Von der Übung des Jesusgebetes

1. fehlt


Bote 1991 - 2
2. Verblendung (Prelest’)

Das erste Gebot, das vom Erlöser der Welt der ganzen Menschheit ohne Ausnahme gegeben wurde, ist das Gebot über die Reue: “Damals begann Jesus seine Verkündigung und sprach: Bekehret euch, denn nahe ist das Himmelreich”.
Der Heiland sagte mehrmals: “Gehet hin und lernet, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!” Das bedeutet: Der Herr erbarmte sich über die gefallene und zugrunde gehende Menschheit und gab allen die Reue als einzigstes Mittel zur Erlösung, weil alle vom Fall und vom Verderb erfaßt sind. “Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken”.
Die Ablehnung der Reue ist eine entsetzliche Grausamkeit sich selbst gegenüber. Nachlässigkeit in bezug auf die Reue ist eine schreckliche Kälte, eine Lieblosigkeit sich selbst gegenüber. Wer hart gegen sich selbst ist, ist auch unweigerlich seinem Nächsten gegenüber hart. Derjenige der sich seiner selbst erbarmt, indem er die Reue akzeptiert, zeigt dadurch auch seinem Nächsten gegenüber Barmherzigkeit. Geistliche Empfindungen sind einem Herzen, das nur fleischliche und seelische Gefühle kennt, völlig fremd. Solch ein Herz ahnt nicht einmal etwas von der Existenz geistlicher Gefühle.
 Allen ist wohl bekannt, in welche seelische Armut die jüdischen Schriftgelehrten und Pharisäer s durch ihre falsche innere Verfassung gerieten: sie wurden nicht nur Gott fremd, sondern sogar zu seinen leidenschaftlichen Feinden, zu Gottesmördern. Ein ähnliches Elend ziehen die Gebetskämpfer herbei, die sich von der Reue abgewandt haben; indem sie sich anstrengen, in ihrem Herzen Liebe zu Gott zu erwecken, indem sie versuchen, Seligkeit und Freude zu empfinden, verursachen sie nur ihren Fall, werden Gott fremd, treten in Gemeinschaft mit dem Satan und werden von Haß gegen den Heiligen Geist angesteckt. Diese Art von “Prelest’” ist schrecklich, sie ist genauso verderblich für die Seele wie die ersterwähnte, nur weniger offensichtlich; sie endet nur selten in Irrsinn und in Selbstmord, aber sie verdirbt entschieden den Verstand und das Herz. Gemäß dem durch sie hervorgerufenen Geisteszustand bezeichneten die Väter sie als “Einbildung” (Überheblichkeit). Ein mit dieser Art von “Prelest’” Behafteter bildet sich etwas auf sich ein, er meint, daß er viele Tugenden und Vorzüge habe, - auch daß er reich an Gaben des Heiligen Geistes sei. Die “Einbildung” besteht aus falschen Begriffen und Empfindungen: wegen dieser Eigenschaften, gehört sie gänzlich zum Gebiet des Vaters und Repräsentanten der Lüge, des Teufels. Der Betende, der sich bemüht, in seinem Herzen die Gefühle des neuen Menschen zu erwecken und der dazu keinerlei Befähigung hat, ersetzt sie durch die gefälschten Empfindungen seiner eigenen Dichtung, zu welchen sich bald darauf noch die Wirkung der gefallenen Geister gesellt. Indem er die unrichtigen Empfindungen seiner eigenen und dämonischer Herkunft für echte und durch die Gnade geschenkte hält, macht er sich eine diesen Empfindungen entsprechende Vorstellung zu eigen. Diese Empfindungen, die sich ständig dem Herzen mitteilen und sich noch in ihm verstärken, nähren und vermehren die irrigen Begriffe: es ist ganz natürlich, daß aus solch einer verkehrten geistigen Übung Selbsttäuschung und dämonische Verblendung (Prelest’), d.h. “Einbildung” (Überheblichkeit) erwachsen.
Den auf sich selbst Eingebildeten entlarvt der Herr folgendermaßen: “Du sagst ja: Ich bin reich und lebe in Fülle und brauche nichts - und du weißt nicht, daß du elend, bemitleidenswert und arm, blind und nackt bist”. Der Herr ermahnt auch den in die Irre Gegangenen zur Reue. Es gibt keine Erlösung ohne Reue, und die Reue empfangen nur diejenigen von Gott, die all ihr Vermögen verkaufen, um sie zu erwerben, d.h. die sich von allem lossagen, was sie sich fälschlicherweise an “Einbildung” angeeignet haben.
Menschen, die von Selbstüberhebung verblendet sind, trifft man sehr häufig. Jeder, der nicht ein zerknirschtes Gemüt besitzt, der sich irgendwelche Tugenden oder Verdienste zuschreibt, jeder, der sich nicht unverwandt an die Lehre der Orthodoxen Kirche hält und über irgendein Dogma oder irgendeine Überlieferung eigenmächtig, nach seiner eigenen Anschauung oder nach der Lehre der Andersgläubigen urteilt, befindet sich in “Prelest’”. An dem Grad der Abweichung und der Hartnäckigkeit der Abweichung ist der Grad von “Prelest’” erkennbar.
“Was hast du denn”, so fragt der Apostel, “das du nicht von Gott empfangen hättest?” Von Gott haben wir das Sein, das zukünftige Sein und alle natürlichen Eigenschaften, alle geistigen wie auch körperlichen Fähigkeiten. Wir sind Schuldner Gottes! Unsere Schuld ist unbezahlbar! Aus einer solchen Selbsteinschätzung heraus bildet sich von allein eine geistige Haltung, die der “Selbstüberhebung” entgegengesetzt ist, ein Zustand, welchen der Herr als “Armut im Geiste” bezeichnete, welchen Er uns zu pflegen auftrug und welchen Er seligpries. Es ist ein großes Unglück, sich aufgrund irgendwelcher abstrakter Überlegungen von der dogmatischen und moralischen Lehre der Kirche, von der Lehre des Heiligen Geistes abzuwenden! Das ist eine Hybris, die sich gegen die göttliche Vernunft erheben will. Man muß solch eine üble Vernunft im Gehorsam zu Christus entmachten und fesseln.
Eitelkeit und Sinnelust werden durch den Hochmut, diesen untrennbaren Begleiter der “Einbildung”, geweckt. Ein schrecklicher Hochmut, ähnlich dem Stolz der Dämonen, ist die beherrschende Eigenschaft derjenigen, die unter irgendeiner Form von “Prelest’” stehen. Die von der ersten Art von “Prelest’” Angesteckten führt der Stolz zum Zustand des offensichtlichen Wahnsinns. Bei den Verblendeten der zweiten Art, bei denen auch eine Art von geistiger Schädigung vorliegt, die in den heiligen Schriften als “Verwesung des Verstandes” bezeichnet wird und weniger auffällig ist, kleidet sich die Verblendung (Prelest’) in das Gewand der Demut, der Frömmigkeit, der Weisheit - sie ist nur an ihren bitteren Früchten erkenntlich.
Die von der “Einbildung” hinsichtlich ihrer eigenen Verdienste, besonders aber hinsichtlich ihrer eigenen Heiligkeit Angesteckten, sind zu allen Intrigen, zu jeder Heuchelei, jeder Bosheit, jedem Betrug und jeder Niedertracht fähig. Mit unversöhnlicher Feindschaft rasen sie gegen die Diener der Wahrheit, mit wütendem Haß stürzen sie sich auf sie, wenn diese in den Verblendeten einen solchen Zustand nicht erkennen, der ihnen zugeschrieben wird und der mit Blindheit geschlagenen Welt durch die “Einbildung” dargestellt wird. Der fleischliche Mensch kann sich geistige Zustände überhaupt nicht, auf keinerlei Weise, vorstellen; er hat auch keinerlei Begriff von dem Zustand des begnadeten Weinens: die Kenntnis dieser Gemütsverfassungen erwirbt man einzig und allein durch die Erfahrung.
Das allgemeine Kennzeichen geistiger Zustände ist eine tiefe Demut und bescheidene Weisheit, vereint mit der Bevorzugung des Nächsten sich selbst gegenüber, mit Wohlwollen und vom Evangelium gelenkter Liebe allen Mitmenschen gegenüber, bei gleichzeitigem Streben nach Verborgenheit und nach Zurückgezogenheit von der Welt.
Die von der “Einbildung” Besessenen sind größtenteils der Sinnenlust ausgeliefert und zwar ungeachtet dessen, daß sie sich selbst erhabene geistige Zustände zuschreiben, die bei einem richtigen asketischen Bemühen unerhört wären; einige von ihnen enthalten sich jedoch der groben Versklavung durch die Sinnlichkeit: sie enthalten sich ihrer allein deswegen, weil in ihnen die Sünde aller Sünden, nämlich der Hochmut, vorherrscht.
Aus dieser Art von “Prelest’” entstanden verderbliche Häresien und Schismen, Gottlosigkeit und Gotteslästerung. Die unglückseligste sichtbare Folge davon ist das “Böse”, d.h. die unrechtmäßige, für sich selber und für den Nächsten schädliche Aktivität. Ungeachtet seiner Offensichtlichkeit und weiten Verbreitung ist es nur wenig wahrnehm- und erfaßbar. Bei den von der “Einbildung” angesteckten Gebetseiferern kommt es gelegentlich zu sichtbaren Unglücksfällen, jedoch nur selten, weil die “Einbildung” den Geist zwar in eine schreckliche Verwirrung führt, ihn jedoch nicht zur Raserei bringt, wie dies die entstellte Phantasie tut.
Auf einer Insel von Valaam lebte in einer einsamen Einsiedlerhütte der Schemamönch Porphyrios; er führte ein Leben des Gebetes, welcher Art jedoch sein geistiger Kampf war, ist nicht genau bekannt. Daß er unrichtig war, kann man an der Lieblingslektüre des Schemamönchs erraten: er liebte nämlich das Buch des westeuropäischen Schriftstellers Thomas a Cempis von der Nachahmung Jesu Christi über alles und orientierte sich an ihm. Dieses Buch wurde aus der Stimmung der “Einbildung” heraus geschrieben. Porphyrios besuchte einmal abends im Spätherbst die Starzen des Skits, das in der Nähe seiner Einsiedelei lag. Als er sich von den Starzen verabschiedete, warnten sie ihn und sagten: “Laß dir nicht einfallen, übers Eis zu gehen; es hat sich gerade erst gebildet und ist noch sehr dünn”. Die Einsiedelei des Porphyrios war von dem Skit durch den tiefen Meerbusen des Ladogasees getrennt, den man umgehen mußte. Der Schemamönch antwortete mit leiser Stimme und scheinbarer Bescheidenheit: “Ich bin schon leicht geworden”, und entfernte sich. Nach kurzer Zeit hörte man einen verzweifelten Schrei. Die Starzen des Skits gerieten in Unruhe und rannten hinaus. Es war schon dunkel und sie fanden nicht gleich den Ort, an dem sich das Unglück ereignet hatte; nur mit Mühe gelangten sie zu dem Ertrunkenen: sie zogen seinen Körper heraus, aber die Seele hatte ihn schon verlassen.
In den Schriften der Väter ist ein riesiger geistlicher, christlicher und kirchlicher Schatz enthalten, nämlich die dogmatische und moralische Überlieferung der heiligen Kirche. Das Buch “Von der Nachahmung” jedoch führte den zuvor erwähnten Mann zur Selbsttäuschung, und gerade das ist “Prelest’”. Es besteht nämlich aus lauter unwahren Begriffen, die aus den falschen, durch das Buch vermittelten Empfindungen geboren wurden. In dem Buch wohnt und aus dem Buch atmet die Salbung des bösen Geistes, der den Lesern schmeichelt, sie mit dem Gift der Lüge, das durch die verfeinerten Zusätze von Überheblichkeit, Eitelkeit und Sinnenlust noch versüßt wurde, trunken macht. Das Buch führt seine Leser direkt zur Gemeinschaft mit Gott, ohne vorherige Reinigung durch die Reue: deshalb erweckt es auch ein besonderes Mitgefühl in leidenschaftlichen Menschen, die den Weg der Reue nicht kennen, die nicht geschützt sind vor Selbstbetrug und “Prelest’” und die noch nicht durch die Lehre der heiligen Väter der Orthodoxen Kirche in dem rechtmäßigen Lebenswandel unterwiesen wurden. Das Buch ruft eine starke Wirkung auf das Blut und die Nerven hervor, es regt sie an - und daher gefällt es besonders den von der Sinnlichkeit Geknechteten: durch das Buch kann man Glück genießen, ohne sich zuvor von den groben, durch Gefühlsüberschwang hervorgerufenen Genüssen losgesagt zu haben. Überheblichkeit, verfeinerte Sinnenlust und Eitelkeit werden in dem Buch als eine Wirkung der göttlichen Gnade dargestellt. Indem sich fleischliche Menschen ihrer eigenen Wollust in deren subtiler Wirkungsweise bedienen, geraten sie in Begeisterung aus Lust und Trunkenheit, welche ohne Mühe, ohne Selbstverleugnung, ohne Reue, ohne Kreuzigung des Fleisches mit seinen Lüsten und Leidenschaften, einfach durch den schmeichlerischen Zustand des Entzückens zu erreichen sind. Geführt von ihrer Blindheit und ihrem Stolz, schreiten sie freudig vom Lager der viehähnlichen Liebe zum Lustbett einer noch sträflicheren Liebe, die in den Liebeshäusern der verworfenen Geister herrscht.
All die einzelnen Formen der Selbstverblendung und der Verführung durch die Dämonen gründen auf den zwei oben genannten Hauptarten und gehen entweder aus der unrichtigen Tätigkeit des Verstandes oder des Herzens hervor. Besonders umfassend ist die Wirkung der “Einbildung”.

 

Bote 1991-3
3. Von der Übung des Jesusgebetes

Der Name unseres Herrn Jesus Christus ist göttlich - die Kraft und die Wirkung dieses Namens sind ebenfalls göttlich: sie sind allmächtig und  erlösend; sie gehen über unser Verständnis hinaus und sind ihm unerreichbar. Mit Glauben, Hoffnung und Fleiß, vereint mit großer Andacht und Furcht, wollen wir das große Werk Gottes ausführen, das uns von Gott aufgetragen wurde; wir wollen uns im Gebet des Namens unseres Herrn Jesus Christus üben. “Die ständige Anrufung des Namen Gottes”, so sagt der große Barsanophios, “ist eine Kur, die nicht nur die Leidenschaften heilt, sondern sogar auch ihre Auswirkungen”.
Unser gewöhnlicher Zustand sowie derjenige der gesamten Menschheit ist ein Zustand des Falles, der Verblendung (Prelest), des Verderbs. In diesem Bewußtsein und ihn gemäß diesem Bewußtsein wahrnehmend, werden wir betend aus ihm aufschreien, in der Zerknirschung unseres Gemütes heulen und mit Weinen und mit Stöhnen um Erbarmen flehen.
Der heilige Johannes Klimakos rät, den Geist in die Wortes des Gebetes einzuschließen, und ihn jedesmal, wenn er sich von den Worten entfernt, wieder zurückzuholen. Diese Methode ist besonders nützlich und angebracht. Wenn der Geist auf diese Weise in der Andacht verharrt, dann tritt auch das Herz durch demütige Zerknirschtheit mit dem Geist in Einklang - das Gebet vollzieht sich gleichzeitig im Geist und im Herzen. Die Worte des Gebetes müssen sehr langsam, sogar hingezogen ausgesprochen werden, damit der Geist die Möglichkeit hat, in die Gebetsworte einzudringen. Wir sind wie kleine Kinder, die sich um die Qualität des Gebetes und um die Aufmerksamkeit mit Hilfe der Einschließung des Gemütes in die Worte bemühen: wir müssen sehr viel beten. Die Menge dient als Ursache für die Güte. Der Herr schenkt demjenigen ein reines Gebet, der ohne Faulheit, häufig und ständig sein durch Unkonzentriertheit beschmutztes Gebet betet.
Der Mönch wird nicht leicht mit seinem Verstand fertig. Er kann ihn nur langsam lehren, gleichsam wie in einer Inhaftierung oder Klausur in den Worten des Gebetes zu verharren. Abgelenkt durch Leidenschaften, Eindrücke, Erinnerungen und Sorgen, welche er sich zu eigen gemacht hat, hebt der Geist des Anfängers ständig die für ihn erlösenden Bande auf, er verläßt den engen Pfad und begibt sich auf den breiten: er liebt es besonders, frei im Reich zwischen Himmel und Erde herumzuwandern, im Land der Verlockungen, ohne Ziel und ohne Überlegung mit den aus dem Himmel gestürzten Geistern herumzustreifen, was sehr schädlich für ihn ist.
Das mündliche Gebet geht von allein ins geistige über. Und aus dem geistigen Gebet entsteht das Herzensgebet. Das Jesusgebet soll man nicht mit lauter Stimme, sondern leise, nur für sich selber hörbar aussprechen. Bei besonderer Zerstreutheit, Trauer, Niedergeschlagenheit und Trägheit ist es nützlich, das Jesusgebet hörbar zu sagen: durch das laut gesagte Jesusgebet erwacht die Seele allmählich aus dem schweren moralischen Schlaf, in den sie gewöhnlicherweise durch Trauer und Schwermut gestürzt wird: es ist sehr gut, bei einem verstärkten Ansturm von Gedanken das Jesusgebet mündlich zu vollziehen, sowie bei Phantasien fleischlicher Herkunft und bei Zorn, wenn sich durch deren Einwirkung das Blut erhitzt und kocht, wenn Friede und Stille aus dem Herzen schwinden, wenn der Verstand ins Wanken gerät, schwach wird, gleichsam herabstürzt und sich mit einer Menge unnötiger Gedanken und Träumereien behaftet: die bösen Fürste der Lüfte (Dämonen), deren Gegenwart mit körperlichen Augen nicht wahrnehmbar ist, aber von der Seele an ihrer speziellen Einwirkung erkannt werden, geraten beim Hören des für sie furchtbaren Namens des Herrn Jesu in Verwirrung und Verlegenheit, sie erschrecken und zögern nicht, die Seele zu verlassen. Sprich das Jesusgebet mit der Zunge, nur dir selber hörbar und ohne Eile aus und schließe dabei den Geist in die Worte des Gebetes ein.
Der hl. Nil entlehnte seine Methode von den griechischen Vätern, von Simeon dem Neuen Theologen und Gregor Sinaitis und vereinfachte sie ein wenig. Der hl. Nil sagt: “Das was diese Heiligen hinsichtlich der Einhaltung des Atems sagen, nämlich nicht zu häufig zu atmen, das lehrt auch die Erfahrung in Kürze, nämlich, daß dies zur Sammlung der Gedanken sehr nützlich ist”.
Bei der Erlernung des Jesusgebetes hilft dem Anfänger sehr die tägliche Zellenregel mit der bekannten Anzahl von ganzen und halben Verbeugungen, gemäß seinen Kräften.  
Die Früchte der geistigen Wärme sind Reue, Demut, Weinen, Tränen. Unter “Sitz des Herzens” versteht man die Logos-Kraft oder den inneren Geist des Menschen, der im oberen Teil des Herzens gegenwärtig ist, nicht weit von der linken Brustwarze entfernt, ähnlich wie der Verstand im Gehirn seinen Sitz hat. Beim Gebet ist es notwendig, daß sich der Geist mit dem Verstand vereinigt und zusammen mit ihm das Gebet ausspricht, wobei der Verstand durch die Worte wirkt, die entweder nur gedanklich oder mit der Beteiligung der Stimme gesagt werden, der Geist jedoch durch das Gefühl der inneren Rührung (russ. “Umilenie”) und des zerknirschten Herzens wirkt. Die Vereinigung (von Geist und Verstand) wird zur rechten Zeit durch die Göttliche Gnade geschenkt, für den Anfänger reicht es aus, wenn der Geist mit dem Verstand mitfühlt und mitwirkt. Wenn die mentale Aufmerksamkeit gewahrt wird, dann empfindet der Geist unweigerlich innere Rührung (“Umilenie”).
Der Geist wird gewöhnlicherweise als “Herz” bezeichnet, und anstatt des Begriffes Verstand verwendet man auch gern das Wort “Kopf”.
Die Anzahl derer, die den Zustand des reinen Gebetes erlangt haben, ist nur gering: und von Geschlecht zu Geschlecht findet man durch die Gnade und den Segen Gottes vielleicht nur einen, der das Geheimnis kennt, das danach  kommt, der zum anderen Ufer (des Jordan) übergesetzt hat.
In der ersten Zeit bleibt es dem Betenden anheimgestellt, allein durch seine eigene Kraft zu beten; die Gnade Gottes ist dem Betenden zweifellos wohlgesinnt, aber sie gibt ihre Anwesenheit nicht zu erkennen. In dieser Periode geraten die im Herzen verborgenen Leidenschaften in Bewegung und stürzen den Betenden in einen quälenden Gebetskampf, in dem Niederlagen  und Siege sich ständig abwechseln und in dem das freie Wollen des Menschen und seine Hilflosigkeit mit aller Klarheit zutage treten. In der zweiten Periode offenbart die Gnade Gottes fühlbar ihre Gegenwart und Wirkung; indem sie Geist und Herz vereint, ermöglicht sie es, ohne Abschweifung zu beten, oder was dasselbe ist, ohne Zerstreuung, aber mit innerem Weinen und mit Herzenswärme. Dabei verlieren die sündigen Gedanken ihre zwingende Kraft über das Gemüt.
Der hl. Nil Sorskij, sagt, indem er sich auf den hl. Gregor Sinaitis bezieht: “Wenn das Gebet zu wirken beginnt, dann verleiht es dem Geist Konzentration, erheitert ihn und befreit ihn von der Flatterhaftigkeit”. Für diejenigen, welche die begnadete Wirkung noch nicht erlangt haben, schreibt  der Ehrwürdige die Bewahrung des Gemütes vor Zerstreuung vor, sowie das aufmerksame Beten mit all seiner Mühseligkeit, Beschwerlichkeit und unbequemen Anstrengung. Um den zweiten Zustand zu erlangen, ist es unerläßlich, den ersten durchzumachen, die Festigkeit des Willens zu zeigen und zu beweisen und”Frucht zu bringen in Geduld”.
Im einen wie im anderen Zustand muß die Reue die Seele und das Ziel des Gebetes sein. Auf die allein aus eigenen Kräften dargebrachte Reue hin schenkt Gott zur rechten Zeit die begnadete Reue - und den Heiligen Geist,  der im Menschen Wohnung nimmt und sein Fürsprecher wird.
Für den Anfänger ist das Suchen der Herzgegend, d.h. der Versuch, unzeitig und vorzeitig die fühlbare Wirkung der Gnade in sich zu erschließen, das verkehrteste Unterfangen, welches die Ordnung und das System der geistigen Lehre entstellt. Anfänger sollen sich beim Beten nur an die andächtige Aufmerksamkeit halten, an die Einschließung der Gedanken in die Worte des Gebetes, wobei die Worte ohne Eile auszusprechen sind, damit der Verstand in sie eindringen und die Atmung still und ungezwungen vonstatten gehen kann.
Halte auch etwas die Atmung ein - so sagt der hl. Gregor der Sinait -, d.h. die Bewegung des Geistes, indem du die Lippen beim Beten ein wenig schließt, jedoch nicht die Atmung durch die Nase, d.h. die sinnliche, wie es die Toren tun, um dir nicht zu schaden, indem du dich überanstrengst. Nicht nur beim Atemprozeß, sondern bei allen Bewegungen des Körpers soll man Gelassenheit, Ruhe und Sanftmut bewahren. All das hilft sehr zur Bewahrung des Gemütes vor Zerstreuung. Der Geist des aufmerksam Betenden zieht unbedingt auch das Herz zum Mitgefühl und zum Gefühl der Reue heran. Zwischen dem Mitfühlen des Herzens mit dem Geist und der Vereinigung von Geist und Herz oder dem Herabsteigen des Geistes in das Herz besteht ein Riesenunterschied. Der hl. Johannes Klimakos bezeichnet es als einen bedeutsamen Fortschritt im Gebet, wenn der Verstand in den Worten des Gebetes verweilt. Dieser große Lehrmeister der Mönche bekräftigt, daß das Gebet des ständig und eifrig Betenden bei der Einschließung des Verstandes in die Gebetsworte und dem Gefühl der Reue und des inneren Weinens, unweigerlich von göttlicher Gnade überschattet wird. Wenn das Gebet von göttlicher Gnade gesegnet wird, dann öffnet sich nicht nur der Sitz des Herzens, sondern die ganze Seele wird von einer unfaßbaren geistigen Kraft zu Gott gezogen, wobei sie auch den Körper mit sich reißt. Das Gebet der fortgeschrittenen Beter ergießt sich aus ihrem ganzen Wesen. Der ganze Mensch wird sozusagen zu seinen eigenen Lippen. Nicht nur das Herz  des erneuerten Menschen, nicht nur seine Seele,  sondern auch sein Fleisch erfüllt sich mit spiritueller Tröstung und Wonne:  mit der Freude über den lebendigen Gott,  über den Gott, der fühlbar und mächtig durch Seine Gnade in ihm wirkt.
Das Gebet der Reue ist allen ohne Ausnahme gegeben, auch den von Leidenschaften Beherrschten und denen, die gewaltsam dem Fall unterworfen sind. Sie alle haben das Recht, um ihre Errettung zu Gott zu schreien; aber der Eintritt ins Herz für die heilige Handlung des Gebetes bleibt ihnen versagt.
Suche nicht den Ort des Herzens. Bemühe dich nicht vergeblich, herauszufinden, was der “Sitz des Herzens” bedeutet, denn allein durch die Erfahrung wird dir dies richtig klar. Wenn es Gott gefällt, dir dieses Wissen zu schenken, dann schenkt Er es zu seiner Zeit - und auf eine Weise, die sich der fleischliche Mensch nicht einmal vorstellen kann. Vertiefe dich ausschließlich und mit aller Sorgfalt in das Reuegebet; bemühe dich, durch das Gebet wahre Buße darzubringen: so wirst du dir des Fortschrittes  in deinen Bemühungen bewußt und dann fühlst du in dir geistige Armut, Rührung (Umilenie) und Wehmut.
In unserer Zeit ist es für den Betenden unerläßlich, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Gottbegeisterte Lehrmeister gibt es bei uns keine! Keuschheit, Einfachheit und evangelische Liebe sind vom Antlitz der Erde verschwunden. Anfechtungen und Laster haben sich bis zur Endlosigkeit vermehrt! Die Welt ist von Ausschweifung erfaßt! Die verbrecherische Liebe in ihren verschiedenen Formen herrscht wie ein absolutistischer Tyrann über die menschliche Gesellschaft! Es ist genug, übergenug, wenn wir fähig werden, Gott das einzige und wesentlich Notwendige für die Rettung unserer Tätigkeit darzubringen, nämlich die Reue.
Durch Demut zieht göttlicher Friede in die Seele ein. Der göttliche Friede ist die geistige Anwesenheit Gottes, der geistige Himmel. Die in diesen Himmel eingehenden Menschen werden den Engeln ähnlich, und gleich den Engeln singen sie ununterbrochen in ihrem Herzen den geistigen Lobpreis Gottes, d.h. sie bringen Ihm ihr reines, heiliges Gebet dar, das in den Fortgeschrittenen geradezu ein Loblied, ein Lied der Lieder wird.
Bedrängnisse und Neigungen, die ständig die Gedanken an sich ziehen, wirken beim Beten als Ursache der Zerstreuung; der Stolz führt zur Verhärtung des Herzens: Zorn und ein nachtragendes Wesen, die aus dem Hochmut entspringen, werden zur Ursache des inneren Aufruhrs. Das Gebet gründet auf dem Gehorsam und der Demut. Gibt man die Demut auf, um die eigene Würde in der Beziehung zum Nächsten zu wahren, so verschwindet die “Umilenie” aus dem Herzen,  es verhärtet sich, das Gebet stirbt ab und wird seiner wesentlichen Eigenschaften, nämlich der Andacht und der zärtlichen Rührung (Umilenie) beraubt. Jeder Verstoß gegen die Demut verleumdet und verdirbt gleichsam das Gebet.
Es gibt keinen Säugling, der nicht mit Milch aufgezogen worden wäre, und derjenige kann kein wahrer Mönch sein, der nicht mit der Milch der Gebote aufgezogen wurde, der sie nicht emsig erfüllt, gegen die Leidenschaften kämpft und dadurch der Lauterkeit würdig wird.
Der sein Ackerland liebevoll bestellende Landwirt wendet zuerst die Erde um und reißt das Unkraut aus und dann sät er die neue Saat ein: ebenso muß derjenige, der erwartet, daß Gott Gnadensamen in seine Seele sät, zuerst sein seelisches Feld reinigen, damit der Same, der in der Folgezeit den Heiligen Geist in dieses Feld bringen wird, vollkommene und vielfältige Frucht trage. Wenn das nicht zuerst getan wird, und der Mensch sich nicht von allem Schmutz des Fleisches und des Geistes reinigt, dann verbleibt er im Zustand von Fleisch und Blut und steht dem Leben in Gott fern.
Wer sich aufmerksam und mit aller Kraft zum Gebet nötigt, aber nicht nach  Demut, Liebe, Sanftmut und allen übrigen Tugenden strebt, sie sich nicht gewaltsam zu eigen macht, der kann nur so weit kommen, daß ihn manchmal auf sein Verlangen hin die Göttliche Gnade berührt, weil Gott in seiner natürlichen Gnade und Menschenliebe den Bittenden das gibt, worum sie flehen. Wenn jemand, der solch eine  Gnade erhalten hat, sich nicht der anderen oben erwähnten Tugenden befleißigt und keine Routine in ihnen gewinnt, dann geht er entweder der ihm geschenkten Gnade verlustig oder er wird nach dem Aufstieg ein Opfer des Hochmuts, oder er bleibt auf der untersten, von ihm erreichten Stufe stehen. Die Demut, die Liebe, die Sanftmut und demzufolge alle heiligen Gebote Christi dienen sozusagen als Thron und Ruheort für den Heiligen Geist.
Ebenfalls der Teufel, der weiß, was für ein großes Heil das Gebet darstellt, versucht den Aspiranten beim Beten durch sündige, eitle Gedanken und Phantasien aufzustacheln, um ihn vom Gebet abzuhalten oder um sein Gebet zu verderben. Die allgemeine Regel des Kampfes mit dem sündigen Beginnen liegt darin, die Sünde bei ihrem ersten Erscheinen abzuwehren, die geheimen “Babylonier” zu töten, solange sie noch Säuglinge sind.
Wir müssen ständig, geduldig und inständig beten. Gott schenkt zu seiner Zeit das begnadete, reine Gebet demjenigen, der ohne Trägheit und beständig mit seinem unreinen Gebet zu ihm betet, der nicht kleinmütig den Gebetskampf aufgibt, wenn ihm das reine Gebet lange nicht gegeben wird. Das Vorbild für den Erfolg im beharrlichen Jesusgebet sehen wir im Evangelium. Als der Herr in Begleitung seiner Jünger und der Volksmenge aus Jericho hinausging, da begann der am Wegrand sitzende und bettelnde blinde Bartimäus, der erkannt hatte, daß der Herr vorbeigeht, laut zu rufen: “Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner”. Sie verwehrten ihm zu schreien, aber er schrie um so mehr. Als Folge seines unaufhörlichen Rufens wurde der Blinde durch den Herrn geheilt. So werden auch wir schreien, uneingedenk der aus unserem  gefallenen Wesen aufsteigenden und vom Teufel zur Hemmung unseres Gebetswehklagens eingegebenen sündigen Gedanken, Phantasien und Empfindungen - und ohne Zweifel werden wir Erbarmen erlangen.
Die Erstlingsfrüchte des Gebetes sind Aufmerksamkeit und innere Rührung (Umilenie). Diese Früchte erwachsen vor allen anderen aus jedem richtig ausgeführten Gebet und vornehmlich aus dem Jesusgebet, dessen Übung höher als das Psalmodieren und die übrigen Wortgebete steht. Aus der Aufmerksamkeit entsteht “Umilenie”, und durch diese verstärkt sich wiederum die Aufmerksamkeit. Sie verstärken und erzeugen sich gegenseitig. Sie verleihen dem Gebet Tiefe und beleben allmählich das Herz; sie schenken ihm Reinheit, indem sie die Zerstreutheit und Verträumtheit vertreiben. Genauso wie das echte Gebet, so sind auch rechte Andacht und “Umilenie” Gaben Gottes. So wie wir den Wunsch zur Erlangung des richtiges Gebetes dadurch beweisen, daß wir uns zum Gebet nötigen, so müssen wir auch unseren guten Willen zur Erlangung der Andacht und “Umilenie” dadurch beweisen, daß wir sie pflegen. Eine weitere Frucht des Gebetes ist die sich ständig erweiternde Erkenntnis der eigenen Sünden und Sündhaftigkeit, wodurch sich wiederum die “Umilenie” erhöht und schließlich zum gerührten Weinen wird. Unter “Weinen” versteht man ein starkes Gefühl von “Umilenie”, begleitet von der Wehmut eines zerknirschten und demütigen Herzens, die aus der Tiefe des Herzens wirkt und die ganze Seele erfaßt. Danach erscheinen die Gefühle der Gegenwart Gottes, der lebendigen Erinnerung an den Tod, der Furcht vor dem Gericht und der Verdammnis. All diese Früchte des Gebetes werden von Weinen begleitet, und zur rechten Zeit werden sie von dem zarten, heiligen, geistigen Gefühl der Gottesfurcht überschattet. Es ist unmöglich, die Gottesfurcht mit irgendeinem physischen oder sogar psychischen Gefühl des Menschen zu vergleichen. Die Gottesfurcht ist eine vollkommen neue Empfindung: sie ist die Auswirkung des Heiligen Geistes. Durch die Erfahrung dieser wunderbaren Wirkung schmelzen die Leidenschaften allmählich dahin, der Geist und das Herz fühlen sich zur ununterbrochenen Gebetsübung hingezogen.
Mit einem gewissen Fortschritt stellt sich die Wahrnehmung der Stille, der Demut, der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen ein, ohne zwischen guten und schlechten zu unterscheiden, sowie die Fähigkeit, Leid als Göttliche Zulassung und Heilkur zu ertragen, deren wir in unserer Sündhaftigkeit unbedingt bedürfen. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten, die allmählich aus der Gottesfurcht entspringt und vollkommen geistig, unbeschreibbar heilig, subtil und demütig ist, unterscheidet sich unendlich von der menschlichen Liebe in ihrem gewöhnlichen Zustand und kann mit überhaupt keiner Liebe des gefallenen Wesens verglichen werden, wie echt und heilig diese natürliche Liebe auch sein mag. Wir bejahen das natürliche Gesetz, das in der Zeit wirkt; aber das ewige Gesetz, das geistige Gesetz, steht so weit über ihm, wie der Heilige Geist Gottes über dem menschlichen Geist steht. Erwirb die Tränen der Rührung - so sagten die heiligen Väter - und sie werden dich alles lehren. Laßt uns weinen, und wir werden ständig vor Gott weinen: Das Göttliche kann nicht anders als durch das göttlichen Wohlwollen in uns eingehen - und es kommt auf eine spirituelle, eine neue Weise: auf eine Weise, von der wir uns in unserem fleischlichen, emotionalen, leidenschaftsbedingten Zustand des alten Menschen überhaupt keinen Begriff machen können.
Welcher Mensch, der das gebetserfüllte “Weinen” und jene Geheimnisse, die es enthüllt, nicht kennt, könnte die Worte, die aus der Tiefe des Weinens hervorgehen, verstehen? Wer durch die spirituelle Disziplin Selbsteinsicht erlangt hat, sieht sich selbst von Leidenschaften gefesselt, sieht, wie die verstoßenen Geister in ihm und durch ihn handeln. Ein Bruder fragte Pimen den Großen, wie ein Hesychast leben solle. Pimen der Große antwortete: “Ich sehe mich gleich einem Menschen, der bis zum Hals im Schlamm versunken ist, mit einer schweren Last um den Hals, und ich flehe zu Gott: Erbarme dich meiner!”. Dieser Heilige, der durch das Weinen in der tiefsten, unbegreiflichen Demut gelehrt war, sprach zu den bei ihm lebenden Brüdern: “Glaubt mir, da wo der Teufel hinabgestürzt wird, dorthin werde auch ich geworfen”.

 

Bote 1991 - 4

Für den sich im Gebet Übenden ist es sehr nützlich, wenn er in seiner Zelle Ikonen vom Erlöser und von der Gottesmutter von genügend großen Ausmaßen hat. Zeitweise kann man sich beim Beten an die Ikonen wenden, als ob der Herr und die Gottesmutter dort selbst gegenwärtig wären. Die Wahrnehmung der Gegenwart Gottes in der Zelle kann zur Gewohnheit werden. Wenn wir  mit solch einer ständigen Wahrnehmung gesegnet sind, verharren wir mit Gottesfurcht in der Zelle, als ob wir ständig unter dem Blick Gottes stünden. Und so ist es auch: wir befinden uns in der Gegenwart Gottes, weil Er allgegenwärtig ist, wir befinden uns immer unter dem Blick Gottes, weil Er alles und überallhin sieht. Ruhm dem Allbarmherzigen Herrn, der unsere SündÛhaftigkeit und Schlechtigkeit sieht, der langmütig auf unsere Reue wartet, der uns nicht nur die Erlaubnis, sondern sogar das Gebot gab, Ihn um Erbarmen anzuflehen.
“Früh am Morgen säe deinen Samen, und bis zum Abend lass deine Hand nicht ruhen!” (Ekkles. 11, 6). “Danket dem Herrn und ruft seinen Namen an. Fraget nach dem Herrn und seiner Macht, suchet sein Angesicht allezeit!” (Ps. 104, 1,4). Durch diese Worte lehrt uns die Heilige Schrift, daß das Opfer des Dienstes an Gott, das Opfer des Gebetes aus ganzer Seele, ständig und unablässig geleistet werden muß. Das äußere und das innere Leid, das auf dem Schauplatz dieses geistigen Kampfes unumgänglich ist, muß man mit Glauben, Tapferkeit, Demut, Geduld und Langmut überwinden und dabei Abschweifungen und Ablenkungen durch die Reue heilen.
In eine Seele, welche sich von dem seligen Bund mit dem Gebet losgesagt hat, welche das Gebet aufgegeben hat und vom Gebet verlassen wurde, brechen die Leidenschaften mit einem heftigen Strom ein und überschwemmen sie. Die Leidenschaften erlangen eine besondere Macht über solch eine Seele, eine besondere Festigkeit und Dauerhaftigkeit, sie prägen sich durch die Verhärtung und Erstarrung des Herzens und durch den Unglauben tief in sie ein. Die durch das Gebet verjagten Dämonen kehren in die Seele zurück; wutschnaubend durch die vorherige Austreibung, kommen sie nun mit Raserei und in großer Zahl zurück. “Und die letzten Dinge jenes Menschen werden noch ärger als die ersten”  (Mt. 12, 45).
“Höre, mein Kind, nimm meinen Rat an und weise meinen Ratschlag nicht zurück, und lege deine Füße in ihre (der Weisheit) Fesseln und deinen Hals in ihre Ketten; beuge deine Schulter nieder und ertrage sie und verabscheue ihre Bande nicht; komme mit deinem ganzen Herzen zu ihr und beachte ihre Wege mit ganzer Kraft, forsche nach ihr und suche sie und sie wird dir bekannt werden; und wenn du sie ergriffen hast, so laß sie nicht fahren, denn schließlich wirst du ihre Ruhestätte finden, und sie wird dir zur Freude werden: ihre Fesseln  werden dir dann eine Festung werden, und ihre Ketten ein Gewand des Ruhmes” (Weisheit des Sirach 6, 24-30).

Worte über das Jesusgebet
“Dieser ist zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel bestimmt, zum Zeichen des Widerspruchs” (Lk 2,34). Wie der Herr ein wahrhaftes Zeichen war und ist, so wurde auch das Gebet an alle Heiligen in seinem Namen, im vollen Sinn des Wortes zu einem großen und wunderbaren Zeichen.
Nach dem letzten Abendmahl setzte der Herr Jesus Christus unter anderen erhabenen, endgültigen Verordnungen und Vermächtnissen das Gebet in seinem Namen ein: Er gab diese Gebetshilfe als ein neues ungewöhnliches Geschenk, als ein Geschenk von grenzenlosem Wert. Die Apostel waren sich schon teilweise der Kraft des Namen Jesu bewußt: sie heilten durch ihn unheilbare Krankheiten, machten sich die Dämonen untertan, besiegten, fesselten und vertrieben sie. Diesen höchst mächtigen, wunderbaren Namen befielt der Herr beim Beten anzuwenden, und verheißt eine besondere Wirksamkeit durch ihn auf das Gebet.
Die gnadenreiche Kraft des Jesusgebetes liegt gerade im Göttlichen Namen des Gottmenschen, unseres Herrn Jesus Christus.
Die Übung des Jesusgebetes, empfiehlt der ehrwürdige David, genauer gesagt, der Heilige Geist durch den Mund Davids, allen Christen ohne Ausnahme: “Ihr Könige der Erde und all ihr Völker, ihr Fürsten und Richter der Erde zumal, ihr Jünglinge und ihr Jungfrauen alle, ihr Greise mitsamt den Kindern! Sie sollen loben den Namen des Herrn, denn Sein Name allein ist erhaben” (Ps 148,11-13).
Der Geist, der die Feinde im Namen Jesu besiegt und auseinandergejagt hat, zählt sich zu den seligen Geistern, geht zur wahren Anbetung Gottes in den Tempel des Herzens ein, der bis dahin für ihn verschlossen war, und singt ein neues, ein geistiges Lied, er lobsingt im Geheimen: “Ich danke dir Herr von ganzem Herzen, vor den Engeln will ich dir jauchzen, denn du hast die Worte meiner Lippen vernommen: ich will anbeten vor deinem heiligen Tempel und will deinen Namen preisen um deiner Güte und Treue willen; denn du hast deinen Namen über alles herrlich gemacht” (Ps. 137, 1-2).
Wenn durch die Kraft und die Wirkung des Namens Jesu das Gebet erhört wird, wenn die Göttliche Hilfe auf den Menschen herabsteigt, wenn die Feinde sich von ihm abgewandt haben und von ihm abtreten, wenn er der Nachlassung der Sünden für würdig befunden wird, wenn er geheilt wird und zum makellosen natürlichen Zustand zurückkehrt, wenn sein Geist wieder in sein Machtbereich eingesetzt wird, dann erfolgt im Namen des Herrn die Verleihung von gnadenreichen Gaben, geistigen  Gütern und Schätzen, des Pfandes der seligen Ewigkeit. Nach der Verjagung der Feinde, welche Zerstreuung verursachen, das Gebet schwächen und beschmutzen, tritt der Geist in die Dunkelheit des Nichtschauens ein, in der er unmittelbar vor dem Angesicht Gottes steht.
Zu den unbegreiflichen und wunderbaren Eigenschaften des Namens Jesu zählt auch die Kraft, Dämonen auszutreiben. So verstehen die heiligen Väter die Worte Jesu über die Rückkehr des Teufels mit sieben anderen noch böseren Geistern in das Haus der Seele, aus dem sich der Heilige Geist entfernt hat: daß die auf diese Weise eingedrungenen Geister wieder durch das Jesusgebet verjagt werden. Die satanische Kraft, die bei dem  zerstreuten Leben des Menschen in unbemerkbarer und unverständlicher Weise in ihm wohnt, gerät in Aufruhr, wenn sie den Namen des Herrn Jesus hört, der von dem Betenden angerufen wird. Sie bringt alle Leidenschaften im Menschen in Bewegung, bringt durch sie den ganzen Menschen in schreckliches Wanken und ruft im Körper verschiedene, seltsame Krankheiten hervor.
Wer sein Herz reinigen will, möge es durch die ständige Erinnerung an den Herrn Jesu entfachen und alleine dies als unaufhörliche Erbauung und Beschäftigung haben. Jene, die ihre Gebrechlichkeit abwerfen wollen, dürfen nicht bisweilen beten und bisweilen nicht, sondern sie müssen ständig durch die geistige Kontrolle im Gebet verharren, auch wenn sie sich außerhalb des Gotteshauses befinden.
Jesus dringt hindurch, wie der Apostel bezeugt, bis zur Scheidung von Seele und Geist, Gelenk und Mark, und richtet die innersten Regungen und Gedanken des Herzens (Hebr 4,12); er dringt hindurch und tilgt die Sündhaftigkeit aus allen Teilen der Seele und Körpers.
“Herr, auch die bösen Geister sind uns in deinem Namen untertan!” (Lk. 10, 17). “Ja, ich habe euch Macht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes, und nichts wird euch schaden.” (Lk 10,19) - Die Macht, die der Herr seinen siebzig Jüngern gegeben hat, wurde auch allen Christen gegeben. Nütze sie, o Christ! Haue im Namen Jesu der Sünde den Kopf ab, d.h. ihr erstes Aufblitzen in Gedanken, Phantasien und Empfindungen. Zerstöre in dir die Herrschaft des Teufels über dich; vernichte all seinen Einfluß auf dich; gewinne geistige Freiheit!
Die erhabenste geistige Tätigkeit ist ungewöhnlich einfach und ihre Voraussetzungen sind kindliche Einfachheit und kindlicher Glauben. Um ein Jünger des Herrn zu werden, muß man sich zu einem Kleinkind machen und mit kindlicher Einfalt und Liebe seine Lehre annehmen. Es ist die Eigenart der Liebe, daß sie ständig an den Geliebten denkt, daß sie sich ständig an dem Namen des Geliebten ergötzt; sie bewahrt ihn im Herzen, hat ihn im Geist und auf den Lippen.
Der hl. Johannes Chrysostomos, der die aufmerksame und beständige Übung im Jesusgebet besonders den Mönchen rät, spricht darüber wie über ein allgemein bekanntes Thema.
Dem ehrwürdigen Pachomios dem Großen lehrte der Engel des Herrn für die ihm untergebene vielköpfige Mönchsgemeinschaft eine Gebetsregel, welche die Mönche jede Stunde ausführen mußten, und die aus dem Trishagion, dem Vaterunser, dem 50. Psalm, dem Glaubensbekenntnis und einhundert Jesusgebeten bestand.
Der große Lehrmeister der Mönche spricht zweimal über das Mittel der Gebetsübung in seiner “Leiter”, die von der Erde zum Himmel führt, nämlich im Abschnitt über den Gehorsam und im Abschnitt über das Beten. In seinem ‘Wort über das Gebet’ sagt der hl. Johannes Klimakos: “Bemühe dich, den Gedanken zurückzuholen, genauer gesagt, ihn in die Worte des Gebetes einzuschließen. Es ist unmöglich, den Geist zu binden; aber wenn der Schöpfer dieses Geistes gegenwärtig ist, dann ordnet sich Ihm alles unter. Der Anfang des Gebetes sind die vielen Gedanken, die dann durch das Beten gleich zu Beginn vertrieben werden; die Mitte des Gebetes ist dann, wenn der Geist allein in den Worten verweilt, die entweder laut oder im Geist ausgesprochen werden; das Ende ist das Entzücken des Geistes in Gott”. In dem ‘Wort über den Gehorsam’ sagt der hl. Johannes: “Kämpfe unablässig mit den Gedanken, hole sie zurück, wenn sie davonfliegen: Gott erwartet von den Novizen kein ‘abschweifungsfreies’ Gebet. Trauere nicht, wenn du bestohlen wirst, sondern fasse Mut und hole die flatternden Gedanken immer wieder zu dir zurück”. Hier wird ein Mittel gezeigt, um aufmerksam zu beten, das sowohl für das mündliche als auch für das geistige Gebet gilt. Bei dem andächtigen Gebet nimmt auch das Herz zwangsläufig Anteil, wie der ehrwürdige Markos sagte: der Geist des konzentriert Betenden bedrängt das Herz.
Andacht und innere Zerknirschung - das ist die Vorratskammer, die den reuigen Sündern als Zufluchtsort gegeben wurde.
Fortsetzung folgt
Besonders gut ist der Rat zur Erlernung des Jesusgebetes, der von dem heiligen Mönch Dorotheus, einem russischen Asketen und geistigen Schriftsteller gegeben wurde: “Wer mit den Lippen betet, aber die Seele vernachlässigt, und sein Herz nicht bewahrt, der betet in die Luft, aber nicht zu Gott, und umsonst müht er sich ab: denn Gott achtet auf den Geist und auf die Hingabe, aber nicht auf den Wortschwall. Man muß mit vollem Eifer beten: aus ganzer Seele, ganzem Gemüte und ganzem Herzen, aus allen seinen Kräften und mit Gottesfurcht. Das geistige Gebet läßt weder abschweifende, noch böse Gedanken in das innere Kämmerchen hinein. Möchtest du die Kunst des geistigen und Herzensgebetes erlernen? Ich bringe sie dir bei: höre fleißig und aufmerksam zu, lausche auf meine Worte. Zu Anfang mußt du das Jesusgebet laut, d.h. mit den Lippen, der Zunge und der Stimme ausführen, gerade für dich selber hörbar. Wenn die Lippen, die Zunge und die Sprachorgane durch das gesprochene Gebet gesättigt sind, dann hört das hörbare Beten auf und wird zu einem bloßen Flüstern. Danach muß man in der Belehrung fortfahren, sich ihr zuneigen und fleißig in ihr beharren.  Dann beginnt das geistige und das Herzensgebet durch das Wirken der göttlichen Gnade, es wirkt selbständig ununterbrochen weiter und stellt sich zu jeder Zeit, bei jeder Sache und an jedem Ort ein”.
Der selige Staretz, der Priestermönch Seraphim von Sarow, weist die Anfänger an, nach einem zuvor in der Sarow-Einsiedelei existierenden allgemeinen Gebrauch, unaufhörlich zu beten: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. “Beim Gebet - so lehrt der Staretz - achte auf dich, d.h. sammle deinen Geist und vereinige ihn mit der Seele. Führe dieses Gebet anfangs einen, zwei oder mehrere Tage lang allein mit dem Verstand aus, deutlich und klar, und werde dir jedes Wortes extra bewußt. Wenn der Herr dein Herz erwärmt durch die Wärme seiner Gnade und dich in dem einen Geist vereint, dann fließt dieses Gebet unaufhörlich in dir, und wird immer bei dir sein, wird dich erquicken und dich nähren. Schweige, unaufhörlich schweige; denke immer an die Gegenwart Gottes und Seinen Namen. Wenn du zu Tisch sitzt, dann schaue nicht auf andere, wieviel jemand ißt, sondern achte auf dich selbst, und nähre deine Seele durch das Gebet”.
“Jeder, sagt er, der das spirituelle Leben erlernen will, muß mit dem aktiven Leben beginnen und dann zum kontemplativen Leben übergehen: denn ohne aktives Leben ist es unmöglich, zum kontemplativen Leben zu gelangen, ohne vorherige Läuterung von den Leidenschaften und ohne vollständige Meisterung des aktiven Lebens”.
“Die Gnadengaben, so bekräftigt Seraphim, erhalten nur diejenigen, die das innere Tun beherrschen und über ihre Seelen wachen. Jene, die in Wahrheit beschlossen haben, Gott zu dienen, müssen sich in der Erinnerung an Gott und im ständigen Jesusgebet üben, indem sie innerlich sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. Durch solch eine Übung und indem man sich vor der Zerstreuung hütet und Gewissensfrieden beachtet, kann man sich Gott nähern und sich mit ihm vereinigen. Anders als durch das ständige Gebet können wir nach den Worten des heiligen Isaaks des Syrers Gott nicht näher kommen.
Der Anfänger erlernt das Jesusgebet besonders bequem bei den langen Klostergottesdiensten. Wenn er ihnen schon beiwohnt, warum sollte er seine Gedanken fruchtlos und für seine Seele schadenbringend überall herumwandern lassen? Aber es ist unmöglich, dies zu vermeiden, wenn der Geist nicht an irgend etwas gebunden wird. Befasse dich mit dem Jesusgebet; es bewahrt den Verstand vor dem Umherwandern. Du wirst viel konzentrierter und tiefer werden; du wirst viel besser auf die Lesung achten und nach und nach das geistige Gebet erlernen. Demjenigen, der ein aufmerksames Leben führen will, trägt Seraphim auf, nicht auf fremde Gerüchte zu achten, durch die der Kopf sich mit müßigen und eitlen Überlegungen und Erinnerungen füllt; er trägt uns auf, die Aufmerksamkeit nicht auf fremde Dinge zu lenken, nicht zu grübeln, nicht über sie zu richten oder zu reden: er trägt uns auf, Gespräche zu vermeiden, sich wie ein Pilger zu geben, die einem begegnenden Väter und Brüder durch eine schweigende Verbeugung zu ehren, ohne sie dabei aufmerksam anzuschauen”.
Die Aufmerksamkeit wird bald zeigen, daß man bei der Verwendung dieser Methode, besonders zu Anfang, die Worte mit äußerster Langsamkeit aussprechen muß, damit der Geist in die Worte wie in Formen eindringen kann”, was bei hastigen Lesen nicht zu erreichen ist. Die Methode des hl. Johannes Klimakos ist äußerst bequem, sowohl bei der Übung des Jesusgebetes, als auch beim Lesen der Gebete in der Zelle, sogar beim Studium der Heiligen Schrift und der Kirchenväter; woran man sich gewöhnen muß, als ob man nach Silben liest, mit solcher Langsamkeit.
Der Allerheiligste Kallistos, der Patriarch von Konstantinopel, urteilt so über das Gebet: “Unaufhörliches Gebet besteht im unaufhörlichen Anrufen des Namen Gottes. Ob man sich unterhält, ob man sitzt, geht, etwas tut, ißt oder sich mit irgend etwas anderem beschäftigt, man muß zu jeder Zeit und an jedem Ort den Namen Gottes anrufen, gemäß dem Vermächtnis der Schrift: ‘Betet ohne Unterlaß’ (Thess. 5,17).”
Das andächtige mündliche Gebet kommt zugleich aus dem Geist und aus dem Herzen. “Kleide dich zuerst in Blätter, und dann, wenn es Gott gebietet, wirst du auch Früchte bringen”, sagten die Väter. Erwerbe zuerst das andächtige Gebet: dem durch das aufmerksame Gebet zuvor Geläuterten und Vorbereiteten, dem Geformten, dem durch die Gebote des Evangeliums Gefestigten und in ihnen Fundierten, schenkt Gott, der Allbarmherzige Gott, zur rechten Zeit das begnadete Gebet.
Der Lehrer des Gebetes ist Gott, und das wahrhafte Gebet ist eine Gabe Gottes. Demjenigen, der unablässig mit zerknirschtem Gemüt, mit Gottesfurcht und Andacht betet, schenkt Gott selber allmählichen Fortschritt im Gebet. Aus dem aufmerksamen und demütigen Gebet entspringen die geistige Kraft und die spirituelle Wärme, welche das Herz erquicken. Das sich belebende Herz zieht den Geist an sich, wird zum Tempel des gesegneten Gebetes und zum Schatzhaus der durch es, seiner Beschaffenheit gemäß, erreichbaren geistigen Gaben. Bemühe dich, so sagen die großen Gottesstreiter und Lehrer des Gebetes durch den inneren Schmerz Gebetswärme zu erlangen, und Gott schenkt sie dir für immer. Bruder! Wenn du in deinem Herzen nicht Tag und Nacht mit Schmerz Gott suchen wirst: dann kannst du nicht fortschreiten.
“Die geistige Wachsamkeit oder Nüchternheit ist eine spirituelle Kunst, die den Menschen völlig mit Gottes Hilfe von den sündigen Taten und leidenschaftlichen Gedanken und Worten rettet, wenn sie lange genug und inbrünstig geübt wird. Sie ist die innere Hesychia; sie ist die Bewahrung des Gemütes; sie ist die Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber; fremd jedes Gedankens, immer ununterbrochen und unaufhörlich Christus Jesus, den Sohn Gottes und Herrgott anrufend, durch Ihn strahlend, mit Ihm kühn gegen die Feinde rüstend, Ihn bekennend”, so definiert der hl. Hesychios von Jerusalem die geistige Wachsamkeit.
Spirituelles Gebet wird ein Gebet genannt, das von der göttlichen Gnade bewogen wird, und körperliches Gebet - ein Gebet, das vom Menschen mit eigener Anstrengung, ohne die deutliche Einwirkung der Gnade vollzogen wird.
Der hl. Nilos trägt uns auf, “gedanklich zu schweigen, und sich nicht nur das Nachsinnen über irgend etwas Sündiges und Eitles, sondern auch über das anscheinend Nützliche und über das Geistige zu untersagen. Statt jeglichen Nachdenkens, befielt er uns, ständig in die Tiefen des Herzens zu blicken und zu sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. Man kann entweder stehend oder sitzend oder liegend beten, die Gesünderen und Kräftigeren beten stehend und sitzend, die Schwachen können auch im Liegen beten, weil bei diesem Gebet nicht die Mühe des Körpers, sondern die Mühe des Geistes vorherrscht. Der hl. Nilos rät, den Geist ins Herz einzuschließen und nach Möglichkeit die Atmung einzuhalten, um nicht so oft zu atmen. Das bedeutet: man muß still atmen. Im allgemeinen sollen alle Bewegungen des Blutes Seele und Körper in einer ruhigen Lage der Stille, der Ehrfurcht und der Gottesfurcht bewahren. Ohne dies kann sich keine geistige Wirkung in uns einstellen. Sie erscheint dann, wenn alle Erregungen und Wallungen des Blutes verstummen. Die Erfahrung lehrt schnell, daß die Einhaltung der Atmung, d.h. die nicht so häufige und sanfte Atemführung sehr nützlich ist zur Erlangung des Zustandes der Stille und der Bewahrung des Gemütes vor allem Herumwandern. Aus der Erfahrung wissen wir, daß für die Schwachen diese Aktivität sehr schwer und unbequem ist. Wenn jemand die Gnade erwirbt, dann betet er ohne Mühe und mit Liebe, da er von der Gnade getröstet wird. Wenn die Wirkung des Gebetes eintritt, dann zieht sie den Geist zu sich, jubelt und befreit von allem Herumflattern.
Geduld und Abwarten in allen Dingen ist die Mutter der seelischen und körperlichen “Schwächen”. Unter dem Wort “Schwächen” versteht man hier vornehmlich die Zerknirschung des Geistes, das Weinen des Gemütes, innere Betrübnis und Kummer wegen der Empfindung der eigenen Sündhaftigkeit, der Wahrnehmung des ewigen Todes, dem Gefühl der Versklavung durch die gefallenen Geister. Die Qual des Geistes teilt sich dem Herzen und dem Körper mit. In den körperlich Schwachen ersetzen die Gemütszerknirschung und das Weinen völlig die Körpermühe. Nicht nur die Verrichtung des geistigen Gebetes, sondern auch die aufmerksame Lektüre tiefer patristischer Literatur über das Gebet ruft Kopfschmerzen hervor. Die innere Zerknirschung durch die zum Bewußtsein gekommene Sündhaftigkeit, Gefangenschaft und Sterblichkeit ist so stark, daß sie sogar zu physischen Krankheiten und Qualen führt.
Der Gabe des andächtigen Gebetes gehen gewöhnlicherweise besondere Leiden und seelische Erschütterungen voraus, die unsere Seele in das tiefe Bewußtsein der eigenen Armseligkeit und Nichtigkeit stürzen. Das innerliche Beten vereint mit der “Schwäche” des Herzens führt zur Läuterung und diese wiederum zu der wahren Schweigsamkeit des Herzens. Durch dieses Schweigen erlangt man Demut, und diese macht den Menschen zu einer Wohnstätte Gottes. Wenn Gott einzieht, dann werden die Dämonen und die Leidenschaften verjagt, und der Mensch wird zum Tempel Gottes, voller Heiligkeit, Erleuchtung, Lauterkeit und Gnade. Selig derjenige, der den Herrn im inneren Schatzkämmerchens des Herzens wie in einem Spiegel sieht und mit Weinen sein Flehen vor Seiner Gnade ausschüttet. Der ehrwürdige Johannes von Karthago sagt: Viel Zeit und Gebetsmühen sind erforderlich, um in einer nicht erregbaren Gemütsverfassung einen gewissen, neuen Himmel des Herzens zu finden, wo Christus lebt, wie der Apostel sagt: “Oder könnt ihr euch nicht das Zeugnis geben, daß Jesus Christus in euch ist? Wenn nicht, könnt ihr nicht bestehen (2 Kor 13,5).
“Das geistig-innere Tun ist die höchste Schule der Theologie”, sagt der ehrwürdige Nilos Sinaitis.
Der selige Nikephoros, der große Lehrmeister der Hesychasten, lehrt: “Und so setze dich, sammle deinen Geist, führe ihn in den Atmungsweg, durch welchen der Atem ins Herz eingeht; setze die Atmung in die (allerruhigste) Bewegung, und nötige deinen Geist mit der eingeatmeten Luft in das Herz einzudringen. Wenn er dort eindringt, dann wird das Darauffolgende für dich voller Jubel und Freude sein. Du sollst auch wissen, daß dein Geist, der sich dort befindet, nicht schweigen und in Müßiggang verharren darf, sondern im ständigen Beten und der Erbauung (von der er niemals abweichen darf) des Gebetes “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner” verharren muß. Dieses Gebet, das den Geist unter Kontrolle hält, macht ihn unzugänglich und unberührbar für die Anfechtungen des Feindes und führt zum täglichen Fortschritt in göttlicher Liebe und göttlichem Wünschen. Wenn du trotz vieler Mühe nicht in das Land des Herzens eindringen kann, wie wir es dir rieten, dann tue, was ich dir sage, und du wirst das Gesuchte mit Gottes Hilfe finden.
Du weißt, daß sich die Denkkraft (der Wortinhalt) jedes Menschen in seiner Brust befindet. In der Brust ist es, wo wir, auch bei geschlossenen Lippen, sprechen, uns beraten, beten und psalmodieren.  Diese “Wortgewalt” kannst du, indem du jeden Gedanken von ihr abziehst (und das kannst du tun, falls du willst), benützen, um zu sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner. Und nötige dich dazu, so innerhalb der Brust statt jedes anderen Gedankens zu seufzen. Wenn du einige Zeit so verfährst, dann tut sich dir, ohne jeden Zweifel, auch der Zugang zum Herzen auf, wie wir dies beschrieben, da wir dies aus Erfahrung wissen. Dann gesellt sich auch mit vielersehnter und erquickender Hinwendung der ganze Reigen der Tugenden zu dir: Liebe, Freude, Friede etc; und durch diese werden all deine Bitten an Christus Jesus, unseren Herrn erfüllt”.
Zu der vom seligen Nikephoros dargelegten Methode, fügen der hl. Kallistos und der hl. Ignatius Xanphopullos hinzu, daß man bei ihrer Anwendung die Lippen geschlossen halten soll. Sie sagen, daß der Anfänger, was das hesychastische Leben betrifft, sich nach der Methode des seligen Nikephoros mit dem Jesusgebet beschäftigen muß, wobei er es ständig leise mit Hilfe der Nasenatems (der ebenso sanft wieder ausgeströmt wird) in sein Herz einführen soll, wobei die Lippen geschlossen gehalten werden. Im Voranschreiten des Gebetes wirken die göttliche Kraft und Gnade; sie alleine vollbringen alles. Hilfsmittel sind eben nur Hilfsmittel, deren unsere Schwachheit bedarf. Xanphopulli sagt, daß die Übung des geistigen und des Herzensgebetes im Geiste geläutert wird durch die Überschattung und Hilfe der göttlichen Gnade und durch die konzentrierte, innige, lautere, abschweifungsfreie und vertrauensvolle Anrufung unseres Herrn Jesus Christus, und nicht einfach durch den oben dargelegten natürlichen Kunstgriff der Nasenatmung, oder durch das bloße schweigende Dasitzen beim Gebet in Dunkelheit - möge dem nicht so sein! Das wurde von den Göttlichen Vätern nur dazu erfunden, um eine gewisse Stütze zur Sammlung der Gedanken, zu ihrer Rückkehr zu sich selber und zur Aufmerksamkeit zu verleihen.
Der ehrwürdige Arsenij nahm stetig zu im spirituellen Leben: besonders lobt er den hl. Isaak den Syrer und empfiehlt ihn zur Nachahmung als ein sehr geeignetes, weises und fruchtbringendes Vorbild. Der ehrwürdige Arsenij der Große beobachtete ständiges Schweigen, er vermied im allgemeinen alle Beziehungen, die seine Andacht stören konnten, denn das Ziel seines Lebens und all seiner Aktivitäten war die Bewahrung der inneren Aufmerksamkeit.
Sehr nützlich zum Erlernen des Jesusgebetes ist es, wenn man es mit ganzen und halben Verbeugungen verbindet, die man ohne Hast und mit Reuegefühl ausführen soll. In der Kirche und überhaupt bei der Beschäftigung mit dem Jesusgebet ist es gut, die Augen geschlossen zu halten und die linke Hand an die Brust, ein wenig über die linke Brustwarze zu legen: diese Methode hilft zur Wahrnehmung der Kraft des “Logos” (Denkkraft), die sich in der Brust befindet. Die Kranken und die Alten jedoch müssen sich vor überflüssiger körperlicher Gebetsanstrengung hüten, damit sie nicht ihre Kräfte erschöpft und sie daran hindert, sich der innerlichen Gebetsübung hinzugeben. Das Wesen des Gebetes ist im Herrn und Seinem Namen.
Die Schriften der Väter kann man mit einer Apotheke vergleichen, in der sich eine Menge Arzneimittel befinden; aber der Kranke, der mit der Heilkunst nicht vertraut ist und nicht von einem Arzt geführt wird, tut sich sehr schwer bei der Auswahl des für seine Krankheit angebrachten Heilmittels.  Wenn der Kranke jedoch aus Selbstvertrauen und Leichtfertigkeit heraus  und ohne sich genügend erkundigt zu haben, in Ermangelung eines Arztes,  sich übereilt selber für die Auswahl und die Einnahme eines Heilmittels entscheidet, dann kann diese Wahl ein Mißerfolg sein. Die an und für sich heilsame Medizin kann sich nicht nur als nutzlos, sondern sogar als schädlich erweisen. In eine Lage, die ähnlich der Lage eines solchen Kranken ist, sind wir gestellt aus Mangel an geistlichen Führern, die sich in den Schriften der Heiligen Väter über die geheime Wirkung des Herzensgebetes und seiner weiteren Resultate auskennen.  
Der hl. Gregor Sinaitis sagt: “denn jeder, der sich nach bloßem Hören oder Lesen in eine überflüssige Gebetsaskese stürzt, verdirbt, weil er keinen Führer erworben hat.” Die heiligen Väter erinnern daran, daß viele, die sich beim Beten in fälschlicher Weise gewisser Hilfsmittel bedienten, für die sie noch nicht reif und unfähig waren, in Selbstverblendung und Geistesverwirrung verfielen.
Die Ausübung von Tugenden muß immer dem Zustand des Tuenden angemessen sein; andernfalls verderben sie den Täter, und werden selber zunichte, d.h. ihre Unternehmung ist fruchtlos und führt zum Schaden und Verderb der Seele, entgegen ihrer Bestimmung; denn nicht nur die Sünde gereicht uns zum Verderb, sondern sogar auch das Gute, wenn wir es ohne Zeit und ohne Maß tun.
Im Fall besonderer körperlicher Anstrengung beim Herzensgebet, beginnt im Herzen die Hitze zu wirken. Diese Hitze ist die direkte Auswirkung solch einer Übung, denn jedes Glied des menschlichen Körpers, das der Reibung unterworfen wird, erhitzt sich: das passiert auch beim Herzen wegen seiner ständigen, fortgesetzten Anspannung. Die Wärme, die aus der verstärkten, materiellen Askese resultiert, ist auch körperlich. Es handelt sich um eine Wärme des Fleisches, des Blutes, die zum Bereich der gefallenen Materie gehört. Viel gefährlicher, viel näher an “Prelest” ist es, wenn der Asket die Blutwärme im Herzen oder in der Brust spürt, sie für gnadengeschenkt hält, sich etwas auf sie, und folglich auch auf sich selber einbildet.
Man muß sich bemühen, daß das Gebet in der Spitze des Herzens wirkt, wo nach der Lehre der Väter die “Wortkraft” ruht, und wo aus diesem Grund die Anbetung Gottes erfolgen muß. Wenn die Göttliche Gnade die Gebetsübung überschattet und den Geist mit dem Herzen zu vereinigen beginnt, dann schwindet die materielle, vom Blut hervorgerufene Wärme völlig. Die heilige Handlung des Gebetes wandelt sich dann vollkommen: sie wird sozusagen natürlich, völlig frei und leicht. Dann erscheint im Herzen eine andere Wärme, eine feine, nicht-materielle, spirituelle, die keinerlei Erhitzung hervorruft - im Gegenteil, eine abkühlende, erleuchtende, erfrischende; sie wirkt wie eine vollständige, geistige, lindernde Salbung und reißt zur unaussprechlichen Liebe zu Gott und den Menschen fort: so berichtet der ehrwürdige Maxim Kapsokalibia aus seiner eigenen seligen Erfahrung über diese Wärme.
Das menschliche Herz hat das Aussehen eines länglichen Sackes, der nach oben weiter und nach unten schmäler wird. Er wird durch das obere Ende, das sich gegenüber der linken Brustwarze befindet, befestigt, aber sein unterer Teil, der sich am Ende der Rippen befindet, ist frei; wenn er ins Schwingen gerät, dann nennt man diese Schwingung Herzklopfen. Viele, die keine Ahnung von der Physiologie ihres Herzens haben, vermuten ihr Herz dort, wo sie sein Schlagen fühlen. Indem sie sich eigenmächtig an die Übung des Herzensgebetes machen, merken sie auf die Atmung und führen sie in das Herz, gerade zu diesem Teil des Herzens, den sie in fleischliche Erhitzung versetzen, wobei sich der Herzschlag sehr verstärkt; so erzeugen sie einen unrichtigen Zustand und “Prelest” in sich.
Der Schemamönch Vasilij, der sich auf den hl. Theophylakt und andere Väter bezieht, bekräftigt, daß die drei Kräfte der Seele, nämlich die Denkkraft, die Ereiferung und die Wunschkraft, so verteilt sind: in der Brust und im oberen Teil des Herzens ist die Denkkraft oder der Geist des Menschen gegenwärtig, im mittleren Teil die Kraft des Eifers und im unteren Teil die Wunschkraft oder das natürliche Verlangen. Derjenige, der sich bemüht, den unteren Teil des Herzens in Bewegung und Erhitzung zu versetzen, bringt die Kraft der Begierde in Bewegung, die wegen ihrer Nähe zu den Geschlechtsteilen und wegen ihrer Natur gemäß, diese Teile in Bewegung versetzt. Der törichten Verwendung eines körperlichen Hilfsmittels folgt eine starke Anfachung der fleischlichen Begierde. Welch ein seltsames Phänomen! Dem Anschein nach beschäftigt sich der Asket mit Gebet, und gerade diese Beschäftigung erzeugt Lust, die durch es abgetötet werden soll. Und die Unwissenheit, die ein natürliches Mittel mißbraucht hat, schreibt dem Jesusgebet das zu, was sie eigentlich dem MIßbrauch zuschreiben sollte. Das Herzensgebet geht aus der Vereinigung des Verstandes mit dem Geist hervor, die durch den Sündenfall getrennt wurden und durch die Gnade der Erlösung wieder vereint werden. Im Geist des Menschen sind die Empfindungen des Gewissens, der Geduld, der Sanftmut, der Liebe zu Gott und zum Nächsten, und andere ähnliche Eigenschaften konzentriert: es ist notwendig, daß sich beim Gebet die Handlung dieser Eigenschaften mit dem Wirken des Verstandes verbindet. Darauf muß die ganze Aufmerksamkeit des Betenden gerichtet sein. Die Vereinigung erfolgt durch den Fingerzeig Gottes, dem einzig Mächtigen, die Wunde des Falles zu heilen; der Betende zeigt die Aufrichtigkeit seines Entschlusses zur Erlangung der Heilung durch das ständige Verweilen im Gebet, durch die Einschließung des Verstandes in die Worte des Gebetes, durch die äußere und innere Tätigkeit gemäß den Geboten des Evangeliums, die den Geist zur Vereinigung mit dem betenden Verstande fähig macht. Dabei hilft es ein wenig, wenn man den Verstand (Gemüt) künstlicherweise auf die Denkkraft (den Wortinhalt) und auf den oberen Teil des Herzens richtet.
Diejenigen, die sich im Gebet des Namens des Herrn Jesus üben, sind einer besonderen Verfolgung durch den Teufel unterworfen. “Die ganze Anstrengung und Mühe unseres Gegners - so sagt der ehrwürdige Makarios der Große, - liegt darin, unseren Gedanken von der Erinnerung an Gott und der Liebe zu Ihm abzulenken; dazu verwendet er die Verführungskraft der Welt und zieht uns von den wahrhaften Werten zu den vermeintlichen, nicht existiertenden Werten ab”.
“Die bösen Geister, - so sagt der ehrwürdige Nil Sinaitis, - versuchen den spirituellen Aspiranten bei Nacht unmittelbar aufzuwühlen, und bei Tag durch andere Menschen, indem sie ihn mit Verleumdungen, Plagen und Unheil umgeben”. Dieses Vorgehen der Dämonen bei ihren Angriffen wird bald jedem Gebetsstreiter aus eigener Erfahrung klar. Sie versuchen uns durch üble Gedanken, durch mentale Phantasien, durch Erinnerung an notwend

 

Bote 1991-5
Worte über das Jesusgebet*

Besonders gut ist der Rat zur Erlernung des Jesusgebetes, der von dem heiligen Mönch Dorotheus, einem russischen Asketen und geistlichen Schriftsteller gegeben wurde: “Wer mit den Lippen betet, aber die Seele vernachlässigt, und sein Herz nicht bewahrt, der betet in die Luft, aber nicht zu Gott, und umsonst müht er sich ab: denn Gott achtet auf den Geist und auf die Hingabe, aber nicht auf den Wortschwall. Man muß mit vollem Eifer beten: aus ganzer Seele, ganzem Gemüte und ganzem Herzen, aus allen seinen Kräften und mit Gottesfurcht. Das geistige Gebet läßt weder abschweifende, noch böse Gedanken in das innere Kämmerchen hinein. Möchtest du die Kunst des geistigen und Herzensgebetes erlernen? Ich bringe sie dir bei: höre fleißig und aufmerksam zu, lausche auf meine Worte. Zu Anfang mußt du das Jesusgebet laut, d.h. mit den Lippen, der Zunge und der Stimme ausführen, gerade für dich selber hörbar. Wenn die Lippen, die Zunge und die Sprachorgane durch das gesprochene Gebet gesättigt sind, dann hört das hörbare Beten auf und wird zu einem bloßen Flüstern. Danach muß man in der Belehrung fortfahren, sich ihr zuneigen und fleißig in ihr beharren.  Dann beginnt das geistige und das Herzensgebet durch das Wirken der göttlichen Gnade, es wirkt selbständig ununterbrochen weiter und stellt sich zu jeder Zeit, bei jeder Sache und an jedem Ort ein”.
Der selige Staretz, der Priestermönch Seraphim von Sarow, weist die Anfänger an, nach einem zuvor in der Sarow-Einsiedelei existierenden allgemeinen Gebrauch, unaufhörlich zu beten: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. “Beim Gebet - so lehrt der Staretz - achte auf dich, d.h. sammle deinen Geist und vereinige ihn mit der Seele. Führe dieses Gebet anfangs einen, zwei oder mehrere Tage lang allein mit dem Verstand aus, deutlich und klar, und werde dir jedes Wortes extra bewußt. Wenn der Herr dein Herz erwärmt durch die Wärme seiner Gnade und dich in dem einen Geist vereint, dann fließt dieses Gebet unaufhörlich in dir, und wird immer bei dir sein, wird dich erquicken und dich nähren. Schweige, unaufhörlich schweige; denke immer an die Gegenwart Gottes und Seinen Namen. Wenn du zu Tisch sitzt, dann schaue nicht auf andere, wieviel jemand ißt, sondern achte auf dich selbst, und nähre deine Seele durch das Gebet”.
“Jeder, sagt er, der das spirituelle Leben erlernen will, muß mit dem aktiven Leben beginnen und dann zum kontemplativen Leben übergehen: denn ohne aktives Leben ist es unmöglich, zum kontemplativen Leben zu gelangen, ohne vorherige Läuterung von den Leidenschaften und ohne vollständige Meisterung des aktiven Lebens”.
“Die Gnadengaben, so bekräftigt Seraphim, erhalten nur diejenigen, die das innere Tun beherrschen und über ihre Seelen wachen. Jene, die in Wahrheit beschlossen haben, Gott zu dienen, müssen sich in der Erinnerung an Gott und im ständigen Jesusgebet üben, indem sie innerlich sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. Durch solch eine Übung und indem man sich vor der Zerstreuung hütet und Gewissensfrieden beachtet, kann man sich Gott nähern und sich mit ihm vereinigen. Anders als durch das ständige Gebet können wir nach den Worten des heiligen Isaaks des Syrers Gott nicht näher kommen.
Der Anfänger erlernt das Jesusgebet besonders bequem bei den langen Klostergottesdiensten. Wenn er ihnen schon beiwohnt, warum sollte er seine Gedanken fruchtlos und für seine Seele schadenbringend überall herumwandern lassen? Aber es ist unmöglich, dies zu vermeiden, wenn der Geist nicht an irgend etwas gebunden wird. Befasse dich mit dem Jesusgebet; es bewahrt den Verstand vor dem Umherwandern. Du wirst viel konzentrierter und tiefer werden; du wirst viel besser auf die Lesung achten und nach und nach das geistige Gebet erlernen. Demjenigen, der ein aufmerksames Leben führen will, trägt Seraphim auf, nicht auf fremde Gerüchte zu achten, durch die der Kopf sich mit müßigen und eitlen Überlegungen und Erinnerungen füllt; er trägt uns auf, die Aufmerksamkeit nicht auf fremde Dinge zu lenken, nicht zu grübeln, nicht über sie zu richten oder zu reden: er trägt uns auf, Gespräche zu vermeiden, sich wie ein Pilger zu geben, die einem begegnenden Väter und Brüder durch eine schweigende Verbeugung zu ehren, ohne sie dabei aufmerksam anzuschauen”.
Die Aufmerksamkeit wird bald zeigen, daß man bei der Verwendung dieser Methode, besonders zu Anfang, die Worte mit äußerster Langsamkeit aussprechen muß, damit der Geist in die Worte wie in Formen eindringen kann”, was bei hastigen Lesen nicht zu erreichen ist. Die Methode des Hl. Johannes Klimakos ist äußerst bequem, sowohl bei der Übung des Jesusgebetes, als auch beim Lesen der Gebete in der Zelle, sogar beim Studium der Heiligen Schrift und der Kirchenväter; woran man sich gewöhnen muß, als ob man nach Silben liest, mit solcher Langsamkeit.
Der Allerheiligste Kallistos, der Patriarch von Konstantinopel, urteilt so über das Gebet: “Unaufhörliches Gebet besteht im unaufhörlichen Anrufen des Namen Gottes. Ob man sich unterhält, ob man sitzt, geht, etwas tut, ißt oder sich mit irgend etwas anderem beschäftigt, man muß zu jeder Zeit und an jedem Ort den Namen Gottes anrufen, gemäß dem Vermächtnis der Schrift: ‘Betet ohne Unterlaß’ (Thess. 5,17).”
Das andächtige mündliche Gebet kommt zugleich aus dem Geist und aus dem Herzen. “Kleide dich zuerst in Blätter, und dann, wenn es Gott gebietet, wirst du auch Früchte bringen”, sagten die Väter. Erwerbe zuerst das andächtige Gebet: dem durch das aufmerksame Gebet zuvor Geläuterten und Vorbereiteten, dem Geformten, dem durch die Gebote des Evangeliums Gefestigten und in ihnen Fundierten, schenkt Gott, der Allbarmherzige Gott, zur rechten Zeit das begnadete Gebet.
Der Lehrer des Gebetes ist Gott, und das wahrhafte Gebet ist eine Gabe Gottes. Demjenigen, der unablässig mit zerknirschtem Gemüt, mit Gottesfurcht und Andacht betet, schenkt Gott selber allmählichen Fortschritt im Gebet. Aus dem aufmerksamen und demütigen Gebet entspringen die geistige Kraft und die spirituelle Wärme, welche das Herz erquicken. Das sich belebende Herz zieht den Geist an sich, wird zum Tempel des gesegneten Gebetes und zum Schatzhaus der durch es, seiner Beschaffenheit gemäß, erreichbaren geistigen Gaben. Bemühe dich, so sagen die großen Gottesstreiter und Lehrer des Gebetes durch den inneren Schmerz Gebetswärme zu erlangen, und Gott schenkt sie dir für immer. Bruder! Wenn du in deinem Herzen nicht Tag und Nacht mit Schmerz Gott suchen wirst: dann kannst du nicht fortschreiten.
“Die geistige Wachsamkeit oder Nüchternheit ist eine spirituelle Kunst, die den Menschen völlig mit Gottes Hilfe von den sündigen Taten und leidenschaftlichen Gedanken und Worten rettet, wenn sie lange genug und inbrünstig geübt wird. Sie ist die innere Hesychia; sie ist die Bewahrung des Gemütes; sie ist die Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber; fremd jedes Gedankens, immer ununterbrochen und unaufhörlich Christus Jesus, den Sohn Gottes und Herrgott anrufend, durch Ihn strahlend, mit Ihm kühn gegen die Feinde rüstend, Ihn bekennend”, so definiert der Hl. Hesychios von Jerusalem die geistige Wachsamkeit.
Inneres Gebet wird ein Gebet genannt, das von der göttlichen Gnade bewogen wird, und körperliches Gebet - ein Gebet, das vom Menschen mit eigener Anstrengung, ohne die deutliche Einwirkung der Gnade vollzogen wird.
Der Hl. Nilos trägt uns auf, “gedanklich zu schweigen, und sich nicht nur das Nachsinnen über irgend etwas Sündiges und Eitles, sondern auch über das anscheinend Nützliche und über das Geistige zu untersagen. Statt jeglichen Nachdenkens, befielt er uns, ständig in die Tiefen des Herzens zu blicken und zu sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich über mich Sünder. Man kann entweder stehend oder sitzend oder liegend beten, die Gesünderen und Kräftigeren beten stehend und sitzend, die Schwachen können auch im Liegen beten, weil bei diesem Gebet nicht die Mühe des Körpers, sondern die Mühe des Geistes vorherrscht. Der Hl. Nilos rät, den Geist ins Herz einzuschließen und nach Möglichkeit die Atmung einzuhalten, um nicht so oft zu atmen. Das bedeutet: man muß still atmen. Im allgemeinen sollen alle Bewegungen des Blutes Seele und Körper in einer ruhigen Lage der Stille, der Ehrfurcht und der Gottesfurcht bewahren. Ohne dies kann sich keine geistige Wirkung in uns einstellen. Sie erscheint dann, wenn alle Erregungen und Wallungen des Blutes verstummen. Die Erfahrung lehrt schnell, daß die Einhaltung der Atmung, d.h. die nicht so häufige und sanfte Atemführung sehr nützlich ist zur Erlangung des Zustandes der Stille und der Bewahrung des Gemütes vor allem Herumwandern. Aus der Erfahrung wissen wir, daß für die Schwachen diese Aktivität sehr schwer und unbequem ist. Wenn jemand die Gnade erwirbt, dann betet er ohne Mühe und mit Liebe, da er von der Gnade getröstet wird. Wenn die Wirkung des Gebetes eintritt, dann zieht sie den Geist zu sich, jubelt und befreit von allem Herumflattern.
Geduld und Abwarten in allen Dingen ist die Mutter der seelischen und körperlichen “Schwächen”. Unter dem Wort “Schwächen” versteht man hier vornehmlich die Zerknirschung des Geistes, das Weinen des Gemütes, innere Betrübnis und Kummer wegen der Empfindung der eigenen Sündhaftigkeit, der Wahrnehmung des ewigen Todes, dem Gefühl der Versklavung durch die gefallenen Geister. Die Qual des Geistes teilt sich dem Herzen und dem Körper mit. In den körperlich Schwachen ersetzen die Gemütszerknirschung und das Weinen völlig die Körpermühe. Nicht nur die Verrichtung des geistigen Gebetes, sondern auch die aufmerksame Lektüre tiefer patristischer Literatur über das Gebet ruft Kopfschmerzen hervor. Die innere Zerknirschung durch die zum Bewußtsein gekommene Sündhaftigkeit, Gefangenschaft und Sterblichkeit ist so stark, daß sie sogar zu physischen Krankheiten und Qualen führt.
Der Gabe des andächtigen Gebetes gehen gewöhnlicherweise besondere Leiden und seelische Erschütterungen voraus, die unsere Seele in das tiefe Bewußtsein der eigenen Armseligkeit und Nichtigkeit stürzen. Das innerliche Beten vereint mit der “Schwäche” des Herzens führt zur Läuterung und diese wiederum zu der wahren Schweigsamkeit des Herzens. Durch dieses Schweigen erlangt man Demut, und diese macht den Menschen zu einer Wohnstätte Gottes. Wenn Gott einzieht, dann werden die Dämonen und die Leidenschaften verjagt, und der Mensch wird zum Tempel Gottes, voller Heiligkeit, Erleuchtung, Lauterkeit und Gnade. Selig derjenige, der den Herrn im inneren Schatzkämmerchens des Herzens wie in einem Spiegel sieht und mit Weinen sein Flehen vor Seiner Gnade ausschüttet. Der ehrwürdige Johannes von Karthago sagt: Viel Zeit und Gebetsmühen sind erforderlich, um in einer nicht erregbaren Gemütsverfassung einen gewissen, neuen Himmel des Herzens zu finden, wo Christus lebt, wie der Apostel sagt: “Oder könnt ihr euch nicht das Zeugnis geben, daß Jesus Christus in euch ist? Wenn nicht, könnt ihr nicht bestehen (2 Kor 13,5).

 

Bote 1991-6
Worte über das Jesusgebet

“Das geistig-innere Tun ist die höchste Schule der Theologie”, sagt der ehrwürdige Nilos Sinaitis.
Der selige Nikephoros, der große Lehrmeister der Hesychasten, lehrt: “Und so setze dich, sammle deinen Geist, führe ihn in den Atmungsweg, durch welchen der Atem ins Herz eingeht; setze die Atmung in die (allerruhigste) Bewegung, und nötige deinen Geist mit der eingeatmeten Luft in das Herz einzudringen. Wenn er dort eindringt, dann wird das Darauffolgende für dich voller Jubel und Freude sein. Du sollst auch wissen, daß dein Geist, der sich dort befindet, nicht schweigen und in Müßiggang verharren darf, sondern im ständigen Beten und der Erbauung (von der er niemals abweichen darf) des Gebetes “Herr Jesus Chris-tus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner” verharren muß. Dieses Gebet, das den Geist unter Kontrolle hält, macht ihn unzugänglich und unberührbar für die Anfechtungen des Feindes und führt zum täglichen Fortschritt in göttlicher Liebe und göttlichem Wünschen. Wenn du trotz vieler Mühe nicht in das Land des Herzens eindringen kannst, wie wir es dir rieten, dann tue, was ich dir sage, und du wirst das Gesuchte mit Gottes Hilfe finden.
Du weißt, daß sich die Denkkraft (Logos-Kraft) jedes Menschen in seiner Brust befindet. In der Brust ist es, wo wir, auch bei geschlossenen Lippen, sprechen, uns beraten, beten und psalmodieren. Diese “Logos-Kraft” kannst du, indem du jeden Gedanken von ihr abziehst (und das kannst du tun, falls du willst), benützen, um zu sprechen: Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner. Und nötige dich dazu, so innerhalb der Brust statt jedes anderen Gedankens zu seufzen. Wenn du einige Zeit so verfährst, dann tut sich dir, ohne jeden Zweifel, auch der Zugang zum Herzen auf, wie wir dies beschrieben, da wir dies aus Erfahrung wissen. Dann gesellt sich auch mit viel-ersehnter und erquickender Hinwendung der ganze Reigen der Tugenden zu dir: Liebe, Freude, Friede etc; und durch diese werden all deine Bitten an Christus Jesus, unseren Herrn erfüllt”.
Zu der vom seligen Nikephoros dargelegten Methode, fügen der Hl. Kallistos und der Hl. Ignatius Xanphopulos hinzu, daß man bei ihrer Anwendung die Lippen geschlossen halten soll. Sie sagen, daß der Anfänger, was das hesychastische Leben betrifft, sich nach der Methode des seligen Nikephoros mit dem Jesusgebet beschäftigen muß, wobei er es ständig leise mit Hilfe des Nasen-atems (der ebenso sanft wieder ausgeströmt wird) in sein Herz einführen soll, wobei die Lippen geschlossen gehalten werden. Im Voranschreiten des Gebetes wirken die göttliche Kraft und Gnade; sie alleine vollbringen alles. Hilfsmittel sind eben nur Hilfsmittel, deren unsere Schwachheit bedarf. Xanphopulli sagt, daß die Übung des geistigen und des Herzensgebetes im Geiste geläutert wird durch die Überschattung und Hilfe der göttlichen Gnade und durch die konzentrierte, innige, lautere, abschweifungsfreie und vertrauensvolle Anrufung unseres Herrn Jesus Christus, und nicht einfach durch den oben dargelegten natürlichen Kunstgriff der Nasenatmung, oder durch das bloße schweigende Dasitzen beim Gebet in Dunkelheit - möge dem nicht so sein! Das wurde von den Göttlichen Vätern nur dazu erfunden, um eine gewisse Stütze zur Sammlung der Gedanken, zu ihrer Rückkehr zu sich selber und zur Aufmerksamkeit zu verleihen.
Der ehrwürdige Arsenij nahm stetig zu im geistlichen Leben: besonders lobt er den Hl. Isaak den Syrer und empfiehlt ihn zur Nachahmung als ein sehr geeignetes, weises und fruchtbringendes Vorbild. Der ehrwürdige Arsenij der Große beobachtete ständiges Schweigen, er vermied im allgemeinen alle Beziehungen, die seine Andacht stören konnten, denn das Ziel seines Lebens und all seiner Aktivitäten war die Bewahrung der inneren Aufmerksamkeit.
Sehr nützlich zum Erlernen des Jesusgebetes ist es, wenn man es mit ganzen und halben Verbeugungen verbindet, die man ohne Hast und mit Reuegefühl ausführen soll. In der Kirche und überhaupt bei der Beschäftigung mit dem Jesusgebet ist es gut, die Augen geschlossen zu halten und die linke Hand an die Brust, ein wenig über die linke Brustwarze zu legen: diese Methode hilft zur Wahrnehmung der Kraft des “Logos”, die sich in der Brust befindet. Die Kranken und die Alten jedoch müssen sich vor überflüssiger körperlicher Gebetsanstrengung hüten, damit sie nicht ihre Kräfte erschöpft und sie daran hindert, sich der innerlichen Gebetsübung hinzugeben. Das Wesen des Gebetes ist im Herrn und Seinem Namen.
Die Schriften der Väter kann man mit einer Apotheke vergleichen, in der sich eine Menge Arzneimittel befinden; aber der Kranke, der mit der Heilkunst nicht vertraut ist und nicht von einem Arzt geführt wird, tut sich sehr schwer bei der Auswahl des für seine Krankheit angebrachten Heilmittels. Wenn der Kranke jedoch aus Selbstvertrauen und Leichtfertigkeit heraus und ohne sich genügend erkundigt zu haben, in Ermangelung eines Arztes, sich übereilt selber für die Auswahl und die Einnahme eines Heilmittels entscheidet, dann kann diese Wahl ein Mißerfolg sein. Die an und für sich heilsame Medizin kann sich nicht nur als nutzlos, sondern sogar als schädlich erweisen. In eine Lage, die ähnlich der Lage eines solchen Kranken ist, sind wir gestellt aus Mangel an geistlichen Führern, die sich in den Schriften der Heiligen Väter über die geheime Wirkung des Herzensgebetes und seiner weiteren Resultate auskennen.
Der Hl. Gregor Sinaitis sagt: “denn jeder, der sich nach bloßem Hören oder Lesen in eine überflüssige Gebetsaskese stürzt, verdirbt, weil er keinen Führer erworben hat.” Die heiligen Väter erinnern daran, daß viele, die sich beim Beten in fälschlicher Weise gewisser Hilfsmittel bedienten, für die sie noch nicht reif und unfähig waren, in Selbstverblendung und Geistesverwirrung verfielen.
Die Ausübung von Tugenden muß immer dem Zustand des Tuenden angemessen sein; andernfalls verderben sie den Täter, und werden selber zunichte, d.h. ihre Unternehmung ist fruchtlos und führt zum Schaden und Verderb der Seele, entgegen ihrer Bestimmung; denn nicht nur die Sünde gereicht uns zum Verderb, sondern sogar auch das Gute, wenn wir es ohne Zeit und ohne Maß tun.
Im Fall besonderer körperlicher Anstrengung beim Herzensgebet, beginnt im Herzen die Hitze zu wirken. Diese Hitze ist die direkte Auswirkung solch einer Übung, denn jedes Glied des menschlichen Körpers, das der Reibung unterworfen wird, erhitzt sich: das passiert auch beim Herzen wegen seiner ständigen, fortgesetzten Anspannung. Die Wärme, die aus der verstärkten, materiellen Askese resultiert, ist auch körperlich. Es handelt sich um eine Wärme des Fleisches, des Blutes, die zum Bereich der gefallenen Materie gehört. Viel gefährlicher, viel näher an “Prelest” ist es, wenn der Asket die Blutwärme im Herzen oder in der Brust spürt, sie für gnadengeschenkt hält, sich etwas auf sie, und folglich auch auf sich selber einbildet.
Man muß sich bemühen, daß das Gebet in der Spitze des Herzens wirkt, wo nach der Lehre der Väter die “Wortkraft” ruht, und wo aus diesem Grund die Anbetung Gottes erfolgen muß. Wenn die Göttliche Gnade die Gebetsübung überschattet und den Geist mit dem Herzen zu vereinigen beginnt, dann schwindet die materielle, vom Blut hervorgerufene Wärme völlig. Die heilige Handlung des Gebetes wandelt sich dann vollkommen: sie wird sozusagen natürlich, völlig frei und leicht. Dann erscheint im Herzen eine andere Wärme, eine feine, nicht-materielle, spirituelle, die keinerlei Erhitzung hervorruft - im Gegenteil, eine abkühlende, erleuchtende, erfrischende; sie wirkt wie eine vollständige, geistige, lindernde Salbung und reißt zur unaussprechlichen Liebe zu Gott und den Menschen fort: so berichtet der ehrwürdige Maxim Kapsokalibia aus seiner eigenen seligen Erfahrung über diese Wärme.
Das menschliche Herz hat das Aussehen eines länglichen Sackes, der nach oben weiter und nach unten schmäler wird. Er wird durch das obere Ende, das sich gegenüber der linken Brustwarze befindet, befestigt, aber sein unterer Teil, der sich am Ende der Rippen befindet, ist frei; wenn er ins Schwingen gerät, dann nennt man diese Schwingung Herzklopfen. Viele, die keine Ahnung von der Physiologie ihres Herzens haben, vermuten ihr Herz dort, wo sie sein Schlagen fühlen. Indem sie sich eigenmächtig an die Übung des Herzensgebetes machen, merken sie auf die Atmung und führen sie in das Herz, gerade zu diesem Teil des Herzens, den sie in fleischliche Erhitzung versetzen, wobei sich der Herzschlag sehr verstärkt; so erzeugen sie einen unrichtigen Zustand und “Prelest” in sich.
Der Schemamönch Vasilij, der sich auf den Hl. Theophylakt und andere Väter bezieht, bekräftigt, daß die drei Kräfte der Seele, nämlich die Denkkraft, die Ereiferung und die Wunschkraft, so verteilt sind: in der Brust und im oberen Teil des Herzens ist die Denkkraft oder der Geist des Menschen gegenwärtig, im mittleren Teil die Kraft des Eifers und im unteren Teil die Wunschkraft oder das natürliche Verlangen. Derjenige, der sich bemüht, den unteren Teil des Herzens in Bewegung und Erhitzung zu versetzen, bringt die Kraft der Begierde in Bewegung, die wegen ihrer Nähe zu den Geschlechtsteilen und wegen ihrer Natur gemäß, diese Teile in Bewegung versetzt. Der törichten Verwendung eines körperlichen Hilfsmittels folgt eine starke Anfachung der fleischlichen Begierde. Welch ein seltsames Phänomen! Dem Anschein nach beschäftigt sich der Asket mit Gebet, und gerade diese Beschäftigung erzeugt Lust, die durch es abgetötet werden soll. Und die Unwissenheit, die ein natürliches Mittel mißbraucht hat, schreibt dem Jesusgebet das zu, was sie eigentlich dem Mißbrauch zuschreiben sollte. Das Herzensgebet geht aus der Vereinigung des Verstandes mit dem Geist hervor, die durch den Sündenfall getrennt wurden und durch die Gnade der Erlösung wieder vereint werden. Im Geist des Menschen sind die Empfindungen des Gewissens, der Geduld, der Sanftmut, der Liebe zu Gott und zum Nächsten, und andere ähnliche Eigenschaften konzentriert: es ist notwendig, daß sich beim Gebet die Handlung dieser Eigenschaften mit dem Wirken des Verstandes verbindet. Darauf muß die ganze Aufmerksamkeit des Betenden gerichtet sein. Die Vereinigung erfolgt durch den Fingerzeig Gottes, dem einzig Mächtigen, die Wunde des Falles zu heilen; der Betende zeigt die Aufrichtigkeit seines Entschlusses zur Erlangung der Heilung durch das ständige Verweilen im Gebet, durch die Einschließung des Verstandes in die Worte des Gebetes, durch die äußere und innere Tätigkeit gemäß den Geboten des Evangeliums, die den Geist zur Vereinigung mit dem betenden Verstande fähig macht. Dabei hilft es ein wenig, wenn man den Verstand (Gemüt) künstlicherweise auf die Logoskraft und auf den oberen Teil des Herzens richtet. Fortssetzung folgt