Triodion
Der Bote1995-1
Triodion
II. Die heilige vierzigtägige
oder Große Fastenzeit
Die alten christlichen Schriftsteller bezeugen einstimmig, daß das Fasten der heiligen Vierzigtage von den Aposteln eingesetzt wurde zur Erinnerung an das vierzigtätige Fasten des Moses (Ex. 34), des Elias (3. Kön. 19) und vor allem nach dem Vorbild Christi selbst, der vierzig Tage lang fastete (Mt. 4,2). Die heilige große Fastenzeit ordneten die frühen Christen der Gedenkzeit an die Passion des Erlösers zu, indem sie nämlich diesen Passionstagen vorgriffen, um nach Kräften Seine Selbstentsagung und Selbstverleugnung nachzuahmen und durch diese ihre Opfer der Entsagung ihre lebendigste Anteilnahme und Liebe zum Heiland, welcher für die Welt gelitten hat, auszudrücken, und um sich beizeiten sittlich zu läutern für die Zeit des feierlichen Gedenkens der Leiden Christi und Seiner glorreichen Auferstehung. Eben die Bezeichnung “heilige Vierzigtage” trifft man sehr häufig in alten schriftlichen Zeugnissen mit der Angabe des Zweckes ihrer Einrichtung. “Die Vierzig-Tage-Zeit vernachlässigt nicht”, schrieb der Hl. Ignatios der Gottesträger in der Botschaft an die Philipper: “sie stellt eine Nachahmung des Wandels Christi dar”. Der Hl. Ambrosius von Mailand spricht noch deutlicher: “Der Herr heiligte uns durch Sein vierzigtägiges Fasten; dies vollbrachte Er zu unserer Errettung, um uns das Fasten nicht nur durch Worte, sondern auch durch Vorbild zu lehren”. Die hll. Basilios der Große und Gregorios von Nyssa bestätigen, daß das Fasten der heiligen Vierzigtage zu ihrer Zeit überall geläufig war. In den Aposteldekreten (im Jahre 69) gilt die heilige Fastenzeit als Pflicht und ihre Nichteinhaltung unterliegt strenger Bestrafung. Als unbestreitbares Zeugnis für die Antizität dieses Fastens dient auch der Osterfestkreis des Hl. Hyppolitos (3. Jh.), der auf seiner Kathedra eingraviert ist und einen Hinweis auf den uralten Brauch, daß das Fasten der Vierzigtage an Sonntagen ausgesetzt wird, enthält. Gemäß all dieser Traditionen der heiligen Apostel hat unsere heilige Kirche im Namen ihrer Repräsentanten, Väter und Lehrer stets das Fasten der heiligen Vierzigtage als eine Einrichtung aus apostolischen Zeiten betrachtet. Noch der Hl. Hieronymos sprach im Namen aller Christen seiner Zeit: “fasten wir vierzig Tage lang nach der apostolischen Überlieferung”. Der Hl. Kyrillos von Alexandria erinnert öfters in seinen Schriften daran, daß das Vierzigtagefasten übereinstimmend mit der apostolischen und evangelischen Überlieferung als heilig betrachtet werden sollte. Das Fasten der heiligen Vierzigtage wurde dennoch in der alten Kirche nicht immer zu genau demselben Zeitpunkt beachtet, sondern hing von der nicht einheitlichen Zählung der Fastentage und der Nichtfastentage ab. Angefangen vom 3., ja sogar bis zum 11. Jh., gibt es klare Zeugnisse der hll. Väter, daß die heilige “Tesserakoste” 40 Tage lang vorgeschrieben war. Der Hl. Irinaios schrieb über die Christen, daß diese 40 Tage lang fasten. Im 3. Jh. wird dasselbe von Origenes bestätigt. Im 4. Jh. kam in den Kirchen des Orients die noch jetzt gültige Ordnung auf, das Fasten der heiligen Vierzigtage vom Montag nach dem Sonntag der Tyrophagie bis zum heiligen und großen Samstag einzuhalten, worin auch das Fasten der Passionswoche inbegriffen ist. Die hll. Väter Kyrill von Jerusalem, Gregor der Theologe, Johannes Chrysostomos, Ambrosius von Mailand, der selige Augustinus und andere, sie alle reden einstimmig von der heiligen “Tesserakoste” als von einer vierzigtagelangen Fastenzeit, worin sie eine allgemeine Einrichtung der heiligen Kirche sehen. Das Fasten der heiligen Vierzigtage wird das Große genannt, sowohl wegen der Anzahl der Tage, als auch ob seiner besonderen Wichtigkeit und Bedeutung für die orthodoxen Christen. “Je mehr – so lehrt der selige Augustinus – dieTage des Fastens, um so größer die Heilwirkung; je ausgedehnter der Kampf der Enthaltsamkeit, desto reicher der Heilgewinn. Gott, der Arzt unserer Seelen setzte eine günstige Zeit fest: für die Gottesfürchtigen zum Lobpreis, für die Sünder zum Gebet, für die einen Ruhe zu suchen, für andere um Vergebung zu flehen. Günstig ist die Zeit der Vierzigtage, nicht zu kurz zum Lobpreis, noch zu lang, um Gott zur Barmherzigkeit zu bewegen. Heilig und heilsam ist der Kampfplatz der Vierzigtage, wodurch der Sünder durch Reue zum Erbarmen bewegt wird und der Fromme zu Frieden gelangt. In diesen Tagen wird die Gottheit besonders zum Erbarmen geneigt, alle Mängel aufgehoben und die Frömmigkeit belohnt”. Nach der Lehre des Hl. Asterios von Amasiya ist die heilige Vierzigtagezeit eine “Lehrerin der Mäßigung, eine Mutter der Tugend, eine Erzieherin der Kinder Gottes, eine Wegweiserin der Liederlichen, die Stille der Seelen, die Stütze des Lebens, der feste und unerschütterliche Frieden; ihre Strenge und Gewichtigkeit läßt die Leidenschaften ersterben, löscht Zorn und Wut, kühlt und besänftigt jede durch Unmäßigkeit entstandene Erregung des Blutes”. “Die heiligen Väter – so lehrt der Hl. Johannes Chrysostomos – setzten das vierzigtätige Fasten an, damit in diesen Tagen die Menschen sich sorgfältig durch Gebet, Fasten und Bekennen ihrer Sünden läutern und mit reinem Gewissen zur heiligen Kommunion schreiten mögen”. Nach der Lehre des ehrwürdigen Dorotheos “gab Gott diese heiligen Tage darum: wenn jemand mit Andacht und demütiger Gesinnung auf sich hält und seine Sünden bereut, wird er von den Verfehlungen gereinigt, die er im Verlauf des ganzen Jahres begangen hat; dann wird seine Seele von der Last befreit, und auf diese Weise tritt er in geläutertem Zustand dem heiligen Tag der Auferstehung entgegen und ungerichtet empfängt er die heiligen Geheimnisse, denn durch die Reue ist er in diesem heiligen Fasten zu einem neuen Menschen geworden”.
Die Gottesdienste der heiligen Vierzigtage bieten uns einerseits einen ständigen Ansporn zum Fasten und zur Reue und andererseits schildern sie die Verfassung der reumütigen und über ihre Sünden weinenden Seele. Dieser allgemeinen Sinngebung der Fastengottesdienste entspricht auch ihre äußere Form. Die heilige Kirche verzichtet in ihren Gottesdiensten auf alle Feierlichkeit. Und vor allem vollzieht sie den eigentlich festlichsten aller christlichen Gottesdienste – nämlich die volle Liturgie nicht an den Tagen des Großen Fastens, ausgenommen Samstag und Sonntag; statt dessen ist für Mittwoch und Freitag (Laodizea 19, Trullanum 52) die Liturgie der vorgeweihten Gaben (s. unten) vorgeschrieben. Die Struktur anderer kirchlicher Gottesdienste wird von der heiligen Kirche dieser besonderen Zeit angemessen ebenfalls geändert. Sie stellt den Gesang als Ausdruck einer frohen Gemütsverfassung fast gänzlich ein und gibt den Lesungen vorrangige Bedeutung. Die Auswahl der Lesungen selber paßt sie auch dieser Zeit an. So versagt die heilige Kirche den Gläubigen die freudige Verkündigung des Evangeliums Christi und schreibt dafür Lesungen aus dem alttestamentlichen Wort Gottes vor. Besonders ausgedehnt macht sie von dem Psalter Gebrauch, welcher vornehmlich einen gebetsvollen und reumütigen Geist erweckt; der ganze Psalter wird zweimal jede Woche rezitiert. Es werden auch die Drohreden des Propheten Jesajas gelesen, welche die Frevler bloßstellen und die Hoffnung der Reumütigen stärken; es werden Stellen aus dem Buch Genesis gelesen, in denen die Erschaffung und der Sündenfall des Menschen beschrieben und einerseits die schreckliche Manifestation des Zornes Gottes über die Ruchlosen, andererseits Sein Erbarmen über die Gerechten geschildert wird; es werden schließlich ziemlich häufig Lektionen aus dem Buch der Sprüche Salomons gelesen, wo die Weisheit Gottes uns zu echter Erleuchtung ruft und uns himmlische Weisheit vermittelt. In allen kirchlichen Gottesdiensten betet die heilige Kirche das Gebet des Hl. Ephraim des Syrers, dessen Sinn ist, daß der Herr den Geist des Müßigganges, des Kleinmutes, der Herrschsucht und der Schwatzhaftigkeit von uns nehme, und uns den Geist der Keuschheit, der Demut, der Geduld und der Liebe schenke. Ebenso oft wird das Gebet des reumütigen Davids “erbarme Dich meiner, o Gott, erbarme Dich” und der Ausruf des einsichtsvollen Schächers “erbarme Dich meiner, o Herr, wenn Du in Dein Königreich kommst” wiederholt. Alle Gottesdienste des Großen Fastens erfolgen sachte, langsam und mit größter Ehrfurcht. Die Leuchter werden nur in begrenzter Anzahl entzündet, die königlichen Tore öffnen sich selten, die Glocken werden nur wenig und selten geläutet, die in der Kirche Anwesenden werden zu häufigen und vollen Verbeugungen aufgerufen, zum Niederknien und Niederfallen. Durch die äußere Gestaltung, durch die Atmosphäre und den besonderen Charakter dieser Gottesdienste lehrt uns die heilige Kirche, daß es auch in dem inneren Tempel unserer reuigen Seele keinen Anlaß zu Freude und Frohlocken geben darf, sondern nur zu Demut und Kummer, zu Wehklagen über die Sünden. Endlich verbindet die heilige Kirche die täglichen kirchlichen Gottesdienste, nämlich die dritte, sechste und neunte Stunde mit dem Abendgottesdienst, um die Zeit anzuzeigen, bis zu der das tägliche Fasten dauern muß. Überhaupt richtet die heilige Kirche mit mütterlicher Fürsorge alles weise daraufhin aus, daß wir, während wir strenge Enthaltsamkeit in der Speise üben, die ganze Zeit dieser “seelenfrommenden Vierzigtage” Gott und der Sorge um unser Seelenheil weihen, uns nach Möglichkeit von den üblichen irdischen Angelegenheiten und Aktivitäten, von der Geschäftigkeit und den Vergnügungen des Lebens freimachen, und einen vergleichsweise größeren Teil unserer Zeit als sonst der Gewissenserforschung, der sittlichen Besserung, der Gottesbetrachtung und dem kirchlichen Gottesdienst zukommen lassen; damit wir diese Zeit nutzen als eine günstigste zur Läuterung im Mysterium der Buße von allen Sünden, die wie eine schwere Last auf unserer Seele liegen und das Bild Gottes in uns verdunkeln, um uns dann, mit bereits gereinigtem Gewissen, im Mysterium der Kommunion mit dem Herrn Selber, der Quelle aller Freude, allen Glückes und der ewigen Erlösung zu vereinigen; damit wir schließlich würdig “die der Seele frommende Vierzigtagezeit vollendet habend” im Frieden mit Gott, mit dem Nächsten und mit unserem Gewissen, licht und froh, mit lauterer Seele und mit offenem Herzen der “großen und heiligen Woche” der Passion Christi und “Seiner lichten Auferstehung” entgegengehen mögen.
Die Weise der Einhaltung des Fastens der heiligen Vierzigtage ist von alters her festgesetzt. Die frühen Christen beachteten dieses Fasten mit besonderer Strenge und enthielten sich sogar bis zur neunten Stundes des Tages (3 Uhr nachmittags) des Trinkens von Wasser. Speise nahmen sie erst nach der neunten Stunde zu sich, wobei sie Brot und Gemüse verwendeten, auf Fleisch und auf Wein verzichteten, auch auf Käse und Eier, sogar samstags und sonntags. Eine Ausnahme von dieser Ordnung wurde nur im äußersten Notfall zugelassen. Die strenge Einhaltung des Fastens wurde samstags und sonntags gelockert, sowie am Fest der Verkündigung (falls es in die heilige Fastenzeit fiel), also anTagen, an denen die volle Liturgie zu zelebrieren war, aber es wurde nicht gemildert, wenn Feste zu Ehren von Heiligen auf Werktage fielen und deren Begehung wurde dann auf den Samstag oder Sonntag verschoben.
Die erste Woche
Die erste Woche der heiligen Vierzigtage stellen “die Eingangstage des heiligen Fastens” dar. Die heilige Kirche fordert in dieser Woche ihre Kinder auf, die “allehrwürdige Enthaltsamkeit” anzutreten, “dem Herrn mit Ehrfurcht” zu dienen, “zu fasten auf eine Weise, welche angenehm und wohlgefällig ist dem Herrn”, nicht nur “körperlich”, sondern auch “geistlich” zu fasten, den Zweck und die Bedeutung des “allehrwürdigen Fastens” zum Vorschein zu bringen. “Es kam herbei – singt die heilige Kirche in ihren Gesängen – die Fastenzeit, die Mutter der Keuschheit, die Anklägerin der Sünde und Mahnerin zur Buße, die Lebensweise der Engel und die Erlösung der Menschen”; “Moses ward durch dasselbe verherrlicht und empfing die Gebote in Schrift auf Tafeln”, “Elias verschloß fastend die Himmel”, “Fasten befreite die Jünglinge aus dem Feuerofen”, und “den Propheten Daniel aus der Löwengrube”. Wir, die wir “die feste Waffe des Fastens als Schild haben, wenden alle feindlichen Ränke der Verführung ab, versengen uns nicht durch den Genuß der Leidenschaften, noch fürchten wir das Feuer der Versuchung”, “rein erscheinen wir vor dem reinen und einzig von allen Reinheit fordernden Retter unserer Seelen”; “licht geworden durch die göttlichen Tugenden, erblicken wir im Glauben die hellstrahlenden Leiden des Erlösers”; “laßt uns empfangen von Christus, unserem Gott, große Barmherzigkeit”. Gleichzeitig damit erläutert die heilige Kirche auch eingehend das Wesen echten Fastens als ein wirksames Mittel zur Befreiung von Sünden, als die Grundlage der Reue, als den Beginn der Umkehr des Menschen zu Gott. Nach der Lehre der heiligen Kirche ist “wahres Fasten die Entfremdung von bösen Taten, die Beherrschung der Zunge, die Enthaltung von Zorn, die Abkehr von Begierden, Verleumdung, Lüge und Meineid: das Minderwerden dieser Dinge ist wahres und edles Fasten”. Daher lädt die heilige Kirche ihre Kinder zur echten Buß- und Fastenaskese ein und singt: “In das lichte Gewand des Fastens kleiden wir uns, die dunklen und vom Übel lastenden Kleider der Trunkenheit legen wir ab”, “die Reinheit wollen wir lieben, die Unzucht fliehen, in Keuschheit gürten wir uns die Lenden”, “waschen wir unser Gesicht mit dem Wasser der Gelassenheit”, “lasset uns daher lösen eine jede Verstrickung der Lüge, zerreißen jeden ungerechten Schuldschein, den Hungernden Brot geben, und den obdachlosen Armen eine Zufluchtstätte bieten”; “die allehrwürdige Enthaltsamkeit wollen wir eifrig beginnen, leuchtend durch die Strahlen der heiligen Gebote Christi, unseres Gottes, das Licht der Liebe, den Glanz des Gebetes, die Reinheit der Unschuld, die Kraft der Standhaftigkeit”. In den ersten vier Tagen der ersten Woche des Großen Fastens wird im Spätabendgottesdienst der große Bußkanon des Hl. Andreas von Kreta gelesen, zu dem am Mittwoch und Donnerstag Tropare zu Ehren der ehrwürdigen Maria von Ägypten hinzugefügt werden. Der Kanon des Hl. Andreas, wie im Synaxarion angezeigt, “lehrt jede Seele, all dem dort verkündeten Edlen nachzueifern und es nach Kräften nachzuahmen, allem Bösen jedoch zu entfliehen und immer zu Gott zu eilen in Reue, Tränen, Sündenbekenntnis und allem was Ihm wohlgefällt.” Die Tropare zu Ehren der Hl. Maria von Ägypten lehren uns, nicht zu verzweifeln, “selbst wenn wir einst in Versündigungen verstrickt waren”. Der Kanon des Hl. Andreas wird der Große genannt wegen der Vielzahl der Ideen und Gedanken, welche der fruchtbare Dichter in ihn einbrachte, und ebenso weil er mehr Tropare beinhaltet als jeder andere Kanon; denn andere Kanones haben um die 30 Tropare, dieser aber an die 250. Auf die ersten vier Tage der ersten Fastenwoche wird der Kanon des Hl. Andresas in 4 Teile geteilt, wobei jeden Tag ein Teil gelesen wird.
Kondak (nach dem 6. Irmos des Großen Kanon). “Meine Seele, meine Seele, stehe auf, was schläfst du? Das Ende nahet, und du wirst betrübt werden; wache daher auf, auf daß deiner schone Christus, der Gott, der Allgegenwärtige und Alles Erfüllende.”
Samstag der ersten Fastenwoche. An diesem Tag gedenkt die heilige Kirche des Hl. Theodor von Tyron “des großen Märtyrers, des hellen Leidensdulders, des Berühmten und durch Wunder Verherrlichten, des in allen Enden der Welt Gefeierten”. Dadurch gibt die heilige Kirche den Gläubigen zu verstehen, daß das Fasten Gott wohlgefällig ist und daß die Fastenden unter dem besonderen Schutze Gottes stehen. Zum Tisch am Sabbath der ersten Fastenwoche “essen wir gekochte Bohnen, mit grünen und schwarzen Oliven und mit Öl gekochte Speisen; Wein genießen wir einen Becher um des Heiligen willen. Diese Regel empfingen wir aus der Lavra des Hl. Sabbas und von unserem gottragenden Vater Euthymios”. An allen Samstagen des Großen Fastens, ausgenommen den heiligen und großen Sonnabend, findet die Liturgie des Hl. Johannes Chrysostomos statt; sonntags jedoch, außer am Palmsonntag, wird die Liturgie des Hl. Basilios des Großen zelebriert.
Erster Sonntag
der Großen Fastenzeit
An diesem Tag gedenkt die heilige Kirche des Sieges der Orthodoxie über die Häretiker, deshalb wird dieser Sonntag auch der “Sonntag der Orthodoxie” genannt. Nach der Erläuterung des Synaxarions wird an diesem Tag “die Wiedererrichtung der heiligen und ehrwürdigen Ikonen” gefeiert, welche in der Mitte des 9. Jh. (842) “durch den Hl. Michael (den byzantinischen Kaiser), der Hl. Theodora, die selige Kaiserin und den Hl. Methodios, den Patriarchen von Konstantinopel” erfolgte. Dieses Fest wurde aus Anlaß des endgültiges Sieges der heiligen Kirche über die Häresie des Ikonoklasmus eingerichtet. In den Gesängen dieses Tages verherrlicht die heilige Kirche die heiligen Ikonen sowie die Eiferer der Ikonenverehrung, und indem sie uns die Verpflichtung zur Ikonenverehrung bekräftigt, singt sie: “Ein freudiger Tag, von Frohlocken erfüllt erschien uns heute: hell leuchtet das wahrste Dogma, und die Kirche Christi erstrahlt geschmückt durch die wiedererrichteten heiligen Ikonen und den Glanz der heiligen Darstellungen, und Gott gefällige Einmütigkeit herrschet unter den Gläubigen”; “heute scheint der helle Glanz der Frömmigkeit allen, sie verjagt den Trug des Frevels wie Wolken, und erleuchtet die Herzen der Andächtigen: kommt herbei, fallt nieder, verneigt euch in weiser Ehrfurcht vor den ehrwürdigen Christus-Ikonen der Orthodoxie”, “wollen wir uns ehrerbietig verneigen vor den heiligen Bildern Christi und der Allreinsten Gottesmuter und aller Heiligen, dargestellt an Wänden, auf Holztafeln und Weihegefäßen, und den ruchlosen Glauben der Verrufenen von uns weisen”. Aber da das Dogma der Ikonenverehrung eng verbunden ist mit dem ganzen System christlicher Dogmatik und der Sieg über den Ikonoklasmus nicht nur ein Sieg der heiligen Kirche zugunsten des frommen Brauches der Ikonenverehrung war, sondern geradezu ein Sieg der Orthodoxie (d.h. jener religiösen Wahrheit, welche in der Achtung der geheiligten Darstellungen einen lebendigen und anschaulichen Ausdruck findet), und da die heilige Kirche zum Zeitpunkt des Sieges über den Ikonoklasmus endgültig im Kampf mit den verschiedenen Häresien in den Kanones der sieben Ökumenischen Konzilien die orthodoxe christliche Lehre geklärt und definiert hatte, wird das heute gefeierte Ereignis nicht Sieg der Ikonenverehrung, sondern Triumph der Orthodoxie genannt. Das soll nicht etwa heißen, daß ab dem 9. Jh. keine Häresien mehr auftauchten oder auftauchen würden; sondern es bedeutet, daß alle folgenden Häresien, wie zahlreich und vielgestaltig sie auch sein mochten, in den Definitionen der sieben Ökumenischen Konzilien bereits ihre Entlarvung und Widerlegung finden.
Der Sieg der Orthodoxie wurde in der Byzantinischen Kirche anfänglich am 1. Sonntag des Großen Fastens gefeiert, also ist die Begründung des heutzutage begangenen Triumphes der Orthodoxie historisch. Gleichzeitig beabsichtigt die heilige Kirche durch die feierliche Begehung dieses Tages denjenigen, welche gemäß den Maximen des Glaubens und der Frömmigkeit die Fastenmühe auf sich nehmen, eine große Tröstung zu gewähren: sie bestätigt deren lebendige Gemeinschaft des Glaubens und des Lebens mit ihr, der Kirche, und sieht darin die Grundlage, um für sie vor Gott Fürbitte zu leisten. Nach Beendigung der Liturgie ist vorgeschrieben, an diesem Tag einen besonderen Ritus der Orthodoxie zu feiern, der auf den Hl. Methodios zurückgeht. Bereits diejenigen, welche die Verehrung und Anbetung der heiligen und ehrwürdigen Ikonen wiederherstellten, setzten fest, daß “dieser heilige Triumph alljährlich gefeiert werden muß, damit wir niemals wieder in diesen Frevel (den Bildersturm) verfallen mögen” (Synaxiarion). Aus dem byzantinischen Raum gelangte dieser Ritus der Orthodoxie zusammen mit dem Christentum auch in die Russische Kirche.
Tropar, s.16. Aug. Kondakion Ton 8: “Das unbegrenzte Wort des Vaters ward, indem es aus dir, Gottesgebärerin, Fleisch wurde, umgrenzt, und vermischte das befleckte Bild, indem es sich in den ursprünglichen Zustand zurückbildete, mit göttlicher Schönheit: indem wir die Erlösung bekennen, lasset uns durch dieselbe Tat und Wort verwirklichen.”
Liturgie dies Hl. Basilios des Großen.
Lesungen: Hebr. 11,24-26; 12,2; Jh. 1,43-51.
Gemäß der Festlegung des Heiligen Synods vom 2/4. April 1902 muß in den Kloster-, Stadt- und Dorfkirchen am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit “das Moleben für die Umkehr der Verirrten, zu singen am Sonntag der Orthodoxie und zu anderen Anlässen” zelebriert werden. An diesem Sonntag wird für die Ausbreitung des Christentums im Russischen Imperium gesammelt.
Am ersten Sonntag der Großen Fastenzeit wird in den Kathedralkirchen von dem jeweiligen Hierarchen (Erlaß des Heiligen Synods von 1767) nach der Lesung der Stunden und vor dem Ende der Liturgie in der Mitte der Kirche vor den Ikonen des Heilands und der Muttergottes der Ritus der Orthodoxie zelebriert.
“Zum Tisch essen wir mit Öl Gekochtes, aber keinen Fisch; gegebenenfalls trinken wir auch Wein,angeordnet zur Ehre Gottes, je zwei Becher; ebenso am Abend zwei.”z
Bote 1995-2
II. Blumen-Triodion
Das Blumentriodion enthält Gebete, welche die Auferstehung Jesu Christi und Ereignisse, die nach der Auferstehung Christi stattfanden, verherrlichen. Darin befinden sich vor allem die Gottesdienstfolgen für die Ostertage, in denen die Auferstehung Jesu Christi gefeiert wird. Aber da der Herr nach Seiner Auferstehung vierzig Tage hindurch seinen Jüngern erschien und mit ihnen vom Reiche Gottes redete (Apg 1,3), wird die Auferstehung Christi in den kirchlichen Gottesdiensten (wenn auch etwas weniger feierlich) noch nach der Lichten Woche bis zum Ablauf von 40 Tagen, d.h. bis zur Himmelfahrt des Herrn, besungen. Damit ist die Zeit der Verwendung des Blumentriodions jedoch noch nicht zu Ende. Während die Kirche vierzig Tage die Auferstehung des Herrn feiert, bereitet sie gleichzeitig die Gläubigen zur Feier der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel vor und setzt für dieses Fest besondere Tage fest. Daher kann man der Besonderheit der Gottesdienste entsprechend die ganze Periode der Verwendung des Blumentriodions in drei Teile einteilen: 1) Osterwoche, 2) die Wochen nach Ostern, vom Thomas-Sonntag bis zur Abgabe von Ostern und 3) die Wochen von der Abgabe von Ostern bis zum Sonntag Allerheiligen. Aus dieser Bedeutung erklärt sich auch die weitere Bezeichnung des Blumentriodions als “Pentekostarion” (50 Tage Zeitraum). Blumentriodion heißt es entweder, weil es einstmals die Gottesdienstfolge der Hohen und Heiligen Woche und des Palmsonntags, welcher auch der “blumentragende” genannt wird, miteinbegriff, oder, weil der Beginn seiner Verwendung mit dem Beginn des Frühlings, der Zeit der Blüten, die als ein herrliches Symbol der geistigen Schönheit und künstlerischen Gestaltung der Gesänge des Blumentriodions benutzt werden können, zusammenfällt. Die Gesänge des Blumentriodions sind ebenso wie das Fastentriodion das Werk vieler Dichter, von denen einige namentlich nicht erwähnt sind, während die bekannten dem 5. - 7.Jh. angehören. Die berühmtesten der Hymnen des Blumentriodions gehen auf den Hl. Johannes von Damaskus zurück. Die Zusammenstellung der Gesänge in einem Buch wird denselben Dichtern zugeschrieben, welche das Fastentriodion verfaßten. Die Vervielfältigung und Gestaltung des Buches kann dem 9. Jh. zugeschrieben werden.
A. Pascha
Lichte Auferstehung Christi. Weder der große Stein, welcher durch die Mühe des ehrbaren Joseph von Arimathea vor die Tür des Grabes Christi gerollt wurde, noch das Siegel, das die Feinde Christi in ihrer Bosheit dem Stein aufgedrückt hatten, noch die Kriegerwache, die sie beim Grabe des Lebenspenders aufgestellt hatten, nichts konnte den allreinen Leib des Herrn im Grabe halten. Der genaue Augenblick der wunderbaren Auferstehung des Herrn wird im heiligen Evangelium nicht bekanntgegeben. Die erste Kunde über die Auferstehung hörten die heiligen Myronträgerinnen von dem Engel, der am Grabe des Herrn saß. Die Erscheinung des Engels, welcher den Stein von der Tür des Grabes wegrollte, ging mit einem Erdbeben einher, welches die wachhabenden Krieger in solchen Schrecken versetzte, daß sie vom Grabe flohen und unfreiwillige Zeugen der Auferstehung Jesu vor seinen Feinden wurden. So wie die Nachricht über die glorreiche Auferstehung Christi zuerst den heiligen Myronträgerinnen von dem Engel verkündet wurde, so war es eine Myronträgerin, nämlich Maria Magdalena, welche als erste die Erscheinung des auferstandenen Herrn hatte und dann erst die übrigen Myronträgerinnen. “Die Frau, – so lehrt der Hl. Gregor der Theologe, – empfing zuerst die Lüge aus dem Munde der Schlange, und wiederum war es die Frau, welche als erste von den Lippen des auferstandenen Herrn Selbst die erste freudvolle Kunde hörte: Sie, deren Hand das tödliche Gift anrührte, reichte nun den Kelch des Lebens”. Nachdem der auferstandene Herr den Myronträgerinnen erschienen war, erschien Er am selben Tag dem Apostel Petrus, dann den zwei nach Emmaus ziehenden Aposteln, und am selben Abend noch elf Aposteln, die in einem Raume, dessen Türen aus Furcht vor den Juden verschlossen waren, zu Tische saßen. Das Fest der Auferstehung Christi wird Pascha genannt (von dem hebräischen Wort pesach, was bedeutet: geht vorüber) nach der Bezeichnung des alttestamentlichen Festes, das zum Gedenken an die Errettung der Hebräer aus der ägyptischen Knechtschaft eingerichtet worden war. In Übereinstimmung mit dem an diesem Fest gedachten Ereignis, nämlich der Auferstehung Christi, erhielt der Name Pascha in der christlichen Kirche einen besonderen Sinn und bezeichnet das Hinübergehen vom Tod zum Leben, von der Erde zum Himmel. “Das Wort Pascha, – sagt der Hl. Ambrosius von Mailand, – bedeutet Hinübergehen. So genannt wurde dieses Fest, das feierlichste von allen, in der alttestamentlichen Kirche zur Erinnerung an den Exodus der Söhne Israels aus Ägypten und damit ihrer Befreiung aus der Knechtschaft, und in der neutestamentlichen Kirche zum Zeichen dessen, daß der Sohn Gottes Selber durch die Auferstehung von den Toten von dieser Welt zum Himmlischen Vater, von der Erde zum Himmel hinüberging, und auch uns von dem ewigen Tod und der Knechtsarbeit befreite und uns Macht gab, Kinder Gottes zu werden (Jh. 1,12). In der kirchlichen Hymnologie “stürzte Jesus Christus die ganze Macht des Todes durch Seine Auferstehung, denn Gott ist mächtig, und auch uns erhob Er und vergöttlichte uns”, “vom Tod zum Leben und von der Erde zum Himmel führte Er uns; indem wir Ostern begehen, “feiern wir die Niederringung des Todes, die Zerstörung der Hölle, den Beginn eines neuen ewigen Lebens”.
Das Osterfest wurde in der Kirche bereits zur Zeit der Apostel eingerichtet und gefeiert. Es wurde seit der Auferstehung Christi von den glorreichen Aposteln begangen, die allen Gläubigen geboten, es zu feiern (1. Kor. 5,8). Aber in den ersten Jahrhunderten des Christentums wurde das Pascha nicht überall zu gleicher Zeit abgehalten. Im Osten, in den kleinasiatischen Kirchen, wurde es am 14. Tag des Frühlingsmonats gefeiert, egal auf welchen Wochentag dieses Datum fiel, während die westlichen Christen es für nicht schicklich hielten, das Pascha zusammen mit den Juden zu feiern und es am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond begingen. So existierten zwei verschiedene Bräuche bis zum 1. Ökumenischen Konzil (325), auf dem der Beschluß gefaßt wurde, Ostern allerorten am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond zu feiern, so daß von da an das christliche Pascha stets nach dem jüdischen begangen wurde.
Die eigentliche Feier des heiligen Pascha wurde in den ersten Jahrhunderten des Christentums nicht in allen Kirchen gleichzeitig begonnen. Einige der Christen, besonders die römischen, brachen genau zu Mitternacht des anbrechenden Ostern das Fasten und begannen die Feier, während einige der orientalischen Christen das Fest in den mittleren Nachtstunden, jedoch nicht vor der ersten Stunde nach Mitternacht, begannen, und andere wiederum erst um die vierte Nachtwache, d.h. um 4 Uhr morgens nach unserer Zählung, also etwa um Morgendämmerung. Die Differenzen zu dieser Frage setzten sich bis zum 6. Ökumenischen Konzil fort, auf dem beschlossen wurde, das Fasten in den mittleren Nachtstunden nach dem Großen und Hohen Samstag (89. Regel) zu brechen und die Paschafeier zu beginnen. Von dieser Zeit an behauptete sich überall der identische Gebrauch, den Jubel des Osterfestes gleich nach Mitternacht zu beginnen. “Um Mitternacht”, – so sagt in einer seiner Ansprachen der Moskauer Ersthierarch Filaret, – “eilte die Kirche, uns zum Beginn der Feierlichkeit zu versammeln. Warum so? Weil es wünschenswert war, den Anfangszeitpunkt der Feier soweit wie möglich, dem zu begehenden Ereignis, nämlich der Auferstehung Christi, anzunähern. Der genaue Zeitpunkt ist uns nicht offenbart. Als die Myronträgerinnen sich beim Aufgang der Sonne zum Grabe des Herrn begaben, war es bereits offen, und die Engel verkündeten die bereits stattgefundene Auferstehung Christi. Zu einem viel früheren Zeitpunkt bebte um das Grab des Herrn die Erde, der Engel wälzte den Stein vom Grab und durch das Licht seiner Erscheinung versetzte er die Wache in Schrecken, die sich entfernte, um so den Myronträgerinnen und Aposteln den freien Zugang zum Grabe zu gewähren. Und noch davor muß die Auferstehung stattgefunden haben, denn sie erfolgte bei versiegeltem Grabe, wie die Hüterin der Mysterien Christi, die heilige Kirche, bezeugt. Aber bestimmt nicht vor Mitternacht, da sie nach der Vorhersage der Herrn nach drei Tagen erfolgen und daher wenigstens in die ersten nachmitternächtlichen Stunden des Tages nach dem Sabbath hineinreichen mußte. In eben diesen Stunden wollen wir den verborgenen, unvergleichlich erhabenen und wunderbaren Augenblick der Auferstehung durch unseren Jubel einfangen, damit das Fest nach Möglichkeit mit dem gefeierten Ereignis eine Einheit bilde, ebenso wie die Feiernden aufgerufen werden, eins mit dem Schöpfer des Festes zu sein”.
In der Reihe der Herrenfeste nimmt das Osterfest eine zentrale Stelle ein, und in der Reihe aller christlichen Feste ist es das Fest par excellence, “es überrragt alle Feste, sogar jene zu Ehren Christi, in dem Maße, wie die Sonne die Sterne überstrahlt...”
Im Gottesdienst des Osterfestes wird der gottlichte Sieg unseres Herrn Jesu Christi über alle Feinde unseres Heils und das ewige Leben, das uns geschenkt wurde, besungen. Die ganze kirchliche Gottesdienstabfolge dieses Festes ist besonders feierlich und von dem einen Gefühl der Freude über die Auferstehung getragen, so daß die Kirche Christi sich uns in diesen Tagen eher als die in den Himmeln siegreiche als die noch auf Erden kämpfende darstellt...
Troparion, Ton 5. Christus ist auferstanden von den Toten und hat den Tod durch den Tod überwunden und den im Grabe Befindlichen das Leben gebracht. Kondakion, Ton 8. Obgleich du ins Grab hinabgestiegen bist, Unsterblicher, hast du doch der Unterwelt Kraft gebrochen und bist auferstanden als Sieger Christus, unser Gott, der du zu den Myronträgerinnen gesagt hast “Freuet euch!” und deinen Aposteln Frieden gegeben hast, schenke den Gefallenen Auferstehung. Exapostilarion. Dem Fleische nach entschlafen wie ein Toter, erstandest du o König und Herr, nach drei Tagen auf, nachdem du erweckt hattest den Adam aus der Verwesung und vertilgt den Tod, o Pascha der Unverweslichkeit, der Welt Erlösung.
Die freudige österliche Begrüßung erinnert uns an den Zustand der Apostel (Lk. 24,14;34), wo sie, als plötzlich die Kunde von der Auferstehung Christi erschall, mit Erstaunen und freudigem Jubel zueinander sprachen “Christus ist auferstanden!” und dann antworteten: “Wahrhaftig Er ist auferstanden!”. Das gegenseitige Küssen ist der Ausdruck von Liebe und gegenseitiger Versöhnung in Erinnerung an die allgemeine Vergebung und unsere Versöhnung mit Gott durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Beim Osterkuß und Gruß beschenken sich die Gläubigen einander von alters her mit rotfarbigen Eiern. Das Ei ist im allgemeinen ein Symbol des Lebens. In diesem Fall dient uns das Ei als Symbol der Auferstehung Jesu Christi. Ähnlich wie sich bei dem Ei unter seiner toten Schale Leben, das vollkommen verborgen war, regt, so erstand auch Christus, der als Toter im Grabe lag, aus dieser Stätte des Todes und der Vergänglichkeit. Gleichzeitig damit ist das Ei ein herrliches Symbol unserer Wiedergeburt zum künftigen Leben. Wie aus dem Ei ein lebendiges Wesen geboren wird und, wenn es durch die Schale, die den Lebenskeim in sich birgt, bricht, ein volles Leben zu leben beginnt, so werden auch wir bei der zweiten Wiederkunft Jesu Christi auf die Erde, wenn wir alles Verwesliche von hier, wo wir bereits den Keim und Beginn des ewigen Daseins in uns tragen, abwerfen, neu geboren und erstehen zu einem anderen Leben. Weiter symbolisiert das Ei unsere zwei Existenzen: die jetzige und die künftige. Wie sich im Ei, das den Keim der künftigen Daseinsweise enthält, bereits Leben, aber noch kein vollkommenes, regt, so erlangen auch wir im hiesigen irdischen Zustand nicht vollständig die Zufriedenstellung des unserer Seele eigenen höheren Strebens nach Wahrheit, Güte und Glückseligkeit; wie das aus dem Ei herauskriechende Wesen, ein volles Leben zu Leben beginnt, indem es seine verschiedenen Bedürfnisse befriedigt, so treten auch wir nach der Auferstehung in ein vollkommenes Leben ein, wo unser Geist die Wahrheit von Angesicht zu Angesicht erfahren wird, unser Wille die höchste ethische Entfaltung erlangt und unser Gefühl sich nie endender Seligkeit ergötzen wird. Das mit roter Farbe gefärbte Ei erinnert uns daran, daß unser neues Leben durch das allreine Blut Jesu Christi erworben wurde; eben diese zu den hellen Farben gehörende Farbe wird dann zum Zeichen unserer Freude über den Sieg Jesu Christi über den Tod, über Seine Auferstehung von den Toten und Sein Heilswerk unserer Erlösung. Der Brauch des gegenseitigen Schenkens von Eiern geht nach der in der Orthodoxen Kirche gehegten Überlieferung auf die Hl. Maria Magdalena (22. Juli) zurück, die, als sie vor den Kaiser Tiberius geführt wurde, ihm ein rotes Ei mit dem Gruß “Christus ist auferstanden!” überreicht haben soll.
Zu den besonderen österlichen Riten gehört die Segnung des Artos “zu Ehren, zum Ruhm und zum Gedenken an die glorreiche Auferstehung” unseres Herrn Jesu Christi. Unter dem Namen Artos versteht man eine Prosphora mit Darstellung des von Dornen gekrönten Kreuzes als Symbol des Sieges Christi über den Tod, oder mit der Darstellung der Auferstehung Christi. Das Wort “Artos” ist griechisch; in Übersetzung bedeutet es “Brot”. Die historische Herkunft des Artos ist folgende. Die Apostel, die mit dem auferstandenen Herrn zusammen (Apg. 10,41) zu essen und zu trinken pflegten, hielten sich nach der Himmelfahrt des Herrn an Seine Verheißung “Ich werde mit euch sein alle Tage” (Mt. 28,20) ; so fühlten sie im lebendigen Glauben die unsichtbare Gegenwart des Herrn bei allen ihren Zusammenkünften, aber sie konnten Ihn mit physischen Augen nicht sehen. Dieser flammende Glaube der Jünger an ihren Meister und der Wunsch, die ständige Erinnerung an Seine Anwesenheit bei ihnen zu bewahren, fanden darin ihren Ausdruck, daß sie, wenn sie zu Tische schritten, jenen Platz, an dem Jesus Christus mit ihnen zu Tisch zu liegen pflegte, frei hielten und auf den Tisch vor diesem Platz sozusagen für Ihn ein Stück Brot legten, und jedes Mal nach Beendigung des Mahles, wenn sie Gott Dank darbrachten, hoben sie dieses Brot in die Höhe und sprachen: “Christus ist auferstanden”. Als dann die Jünger Jesu Christi in verschiedene Länder zur Verkündigung des Evangeliums gingen, bemühten sie sich, soweit sie vermochten, diesen Brauch aufrechtzuerhalten: Ein jeder der heiligen Apostel, in welchem Land er sich auch befand, reservierte, wenn er sich in der neuen Gemeinschaft der Christusgläubigen zum Mahle begab, einen Platz und ein Stück Brot zur Ehre des Heilandes, und nach Beendigung des Mahles verherrlichte er zusammen mit den Gläubigen den auferstandenen Herrn, indem er das Stück Brot, das zur Erinnerung an Ihn dort lag, in die Höhe hob. Was von den ersten Jüngern des Evangeliums aus dem Munde der Apostel empfangen und von ihnen täglich praktiziert wurde, das vollzogen die Kirchenväter in den folgenden Jahrhunderten am Fest der Auferstehung des Herrn, um für immer den apostolischen Brauch in der Kirche zu bewahren. So blieb tatsächlich dieser Brauch in der Kirche erhalten und durch die Jahrhunderte gelangte er bis in unsere Zeit. Wie die Apostel bei ihren Versammlungen durch das auf den Platz, der dem Heiland zukam, gelegte Brotstück an den auferstandenen Christus erinnert wurden, so soll auch in heutiger Zeit der Artos, der zur Osterzeit vor den Blicken der Gläubigen ausgelegt wid, nach Festsetzung der heiligen Kirche, ihnen zu solcher Erinnerung an die unsichtbare Gegenwart des auferstandenen Herrn dienen. Auf diese Weise ahmt die heilige Kirche, indem sie den Artos auslegt, die Apostel nach und gedenkt mittels dieses geheiligten Brotes der Erscheinung des auferstandenen Herrn vor den Aposteln. Gleichzeitig damit erinnert der Artos daran, daß Jesus Christus durch Tod und Auferstehung das wahre Brot des Lebens für uns wurde. Solch eine Sinngebung des Artos wird auch im Gebet zu seiner Weihung angedeutet. Außerdem bittet in diesem Gebet der Priester, der den Segen Gottes auf den zu weihenden Artos herabruft, den Herrn, alles Leid und alle Krankheit zu heilen und allen, die vom Artos kosten, Gesundheit zu schenken.
Nach der Liturgie wird “Fleischspeise” geweiht, wodurch den Laien Erlaubnis gegeben wird, diese Gerichte zu sich zu nehmen. “Indem mit Ehrfurcht, – so heißt es in der “Neuen Gesetzestafel” – das Gedenken Christi, des Lammes Gottes, das unter Pein für die Reinigung der ganzen Welt von den Sünden geopfert wurde, begangen wird, bereiten die Christen zum Zeichen ihres geistigen Jubels am Ostertag Speise aus dem Fleisch des stummen Lammes, das durch den kirchlichen Segen geheiligt wurde. Und die Kirche Christi gestattet von alters her den Christen diesen Brauch – nicht zur Erhaltung der alten jüdischen Gesetzesvorschrift, sondern zum Zeichen der christlichen Frömmigkeit. Nach Beendigung der Fastentage und zum Eintritt des heiligen Pascha des Herrn bringt sie nun, nachdem sie die Seelen der Gläubigen durch Lobpreis und Brot von der Trapeza der Gnade Gottes als geistliche Nahrung gespeist hat, als eine gewisse physische Tröstung und Stärkung auch dieses zu unserem Nutzen gegebene Geschöpf, nämlich das Lamm, dar und bittet Gott, es für uns zu segnen und nützlich und angenehm zu machen, damit wir, indem wir es in Dankbarkeit verspeisen, immer mehr mit geistigem Hunger und Durst Gott Selber, der die Nahrung unserer Seelen und Leiber ist, suchen und uns ununterbrochen an Ihm ergötzen mögen.... Die Fleischspeisen werden außerhalb der Kirche geweiht. So heißt es in der Kirchenregel: “Fleisch tragen die orthodoxen Christen nicht in die Kriche, sondern in das Haus zu dem Priester”. Im Trebnik (Kirchenritual) und in im Blumentriodion gibt es noch ein “Gebet zum Segnen von Käse und Eiern”. Nach der “Neuen Gesetzestafel” obliegt dieser Ritus eher Mönchen, welche nach Beendigung der Liturgie zum Fest des Heiligen Pascha Käse und Eier segnen, und dann diese vor allem anderen Eßbaren als gesegnete Speisen zum Trapeza auftischen. Nach der Regel “werden die von den Gläubigen mitgebrachten Eier und Käse im Vorraum aufgestellt, in die Kirche dürfen sie auf keinen Fall gebracht werden”.