf sich zog. Innerhalb der Klosterumfriedung gab es drei große Kirchen. Die Haupt-kirche war der Ikone der Gottesmutter von Kazan' geweiht. Neben dem Altar dieser Kirche wurden in der Folge die Starzen von Optina begraben: Ljev, Makarij, Amvrosij, Anatolij, und später Iosif und Varsonofij. Auf jedem Grab wurde ein Grabmal errichtet, in dem nicht verlöschende Öllämpchen brannten. Hier wurden fast den ganzen Tag hindurch Panichiden von den sich abwechselnden Priestermönchen zelebriert. Nicht weit von dort, zwischen den Kirchen und den Obstbäumen wurden auch die übrigen Mitglieder der Mönchsbruderschaft begraben. Im Osten des Klosters befand sich in einer Entfernung von ca. 300 m das Skit im Namen des Hl. Johannes, des Vorläufers und Täufers des Herrn.
Die Stadt Kozel'sk im Gouvernement Kaluga (bis zum 13. Jh. Kozilesk oder Kozlesk genannt) erhielt ihre Benennung von ihrer Lage zwischen dichten Wäldern; sie war eine der bedeutendsten Städte der Besitzungen der Vjatiç und stellte einen der Landbesitze der Fürsten von Çernigov dar.
Schon im Jahre 1146, noch vor Moskau, findet sie in den Chroniken Erwähnung. Gerade diese Stadt Kozel'sk machte sich in der Zeit der über Rußland hereinbrechenden allgemeinen Katastrophe unsterblich durch ihre heroische Verteidigung gegen die eine halbe Million zählende Horde des Batia, welche im Jahre 1238 in Rußland einfiel, wofür sie auch von ihm als die "böse Stadt" bezeichnet wurde.
Was den Namen des Klosters Optina betrifft, gibt es zwei Meinungen. Die erste: gemäß einer örtlichen Überlieferung befestigte der Moskauer Großfürst Ioann Daniloviç Kalita in alten Zeiten durch Sperren aus Baumstämmen das ganze Land von der Oka bis zum Don und über den Don zur Wolga, um auf irgendeine Weise die verheerenden Einfälle der Tataren in das Moskauer Großfürstentum aufzuhalten. Diese Bannwälder dienten zuweilen auch den "inneren Feinden" des alten Rußlands, den Räubern, als Unterschlupf. Zeitweise waren die Räuberbanden so zahlreich, daß sie die Bewohner nicht weniger schreckten als die Tataren oder die Litauer. In den undurchdringlichen dichten Wäldern der Kozel'sker Baumsperren lebten zwei Räuber - Kudejar und Opta. Viele Jahre hielten sie die umgebenden Bewohner durch ihre Raubzüge in Schrekken, aber durch das Einwirken der Gnade Gottes geschah etwas Ungewöhnliches in der Seele des grausamen Anführers der Bande - und die Räuber trennten sich voneinander. Kudejar begab sich in das Gouvernement Penza und setzte sein räuberisches Handwerk noch lange fort, Opta jedoch brachte würdige Früchte der Buße und nahm das Mönchstum an; aus dem Anführer einer Mör-derbande machte ihn Gott, der Herr, zu einem Führer und Lehrer von Seelen, die nach dem ewigen Heil streben. Nach dem Namen ihres Begründers wurde die Einsiedelei in der Folge Optina benannt.
Es gibt jedoch noch eine zweite Meinung, derzufolge das Kloster die Bezeichnung "Optin" (was hier "allgemein" bedeutet) von der gleichzeitigen Anwesenheit von Schemamönchen und Schemanonnen in der Einsiedelei erhielt, da in den alten Seelenmessenregistern der Optina Pustyn' ihre Namen verzeichnet sind. Solch ein Zusammenwohnen gab es in einigen alten Klöstern Rußlands; und diese Klöster nannte man "Optinskye" (Gemeinschaftliche). So lag 70 Werst von der Kozel'skaja Vvedenskaja Optina Pustyn' ein weiteres, ebenso altes, zur Eparchie von Orjel gehörendes Kloster der Stadt Bolochov - das "Optin Troizkij Monastyr" (Allgemeines Dreifaltigkeitskloster).
Insofern das Kloster von altersher weder Län-dereien noch nutzbaren Grundbesitz hatte, kann man annehmen, daß es weder von Fürsten noch von Bojaren gegründet worden war, sondern durch die Tränen, das Fasten, das Wachen und der im Schweiße des Angesichts geleisteten Arbeit unbekannter Asketen.
Über den Zeitpunkt der Gründung des Klosters ist jedoch nichts bekannt. Die ersten historischen Zeugnisse über die Optina Pustyn' stammen erst vom Ende des 16. Jahrhunderts. So spendete der Zar Michail Feodoroviç der Optina Pustyn' für Weih-rauch und Kerzen, "einen Mühlenplatz am Fluß unweit von Kosel'sk". Vom 17. Jh. an sind die Listen der Äbte der Optina Pustyn' erhalten. Viele von ihnen trugen den Titel eines Igumen (Abtes), was bereits eine gewisse Bekanntheit des Klosters bezeugt.
Nach der Verwüstung durch die Litauer im Jahre 1625, als Sergij Igumen war, begann das Kloster sich allmählich wieder zu erholen. Im Jahre 1630 gab es dort eine hölzerne Kirche, sechs Zellen und 12 Brüder unter Leitung des Priestermönches Feodor. Im Jahre 1689 wurde mit den Mitteln der Brüder Íepelev (örtlicher Bojaren) die Kirche des Einzugs der Allerheiligsten Gottesmutter in den Tempel erbaut.
Im Jahre 1724 (in der Zeit der Klosterverfolgungen) wurde das verarmte Kloster durch eine Ver-ordnung des Synods und gemäß der Verfügung Peters des Großen als ein "wenigbrüdriges Kloster" aufgehoben, und die Mönche wurden in das Bjelevskij Verklärungskloster übersiedelt. Aber bereits im Jahr 1726 wurde das Kloster durch Vermittlung der "Stolnik" (Tischaufseher, Truchseß) Andrej Íelepov und Arlatov wieder hergestellt und die 10 Mönche, welche die Bruderschaft des Klosters darstellten, machten sich daran, es wieder instandzusetzen.
In den folgenden Jahrzehnten gedieh das Kloster kaum, denn es ist bekannt, daß im Jahre 1770 nur noch drei Mönche im Kloster lebten, von denen einer blind war. Einen Vorsteher/Erbauer gab es im allgemeinen gar nicht. Erst im Jahre 1795, als der Moskauer Metropolit Platon ihm seine Aufmerksamkeit zuwandte, begann die vollständige Restauration des Klosters.
Und dieses Kloster, welches der Eremit Opta gegründet hatte, welches der unvergeßliche Platon wieder zur Blüte gebracht hatte und dem der gottliebende Filaret seine Fürsorge zukommen ließ, wurde im vergangenen Jahrhundert ebenso seiner äußeren Schönheit als auch seiner inneren Wohlbeschaffenheit wegen zurecht die "Lavra der Eparchie (Diözese) von Kaluga" genannt.
Wiedergeburt des geistigen Lebens
Am Anfang des 19. Jh. trat allmählich eine geistige Wiederbelebung ein. Viele Klöster, die zuvor in Verfall geraten waren, wie z.B. das berühmte Kloster von Valaam und die Kievo-Peçerskaja Lavra (Kiever Höhlenkloster) begannen langsam zu erstarken, aber ganz besonderen Ruhm unter den Klöstern erlangte in jener Zeit die Vvedenskaja Optina Pustyn', die zum Mittelpunkt des russischen kirchlichen Lebens wurde.
Noch in der Mitte des 18. Jh. gaben zwei mäch-tige Persönlichkeiten den Anstoß zum Wiederauf-leben des "innerlich-geistlichen Tuns": der eine - Archimandrit Paisij Veliçkovskij erneuerte über die Grenzen Rußlands hinaus die Lehren über das geistliche Gebet; der andere - der hochwürdige Gavriil, Metropolit von Sankt-Petersburg, schaffte die "Pflanzschulen", von wo aus diese Lehre sich ausbreiten konnte. Die von Paisij Veliçkovskij über-setzte und von Metropolit Gavriil herausgegebene "Tugendliebe" (Philokalia, Dobrotoljubi) diente als Grundlage dieser Bewegung. Es war die Rückkehr zu den lebendigen Quellen der patristischen Theologie. Die slawisch-russische Ausgabe der Tugend-liebe war ein wichtiges Ereignis, nicht nur für die Geschichte des russischen Mönchstums, sondern für die Geschichte der russischen Kultur insgesamt.
Der S'chima-Archimandrit Paisij, der im weltlichen Stand den Namen Pjotr Ivanoviç Veliçkovskij trug, wurde 1722 geboren; seit seinen Kinderjahren träumte er vom Mönchsleben, besuchte viele Klöster und da er in keinem von ihnen ein strenges monastisches Leben vorfand, begab er sich zuerst auf den Athos und dann in die Moldau, wo er sich vor allem als Erbauer von Klöstern hervortat. In ihnen erweckt er die besten Vermächtnisse des byzantinischen Mönchstums zu neuem Leben. Das Njametzkij-Kloster wird unter dem Starez Paisij zu einem großen Literaturzentrum, zu einem Herd der theologisch-asketischen Erleuchtung. Teilweise alleine, teilweise zusammen mit seinen Schülern übersetzt er die asketischen Werke von 24 Vätern, welche die erste Ausgabe der Tugendliebe darstellen. Außer der Tugendliebe übersetzte er aus dem Griechischen die Werke des großen Lehrers des inneren Lebens Isaak des Syrers, weiterhin die Werke von Maximus dem Bekenner, das Leben des Gregorios Sinaitis und die Predigten von Gregor Palamas, er verbesserte die alten slawischen Übersetzungen der Schriften von Makarios dem Großen, Johannes Klimakos, Barsonophios, Thalasios und Simeon dem Neuen Theologen. Selber schrieb er auch "Sechs Kapitel über das innerlich-geistliche Gebet". Durch sein Wirken erwies Paisij Veliçkovskij dem orthodoxen Mönchstum einen großen Dienst. Er belebte das russische Mönchstum, erweckte in ihm den Geist des alten Asketentums, erstens durch seine Übersetzungen der patristischen Literatur, und zweitens durch die Ausbildung einer ganzen Reihe von Schülern. Der Ruhm vom Wirken von Paisij Veliçkovskij als Starez, seiner Mühen um die Übersetzung der Werke der Heiligen Väter breitete sich über ganz Rußland aus. Er war nicht nur in monastischen Kreisen bekannt, sondern auch unter dem russischen Volk, und viele der besten russischen Mönche kamen zu ihm, um seine Schüler zu werden. Diese Mönche, die die Probezeit im Mönchsleben unter der Führung des Starzen Paisij durchmachten, kehrten bereichert durch die Erfahrung des geistigen Lebens später wieder in ihre Heimat nach Rußland zurück. Nach Rußland zurückgekehrt, wurden die Schüler des Starzen Paisij zu Übermittlern der Grundlagen des alten Asketentums, welches den Schwerpunkt des Mönchslebens auf die Seele legte und nicht nur auf zeitweilige Askeseleistungen.
Die Sphäre der Durchdringung und Ausbreitung dieser Lehre läßt sich in drei Kreise einteilen: den nördlichen, den mittleren und den südlichen.
Im nördlichen Kreis lassen sich folgende Zentren nennen: Solovki, Valaam und die Alexander-Nevskij-Lavra, die im eigentlichen Sinne der Mittelpunkt von allem war. Im Kloster von Solovki wur-de die Tradition des Paisij von dem Hiero-S'chima-mönch Feofan eingeführt. Auf der Insel Valaam und im Alexander-Svirskij-Kloster wirkten die Schü-ler des Starzen Paisij - der S'chimamönch Feodor und der Hiero-S'chimamönch Kleopa, die unter der Führung des großen Starzen "die Kunst aller Kün-ste", das "innerlich-geistliche Tun", d.h. das ununterbrochene Geist-Herzensgebet erlernt hatten. Über sie gelangte diese Lehre durch Starez Leonid in die Optina Pustyn'.
Die eigentliche Seele des nördlichen Kreises jedoch lag in Petersburg. Von dort aus erfolgte die Ernennung der Äbte und Klostererneuerer. So wurde z.B. von Sarov der Igumen Nazarij nach Valaam abgerufen und von anderen Orten auch noch andere Äbte. In den Händen von Metropolit Gavriil liefen alle Fäden zusammen und er war es, der den nötigen Anstoß und die notwendige Richtung gab. Bei ihm in der Lavra findet sich anfänglich auch Filaret ein, der in der Folge die Brüder Putilov führte. Einer dieser Brüder, der S'chima-Archimandrit Moisej wurde dann der große Abt-Vorsteher von Optina. Derselbe Filaret führte in Moskau auch die Brü-der Kirejevskij - die Mitarbeiter des Starzen Makarij von Optina bei der Herausgabe der patristischen Literatur.
Der Mittelkreis: seine Hauptstützpunkte waren - Moskau, die Eparchien (Diözesen) von Vladimir und Kaluga, das Kloster von Brjansk in der Eparchie von Orjel und die Wälder von Roslavl'. Als die hervorragendste Persönlichkeit erscheint hier Va-ter Kleopa, der Abt der Vvedenskaja Pustyn' der Eparchie von Vladimir. Schüler von Vater Kleopa waren der Archimandrit Feofan, sein Freund Archimandrit Ignatij, der mit ihm den Grundstein für das Sanaxar-Kloster legte. Archimandrit Ignatij baute nach Vater Kleopa die Vvedenskaja Pustyn' auf, später auch die Pe‚no‚skaja Pustyn', und im Jahr 1788 machte er sich an die Restauration des Tichvin Klosters in der Eparchie von Novgorod. Er ent-schlief im Jahre 1796 im Simonov-Kloster, das er ebenfalls zu neuem Leben gebracht hatte. Ein weiterer Schüler von Starez Kleopa war Makarij von Pe‚no‚, der Stellvertreter von Archimandrit Ignatij nach dessen Versetzung nach Tichvin. Sein Kloster war sozusagen eine "Pflanzstätte", aus der 24 Äbte für verschiedene Klöster hervorgingen; außer-dem wurde von dort auch Avraamij ausgesandt, der die Optina Pustyn' wieder aufbaute.
Ein anderer wichtiger Ort, von wo aus sich die Bewegung des Paisij Veliçkovskij entwickelte, war Moskau, und hier vor allem das Simonov- und das Novospasskij Kloster. Im ersteren wirkten zwei Schüler des Paisij, die Mönche Pavel und Arsenij. Abt war, wie schon erwähnt, Archimandrit Ignatij. Im Novospasskij Kloster lebten die Priestermönche Filaret und Alexander - Schüler des Paisij-Schülers Afanasij (Sacharov), der über sieben Jahre lang bei seinem Lehrer Paisij verbracht hatte und von ihm die Mönchsweihe bekommen hatte. Im Jahre 1777 kehrte Vater Afanasij nach Rußland zurück und ließ sich in der Flori‚çevaja-Pustyn' nieder. Von dort aus fuhr er nach Moskau, wo er auch mit den Priestermönchen Filaret und Alexander verkehrte.
Ein weiterer wichtiger Ort, wo die von Starez Paisij ausgehenden spirituellen Fäden zusammenliefen, war das Brjansk-Svensk Kloster. Dort wirkte der S'chimamönch Afanasij, einer von den Senatssekretären (derselbe der dem Metropoliten Gavriil die "Tugendliebe" gebracht hatte). S'chimamönch Afanasij führte die Brüder Putilov (einer davon Moisej, Abt von Optina), und der Priestermönch Afa-nasij (Sacharov) führte während seines Aufenthal-tes im Plo‚çanskij Kloster den zukünftigen Starzen von Optina Makarij. Von dem erstgenannten Vater Afanasij des Svenskij-Klosters erlernte auch der Abt des Klosters das "innerlich-geistliche Tun": der berühmte Filaret, der spätere Rektor der Moskauer Geistlichen Akademie, Bischof von Kaluga und Metropolit von Kiew, der Beschützer des Mönchs-tums und des Starzentums, welcher im Jahre 1822 das Skit von Optina gegründet hatte. Er überredete die in den Roslavl'schen Wäldern lebenden Einsiedler, ein Skit bei der Optina Pustyn' zu gründen. Auf diese Weise gelangten Vater Moisej mit seinem Bruder Antonij und die Einsiedler Ilarion und Savvatij nach Optina. Optina war wie ein Kelch, in welchem der ganze kostbare spirituelle Wein zusammenfloß.
Im dritten, südlichen Zentrum sind von den unmittelbaren Schülern des Starzen Paisij bekannt: der Mönch Gerasim, der von Starez Paisij die Mön-chsweihe empfangen hatte, der Priester-S'chima-mönch Liverij und noch andere. Ein Schüler von Vater Liverij und gleichzeitig auch von Archimandrit Feodosij, der aus der Moldau in die Sofroniev-Pustyn' gekommen war, war der bekannte Geisteskämpfer der Glinsk-Pustyn' Filaret. Von ihm ging die Glinsker Linie des Starzentums aus.
Es handelt sich hier nur um ein Schema: Nor-den, Mitte und Süden. Das wichtigste Gebiet jedoch, von wo aus sich die Bewegung des Paisij ausbreitete, war der Norden: die Alexander-Nevs-kij-Lavra in Petersburg, wo der große Metropolit Gavriil wirkte, der seinen spirituellen Garten so gut anlegte, bepflanzte, stärkte und pflegte, daß er glän-zende Früchte hervorbrachte.
Metropolit Gavriil wurde am 18. Mai 1730 in Mos-kau geboren. Er studierte an der slawisch-grie-chisch-lateinischen Akademie von Moskau, die er 1750 absolvierte. Bald trat er als Korrektor in das Büro der Moskauer Synodaldruckerei ein. 1759 wurde er Mönch und wurde zum Lehrer im Priesterseminar der Lavra ernannt. Danach durchlief er folgende Ämter: Rektor dieses Seminars, Vorste-her der Lavra und Rektor der slawisch-griechisch-lateinischen Akadamie. 1763 wurde er auf den Bischofsstuhl von Tver' berufen. Am 1. Januar 1775 wurde seiner Fürsorge auch die Eparchie von Novgorod unterstellt. 1783 wurde ihm der Titel eines Metropoliten verliehen. Am 19. Dezember 1800 wurde er aus Krankheitsgründen in den Ruhestand versetzt. Er starb am 26. Januar 1801 in Novgorod.
Die Persönlichkeit des Metropoliten Gavriil trug den Umständen entsprechend einen zwiefachen Charakter. Für die Außenstehenden war er ein prunkvoller Würdenträger der Zeit Katharinas der Großen. Aber in seinem Zellenleben verhielt sich dieser zeitgenössische Magnat und gelehrte Mönch wie ein demütiger Asket. Er verfolgte streng seine Linie: den Aufbau, die Wiederherstellung und Erneuerung des kirchlichen Lebens. Abgesehen von seiner äußeren Tätigkeit glänzte Metropolit Gavriil auch noch als Prediger und geistlicher Schriftstel-ler. In seinen Predigten wirkte er besonders auf die Vernunft der Zuhörer ein. Er war ein fruchtbarer Schriftsteller, und seinen Werken kommt eine gros-se Bedeutung zu. Das Hauptbetätigungsfeld von Metropolit Gavriil jedoch war das Mönchstum, für dessen Wiederherstellung er alle seine Kräfte einsetzte. Er war die Zentralgestalt in dieser Zeit der Restauration. Die große Blüte des Mönchtums ist weitgehend ihm zu verdanken. Sein Assistent, Archimandrit Feofan bemerkte treffsicher über ihn: "Das Mönchstum kennt er, obwohl er alles nur in den Schulen gelernt hat, besser als wir". Der hoch-geweihte Gavriil war ein Mann der Tugenden und Weisheit, ein Theologe und Philosoph, aber mehr als all dies war er wohlgefällig vor Gott, dem Herrn. Er war ein heiliger Glaubenskämpfer und Asket. Archimandrit Feofan hatte enge Beziehungen zu all den vielzähligen Asketen seiner Epoche, daher schätzte der Metropolit Gavriil, der eher ein Gelehr-ter war und wenig Gelegenheit zum Reisen und zum Umgang mit verschiedenartigen Leuten hatte, sehr die Dienste seines Assistenten in dieser Hinsicht und machte sich seine Beziehungen zu der Welt der echten Einsiedler zunutze. Bei der Wie-deraufrichtung der Klöster erwies Vater Feofan dem russischen Mönchtum unschätzbare Dienste, indem er für die einzelnen Orte die entsprechenden, erfahrenen Äbte, welche ihm selber bekannt waren, auswählte. Auf diese Weise wurden alle geheimen Knechte Gottes, die sich in tiefen Kräh-winkeln verbargen, hervorgeholt und auf den Schef-fel gestellt, "damit sie allen im Hause leuchten" mögen.
Zuerst wurde auf den Rat von Archimandrit Feofan der nicht studierrte Vater Ignatij zum Archimandrit des Tichviner Klosters ernannt, und von da an begann man, auch solche Mönchein den Rang von Archimandriten zu erheben, die keine formale Hochschulbildung besaßen.
Eine andere hervorragende Persönlichkeit, die von Archimandrit Feofan ins Licht gerückt wurde, war Igumen Nazarij - der große Asket von Sarov. Metropolit Gavriil übertrug ihm die Wiederherstellung des Valaam-Klosters. Vater Nazarij hielt die Regel strengstens ein. Die geistliche Lektüre war die Nahrung seiner Seele. Sein Denken war so sehr vom Göttlichen durchdrungen, daß er für die weltlichen Dinge überhaupt keine Worte fand. Wenn er jedoch über Gott sprach, dann vergaßen seine Zuhörer die Zeit. Auf Wunsch von Metropolit Ga-vriil führte Vater Nazarij in Valaam die gemein-schaftliche Regel des Sarov-Klosters ein; er setzte drei monastische Lebensweisen fest: die koinobitische, die skitische und die eremitische. Valaam begann in der ganzen orthodoxen Welt bekannt zu werden, sogar die dorthin kommenden Athos-Mön-che waren so angetan von ihm, daß sie sagten, der inneren Ordnung nach stände es sogar höher als die Athos-Klöster.
In der Gegend von Tambov und Niœgorod erstanden unter Führung von Vater Nazarij auch viele Frauenklöster. Vor Vater Nazarij, der die Ga-be der Voraussicht besaß, lagen die Gedanken und Sünden der Menschen offen da. Der Starez, der selber das innerlich-geistlich Gebet pflegte, schrieb über dieses: "Laßt uns mit dem Geist und auch mit dem Verstand beten. Erhebt euch doch zu den Worten des Apostels Paulus: 'Ich will lieber wenige Worte mit meinem Verstand reden, als zahllose Worte mit der Zunge' (1. Kor. 14,19). Es ist unvorstellbar, wie glücklich wir sind, daß wir würdig sind, diese wenigen Worte auszusprechen! Welch eine Freude! Herr Jesus Christus, erbarme dich über mich Sünder! Stellt euch doch vor: Der Herr, den ich rufe, ist der Schöpfer, der Erschaffer von allem, vor Dem alle himmlischen Kräfte erzittern! Verstand und Herz in eines fassen, die Augen schließen, die geistigen Augen zum Herrn er-heben! O süßester und liebster Herr Jesus Christus, Sohn Gottes!"
Der Abt der Vvedenskaja-Pustyn', Vater Kleopa, empfing seine monastische Ausbildung auf dem Athos und übte sich im inneren Gebet und im "geistlichen Tun" zusammen mit dem großen Starzen Paisij Veliçkovskij. Vater Kleopa lehrte: "Man darf nicht alle auf gleiche Weise führen, manche kann die grobe Speise auch zur Erschöpfung brin-gen. Die einen kamen aus der Armut, von einem mühseligen Leben zur Ruhe, andere wieder vom Reichtum, von feiner Erziehung: ihnen wird es schon hoch angerechnet, daß sie den Reichtum hinter sich ließen. Essen und Trinken stellt uns doch nicht vor Gott".
Der ehrwürdige Seraphim von Sarov (1759-1833) war der leuchtendste und zeitnaheste Vertreter der wiedererstandenen spirituellen Schule des "innerlich-geistlichen Tuns". Der heilige Seraphim stellt die lebendige Verkörperung jener Vollkommenheit dar, zu der ein auf Erden Geborener aufsteigen kann.
Die Quelle des lebendigen Wassers, die sich von alters her in der Tiefe des Mönchtums erhielt, aber nun schon fast ganz ausgetrocknet war, mischt sich im Hl. Seraphim mit den Frühlingswas-sern der von Paisij Veliçkovskij wiederbelebten Lehre der heiligen Väter über das innere Tun und wird in seiner Person zu einem solch mächtigen und starken Strom, der bis in unsere Tage durch seine Größe und seine Macht die geistige Welt in Erstaunen setzt.
In der Erfahrung des Hl. Seraphim erneuert sich die althergebrachte Tradition der Suche nach dem Geist. Das uralte Ziel unseres und des christlichen Lebens besteht in dem "Erwerb des Heiligen Geistes Gottes". Alles andere soll nur als Mittel da-zu dienen. Unter dem Öl, das den törichten Jungfrauen des Evangeliums-Gleichnisses ausgegangen war, versteht der Hl. Seraphim nicht die guten Werke, sondern eben die Gnade des Heiligen Geis-tes. Indem sie tugendsame Werke verrichteten, meinten diese Jungfrauen aus ihrer geistlichen Unwissenheit heraus, daß darin das christliche Leben beschlossen liege, aber darum, ob sie die Gnade Gottes erlangt hatten, ob sie ihrer würdig waren, kümmerten sie sich nicht. Der Geist wird geschenkt, aber man muß auch nach ihm verlangen.
Die Vvedenskaja Optina Pustyn' wurde zum bes-ten Vertreter der geistlichen Wiedergeburt in Ruß-land. Sie war eine wundervolle geistliche Oasis, wo sich die Charismen der ersten Jahrhunderte des Mönchtums wiederholten. Und diese Gnadengaben erfuhren ihren besten Ausdruck in einer besonderen Art der geistlichen Dienstleistung - dem Starzentum.
Das Starzentum, das an und für sich eine Fortsetzung des Prophetentums darstellt, taucht unter diesem Namen und in dieser Form erst im 4. Jh., zusammen mit dem Entstehen des Mönchstums auf, zu dem es den Anstoß gab.
Der prophetische Dienst ist ein außerordentli-ches Charisma, eine Gabe des Heiligen Geistes. Der Prophet verfügt über eine besondere geistliche Schau - die Unterscheidungsgabe. Für ihn verschieben sich sozusagen die Grenzen von Raum und Zeit, mit seinem geistigen Blick schaut er nicht nur jetzt stattfindende Ereignisse, sondern auch die zukünftigen, er erkennt ihren geistlichen Sinn und kann die menschliche Seele sowie ihre Vergangenheit und ihre Zukunft sehen.
Das gnadenvolle Starzentum ist eine der höchs-ten Erscheinungen im geistlichen Leben der Kir-che, es ist ihre Blüte, die Krone der spirituellen Leistungen, die Frucht des Hesychasmus und der Gottesschau. Der Einfluß des Starzentums ging weit über die Grenzen der Klostermauern hinaus. Die Starzen gaben nicht nur den Mönchen, sondern auch den Laien geistige Nahrung. Da sie die Unterscheidungsgabe besaßen, "erbauten, ermahnten und trösteten" (1. Kor. 14,3) sie alle, sie heilten die seelischen und körperlichen Leiden, warnten vor Gefahren, zeigten den richtigen Lebensweg auf, und offenbarten den Willen Gottes. Das Starzentum ist ein Charisma, welches der Apostel Paulus "die Gabe der Unterscheidung" nennt. Es findet seinen Ausdruck in der geistlichen Führung auf dem Weg zur Erlösung und fordert von dem Träger dieser Gabe eine liebevolle Für-sorge für die ihm anvertrauten Seelen.
Vom Anfang seiner Entstehung an machte sich das Mönchtum die Erlangung der Leidenschaftslosigkeit zum Ziel. Auf diesem Weg zur Leidenschafts-losigkeit bedarf es eines Führers, eines Lehrers oder Starzen, der selbst diese Schule durchlaufen und bereits den Zustand der Leidenschaftslosigkeit erlangt hat. "Wer für würdig erfunden wurde, in dieser Verfassung, d.h. der Leidenschaftslosigkeit, zu sein, der ist schon hier, obwohl noch mit dem vergänglichen Fleisch umhüllt, zu einem Tempel des Lebendigen Gottes geworden, Welcher ihn in all seinen Worten, Taten und Gedanken führt; dank der inneren Erleuchtung erkennt er den Willen des Herrn, als ob er einer Stimme lauschen würde" (Bischof Feofan Vy‚enskij).
Das wahre Starzentum ist eine besondere Gnadengabe, ein Charisma, die unmittelbare Führung durch den Heiligen Geist, eine spezielle Form der Heiligkeit.
So wird der gnadenreiche Starez, der in eigener Erfahrung die Schule der Enthaltsamkeit und des Geist-Herzensgebetes durchgemacht hat, der also vollkommen in den Gesetzen des spirituell-psychischen Lebens gefestigt ist und selber Leidenschaftslosigkeit erlangt hat, von nun an fähig, den am Anfang stehenden Mönch in seinem "unsichtbaren Kampf" auf dem Weg zur Leidenschafts-losigkeit zu führen.
Das Wesen der Ordnung des Starzentums liegt darin, daß aus den in einem Skit oder in einer Klos-tergemeinschaft lebenden Brüdern ein im geistlich-asketischen Leben erfahrener und als gottesfürch-tig bekannter Mönch als Führer, als geistlicher Va-ter, als Starez ausgewählt wird. Voll guten Willens begeben sich die Schüler jederzeit zu dem erwähl-ten Starzen, eröffnen ihre ganze Seele vor ihm, decken ihre Gedanken, Schritte und Wünsche vor ihm auf, bitten ihn um Rat und gehen mit seinem Segen entschlossen ans Werk. Die geistlichen Kin-der sagen sich von ihrem eigenen Willen, ihren Gedanken und Vorstellungen los, und all dies tun sie ohne Widerrede, indem sie sich ihm ohne Zweifel unterordnen" (E. Poseljanin, Briefe über das Mönchtum, S. 8).
Die Besonderheit der Einrichtung des Starzen-tums liegt im Vergleich mit anderen Arten der mo-nastischen Lebensweise in der strengen und voll-ständigen Einhaltung des Gehorsamsgelübdes dem geistlichen Führer, dem Starzen gegenüber. "Laß dein eigenes Wollen und Ermessen fahren, um nach dem Göttlichen Wollen und Ermessen zu handeln - das ist die geistliche Bedeutung der Star-zen-Ordnung". Der Starez wird dem Schüler Verstand, Gewissen und Herz.
"Die ganze Kraft der Starzen-Führung liegt in dem Bund zwischen Starez und Schüler, gemäß dem der geistliche Vater, der Starez, vor dem An-gesicht Gottes die Aufgabe der Führung der Seele zur Erlösung auf sich nimmt, und der Schüler sich furchtlos und ganz mit Leib und Seele dem Lehrer hingibt" (A. Solovjev, Das Starzentum nach der Lehre der heiligen Väter und Asketen, S. 53).
Kein anderes Kloster wurde so berühmt durch seine Starzen wie die Optina Pustyn'. Tatsächlich zeichneten sich die Starzen von Optina durch die höchste aller Gaben, durch die Gabe der Unter-scheidungskraft aus. Wie es in den apostolischen Zeiten die Propheten taten, so trösteten auch jetzt die Starzen die Leidenden und verkündeten die Zukunft nach dem Willen Gottes.
Das Starzentum in der Optina Pustyn' läßt sich auf den S'chima-Archimandrit Paisij Veliçkovskij zurückführen. Er stellte das Starzentum auf eine so solide Basis, wie es sie in keinem anderen Klos-ter im 18. Jh., weder in Rußland noch auf dem Athos, gab. In der ersten Hälfte des 18. Jh. war das Starzentum in den russischen Klöstern ganz in Vergessenheit geraten.
Die Zelle von S'chima-Archimandrit Paisij blieb offen bis 9 Uhr abends, jeder hatte freien Zugang zu ihm. "Die einen kamen wegen körperlicher Be-dürfnisse, die anderen seelischer Nöte wegen." Außer dem unmittelbaren Anhören der Gedanken der Brüder, berichtete ihm sogar noch jeder ältere Mönch, dem ein Novize anvertraut war, über einen geistlichen Sohn, "wenn er selbst mit ihm nicht zurecht kam". Starez Paisij gab ihm dann seine Rat-schläge. Auf diese Weise hatte Paisij Veliçkovskij die Möglichkeit, die gesamte Bruderschaft der ihm unterstellten Klöster zu führen.
Aus den Wäldern von Roslavl' übersiedelten die Nachfolger von Paisij nach Optina mit dem S'chi-ma-Priestermönch Lev an der Spitze. Starez Lev, von mächtiger und gebieterischer Natur, eröffnet die Reihe der Starzen. Sein Schüler und Mitarbei-ter Vater Makarij führte eine Gruppe von Gelehrten und Literaten, von Mönchen und Laien, welche die Übersetzungen des Starzen Paisij aus dem Griechischen der Schriften der großen Asketen des Altertums - wie z.B. Isaak des Syrers, Makarios des Großen und Johannes Klimakos - überarbeiteten und in eine literarische Sprache brachten.
Unter dem Starzen Vater Amvrosij - einem Schü-ler von Vater Lev und Vater Makarij, erlangte Optina seine größte Blüte. Der Ruhm des Starzen ergießt sich über ganz Rußland.
Die darauffolgenden Starzen waren: Vater Ana-tolij (Zercalov); Iosif, ein Schüler von Starez Amvrosij; Starez Varsonofij, der in der Welt Generalstabsoberst war und an Gnadenfülle seinen Lehrern gleichkam. Die letzten Starzen waren Feodo-sij, der Weise; Anatolij (Potapov), der Tröster; Nektarij und Nikon führten dieselbe Tradition fort.
Von dem Augenblick an, als sich in Rußland die Lehre der alten ägyptischen Wüstenväter vom "innerlich-geistlichen Tun" verbreitete, wurde also die Optina Pustyn' zum Mittelpunkt dieser Bewegung und des mit ihm verbundenen Starzentums. Die Optina Pustyn' gab der ganzen christlichen Welt eine Pleiade von gottweisen Starzen, die fast ein ganzes Jahrhundert hindurch aber und aber Tausende von Menschen geistig nährten und ihnen Stärkung und Erbauung zuteil werden ließen.
Bote 1990-4
Optina*
* Fortsetzung. Anfang s. Bote Nr. 1/90 ff.
Vater Moisej, der nach seinen eigenen Worten von dem Wohlwollen des Hierarchen, von der Gunst des Igumen Daniil der Optina Pustyn', und von der Aufmerksamkeit eines ihrer Starzen, Vater Bassians, angezogen war, konnte, wenn er auch im Herzen der Ausführung ihres gemeinsamen Vorhabens zustimmte, sich dennoch nicht gänzlich, ohne Beratschlagung mit seinen eigenen Starzen und den mit ihm lebenden Brüdern, dazu entschließen.
So fuhr Vater Moisej mit einem Brief von Bischof Filaret in der Hand zu den Einsiedlern von Roslavl, worin sie eingeladen wurden, sich unter seine Fittiche zu begeben und in die Diözese von Kaluga überzusiedeln. Er berichtete seinen Mitbrüdern in der Askese von seinen Eindrücken. Nachdem die Einsiedler ihn angehört hatten, stimmten sie freudig ein, diesem Ruf zu folgen, zumal sie in ihm einen Ruf Gottes sahen, denn durch die Zulassung des Herrn wurde ihre friedliche Schweigsamkeit allmählich durch die Ansprüche der umgebenden Zemstvobehörden (Landverwaltung) untergraben. Mit Vater Moisej gelangten auch sein Bruder Vater Antonij und zwei weitere Mönche, Ilarion und Savvatij, in die Optina Pustyn'.
Am 6. Juni 1821 kamen sie in der Optina Pustyn' an und wurden vorerst im Bienengarten des Klosters einquartiert. Nach einem geistlichen Gespräch über die Regeln für das Skit-Leben im Geiste der heiligen Wüsteneremiten wurden die Einsiedler von dem Hochgeweihten Hierarchen persönlich unterwiesen und sie empfingen seinen Segen zur eigenen Auswahl eines geeigneten Ortes im Wald in der Nähe der Optina Pustyn'. Nach gegenseitiger Beratschlagung wählten sie einen Ort, den schon früher der selige Starez Ioannikij für das hesychastische Leben erkoren hatte und der mitten im Wald auf der Ostseite der Klosterbesitzungen, 170 Saœen vom Kloster entfernt, in der Nähe des Bienengartens lag.
Dann arbeitete Vater Moisej zusammen mit dem Igumen Daniil einen Plan zum Bau eines Skits aus, welchen sie dem hochgeweihten Filaret unterbreiteten, der ihn sofort mit folgender Resolution billigte: "Den 17. Juni des Jahres 1821: Gott der Herr möge den Bau eines Skits nach dem vorliegenden Entwurf segnen und Seine Gnade möge helfen, ihn fertigzustellen". Dabei wies der hochgeweihte Filaret in einem Brief den Igumen Daniil an: "Bis zur entscheidenden Niederlegung einer vollständigen Regel für die Bewohner des Skits möge jetzt schon folgendes gelten: 1. den Brüdern ist der Eintritt zum Skit ohne Ihre Erlaubnis und außerhalb der festgesetzten Zeiten zu verbieten, 2. dem weiblichen Geschlecht ist der Zugang dorthin vollständig zu verwehren, 3. andere weltliche Leute sind nur mit der Zustimmung ihres Starez zuzulassen, 4. überall, wo es möglich ist, beim Aufbau des Skits ohne Belastung für das Kloster zu helfen, ist diese Hilfe nicht zu verweigern, 5. verbieten Sie streng irgendwelche Bäume in der Umgebung dieses Skits zu fällen, damit es für immer verborgen bleibe... genug im Augenblick - in bezug auf das, was sich sonst noch als notwendig erweisen wird, darin vertraue ich auf Ihr mir bekanntes, gesundes Urteil und Bemühen".
Mit dem bischöflichen Segen , und unter Anrufung des Namens des Herrn ging nun Vater Moisej mit seiner Bruderschaft und dem Schemamönch Bassian ans Werk. Die Hauptarbeit bestand darin, den ausgewählten Ort von den jahrhundertealten Fichtenbäumen zu roden. Mit großem Eifer machten sich die Mönche an diese Arbeit und halfen eigenhändig den wenigen Lohnarbeitern.
Die Skitbewohner bauten sich vorerst mit dem an Ort und Stelle gefällten Holz eine Zelle, die nicht besonders groß war, in süd-östlicher Richtung, worin sie alle fünf auf Gemeinschaftsbasis lebten. Den gerodeten Ort umgaben sie mit einem Bretterzaun und dann machten sich mit dem Segen des Höchstgeweihten an den Bau einer Skit-Kirche im Namen der Synaxis des hl. Johannes des Vorläufers des Herrn.
Am 16. August 1821 begab sich Igumen Daniil nach der frühen Liturgie an den für die Grundsteinlegung vorbestimmten Ort und einige Verbeugungen gen Osten machend, sprach er: "Möge auf diesem Ort der Segen der Heiligen der Jordan-Wüste und aller ihrer Schweigemönche ruhen!" Am 18. August wurde vom Kloster zum Skit eine kleine Prozession ohne Läuten durchgeführt. Nach dem Singen eines Moleben (Bittgottesdienst) mit Wasserweihe wurde in dem Skit der Grundstein der Kirche im Namen des großen und ruhmreichen Propheten, Vorläufers und Täufers Christi, Johannes, des Beschützers aller in der Wildnis Lebenden, gelegt. In das Fundament der Kirche wurde ein Teil der Reliquien dieses Heiligen eingebettet. Die Einweihung der neu erbauten Kirche wurde am 5. Februar 1822 in feierlicher Weise mit einer Prozession vom Kloster aus vollzogen.
Am 3. Juni 1822 kleidete der Hierarch mit der Erlaubnis des Heiligsten Regierenden Synods Vater Moisej als Mönch ein. Am 24. Dezember desselben Jahres weihte er ihn zum Hierodiakon und am 25. Dezember zum Priestermönch, wobei er ihn gleichzeitig zum allgemeinen Geistlichen Vater der Optina Pustyn' bestimmte.
Nach und nach entstanden an den Seiten der Kirche eine Reihe von Häuschen für die Zellen der Brüder. Fruchtbäume wurden gesetzt und Pinien (Zedernußbäume), welche zu mächtigen Bäumen heranwuchsen und erst nach 25 Jahren Frucht trugen. Es wurden auch eine Menge Beerensträucher gepflanzt; auf der Ostseite des Skits wurden an einem kleinen Bach zwei Weiher angestaut.
Auf diese Weise wurde das Skit gegründet. Es sollte zum Herzen der Optina Pustyn' werden, zu einem Ort, wo der Puls ihres Lebens schlug und von dem eine gnadenreiche, das Leben der Klosterbewohner erleuchtende Kraft ausging.
Die Skit-Regel hatte dem inneren Gehalt nach zum Ziel: bei einmütigem Zusammenwohnen tiefste Schweigsamkeit, welche unumgänglich ist für die Reinigung des inneren Menschen und außerdem mit der aufmerksamen Beobachtung seiner selbst und ständigem Gebet einhergehen muß, das inneren Frieden schafft und die menschliche Seele durch die Gnade Gottes über die sichtbare Welt hinausführt, gemäß der Lehre und der Erfahrung der Heiligen Väter, die in der christlichen Kirche verherrlicht werden. In äußerer Hinsicht orientierten sich die Brüder an den Regeln der Satzung des Klosters von Konevez, die in der Optina Pustyn' durch eine Urkunde des Hochgeweihten Filaret 1824 eingeführt wurde. An allen Tagen, an denen es keinen kirchlichen Gottesdienst gibt, wird, angefangen vom Sonntagabend, in der Skit-Kirche der Psalter gelesen mit der Kommemoration: erstens des Wohlergehens und der Errettung der Lebenden und der ewigen Ruhe der verstorbenen Brüder des Skits, und zweitens der Gesundheit und Errettung der Lebenden und die Ruhe in ewiger Seligkeit der verschiedenen Seelen der frommen Stifter und Wohltäter des Klosters und des Skits, ihrer Eltern und Verwandten. Diese Lesung wird von den Skit-Brüdern, die sich alle zwei Stunden abwechseln, Tag und Nacht durchgeführt, ununterbrochen bis Samstag, d.h. bis zum Freitagabend, wenn die Lesung abgebrochen wird und die Vesper beginnt. Dann folgt zur angemessenen Zeit der Morgengottesdienst, und nach dem Beginn der Frühliturgie im Kloster wird auch hier die Liturgie zelebriert. Am Samstagabend werden die kleine Vesper und die Vigil zu ihrer Zeit zelebriert, am Sonntag die Liturgie. An den übrigen Tagen absolvieren die Brüder des Skits außer der Lesung des Psalters in der Kirche jeder einzeln für sich die Gebetsregel in den Zellen, oder auch zwei oder drei zusammen gemäß der Überlieferung der hl. Kirche und der vom Abt oder Geistlichen Vater gegebenen Anweisung. Was das Essen anbelangt, so gab es das ganze Jahr über Fastenspeise außer an Weihnachten, Ostern und jenen Wochen, für welche die hl. Kirche auch den im Mönchsstand Lebenden an allen Tagen Milch, Käse und Eier gestattet. Der Genuß von Wein, wird wie im Kloster, um so mehr noch im Skit im allgemein nicht gesegnet. Jeder der in dem Skit Lebenden überprüft seine Fortschritte, indem er all seine Gedanken seinem Starez aufdeckt oder sein Gewissen durch alltägliche Beichte auch der subtilsten Gedanken und geistlichen Zerstreuungen reinigt.
Im Jahr 1825 trat im Leben der Optina Pustyn' eine Veränderung ein. Am 28. Januar wurde Bischof Filaret auf den Bischofssitz von Rjazan' erhoben. Der Abt der Optina Pustyn' Igumen Daniil wurde zum Archimandrit befördert und in ein anderes Kloster (Dobrinsk) beordert, die Optina Pustyn' und ihr Skit jedoch wurden Vater Moisej zur Leitung anvertraut. Diese Ernennung stärkte den geistigen Zusammenhalt der Bruderschaft, sowohl des Skits als auch des Klosters, die nunmehr eine richtige geistige Familie darstellte.
Auf die Ernennung von Vater Moisej zum Abt der Optina Pustyn' hin wurde sein Bruder Vater Antonij zum Skit-Vorsteher bestimmt. Indem er dieses Amt versah, half er auch eifrig Vater Moisej. Vater Antonij war 14 Jahre lang Abt des Skits, und diese Jahre wurden für das Optina Skit sowohl in äußerer als auch in spiritueller Hinsicht eine Zeit des Aufbaus und der allgemeinen Basislegung, der eigentliche Anfang seiner Blütezeit.
Fast 40 Jahre lang war Vater Moisej Abt der Optina Pustyn'. Als er Optina unter seine Obhut nahm, bestand die Bruderschaft nur aus 40 Leuten. Während er sich um die äußere Wohlbeschaffenheit der Optina Pustyn' kümmerte, bemühte sich Vater Moisej nicht weniger um die geistige Vervollkommnung der Brüder, um die Einführung der Prinzipien des frühchristlichen Asketentums in das Leben der Brüder. Die 10 Jahre, die Vater Moisej unter den Asketen der Roslavler Wälder verbracht hatte und in denen er sich nach der Art der alten ägyptischen Wüstenväter in der Askese geübt hatte, dienten ihm als Vorbereitung zur spirituellen Vollkommenheit. Er war sowohl ein echter Mönch als auch ein erfahrener Verwalter und Erbauer. Als ein strenger Asket und Mensch seltener Güte und Nachsicht war er der erste in der Kirche und der erste bei der Arbeit; niemals tat er sich durch irgend etwas unter den älteren Brüdern hervor, aber ohne sein Wissen ereignete sich auch nichts im Kloster.
Angezogen vom Ruhm des weisen und sanften Abtes des Optina Klosters strömten in das neu erbaute der Schweigsamkeit geweihte Skit von verschiedenen Seiten her Starzen herbei, die weise im geistlichen Leben und stark in der Askese waren. 1829 kam aus dem Alexander-Svirskij-Kloster der bekannte Starez Vater Leonid mit fünf Schülern, und 1834 rief Vater Moisej den in der Plo‚çanskaja Pustyn' wohnenden Vater Makarij nach Optina. Mit Hilfe dieser Starzen bemühten sich die Brüder und die Vorsteherschaft von Kloster und Skit als erfahrene geistliche Männer, in der Optina Pustyn' den monastischen Geist der alten Väter einzuführen und auf diese Weise festigten sie die innere Grundlage des monastischen Geistes sowohl im Skit als auch im Kloster der Optina Pustyn'. So war es das Skit, der Wohnort der heiligen Starzen, das den historischen Ruhm der Optina Pustyn' schuf.
Nach mehrmaligen Versuchen gelang es Vater Moisej, die Zahl der Brüder zu vergrößern. 1857 waren schon 104 Mönche im Kloster, denn im Laufe der Zeit wurde der Optina Pustyn' gestattet, so viele Mönche aufzunehmen, wie sie nur Kapazität hatte.
Unter Vater Moisej wurden zwei Nebenkirchen an die Kirche des Einzuges der Mutter Gottes in den Tempel angebaut, das alte Refektorium wurde in eine Kirche im Namen der ehrwürdigen Maria von Ägypten umgebaut, es wurden neue Wohngebäude für die Brüder errichtet, das ganze Kloster wurde mit einer Steinmauer mit 7 Türmen umgeben; weiterhin wurde ein neuer Speisesaal, eine Bibliothek, ein Gebäudeblock für die Gästehäuser, ein Vieh- und ein Pferdestall, Dach- und Mauerziegeleien errichtet und das Skit wurde vollständig ausgebaut. Auf dem Land, das dem Kloster von allerhöchst vollständig im Jahr 1853 gegeben wurde, wurde eine Ferme für die Einbringung von Heu und den Fischfang gebaut. Es wurde schönes, gehörntes Vieh eingeführt. Die bestehenden Gemüsegärten wurden verbessert und neue wurden angelegt, die unentbehrlich wurden für die sich ständig vergrößernde Zahl der Brüder und Pilger. Um das Kloster herum und auf dem Gehöft wurden Obstgärten angelegt.
Im Todesjahr von Vater Moisej hatte das Kloster einen umfangreichen Grundbesitz von Acker, Weide und Wald. Im Laufe seiner Verwaltungszeit stieg die Anzahl der Brüder auf das vierfache.
Das ganze Leben von Archimandrit Moisej kann man folgendermaßen umschreiben: Er lebte verborgen in Gott. Unter ständigen äußeren Sorgen und Belastungen war in ihm "der verborgene Mensch des Herzens in dem unvergänglichen Wesen des sanftmütigen und stillen Geistes" (1. Petr. 3,4). Auf ihn trafen die Worte von Bischof Niphont zu: "In den letzten Zeiten werden jene, die in Wahrheit Gott dienen wollen, sich erfolgreich vor den Menschen verbergen und keine Zeichen und Wunder unter ihnen wirken wie in der gegenwärtigen Zeit, sie werden vielmehr den Weg des Handelns, durchsetzt mit Demut beschreiten, und im Königreich des Himmels werden sie größer sein, als die Väter, welche durch Zeichen und Wunder glänzten."
Am 15. Januar 1862 wurde Vater Moisej 80 Jahre alt, und im selben Jahr erkrankte er. Die erste schwere Krankheit seines Lebens war auch seine letzte. Mit den heiligen Mysterien ausgerüstet und ins große Schema eingekleidet, verschied Vater Moisej friedlich am 16. Juni 1862.
Groß war die äußere Mühewaltung von Vater Moisej, aber nicht durch sie verherrlichte er die Optina Pustyn', sondern sein Hauptverdienst besteht darin, daß er in dem ihm anvertrauten Kloster das Starzentum einführte. Da er aus seiner eigenen Erfahrung wußte, wie unerläßlich es für einen Mönch ist, sich unter der Führung eines Starzen zu befinden, lud er im Jahre 1829 den Priestermönch Leonid ein, ins Kloster überzusiedeln. Dieser hatte durch Befolgung der Lehre von Sche-ma-Archimandrit Paisij Veliçkovskij, großen Fortschritt im geistlichen Leben erlangt. Und wenn die Eparchie-Obrigkeit das Wesen des Starzentums auch nicht verstand und Starez Leonid verfolgte, so begriff doch Vater Moisej, der auf demselben geistigen Niveau wie Starez Leonid (Lev) stand, sehr wohl die große Bedeutung des Starzentums, und zwischen ihm und dem Starzen gab es niemals die geringsten Reibereien. Auf diese Weise blühte das Starzentum in Optina, dessen Bestehen es gänzlich Vater Moisej verdankte.
Die Starzenschaft wurde in Optina im Verlauf einiger Jahrzehnte stets vom Lehrer an den besten seiner Schüler weitergegeben. Die ununterbrochene Kette des Starzentums zeugt von der Höhe des geistlichen Lebens des gesamten Klosters, welches im Verlauf von Jahrzehnten viele echte Mönche und Männer des Geistes hervorbrachte, von denen die würdigsten die Starzen wurden.
(Fortsetzung folgt)