Allgemeines
Bote 1995-1
Aus dem Leben der Diözese
Vom 3. - 6. Dezember (n.St.) befand sich Erzbischof Mark in Irland. Hier feierte er am Abend des 3. Dezember und am Morgen des 4. Dezember in der Kirche des Hl. Colman in Stradbally die Vigil und die Göttliche Liturgie. Aus diesem Anlaß hatten sich wie auch bei früheren Besuchen Gläubige aus verschiedenen Teilen Irlands versammelt, einige waren sogar aus England angereist. Am 5. und 6. Dezember nutzte der Erzbischof unter Leitung ortsansässiger Gläubiger die Zeit zum Besuch einiger bemerkenswerter Stätten alter christlicher Kultur in Irland noch aus der Zeit der ungeteilten Kirche.
p Am 18. Dezember feierte unser Erzbischof die Göttliche Liturgie in der Kathedrale in München, am Abend desselben Tages zelebrierte er bereits die Vigil aus Anlaß des Patronatsfestes in der dem Hl. Nikolaus von Myra in Lykien geweihten Kirche in Frankfurt. Ebenda feierte er auch die Göttliche Liturgie am Feiertag selbst, dem 6./19. Dezember. Ihm konzelebrierte Erzpriester Dimitry Ignatiew und Priester Slawomir Iwaniuk sowie Mönchsdiakon Evfimij aus dem Kloster des Hl. Hiob in München. Bei einem Zusammensein mit der Gemeinde sprach Erzbischof Mark nach der Liturgie über die Ergebnisse des Bischofskonzils, das Anfang Dezember im Lesnaer Frauenkloster in Frankreich zu Ende gegangen war, und über allgemeine Fragen unseres Gemeindelebens in Deutschland.
p Vom 26. bis 28. Dezember (n.St.) fand in München in der Kathedralkirche der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands und des Hl. Nikolaus die alljährliche Orthodoxe Konferenz statt. Gastsprecher war dieses Mal S.E. Photios, der Bischof von Triditza, aus Bulgarien. Er sprach über das geistliche Leben gemäß den Werken des Hl. Johannes Cassianus. Am zweiten Tag analysierte und kommentierte Prof. Johannes Panagopoulos (Athen) den Kanon des Hl. Cosmas von Majuma und des Hl. Johannes Damascenus aus dem Weihnachtsgottesdienst. Am dritten Tag sprach Erzpriester Bo¡zidar Patrnogi´c über die Grenzen der Kirche nach der Lehre der Kirchenväter. Die Aussprachen zu allen Themen waren sehr lebendig und zeigten, daß derartige Veranstaltungen sehr nötig sind, um den Wissensstand der Teilnehmer zu heben und eine Einführung auch in das geistliche Leben zu vermitteln.
Aus verschiedenen Gemeinden in Deutschland, Österreich und der Schweiz waren über 70 Teilnehmer gekommen. Jeden Morgen fand um 8:00 Uhr die Liturgie statt, so daß alle die Möglichkeit hatten, auch an den Sakramenten teilzunehmen. Die Schwesternschaft des Kathedralkirche sorgte wie immer ausgezeichnet für das leibliche Wohl der Gäste.
p Am 2./15. Januar beging die Münchener Gemeinde ihre Weihnachtsfeier zum ersten Mal in ihrem neuen Gemeindesaal. Die Kinder der Gemeindeschule führten ein Stück auf, einige Kinder rezitierten Gedichte, und den Abschluß bildete eine Volkstanzgruppe aus Vorone¡z mit Tänzen und Liedern vorgeführt in alten Kostümen.
p Am selben Tag fand auch in der Frankfurter Hl. Nikolaus-Gemeinde die jährliche Weihnachtsfeier statt. Ebenso wie in vergangenen Jahren versammelten sich Erwachsene und Kinder in dem Saal, welcher der katholischen Gemeinde des Hl. Ignatius gehört und im Zentrum der Stadt liegt. Die Feier begann mit der Begrüßungsansprache des Vorstehers der Gemeinde, Vater Dimitrij Ignatiew. Die Anwesenden sangen den Weihnachtstropar und das Kondakion. Dann folgte ein Konzertprogramm: die Kinder führten ein Schauspiel nach einer Fabel von A.S. Puschkin auf, sie trugen Gedichte vor, sangen und tanzten. Der Männerchor unter der Leitung von N.A. Oswald sang einige Weihnachtslieder auf Ukrainisch und Deutsch. Um den Weihnachtsbaum versammelten sich etwa 60 Kinder, von denen einige von weit her gekommen waren. Alle jungen Künstler und Zuschauer bekamen Geschenke vom Weihnachtsmann. Das Fest endete mit einem Imbiß und einer Wohltätigkeitslotterie. Vater Dimitrij brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, daß zumindest ein Teil jener Kinder, welche zu dem Weihnachtsfest gekommen waren, auch fortan die Gottesdienste in der Kirche besuchen und aktiv am Gemeindeleben teilnehmen werden.
p Am zweiten Weihnachtsfeiertag verstarb unerwartet der Priester Nikolaj Popnikolov im Alter von 38 Jahren. Vater Nikolaj hatte die bulgarische Gemeinde in München und die russische Gemeinde in Ingolstadt betreut. Im Beisein von Vertretern beider Gemeinden nahm Erzbischof Mark mit Priester Nikolaj Artemoff, dem bulgarischen Priester Wenceslav Iliev und Diakon Andrej Sikojev am 17. Januar den Beerdigungsgottesdienst in der Kathedrale der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands und des Hl. Nikolaus in München vor. Nach dem Gottesdienst wurde der Sarg auf dem nahegelegenen Friedhof Perlacher Forst beigesetzt und einige der Trauergäste wurden im Gemeindesaal der Kathedrale von der Kirchenältesten bewirtet.
p Am 6./19. Januar 1995 zelebrierte Erzbischof Mark die Gottesdienste zum Fest der Theophanie in der Kathedralkirche in München.
In seiner Predigt bezog er sich auf die Worte des Evangelisten Matthäus: “Die Himmel öffneten sich” (Mt. 3,16) und verglich diese mit dem Text des Hl. Evangelisten Markus, der sagt: “Die Himmel taten sich auf”. Für uns Sünder waren die Himmel infolge des Sündenfalls und des Ungehorsams gegenüber Gott verschlossen. Christus aber zeigt nach Seiner Menschheit in allen Dingen Gehorsam gegenüber Gott. Dadurch gibt Er uns ein Beispiel für unsere Erneuerung und die Annahme des Neuen Adams, die Einigung mit Gott. Durch die Taufe unterwirft sich der Gesetzgeber Christus dem Gesetz. Er, der Selbst die Wahrheit und Gerechtigkeit ist, erfüllt nach den eigenen Worten “jegliche Gerechtigkeit” und hält dazu auch den Hl. Johannes den Täufer an. Um Seines Gehorsams willen und um der von Ihm erfüllten Gerechtigkeit willen öffnen sich nun die Himmel.
Der Herr empfängt die Taufe im Fleische, wofür Er ebenfalls im Fleische vom Heiligen Geist erfüllt wird und zeigt uns damit, daß wir trotz unserer Leiblichkeit alle Gaben des Hl. Geistes empfangen können. Unser Leib darf und muß uns nicht hindern, sondern im Gegenteil kann er wahrlich geisttragend und – in Erfüllung der Schrift – zum Tempel des Hl. Geistes werden.
Vor der Reinheit des Leibes Christi treten sogar die Engel zurück – sagt der Hl. Gregor Palamas, denn es steht geschrieben, daß selbst “der Himmel nicht rein ist “ vor Gott… Die Engel werden stetig von den höheren Hierarchien geläutert und treten dennoch vor der Vollkommenen Reinheit (Christi) zurück. An dieser Reinheit haben von nun an auch wir Anteil, denn der Herr empfing unseren Leib von der Allerreinsten Jungfrau.
In der Gottmenschlichen Handlung der Taufe im Jordan nähert Er uns weiter an unseren Göttlichen Ursprung an, denn Er taucht unser menschliches Fleisch in den Wassern des Jordan ein, um dieses am dreitägigen Begräbnis und der ruhmreichen Auferstehung teilhaftig werden zu lassen. Der Herr nahm als “Vorläufer für uns” (Hebr. 6,20) die Leiden, den Tod und das Begräbnis an und gibt uns ihr Bild zu unserer Rettung. Wir empfangen die Früchte Seiner Werke.
Steht es nun nicht auch uns an, über die Nachfolge im Tragen wesentlich geringerer Werke der Askese in Seiner Nachfolge nachzudenken?
Außer uns selbst kann nichts und niemand uns daran hindern, diesen rettungbringenden Weg zu betreten. Denn der Herr Selbst hat den Weg geebnet vor Sich und vor uns – den Weg, der zur Erneuerung des Leibes und des Geistes führt, den Weg unserer ewigen Rettung. Wenn wir nach der Reinigung durch aufrichtige Buße, zu der uns der Hl. Johannes der Täufer aus der Wüste heraus aufruft, den Leib und das Blut Christi empfangen, wenn wir mit reinem Herzen das Jordanwasser trinken, dann öffnen sich auch vor uns von neuem die Himmel. – In diesem Sinn rief Erzbischof Mark die Gläubigen schließlich auf: “Bringen wir Lobpreis und Ehre und Liebe Demjenigen, Der die Himmel vor uns öffnete – Dem Einen in der Dreieinigkeit gepriesenen Gott”.
Sofort nach der Liturgie und Wasserweihe flog Seine Eminenz nach Köln, wo er die Wundertätige Ikone der Gottesmutter von der Wurzel von Kursk übernahm. Während des Zwischenaufenthaltes in Köln besuchte der Bischof auch kurz die Kirche und die anliegenden Gebäude, die die Kölner Gemeinde demnächst erwerben will. In der Kirche hatten, wie berichtet, bereits die Gottesdienste zu Weihnachten und Theophanie sowie die regelmäßigen Sonntagsgottesdienste stattgefunden.
Von Köln aus flog Seine Eminenz weiter nach London. Dort zelebrierte er am 7./20. Januar, dem Mitfest des Hl. Johannes des Täufers, in Gegenwart der Wundertätigen Ikone im Maria-Verkündigungs-Frauenkloster. In seiner Predigt verglich er den Gehorsam der Allerheiligsten Jungfrau mit dem des Hl. Johannes des Täufers und riet den Gläubigen, beiden in dieser Tugend zu folgen, um so alle Gaben des Geistes aufnehmen zu können. Hier konzelebrierten ihm Archimandrit Alexej, Priester Vadim Zakrevsky und Priester Thomas Hardy. Am nächsten Tag, dem Sonnabend, feierte der Diözesanbischof mit denselben Geistlichen, zu denen sich nun noch Priester Peter Baulk und die Diakone Vasilij Jakimov und Paul Elliott gesellten, die Liturgie im Männerkloster in Brookwood.
Am Samstag abend und Sonntag vormittag feierte der Erzbischof die Gottesdienste im Beisein der Wundertätigen Ikone in der Maria-Entschlafens-Kirche in London, Harvard Road. In seiner Predigt sprach er vom Sinn des Leidens. Am Beispiel der Verfolgung des Herrn durch Herodes, des Lebensweges des Hl. Johannes d. Täufers und der Allerheiligsten Gottesmutter und ihrer vielfachen wundertätigen Ikonen zeihte er den Weg vom Leiden zum Ruhme Gottes auf.
Am nachmittag nahm er an einer Gemeinderats-Sitzung teil, und am Abend hielt er einen Gebetsgottesdienst mit der Ikone im Altersheim in Chiswick. Am Montag besuchte Erzbischof Mark mit der Ikone die Hl. Nikolaus-Gemeinde in Bradford, wo er die Liturgie zelebrierte und danach mit der Gemeinde beisammensaß. Von Bradford aus reiste er mit Vater Vadim und Vater Thomas zu der kleinen Missions-Gemeinde in Congleton, Cheshire, um am späten Abend nach London zurückzukehren. Am Dienstag, den 24. Januar besuchte der Erzbischof gemeinsam mit Vater Vadim noch einige Kranke in London. Zu solchen Besuchen hatte Vater Vadim in den vorangegangenen Tagen bereits alle freien Stunden benutzt. Am nachmittag flog er dann nach Hamburg und übergab dort die Ikone an Vater Benedikt Lohmann, der damit den Norden Deutschlands bereisen sollte, bevor die Ikone dann nach Kopenhagen weitergereicht werden sollte.
Bote 1995-2
Osterbotschaft an die in Gott geliebten Gläubigen
der Diözese von Berlin und Deutschland
Kommet, ihr Gläubigen alle, verneigen wir uns der Auferstehung Christi: denn Freude ist durch das Kreuz der ganzen Welt erschienen.
Wiederum, zum wievielten Male schon seit jener ersten wahrhaft heiligen und überfestlichen und heilbringenden Nacht, erfüllt das lichte Fest der Auferstehung Christi die Herzen aller orthodoxen Christen mit unaussprechlicher Freude. Es ist die Freude des Sieges über den größten Feind der Menschheit: den Tod, es ist unsere Zuversicht, das ewige Leben und unvergängliche Freude zu erben. Frohlocken wir und freuen wir uns an diesem Tag, den der Herr geschaffen, doch laßt uns in unserer Freude immer wieder auch nüchtern bleiben. Denn nicht ewig werden auf dieser Erde die frohlockenden Ostergesänge zu hören sein: uns ist nicht gegeben zu wissen, wieviele solcher Feiertage uns noch vor dem Ende der Zeiten von der Heilsökonomie Gottes zugedacht sind.
Aus der Heiligen Schrift ist uns lediglich bekannt, daß die Erde und alles, was auf ihr ist, verbrennen werden, daß eines Tages das letzte Osterfest auf dieser Erde anbricht – nicht weil die Mächte des Bösen und ihre Sippschaft miteinander in ihrem Herzen sprachen: “Kommt, und verschwinden lassen wollen wir alle Feste Gottes auf Erden!” (Ps. 73,7), sondern weil alles Zeitliche einmal ein Ende nimmt, und der Herr in Seinem Reiche kommt – in Ewigkeit. In diese Ewigkeit einzugehen hofft jeder, der an die herrliche Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus glaubt, und zwar in der Folge unseres Auferstandenen Herrn nicht nur mit der Seele, sondern auch mit seinem menschlichen Leib.
Steh auf, o Herr, zu Deiner Ruhe, Du und die Lade Deiner Heiligung! (Ps. 131,8) – so betete der Hl. Prophet David für die Auferstehung der Lade der Heiligkeit des Herrn, jenes von uns angenommenen Körpers, in welchem der Herr zur Zeit Seines irdischen Lebens durch die Kraft der Göttlichen Gnade so viele Wunder wirkte. Nach dem Entschlafen der Allerheiligsten Gottesgebärerin, jener von den Propheten urbildlich geschauten Lade der Heiligkeit, nahm der Herr Ihren allreinen Leib in Seine Umarmung und offenbarte so das Bild der künftigen Auferstehung aller wahren Christen.
Die Auferstehung zum ewigen Leben steht dem ganzen Menschen bevor. Daher ist es so wichtig, was er mit seiner Seele und seinem Leib in diesem irdischen Leben tut. Ob er seinen Leib zur Lade der Heiligkeit macht oder aber ihn nach dem Vorbild der gegenwärtigen posthumanistischen Kultur in einen Götzen verwandelt, in eine vergängliche Sache zwischen anderen vergänglichen Dingen – davon hängt sein gesamtes Schicksal in der Ewigkeit ab.
Der Hl. Psalmensänger schaute über viele Jahrhunderte den geistlichen und physischen Fall des Menschen unserer Zeit voraus: Sie verbrannten im Feuer Dein Heiligtum, bis auf den Grund haben sie das Zelt Deines Namens entweiht (Ps. 73,7). Wir haben in bisher ungeahnten Ausmaßen nicht nur die äußere Schändung und Zerstörung von Gotteshäusern erlebt, sondern ebenso die noch schrecklichere, wenn auch nicht immer so offensichtliche, Verwüstung des inneren Tempels. Die menschliche Seele – die Wohnstatt des Namens Gottes – wurde zur Zielscheibe zahlloser und vielfältigster dämonischer Angriffe: mitunter offensichtlicher und grober, wie zu Zeiten der Herrschaft der gottlosen Machthaber, manchmal versteckter und hinterhältiger, wie in der zeitgenössischen westlichen Gesellschaft, die dem tiefgreifenden Satanismus eine äußerlich unverfängliche humanistische Maske überstülpt. Leider unterwerfen sich die Völker Rußlands, die sich eben erst aus der kommunistischen Sklaverei befreit haben, heute einer nicht minder verderblichen Ideologie, die den sterblichen Menschen anstelle des Gottmenschen zum Maß aller Dinge und zum höchsten Wert erklärt hat. Die zweite Gefangenschaft kann sogar gefährlicher werden als die erste, da sie insgeheim von innen heraus im Menschen das gottmenschliche Streben einschläfert.
Die uns umgebende Welt erreicht dies durch eine nie dagewesene Vermehrung vielfältiger Mittel und Wege zur Befriedigung des Fleisches, die Entwicklung und Erfindung immer neuer Arten sinnlicher Genüsse. Der Mensch, dem beigebracht wurde, all seine Sehnsüchte zu stillen, faßt das christliche Verhältnis zum Körper als etwas Unangenehmes und Unnatürliches auf. Tatsächlich aber stellt die Unterwerfung des Leibes unter den Geist gerade die Berichtigung der verletzten menschlichen Natur dar, die Wiederherstellung seiner ursprünglichen Gottähnlichkeit: Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben müssen; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben (Röm. 8, 13).
Denken wir an diesen Feiertagen, wenn nach alter Tradition die reichlichen Speisen nicht von unseren Tischen weichen, daran, daß das Fasten keine Maßnahme der Diät ist, die durch gewisse zeitliche Grenzen bestimmt wird, sondern die ständige geistliche Waffe des Christen.
In diesem Jahr begannen am Freitag der ersten Woche der Großen Fastenzeit in unserer Gemeinde in Kopenhagen Tränen aus einer Ikone der Gottesgebärerin hevorzuquellen. Eine solche Erscheinung verkündete nach vielen Zeugnissen der Kirchengeschichte immer etwas Furchterregendes… Die Geschichte dieser Ikone zwingt uns zur Furcht vor unserer geistlichen Nachlässigkeit, die ein solch furchtbares Zeichen auf uns herabrief. Diese Ikone wurde im Jahre 1928 der Kaiserin Maria Feodorovna “zum Trost” von Athosmönchen geschenkt – 10 Jahre nach der verbrecherischen Ermordung ihrer Kinder und Enkel – des Märtyrerzaren und seiner Familie – durch die Knechte des Satans. Wie Diejenige, die den Trost der Welt gebar, die untröstliche Mutter und Großmutter der Märtyrer tröstete, die bald nach Erhalt der Ikone im selben Jahr 1928 im Herrn verstarb, bleibt ein Geheimnis der Kaiserin selbst. Wir aber, die wir uns so halbherzig gegenüber der Verehrung der Kaiserlichen Märtyrer verhalten, bedürfen mehr der Belehrung und Warnung als des Trostes – uns selbst zu trösten und unsere Untätigkeit zu entschuldigen, haben wir längst nach dem Vorbild dieser Zeit gelernt. Erinnert uns die Allerheiligste Jungfrau durch das Erscheinen ihres Zeichens zu Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit nicht auch an die Pflicht zum Fasten, die von vielen unserer Gemeindemitglieder gerade im Norden unserer Diözese ach so oberflächlich und unwillig befolgt wird? Wenn wir in unseren Kirchen und Häusern vor den Ikonen der Allerheiligsten Gottesgebärerin um die Erlösung vom äußeren Bösen beten, denken wir dann immer daran, daß unsere Gebete umsonst sind, ja mehr noch – Gottes schrecklichen Zorn auf uns lenken, solange wir nicht mit ganzem Herzen die Aufforderung der Heiligen Kirche zum Ablegen des Bösen im Inneren vernehmen, welches allein durch Fasten und unaufhörliche geistliche Nüchternheit und Wachsamkeit ausgetrieben werden kann?
Bleiben wir jetzt, solange noch rettungbringende Zeichen und Wunder in unsere niedere Welt herabgesandt werden, nicht nachlässig im Eifer des Glaubens und in der Sorge um unser Schicksal in der Ewigkeit, solange uns noch wunderbare Gaben des Fastens und des Gebets angetragen werden. Reinigen wir unser Herz, töten wir die Boshaftigkeit, morden wir den Haß, kreuzigen wir die fleischlichen Begierden! Der von Gott zum ewigen Leben geschaffene menschliche Körper hat nicht die Form eines Kreises oder Ovals oder Quadrats, sondern die Form des Kreuzes. Nur wenn wir uns mit Christus mitkreuzigen, können wir darauf hoffen, mit Ihm mitaufzuerstehen am nicht abendwerdenden Tag Seines Reiches. Freuen wir uns also in Nüchternheit, und seien wir nüchtern in der Freude darüber, daß der Herr uns nicht gänzlich verstoßen hat (Ps. 73,1) und Sein Grimm nicht über die Schafe Seiner Weide entbrannt ist, trotz all unserer Abtrünnigkeit Ihm gegenüber. Danken wir dem Herrn für all die unzähligen und unermeßlichen Bezeugungen Seiner Güte, indem wir Ihn nicht nur mit den Lippen bekennen, sondern mit unserem ganzen Wesen. Und wenn wir an jedem sonntäglichen Morgengottesdienst mit der ganzen Kirche Seine Heilige Auferstehung besingen, können wir demütig darauf hoffen, solange der Herr langmütig und barmherzig ist, auf dieser Erde das Passah des Herrn zu feiern – die Tötung des Todes, Vernichtung des Hades, des anderen ewigen Lebens Anfang. Amen.
Ostern des Herrn 1995
München-Berlin
MARK, Erzbischof von Berlin und Deutschland
Bote 1995-2
Zum 50. Jahrestag des Endes des II. Weltkrieges
Während der diesjährigen Ostertage begeht die Welt den 50. Jahrestag der Beendigung des II. Weltkriegs. Dieses Ereignis betrifft uns, die Angehörigen der Deutschen Diözese, besonders, da zu unserer Diözese Gläubige verschiedener Nationalitäten gehören, die unmittelbar an diesem Krieg teilnahmen oder seine Folgen in der einen oder anderen Weise erlebten. In jenen Jahren war unsere Diözese das einzige orthodoxe Bistum auf deutschem Boden – die anderen orthodoxen Nationalkirchen hatten hier noch nicht einmal eigene Gemeinden. Die tragische Lage in der Heimat in den 30-er Jahren ließ manche Emigranten ihre Hoffnungen auf die Deutschen setzen. Der Krieg jedoch zwang die Gläubigen unserer Deutschen Diözese bald dazu, diese Frage anders zu betrachten: sie nährten keine Illusionen mehr über die eine oder andere Diktatur – auch die Verführung des “sowjetischen Patriotismus”, die in anderen Ländern entstand, blieb hier aus. Bereits während des Krieges drangen unsere Priester trotz strengsten Verbots der NS-Machthaber in die Lager der “Ostarbeiter” vor und sorgten für deren geistliche Betreuung. Metropolit Seraphim sorgte insbesondere dafür, daß die Geistlichen und ihre Helfer die Menschen, die sich eben erst aus der Hölle der Gottesabtrünnigkeit losgerissen hatten, in unseren Kirchen mit geistlicher Literatur versorgten, sie tauften, trauten, beerdigten… Auf dem Höhepunkt des Krieges – im Sommer 1944 – vollendete unser Münchener Gemeindemitglied und Mitglied der Widerstandsgruppe gegen die Nazis “Weiße Rose” Alexander Schmorell als Märtyrer sein Leben. Zuvor hatte er von Vater Alexander Lov¡cij, dem späteren Erzbischof von Berlin und Deutschland, die Heilige Kommunion erhalten. Nach dem Krieg fanden unsere Priester aus Dresden, Leipzig, Potsdam… in sowjetischen Gefängnissen und Konzentrationslagern den Märtyrertod. So erwarb man in der Deutschen Diözese durch die Teilnahme am Schicksal des gläubigen Volkes, das zwischen Hammer und Amboß geriet, die lebendige Erfahrung der Ablehnung hinterlistiger gottloser Regime gleich welcher Couleur.
Heute, 50 Jahre nach dem Ende des vernichtenden Weltkriegs, können wir auf diese schwere Zeit mit Dankbarkeit gegenüber Gott zurückblicken für Seine große Barmherzigkeit, durch die das Leben unserer Gläubigen in den schrecklichen Jahren des Krieges, der Konzentrationslager und der darauf folgenden Verfolgungen erhalten wurde, an denen sich nicht nur die totalitären Regime, sondern durch die Auslieferung der Flüchtlinge ebenso die westlichen Demokratien beteiligten. Dankbarkeit bringen wir den Völkern entgegen, in deren gastfreundlichen Ländern es uns beschieden war, unser geistliches und physisches Leben wiederaufzurichten und zu kräftigen, und Dankbarkeit empfinden wir gegenüber all jenen Menschen, die uns zerstreuten orthodoxen Christen ihre Liebe und Unterstützung erwiesen.
Besondere Dankbarkeit bringen wir Angehörige der Deutschen Diözese, in diesen Tagen dem deutschen Volk entgegen – für die Hilfe, die uns so reichlich in den Nachkriegsjahren zuteil wurde, für die Aufmerksamkeit und Unterstützung, die wir auch bis heute fühlen, wenn wir bei der Instandsetzung unserer alten Kirchen, bei der Überlassung von Räumlichkeiten für unsere Gottesdienste u.s.w. Beistand erhalten. Wenn wir heute in einem wohlhabenden und blühenden Land leben, erinnern wir uns daran, daß unsere verfolgten und leidenden Gläubigen in den ersten Nachkriegsjahren Hilfe von einem verfolgten und gepeinigten Volk erhielten.
Die abscheulichen Verbrechen der Hitlerzeit haben auf Jahrzehnte die Tragödie des deutschen Volkes überschattet. Kummer, Not, Entbehrungen und Verfolgungen, die das deutsche Volk am Ende des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren erlebte, werden sogar in Deutschland selbst verschwiegen… Doch wir dürfen dies nicht vergessen. Zwischen 1944 und 1948 wurden über 12 Millionen Deutsche aus Gebieten vertrieben, die sie seit Jahrhunderten besiedelt hatten. 830.000 Deutsche wurden in die Sowjetunion deportiert. Nach Beendigung des Krieges wurden 2.100.000 Deutsche ermordet, zu Tode vergewaltigt, in Konzentrations- und Arbeitslagern durch Hunger und Mißhandlungen zu Tode gequält.
Der Krieg brachte allen betroffenen Völkern unsägliche Leiden. Doch keine im Krieg begangenen Untaten können als Rechtfertigung für ähnliche nach dem Kriege begangene Greuel dienen. Niemand hat das Recht, auf andere als die einzigen Schuldigen an dem Geschehenen zu zeigen. Schuldig ist der gefallene Mensch, der in seinem unbändigen Stolz in Hochmut verfallen und den Verstand verloren hat, der begann seinen Namen mit großen Buchstaben zu schreiben, der Mensch, der Gott vergessen hat, der von seinem Schöpfer abgefallene Mensch, der Mensch als Verräter an seiner göttlichen Herkunft und Ausrichtung. Die Warnung des Hl. Apostels wurde wahr: Irret euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten (Gal. 6,7), denn der Heilige Geist warnte den Menschen durch den Mund Seines Propheten auch vor dem Verrat: vernichtet hat der Herr jeden Ehebrecher vor Ihm (Ps. 72,27)… Wir sehen jedoch heute, daß die schrecklichen Erfahrungen der gegenseitigen Abschlachterei den homo sapiens, “den vernunftbegabten Menschen”, nicht zur Vernunft gebracht, nicht von seiner Selbstüberhebung geheilt haben. Verliebt in seinen Verstand, entzückt von seinen vermeintlichen Errungenschaften, verwandte er alle Kräfte darauf, sich sein menschliches Paradies zu schaffen, ein Paradies ohne Gott, auf dieser vergänglichen Erde. Von einem solch verderbenbringenden Ansinnen, welches die Menschheit in den geistlichen Tod stürzen muß, der seinerseits unweigerlich auch den physischen Tod nach sich zieht, kann uns nur das Streben zum Reich Gottes bewahren, nur ungeheuchelte Treue gegenüber dem Herrn und Seiner Kirche.
Solche Treue bewahrten in der Zeit der Entbehrungen und Not all jene zahllosen Priester und Laien, deren wir heute mit Dankbarkeit gedenken. Sie richteten die Gotteshäuser unserer Diözese ein und schmückten sie aus, sie organisierten das Gemeindeleben. Sie hinterließen uns eine wohleingerichtete Diözese mit einer Vielzahl schöner Kirchen, in denen wir heute den Dreieinigen Gott lobpreisen können. Nutzen wir aber diese Möglichkeit immer in vollem Maß?
Viele unserer jetzigen Gemeindemitglieder erinnern sich daran, wie innig und heiß damals in unseren Kirchen gebetet wurde. Kaum konnte man in dem vom Krieg zerstörten Land auf eine lichte Zukunft hoffen. Doch in den Herzen der Betenden brannte lebendiger Glaube, – denken wir nur an die Beschreibung des Gottesdienstes in der Münchener Gemeinde aus der Feder des von den Nazis dem Martyrium überantworteten Alexander Schmorell (die wir in unserer Zeitschrift veröffentlichten). In der jetzigen, materiell weniger schwierigen, wenn auch geistlich wesentlich hinterhältigeren Zeit steht es uns wohl an, diese Erfahrung zu durchdenken und daraus eine für die Seele nützliche Lehre zu ziehen. Sie schrien zum Herrn in ihrer Bedrängnis, und aus ihren Nöten führte Er sie hinaus (Ps. 106, 28). Sind wir etwa nur dann imstande zum Herrn zu schreien, wenn wir uns in Not befinden? Müssen wir nicht ständig Gott dafür danken, daß Er uns aus unseren “Nöten” herausgeführt hat – sowohl in jenen Nachkriegsjahren wie auch jetzt, wo das menschenverachtende System in Rußland gefallen ist?
Und Er gebot dem Sturm, und der wurd’ stille, und seine Wogen verstummten (Mt. 8,29). Erkennen wir denn die Besänftigung des Sturmes als Befreiung aus der Macht der Dämonen, die uns geistlich wie physisch gefangenhielten, als Befreiung, die die kräftigen Rechte unseres Herrn vollbrachte? Mißachten wir nicht die Güter und Freiheiten, die uns der Herr schenkt? Undankbarkeit ist die Schwester der Selbstüberhebung, die Selbstüberhebung aber – der breite Weg, der ins Verderben führt (Mt. 7, 13). Bringen wir dem Herrn unsere Dankbarkeit entgegen in Gebet und Fasten, hören wir auf Sein Wort, achten wir mit ganzem Herzen auf Seine Zeichen!
Möge unser Kranz auf dem Grab jener, die im schrecklichen Weltkrieg den heiligen orthodoxen Glauben bewahrend das Martyrium erlitten, und jener, die nach dem Krieg unsere Diözese aufbauten, unsere Treue zur Orthodoxen Kirche Christi sein, unser Gebet, unsere Askese, unsere Mühe um den Kirchbau – den inneren wie den äußeren.
Bote 1995-2
Aus dem Leben der Diözese
p Am Sonntag, dem 23. Januar/5. Februar 1995, dem Feiertag der Neumärtyrer und Bekenner Rußlands beging die Münchener Gemeinde ihr erstes Patronatsfest in ihrer diesen Heiligen geweihten neuen Kirche. Erzbischof Mark zelebrierte mit Priester Nikolaj Artemoff, Protodiakon Georgij Kobro, Mönchsdiakon Evfimij und Diakon Andrej Sikojev. Während der Göttlichen Liturgie wurde der Hypodiakon Peter Sturm, bislang Kirchenältester der Gemeinde in Zürich, auf Bitte des Bischofs Amvrosij von Vevey von Erzbischof Mark zum Diakon für die Züricher Gemeinde geweiht. Peter Sturm hatte viele Jahre lang dem früheren Gemeindepfarrer, Vater Alexander Kargon, als Helfer zur Seite gestanden, und dieser hatte stets gewünscht, daß er in diesem treuen Gehilfen eines Tages seinen Nachfolger erblicken könnte. Peter Sturm bereitete sich auf seinen Weg mit Hilfe der Mönche des Hiobs-Klosters in München vor und konnte so im vergangenen Jahr zum Lektor und Hypodiakon geweiht werden. Der neue Diakon Peter Sturm ist Vater einer fünfköpfigen Familie, die zusammen mit Gemeindemitgliedern aus Zürich sowie dem Kirchenältesten der Kathedrale in Genf, der sein Taufpate ist, und dessen Söhnen zu der Weihe nach München kam.
In seiner Predigt zum Feiertag sprach Erzbischof Mark über den Mut als wesentliche Grundlage des Lebens der Christen allgemein. Unter Berufung auf Ps. 30,25: “Sei mutig und unverzagt, alle die ihr auf den Herrn vertraut” sagte der Bischof, daß der Mut nicht einigen wenigen als Tugend zukommt, sondern von allen Christen, die auf den Herrn vertrauen, gefordert wird. Die Neumärtyrer haben dies durch ihr Leben und ihren tapferen Tod deutlich bewiesen. “Das Werk der unzähligen Neumärtyrer zeigt, daß sie stets bereit waren, unverzagt zum Kampf anzutreten. Vielleicht durchdachten nicht alle von ihnen diese Frage im voraus und waren sich dieser grundlegenden christlichen Wahrheit nicht bewußt. Ihr Verhalten im entscheidenden Augenblick zeigt jedoch, daß sie in solchem Maße von wahrem christlichem Geist erfüllt waren, daß sie ohne Zögern und entschlossen die verschiedensten Qualen auf sich nahmen. Wie die Märtyrer der ersten Jahrhunderte betrachteten sie die Qualen und den Tod als den Kranz ihres Lebens. In dieser Hinsicht müssen sie auch uns als Vorbilder dienen.
Der Mut des Christen besteht darin, daß er nach dem Wort des Apostels fest in der Waffenrüstung Gottes steht (Eph. 6,13), umgürtet mit Wahrheit mit dem Panzer der Gerechtigkeit, dem Schild des Glaubens, unter dem Helm des Heils, mit dem Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes (17). In einer solchen Kampfbereitschaft ist der Christ immer bereit, alle Listen des Feindes und die Verlockungen der Welt abzuwehren. Vorbereitet durch die kleinen Versuchungen und Leiden des täglichen Lebens, wird er angesichts großer Qualen und des Todes auf dem Weg des Glaubens und der Wahrheit nicht wanken, nicht kleinmütig werden angesichts der Gefahr der Verringerung oder des Verlustes zeitlicher Güter.
Obwohl die Ideologie des atheistischen Bösen in Rußland eine Niederlage erlitten hat, und die äußeren Erscheinungen der Verfolgungen sich geändert haben, verkünden einige, die sich gar für orthodoxe Christen und Kirchenleute halten, es sei notwendig, mit dem Bösen zu paktieren. Dabei mißbrauchen sie oftmals das Wort Gottes, wodurch sie sich selber der kirchlichen Basis berauben. Sie wollen das nicht sehen und verstehen, was für die Hll. Neumärtyrer offensichtlich war, und was die Grundlage unserer kirchlichen Überzeugung darstellen muß.
Der Herr Christus belehrt die neutes-tamentliche Kirche: Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen, sehet zu und erschrecket nicht, das muß zum ersten alles geschehen (Mt. 24,6). Aus diesen Worten der untrüglichen Weisheit Gottes ist sichtbar, daß solche Ereignisse uns Christen nicht zufällig ereilen. Sie müssen unweigerlich geschehen. Daher wäre es geradezu frevelhaft, wenn wir uns nicht darauf vorbereiten würden, wenn wir nicht in ständiger Kampfbereitschaft verharren würden.
Aus den Worten Christi ist auch ersichtlich, daß wir nicht der grenzenlosen Willkür menschlicher Leidenschaften oder Bosheit ausgeliefert sind. Insofern es heißt das muß alles geschehen, ist klar, daß all dies sich nach der Vorsehung Gottes ereignen wird. Die göttliche Vorsehung lenkt unsere Welt nicht durch Zufälle, sondern richtet alle Ereignisse auf unser Wohl hin. Gegen die Russische Kirche und die russische Frömmigkeit standen alle bösen Kräfte der Welt auf. Aber jene, die den Weg des Martyriums gingen, waren mit vollem und auf den unerschütterlichen Felsen des Wortes Gottes gegründetem Recht überzeugt, daß, so groß die Kraft der Unwahrheit auch sein mag, sie die Wahrheit Gottes nicht besiegen kann, sie das echte innere Gut jener, die auf Gott hoffen und an Ihn glauben, nicht zerstören kann.
Die Kräfte des Bösen können das äußere Wohlergehen nur so weit ins Wanken bringen, wie Gott es ihnen gestattet. Sie können sogar die äußere körperliche Hülle unseres Leibes zerstören. Aber sie haben keine Macht, unsere wahre Stärke als Leib Christi, als Kirche Christi zu zerstören. Daraus folgt, daß jene lügen, die behaupten, es obliege uns, den Schwachen, mit dem Bösen zu paktieren, um “die Kirche zu retten”. Nicht wir retten die Kirche, sondern Sie rettet uns. Und wir können nun dann in Ihr gerettet werden, wenn wir die Lehre des Wortes Gottes als unverbrüchliche Grundlage unserer Existenz auf dieser Erde annehmen. Dann müssen auch wir, ähnlich den Hll. Neumärtyrern bereit sein, Verfolgungen und Leiden zu ertragen, sogar bis hin zum Verlust unseres Lebens um der Ewigen Wahrheit willen, denn das muß alles geschehen – all dies muß sich ereignen.
Würdige Verwandte der Hll. Neumärtyrer und Glieder ihrer Kirche werden wir nur dann, wenn unser Herz auf den Herrn harrt und nicht versucht, Seine Wahrheit mit der Klügelei dieser Welt zu vermischen, und wenn wir, in Nachahmung der Hll. Neumärtyrer nicht erschrecken vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen (Ps. 90,5).
p Am 11. und 12. Februar (n.St.) zelebrierte Erzbischof Mark die Gottesdienste in der Hauptstadt unserer Diözese, in unserer Gemeinde in Berlin. Er traf dort am Sonnabend nachmittag in Begleitung des Diakons Andrej Sikojev aus München mit dem Auto ein. In Berlin empfing ihn Priester Evgenij Sapronov und Diakon Andrej Trufanov sowie der aus Kopenhagen mit der Wundertätigen Ikone der Gottesmutter von der Wurzel von Kursk angereiste Priestermönch Alexej (Biron) und Diakon Matthäus Krotin. Während der Vigil nahmen alle genannten Geistlichen an der Litia und der Polyeleon teil. Die Kopenhagener Geistlichen reisten danach, gestärkt durch ein kräftiges Abendessen bei der Kirchenältesten, Sofia E. Bouzoianu, in ihre Gemeinde zurück. Die übrigen Geistlichen konzelebierten dem Bischof am folgenden Tag bei der Göttlichen Liturgie.
In seiner Predigt erläuterte der Diözesanbischof die Bedeutung der Apostellesung zu diesem Sonntag von Zöllner und Pharisäer, mit dem wir in das Fastentriodion eintreten. Unter Hinweis auf die Worte des Hl. Apostels Paulus: “Alle, die fromm in Jesus Christus leben wollen, müssen Verfolgungen erdulden” (2. Tim. 3, 12), sagte der Hierarch, daß wir uns besonders an diesem ersten Sonntag nach dem Fest der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands daran erinnern sollten, daß die Verfolgungen nicht einigen wenigen vorbestimmt sind, sondern allen Christen aller Zeiten. In Anwesenheit der Wundertätigen Ikone und am Tag des Gedächtnisses der großen Kirchenlehrer der Heiligen Basilius d. Gr., Gregor d. Theologen und Johannes Chrysostomos müssen wir an die Leiden denken, die der Allerheiligsten Jungfrau von Symeon dem Gottesempfänger vorausgesagt wurden, und an die Verfolgungen, denen die großen Kirchenlehrer wegen ihres Einstehens für die Reinheit des orthodoxen Glaubens erdulden mußten. Fehlen jedoch die äußeren Verfolgungen, so ist dies keineswegs ein Grund zur Freude, sondern viel eher eine Warnung davor, daß womöglich mit unserem geistlichen Leben etwas nicht in Ordnung ist. Leben wir in einer Zeit, in der es keine äußerlichen Verfolgungen gibt, so müssen wir unsere Aufmerksamkeit den Verfolgungen seitens unserer eigenen Leidenschaften zuwenden. Unsere Leidenschaften können zu Wohltätern für uns werden, wenn wir ihnen richtig begegnen. Wenn wir nur den Kampf mit ihnen aufnehmen, so schreiten wir unweigerlich von Sieg zu Sieg voran, und sogar im Versagen können wir wachsen, wenn wir uns sofort in Reue Gott zuwenden. In diesem Geist rief der Bischof die Berliner Gemeinde auf, sich auf die bevorstehende Fastenzeit vorzubereiten.
Nach der Göttlichen Liturgie sprach der Bischof seiner Gewohnheit entsprechend mit der jungen Gemeinde über die neuesten Entwicklungen in unserer Kirche. Am frühen Nachmittag zelebrierte er einen Gebetsgottesdienst in der Auferstehungs-Kathedrale.
p Vom 20. bis 26. Februar (n.St.) war Erzbischof Mark in New York bei der Sitzung des Bischofsynods. Am 23. Februar, dem 9. Tag nach dem Ableben von Erzbischof Pavel, wurde an dessen Grab in Novoe Divejevo eine Panichida zelebriert. Alle anwesenden Mitglieder des Bischofsynods fuhren früh morgens am Donnerstag nach Novoe Divejevo, wohnten dort der Liturgie bei, und begaben sich dann alle zusammen zum Grab des unlängst entschlafenen Erzbischofs Pavel. Die Panichida wurde von Metropolit Vitalij, Erzbischof Antonij von San Francisco, welcher einst Vikarbischof der Australischen Diözese war, und von Erzbischof Mark zelebriert.
p Am 1./14. März flog Erzbischof Mark von München nach Köln, um den Vertrag zum Kauf der Kirche für unsere Kölner Gemeinden zu unterschreiben. Bei der Unterzeichnung des Vertrages waren der Vorsteher der Kölner Gemeinden des Hl. Großmärtyrers und Arztes Panteleimon und des Hl Großmärtyrers Demetrios von Saloniki, Erzpriester Bo¡zidar Patrnogic und der Kirchenälteste der russischsprachigen Gemeinde Vladimir V. Levin anwesend. Nach Unterzeichnung des Vertrages fuhr Vladyka mit Vater Bo¡zidar und den Kirchenältesten beider Gemeinden zu dem neu erworbenen Grundstück, um zu sehen, wie die Arbeit in der Kirche und dem Gemeindesaal voranschreitet.
Bote 1995-2
Aufruf an alle, die den Heiligen Johannes von Shanghai und San Francisco von Herzen hochachten und seinen Namen im Gebet anrufen!
Die Verherrlichung des gottgefälligen Heiligen Johannes von Shanghai und San Francisco begeisterte die Menschen in allen Teilen der Welt in verschiedenen Ländern: Sie begeisterte sowohl jene, die in diesen Tagen in San Francisco waren als auch jene, die davon hörten.
Die Organisation dieser Verherrlichung zu bewerkstelligen, war die heilige Pflicht unserer West-Amerikanischen Diözese der Russisch Orthodoxen Kirche im Ausland.
Die Diözese übernahm die Ausgaben zur Herstellung des kunstvoll angefertigten und mit Schnitzereien und Ikonen verzierten Schreines mit Baldachin, in dem die unverweslichen Reliquien des Bischofsheiligen ruhen, den Druck der Broschüren, die Herstellung der Medaillen, die Organisierung der Festtafel und obendrein die sich als unerläßliche Fernsehübertragung der Feier (die Kathedrale konnte all die Gläubigen, die aus fünf Kelchen die heilige Kommunion empfingen, nicht fassen, und daher konnte der Gottesdienst auch im Saal, wo aus dem sechsten Kelch kommuniziert wurde, und im Freien, wo ein Großbildschirm aufgestellt war, verfolgt werden).
Nach der allgemeinen Abreise, zuerst der Pilger, und dann der Bischöfe nach Beendigung des Bischofskonzils, schritt man zur Herstellung von Audio-Videofilmen, welche die Feier aufgezeichnet hatten. Zur Herstellung dieser Cassetten mußten sich drei Mitglieder des Diözesanausschusses für die Kanonisation vier Wochen lang (eines sogar sieben) in Los Angeles aufhalten, wo sie an der Arbeit zur Produktion der Videocassetten verschiedener Typen für Amerika, Westeuropa, Rußland und Australien teilnahmen.
Für all dies wurden riesige Geldmittel benötigt, und die Diözese sah sich gezwungen, entsprechend große Anleihen aufzunehmen.
Nun bitten wir euch, liebe Brüder und Schwestern, um eure großzügige Hilfe!
Es naht die Große Fastenzeit. Dies ist eine Zeit, die im allgemeinen die Christen zur Opferbereitschaft geneigt machen sollte; gerade jetzt bitten wir um Hilfe für jene Diözese, die durch das opferreiche Leben des Hl. Johannes und jetzt noch durch seine Kanonisierung geheiligt wurde.
Möge solch eine Opferbereitschaft nach Kräften unsere Teilhabe an seiner Askese sein, denn er bewegt uns, dem Aufruf Folge zu leisten.
Möge der Segen Gottes durch die Gebete des wundertätigen Bischofsheiligen Johannes von Shanghai und San Francisco auf euch allen ruhen! Amen.
Erzbischof Antonij
27. Januar/9. Februar 1995
Schecks sind auszustellen auf:
Western American Diocese
mit Vermerk: For Canonization Expenses,
und an folgende Adresse zu senden:
473 – 26th Avenue,
San Francisco, CA 94121, USA
Bote 1995-2
Zum Gedächtnis an Erzbischof Paul (von Sydney, Australien und Neuseeland)
Am Feiertag der Begegnung des Herrn, Mittwoch den 2./15. Februar 1995, verstarb nach langer schwerer Krankheit Erzbischof Paul, der die letzten Jahre seines irdischen Daseins im Frauenkloster Novoe Diveevo in Spring Valley, USA, gelebt hatte. Nach der Feiertagsliturgie hatte Vladyka einen Schwächeanfall, und kurz darauf verstarb er. Den Totengottesdienst führte Bischof Ilarion und Bischof Mitrophan mit der Geistlichkeit des Klosters und einigen anderen Priestern durch. Erzbischof Paul wurde auf dem Friedhof des Kloster des Entschlafens der Allerheiligsten Gottesmutter in Novoe Diveevo beigesetzt. Ewiges Gedenken!
Viele Gläubige unserer Diözese erinnern sich gut an Vladyka Paul, der von 1967 bis 1980 als Bischof in Deutschland wirkte. Wir veröffentlichen in dieser Nummer unserer Zeitschrift eine kurze Biographie, die von dem Historiker Dr. G. Seide erstellt wurde. Wir hoffen aber, im Laufe der Zeit Erinnerungen derer veröffentlichen zu können, die Erzbischof Paul näher kannten, sollten solche Materialien der Redaktion zugänglich gemacht werden.
Vladyka Paul (mit weltlichem Namen Michael Pavlov) wurde am 3. November 1927 in Polen geboren. Zu Ende des 2. Weltkrieges gelangte seine Familie mit der fast eine Million zählenden Flüchtlingswelle nach Deutschland. Nach langen Irrwegen erreichte Michael Pavlov schließlich das Flüchtlingslager Fischbek bei Hamburg. In diesem Lager gab es eine orthodoxe Kirche, in der regelmäßig Gottesdienste durchgeführt wurden. Die Gläubigen hier wurden von Archimandrit Vitaly, dem jetzigen Metropoliten und Ersthierarchen der Russischen Auslandskirche, betreut. Metropolit Anastasij, das damalige Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, besuchte Fischbek 1946 und bemerkte dabei, daß “die Frömmigkeit der Betenden, ihre Achtung und Liebe zur Kirche auf die anhaltende kirchlich-pädagogische Arbeit des Archimandriten Vitaly mit den ihm anvertrauten Gläubigen zurückzuführen sei, da dieser das Vorbild eines wahren Hirten darstellt”.
Unter dem Einfluß von Archimandrit Vitaly entschloß sich Michael Pavlov zum Mönchsleben. Er besuchte die theologischen Kurse, die Archimandrit Vitaly mit Unterstützung von Bischof Nathanael (Lvov) in Fischbek eingerichtet hatte. Hier wurde ihm seine Berufung endgültig klar. Noch keine 20 Jahre alt wurde er 1947 von Archimandrit Vitaly zum rassophoren Mönch geschoren, wobei er den Namen Paul zu Ehren des Hl. Paul des Einfachen erhielt. 1949 schor ihn Bischof Nathanael im Kloster des Hl. Hiob von Po¡caev in München-Obermenzing zum Mönch. Im gleichen Jahr empfing der junge Mönch am Patronatsfest des Klosters, am 28. August/ 10. September von Metropolit Anastasij die Weihe zum Mönchsdiakon. Die nächsten 18 Jahre des kirchlichen Dienstes von Vater Paul sind bis zu seiner Bischofsweihe auf engste mit Metropolit Vitaly verbunden, der in jenen Jahren junge Mönche um sich scharte, die die Bruderschaft des Hl. Hiob von Po¡caev bildeten. Die jungen Mönche durchliefen die Gehorsamsübungen in den besten Traditionen des russischen Mönchstums, unter strenger Leitung ihres geistlichen Vaters, der sie nicht nur im geistlichen Leben unterwies, sondern sie auch in der Kunst des Buchdrucks ausbildete. Als Archimandrit Vitaly zum Administrator unserer Gemeinden in England ernannt wurde, folgte ihm die Bruderschaft.
1951 wurde Archimandrit Vitaly zum Bischof geweiht und zum Vikar der Diözese von Brasilien ernannt. Die Bruderschaft übersiedelte nach Brasilien und ließ sich in Sao Paulo nieder. Hier weihte Bischof Vitalij am Heiligabend 1952 Vater Paul zum Priestermönch. Ihm wurde die pastorale Sorge für die große russische orthodoxe Gemeinde anvertraut, die über das ganze Land verstreut war.
1954 wurde Bischof Vitalij auf den Bischofssitz von Edmonton in Kanada versetzt. Die Bruderschaft ging mit ihm in den Westen Kanadas, wo in der Nähe der Stadt Edmonton das Gottesmutter-Entschlafen-Skit gegründet wurde. Hier führte die Bruderschaft ihre Drucker-Arbeit fort. Sie druckten Bücher geistlichen Inhalts und die Zeitschrift “Orthodoxer Beobachter”, dessen erste Nummer bereits 1950 in London erschienen war.
Als Bischof Vitalij nach Montreal versetzt wurde, ging die Bruderschaft wiederum mit ihm. Etwa 100 Meilen südlich von Montreal wurde in der Provinz Quebec ein Stück Land im Wald erworben, auf dem das Skit der Verklärung Christi mit Mönchszellen, Kerzenzieherei und Druckerei entstand.
Während er seinem monastischen Gehorsam nachkam und die pastoralen Aufgaben wahrnahm, studierte Priestermönch Paul gleichzeitig an der Universität Montreal, welche er 1964 mit Auszeichnung abschloß. 1957 wurde er für seine pastorale Tätigkeit mit dem Recht zum Tragen des Goldkreuzes vom Synod ausgezeichnet, 1959 zum Abt erhoben und 1964 zum Archimandriten.
Auf dem Bischofskonzil im Mai 1967 wurde beschlossen, vier Vikarbistümer zu errichten: in der Ostamerikanischen, der Deutschen, Brasilianischen und Australischen Diözese. Für den neuen Bischofssitz in Deutschland wurde Archimandrit Paul empfohlen.
Seine Ernennung zum Bischof von Stuttgart fand am Abend des 2./15. Juli und die Bischofsweihe am 3./16. Juli 1967 in der Synodal-Kathedrale der Gottesmutter vom Zeichen von Kursk in New York statt. An der Weihe nahmen teil: Metropolit Filaret, Erzbischof Nikon (Rklizkij), Erzbischof Seraphim (Ivanov), Erzbischof Vitalij (Ustinov) und Bischof Antonij (Medvedev).
Als Vikarbischof der Deutschen Diözese mit Sitz in Stuttgart wurde Bischof Paul zum aktiven Helfer seines Diözesanbischofs, da Erzbischof Alexander (Lov¡cij) in jenen Jahren aus Gesundheitsgründen nicht mehr in vollem Umfang die Geschicke der Diözese lenken konnte. Nach der Pensionierung von Erzbischof Alexander übernahm Bischof Paul faktisch die Leitung der gesamten Deutschen Diözese und siedelte nach München über, wo die Diözesanverwaltung seit 1945 ihren Sitz hat. Sofort nach seiner neuen Ernennung nahm Bischof Paul den Kampf um den Besitz und die Rechte der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit Unterstützung des damaligen Diözesansekretärs V.N. Wischnewsky gelang es der Diözese nach jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen in der letzten Instanz vor dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht die Entscheidung herbeizuführen, daß die russischen Kirchen in Bad Ems und Baden-Baden wieder ihrem rechtmäßigen Eigentümer, der Deutschen Diözese der ROK im Ausland, zurückgegeben werden mußten. Diese beiden Kirchen waren seit 1945 vom Patriarchat Konstantinopel und Moskau besetzt gewesen.
Bischof Paul nahm regen Anteil an den Sorgen der Gemeinden unserer Diözese. Viele Kirchen trugen damals noch den Stempel der Nachkriegszeit und bedurften der zügigen Instandsetzung. Erstes Objekt der Sorge von Bischof Paul wurde die Kirche des Hl. Nikolaus in Stuttgart, die zunächst seine Kathedralkirche wurde. Hier wurde eine grundlegende Instandsetzung durchgeführt und ein neuer Ikonostas anstelle des provisorischen gebaut, nachdem der alte Ikonostas im Krieg unter Bombeneinwirkung verbrannt war. Für diese Arbeit konnte Bischof Paul den bis dahin nur wenigen in Deutschland bekannten Ikonenmaler Nikolaj Schelechow (1912-1981) gewinnen. Schelechow lebte von 1939 bis 1967 in Bulgarien, wo er zahlreiche Kirchen ausmalte und Kurse über Ikonenmalerei abhielt. Nach seiner Emigration nach Deutschland war es zweifellos Bischof Pauls Verdienst, daß er die künstlerischen Fähigkeiten Schelechows erkannte und es ermöglichte, daß dieser nur Aufträge von Gemeinden und Gläubigen in Deutschland erhielt. Hier sind besonders die Ikonostasen der russischen Kirchen der Hl. Eugenia in Saarbrücken (gemalt 1970), der Kathedralkirche des Hl. Nikolaus in München (1971) und schließlich der Kirche des Hl. Nikolaus in Stuttgart (1972/73) zu erwähnen. Der Ikonostas in Stuttgart ist heute in Deutschland der einzige, der vollständig von Schelechow ausgemalt wurde, und somit die Einmaligkeit dieses hervorragenden Ikonenmalers bezeugt. “Seine Ikonen erreichen eine solche Intensität und Ausstrahlungskraft – sie blicken den Betrachter an, sie durchdringen ihn”, sagte Vladyka Paul über diese Ikonen.
Mehr als andere Kirchen in Deutschland bedurfte die Kirche der Hl. Maria Magdalina in Darmstadt der Restaurierung. Sie war vom Märtyrer-Zaren Nikolaus gebaut worden und stellt ein besonderes Beispiele der russischen Sakralbaukunst dar. Auf Initiative von Bischof Paul wurde unter der Schirmherrschaft I.K.H. Prinzessin Margareth zu Hessen und bei Rhein ein Komitee zur Restaurierung der Mosaiken, Ausmalung und der Bausubstanz der Kirche gegründet. Um die schwierige Finanzierung kümmerte sich in aufopfernder Weise der evangelische Pfarrer M. Knodt.
Weiterhin wurde die Kirche der Hl. Elisabeth in Wiesbaden restauriert. Bischof Paul unterstützte auch die Ausmalung der Kirche des Hl. Nikolaus in Frankfurt.
Seit 1975 unterstützte Bischof Paul die Durchführung des Seminars für Orthodoxe Liturgik und Spiritualität in Frankfurt, das bis zum Jahr 1989 mit dem Ziel durchgeführt wurde, breitere Kreise mit dem Wesen der Orthodoxie bekannt zu machen.
Im Dezember 1980 wurde Bischof Paul auf den vakanten Bischofssitz von Australien und Neuseeland versetzt. Im Januar 1981 traf er in Sydney ein, und im November 1981 wurde er zum Erzbischof erhoben.
Unter aktiver Unterstützung von Erzbischof Paul wurde die Kirche des Hl. Johannes des Täufers in Canberra fertiggestellt, Mittel für den Bau von Kirche und Zellen für das Frauenkloster in Kentlyn gesammelt, wo die Arbeiten 1985 abgeschlossen werden konnten.
Weiterhin setzte sich Erzbischof Paul für den Bau der Kirchen in Rockly (Brisbane) und Dandenong ein. Auch das Land für den Bau eines Männerklosters, das der Verklärung Christi geweiht ist, wurde mit Unterstützung von Erzbischof Paul gesammelt und mit dem Bau begonnen.
Im Sommer 1991 bereitet sich Erzbischof Paul auf das Bischofskonzil in Kanada vor. Das Konzil sollte im Verklärungs-Skit in Mansonville tagen. Erstmals sollten an diesem Konzil auch drei Bischöfe aus Rußland teilnehmen. Vladyka freute sich auf dieses Konzil, während dem gleichzeitig das 40. Jubiläum der Bischofsweihe von Metropolit Vitaly gefeiert werden sollte. Erzbischof Paul hatte 1951 an der Weihe in London als Mönchsdiakon teilgenommen.
Doch Erzbischof Paul konnte an dem Konzil nicht mehr teilnehmen. Kurz vor der geplanten Abreise erlitt er einen Schlaganfall. Seinen Amtsgeschäften konnte er nur noch teilweise nachkommen. So oft seine Gesundheit es erlaubte, nahm er an der Liturgie teil, predigte auch einige Male, doch sein Zustand verschlechterte sich zusehends. Dennoch hoffte er auf Genesung und machte Pläne für die Zukunft. Noch im Frühjahr 1992 schrieb er in einem Brief, er hoffe, daß er "bald seinen Besuch in Deutschland nachholen und die schönen Alpen besuchen könne".
Leider war es ihm nicht mehr vergönnt, “seine deutschen Freunde”, womit er die Gläubigen in Deutschland meinte, zu sehen. Im Sommer erlitt er einen zweiten Schlaganfall, und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter. Im November 1992 übersiedelte er in das Altenheim des Nonnenklosters Novoe Diveevo, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte.
Bote 1995-3
Zum Text auf der Umschlagseite
Zum Text auf der Umschlagseite:
“Denn Du, o Gott, bist der Erste, Du auch nach diesem...” - ist einer Stichira entnommen, die wie viele gottesdienstliche Texte auf Predigten des Hl. Gregor des Theologen zurückgreift (vgl. Bote 3/1993). Die etwas problematische Formulierung findet sich auch im Ikos am Sonntag vor Pfingsten (Interpretation s. Bote 6/1987). Dahinter steht das hebräische: “ani rischon wa-ani acharon” Jes. 44,6 und ähnlich “ani rischon af ani aharon” Jes. 48,12. In den deutschen Bibelübersetzungen ununterschieden: “Ich bin der Erste und der Letzte”, in der griechischen Septuaginta-Übersetzung dagegen klingt das ganz unterschiedlich: jEgw; prw``toß kai; ejgw; meta; tau``ta... (44,6: Ich - der Erste, und Ich danach) und demgegenüber: jEgw; eijmi prw``toß, kai; ejgw; eijmi eijß to;n aijw``na... (48,12: Ich bin der Erste, und ich bin in die Ewigkeit). Das liegt den Gesängen zugrunde und kommt ebenso in der kirchenslavischen Übersetzung zum Vorschein. Martin Buber übersetzt: “Ich bin der Urfrühe, ich bin der Letztspäte” bzw. “...ich der Urfrühe, ich der Letztspäte auch”.
Wichtig ist der Zusammenhang der Kapitel Jes. 41-48 (z.B. Jes. 43,10-13 und insbesondere 41,4: “Ich... der Erste, und bei den Letzten bin Ich noch derselbe”, bei M. Buber: “Ich bin der Urfrühe und mit den Letztspäten bin ich derselbe”, Septuaginta: jEgw; qeo;ß prw``toß, kai; eijß ta; ejpercovmena ejgw; eijmi - d.h. Ich bin Gott, der Erste, und im Bevorstehenden bin Ich = erweise Ich Mich als Gott). In diesen Kapiteln geht es um den Gegensatz zwischen dem ungeschaffenen, ewigen Gott und den Götzen, die dem Geschöpflichen angehören, was nicht ewig, sondern zeitlich ist (dem Nachher). Gott ist auch ein Gott des Hernach, d.h. der Dinge die Nachher kommen (acharon, gr. meta; tau``ta, slav. gj cbüß) - und Gott nach all diesem, was geschaffen ist. Die Heiligen Kirchenväter Basilius der Große und Gregor der Theologe verwendeten diese Stelle in diesem Sinne in ihrer Polemik gegen Eunomius. Zugleich ist auch eine andere Sicht möglich: in all den Übeln, die der Prophet voraussagt, bleibt Gott doch derselbe, unveränderlich. Diese beiden Perspektiven schließen einander keineswegs aus.
Bote 1995-3
Aus dem Leben der Diözese
In der vierten Woche der Großen Fastenzeit hielt Erzbischof Mark in der Gemeinde des hl. Alexander Nevskij in Kopenhagen Gottesdienste. Am Samstag zelebrierte er die Nachtwache in Anwesenheit der vor kurzem sich als wundertätig erwiesenen Ikone der Mutter Gottes von Jerusalem (s. Bote 2/95). Es konzelebrierten Priestermönch Alexij (Biron) und Protodiakon Georg Kobro, der mit seiner Familie aus München gekommen war, um die wundertätige, weinende Ikone anzubeten. Am Sonntag zelebrierte der hochgeweihte Dosifej, Bischof der Serbisch Orthodoxen Kirche von Skandinavien und Großbritannien mit seinem Klerus aus Schweden zusammen mit Vladyka Mark. Außer den genannten Geistlichen war bei dem Gottesdienst unser Diakon Vater Matfej Krotin aus Südschweden anwesend.
In seiner Predigt unterstrich Vladyka, der über das Evangeliumsgeschehnis von dem Vater, der seinen Sohn zur Heilung zum Erlöser brachte, sprach, daß das vom Herrn vollbrachte Wunder in erster Linie nicht darin besteht, daß Er den Sohn heilte, sondern vor allem, daß Er den Vater heilte, denn der Vater war in der Tat schuldig an der Krankheit des Sohnes, schuldig durch seinen Unglauben. Der Herr erforscht den Vater in seinem Glauben, ruft ihn zum Glauben, und als dieser ausspricht: Ich glaube Herr, hilf meinem Unglauben!, da geschieht das Wunder – dem glaubend gewordenen Vater schenkt der Herr den Glauben. Eben durch diesen Glauben kommen der Vater und der Sohn und viele Geschlechter nach ihm zu Christus, fallen vor Ihm nieder und noch mehr als dies, nehmen Ihn Selbst in sich auf.
Der Sohn war besessen und hatte einen sprachlosen Geist, aber wir dürfen dies nicht nur im buchstäblichen Sinn verstehen. Er verlor die Gabe der Sprache, eine Gabe, die dem Menschen die größte Verantwortung auferlegt, weil wir durch das Wort töten können und beleben können. Dies ist die kostbarste Gabe, die der Herr den Menschen gab, denn Gott Selbst schuf alles durch das Wort, durch den Göttlichen Logos. Daher muß unser Wort immer bestrebt sein, mit dem Göttlichen Wort zu verschmelzen, denn allein das Wort Gottes ist das Lebenschaffende Wort. Wenn wir uns von dem Wort abwenden, dann werden wir gleich dem Vieh in seiner Sprachlosigkeit.
Der Mensch, der in Sünden fällt, der Mensch der Gott ablehnt, sich von Ihm, seinem Schöpfer, abkehrt, wird dadurch “sprach-los”. Wir alle sehen im täglichen Leben, wie ein Mensch, der von Leidenschaften geknechtet ist – sei es nun Trunkenheit, sei es Unzucht oder sei es irgendeine andere Sünde – manchmal allmählich und manchmal blitzartig die Gabe des Wortes, nicht nur des vergeistigten, sondern sogar auch des sinnlosen Wortes, verliert.
Der Herr vollbringt all Seine Wunder darum, daß wir zu Ihm kommen, daß wir nicht im Zustand der “Sprachlosigkeit” verharren, sondern wortbegabte Schafe Seiner Herde werden mögen.
Dann verwies Vladyka auf die Bedeutung des erschreckenden Wunders, das in Kopenhagen geschehen war:
“Hier, in diesem Gotteshause, in der Gegenwart von uns Ohnmächtigen, geschieht nun schon die vierte Woche ein Wunder: Die Allerheiligste Gottesgebärerin begann zu weinen, Sie, die in ihrer Ikone vom heiligen Berg Athos hierher gekommen war, um die Mutter des Märtyrer-Zaren zu trösten. Es ist nicht zufällig, daß die Allheilige Gottesgebärerin gegen Ende der ersten Woche der Großen Fasten Tränen auszuströmen begann. Darin, liebe Brüder und Schwestern, liegt für uns alle der größte Vorwurf, denn wir verdienen durch unsere laue Beziehung zu Ihrem Göttlichen Sohn und Seiner Kirche nur bittere Tränen. Wir stehen so zum Fasten, daß die Allheilige Gottesgebärerin nicht anders konnte, als zu weinen. Fragen wir uns ehrlich, wer von uns tatsächlich das Fasten einhält, so wie die Kirche es uns vorschreibt: als Arznei, als Hilfe auf unserem Weg. Nein, wenn wir schon fasten, dann tun wir dies höchstens, als ob man uns ein Büßerhemd angelegt hätte.
Die Allheilige Gottesgebärerin mußte einfach weinen angesichts dessen, in welchem geistigen Zustand wir uns befinden.
Durch das Große Fasten ruft Sie uns dazu auf, daß wir uns Ihrem Sohn zuwenden, der sich verkörpert hat, der Mensch geworden ist um unseretwillen – durch Sie, das heilige Gefäß seiner Menschwerdung. Indem uns die Allheilige Gottesgebärerin warnt und tadelt, tröstet sie uns auch gleichzeitig, denn jene Tränen, die von ihrer Ikone ausströmen, bestehen aus wohlduftendem Myron. Dies ist ein ungeheuer großer Trost. Dadurch verheißt Sie uns das Erbarmen Ihres Sohnes, wenn wir nur auf Ihren Aufruf hören, und nun den Rest dieser Großen Fastenzeit in Fasten und Gebet verbringen, wovon wir heute in der Evangeliumslesung hörten, daß diese das einzige Mittel sind, um die Dämonen aus uns zu vertreiben. Und wir alle, liebe Brüder und Schwestern, sind von Dämonen besessen: den Leidenschaften, dem Unglauben, dem Kleinglauben. Das alles ist in uns lebendig.
Daher wollen wir uns heute in aufrichtigem Gebet an die Allheilige Gottesgebärerin wenden, Ihr und Ihrem Göttlichen Sohn versprechen, dieses Fasten als Orthodoxe Christen einzuhalten und nicht als Abtrünnige. So laßt uns Ihr versprechen, daß wir so fasten und beten werden, daß wir würdig seien, der herrlichen Auferstehung Ihres Sohnes zu begegnen. Auf daß wir, hier, in dieser Kirche, zusammen ausrufen mögen: Christus ist auferstanden! Nicht nur mit den Lippen, sondern mit dem Herzen, mit unserem ganzen Wesen, denn Er auferweckt uns zusammen mit Sich. So wie Er die Allheilige Gottesgebärerin bei ihrem Entschafen in Seine Umarmung nahm, so ist Er bereit, auch uns anzunehmen, wenn wir bereuen, wenn wir uns Ihm zuwenden, wenn wir die Gebote Seiner heiligen Kirche annehmen – nicht als äußere Einschränkung, sondern als innere Notwendigkeit, in deren Erfüllung wir erst zu leben beginnen.
Achten wir, liebe Brüder und Schwestern, auf den Aufruf der Allheiligen Gottesgebärerin. Sie ist ja schließlich aus unserem Geschlecht, Sie war ein Mensch wie auch wir, daher bringen wir Ihr unsere Tränen dar, Tränen der Reue, Tränen der Liebe. Wenden wir uns in Liebe an Sie, empfangen wir Ihr Gebot der Liebe und werden wir Diener Ihres Sohnes. Nur dann können wir auf dem Kampfplatz Orthodoxer Christen aufstehen, nur dann begeben wir uns auf unseren Pfad zum Heil.
Gott möge uns geben, daß diese Tränen nicht an uns vorübergehen, daß sie nicht vergebens waren, auf daß wir gerettet werden durch die Gebete Ihres Göttlichen Sohnes, Seines Opferweges, und auf daß wir Ihn in allem nachahmend, die äußere Welt, in der wir derzeit leben, hinter uns lassen. Amen.”
p Wegen des Zusammenfallens des Großen Kanons, der Verkündigung und des Lobpreises der Allerheiligsten Gottesgebärerin konnte sich Vladyka Mark in diesem Jahr nicht zum Patronatsfest des Verkündigungskloster nach Londen begeben. Nachdem er diese Gottesdienste in der Münchner Kathedrale zelebriert hatte, fuhr er in der fünften Woche der Großen Fastenzeit nach Stuttgart. Nach der Göttlichen Liturgie in der Hl. Nikolaus Kirche sagte Erzbischof Mark den vielzähligen dort versammelten Gemeindegliedern, daß er diesmal gekommen sei, um die langjährige, segensreiche Tätigkeit der Kirchenältesten Tamara Ivanovna Eberhardt zu würdigen, welche vor Beginn der Großen Fasten Vladyka gebeten hatte, sie von ihren bisherigen Pflichten zu entlasten, damit jemand von der jüngeren Generation in diese Arbeit hineinwachsen könne. Vladyka hob hervor, daß Tamara Ivanovna jahrelang all ihre Kräfte und Liebe der Kirche geschenkt hatte. Erzbischof Mark händigte Tamara Ivanovna eine Dankesurkunde aus, während der Protodiakon ihr ein “Auf viele Jahre” anstimmte.
Die Kirchenälteste, die ihrerseits erfahren hatte, daß eben an diesem Tage Erzbischof Mark das 20-jährige Jubiläum seiner Diakonsweihe, die hier in dieser Kirche in der fünften Woche der Großen Fastenzeit 1975 stattgefunden hatte, begeht, antwortete Vladyka mit einer sehr herzlichen Gratulation und im Namen der Gemeinde überreichte sie ihm ein Geschenk – einen neuen Hirtenstab. Nach der Liturgie veranstaltete die Gemeinde einen Empfang in einem in der Nähe gelegenen Saal. Während des Empfanges teilte Vladyka seine Erfahrungen über einige Begebenheiten aus dem Leben unserer Diözese und Kirche mit den Gemeindegliedern, sowie einige persönliche Erinnerungen aus dem Leben der Stuttgarter Gemeinde, die mit der Person Tamara Ivanovnas verbunden sind. Nach dem Festmahl kehrten fast alle in die Kirche zurück, wo Vladyka die Taufe der vor kurzem geborenen Tochter von Vater Johannes Kaßberger, Elisaveta (zu Ehren der Neomärtyrerin und Großfürstin Elisaveta Feodorovna), vollzog.
Der Festtag wurde noch vor Beginn der Göttlichen Liturgie durch die Nachricht über das Ende des Hamburger Priesters Vater Benedikt Lohmann überschattet. Daher wurden trotz des Sonntages in vielen Kirchen unserer Diözese, wo diese traurige Nachricht eingegangen war, Totenektenien in die Liturgie eingefügt und Panichiden zelebriert. Vladyka Mark sagte zu der Gemeinde in Stuttgart, daß der Tod dieses Priesters ein schwerer Verlust für die ganze Diözese wie auch für ihn persönlich sei.
p Am Dienstag, dem 11. April, fuhr Vladyka nach Hamburg, um am folgenden Tag dort die Liturgie und das Totenamt für Vater Benedikt zu zelebrieren. Am Mittwoch morgen zelebrierte Vladyka Mark das Morgenamt und die Liturgie der Vorgeweihten Gaben zusammen mit Erzpriester Bo¡zidar Patrnogi¡c und Priester Nikolaj Artemoff. Nach einer kurzen Pause begann das Totenamt, an dem außer den erwähnten Priestern auch Erzpriester Ambrosius Backhaus und der örtliche serbische Priester teilnahmen. Das Totenamt dauerte bis zwei Uhr und wurde mit der Prozession mit dem offenen Sarg um die ganze Kirche und mit Litaneien an allen vier Seiten beendet. Am folgenden Tag wurde der Sarg in die Hl. Nikolaus Kirche nach Frankfurt gebracht, wo Vater Benedikt zum Priester geweiht worden war. Hier zelebrierte Erzbischof Mark zusammen mit dem Vorsteher der Kirche, Erzpriester Dimitrij Ignatiew, und Priester Nikolai Artemoff eine Panichida. Aus Frankfurt wurde der Sarg nach Wiesbaden überführt und dort auf dem Russischen Friedhof der Erde übergeben. An der “Litija” nahm auch Priester Slawomir Ivaniuk teil.
Aus Hamburg erreichte uns folgender Nachruf:
Am fünften Sonntag der Großen Fastenzeit, dem 27. März/ 9. April 1995 verstarb in Hamburg nach drei Wochen schwerer Erkrankung und Aufenthalt in der Universitätsklinik unser Priester, Vater Benedikt.
Wer liebt, dem gehen Herz und Mund über – und so war jeder, der mit Vater Benedikt ins Gespräch kam, überwältigt von dessen Drang, in übersprudelnder Begeisterung vom Gegenstand seiner Liebe, dem liturgischen Reichtum der Kirche und der Durchdringung des alltäglichen Lebens mit ihm beredt zu künden und dabei bisweilen die Frager und Gesprächspartner auch zu überfordern. Wer empfänglich war, konnte daran teilhaben und sehr vile gewinnen aus seinem unerschöpflichen Schatz an Wissen zum historischen Hintergrund und symbolischen Zusammenhang von Form und Ihnalt der Gottesdienste. Viele der von ihm in die Kirche Aufgenommenen können dankbar bezeugen, wieviel Zeit Vater Benedikt sich für geduldige und sorgfätlige Vorbereitung ihres wichtigen Schrittes nahm. Von dem regelmäßigen Gesprächskreis, den er jahrelang leitete und mit seinen Kenntnissen bereicherte, profitieren viele Teilnehmer noch heute.
Die Begegnung im Gespräch war ihm ein inniges, ja leidenschaftliches Vedürfnis, und so kamen viele (und manche oftmals) in den Genuß seiner freigebigen Gastfreundschaft (“Wollen Sie noch ein Brot mit essen?” hieß es oft nach den abendlichen Gottesdiensten – und das bedeutete eine Einladung zu etlichen anregenden Stunden…), und der sonntägliche Gemeindetee – eine Institution, die er und Matuschka gegen anfängliche Widerstände einführten, und die schnell Anklang fand – mit der Möglichkeit, sich zwanglos mit dem Priester und untereinander auszutauschen, ist heute aus dem Gemeindeleben nicht mehr wegzudenken.
Seine besondere Geduld, ja Zuneigung galt Menschen, die sich mit geistigen und seelischen Nöten an ihn wandten, und die sein tiefes Verständnis für menschliche Schwäche und Verirrung spürten. Immer wieder verwies er auf das christliche Menschenbild, das die versehrte Natur und die Krankheit der Sünden nicht zum Anlaß für Vorwürfe oder Verzweiflung oder auch moderne psychologische Verharmlosung nimmt, sondern als Ausdruck der Erlösungsbedürftigkeit im Vertrauen auf die heilende Kraft und Gnade Christi. Sich selbst schloß er stets demütig mit ein, und so endete manches Beichtgespräch mit der ausdrückliche Bitte, auch seiner im Gebet zu gedenken – ein Zeugnis dafür, wie sehr ihm die eigenen Schwächen, die ihm manchmal vorgehalten wurden, schmerzlich bewußt waren.
Besonder in den Anfängen seines priesterlichen Wirkens litt er unter der geringen Bereizschaft der meisten heutigen Menschen – auch vieler Orthodoxer, die die Kirche durchaus lieben –, sich der Fülle der liturgischen Überlieferung, wie sie in den Tagestexten – gerade auch der Vorabendgottesdienste – schlummert, zu öffnen. Seine Appelle und Werbungen erschienen lange Zeit fast vergebens, und doch verlor Vater Benedikt nie sein festes Vertrauen in den Sinn seines Bemühens – ohne jemals in die menshcliche kurzsichtige Versuchung zu geraten, die wenig “angenommenen” Gottesdienste aus “Effektivitätserwägungen” einzustellen. Diese unbeirrbare Kontinuität des Gebetslebens wurde aber auch von denen, die sich nicht in der Lage sahen, häufiger zu kommen, geschätzt – im tröstlichen Bewußtsein, im Gemeindevorsteher einen eifrigen stellvertretenden Beter zu haben.
Als herausragendes Beispiel für den Anklang, den dank seines beharrlichen Einsatzes und seiner liturgischen Fähigkeiten auch ehemals “unpopuläre” Gottesdienste im Laufe der Zeit fanden, sei nur die lange erste Osterliturgie am Karsamstagvormittag hervorgehoben. Und überhaupt registrierte Vater Benedikt die ständige Zunahme des Intereeses gerade auch an den vorabendlichen Vigilien in den letzten Jahren mit Dankbarkeit und der Zuversicht, daß seinem geduldigen Wirken mit Gottes Hilfe Früchte beschieden wären.
Vater Benedikt war in seiner besonderen Weise ein orthodoxer Priester, der den Gottesdienst, den rechten Lobpreis – ortho-doxie – von Herzen liebte und sicher auch lieben wird auf seinem Weg in eine neue herrliche Welt des Lobpreises Gottes, die uns durch des Todes Tor noch verborgen, ihm aber die neue Welt des unvergänglichen Lebens ist.
Teilhabe am Gesang der Engel ist die reiche Fülle des oft gesungenen Gebetes der Orthodoxen Kirche, und so war Vater Benedikt Sänger und Beter mit den heiligen Cherubim, die wir geheimnisvoll darstellen.
Sein Leben fand wieder und wieder seinen Höhepunkt, wenn er mit Frau und Tochter dioe Nachtwache in der Kirche des seligen Prokop, unsichtbar von den Engeln begleitet, sang und betete.
Die Schönheit und Ordnung des Gottesdienstes war ihm nicht ein Regelwerk oder eine Pflicht, sondern die große Freude, Gott recht zu loben. Darin war er ganz verbunden mit seiner Familie, die wie er, diese Schönheit liebte und nach der rechten Ordnung betete. Fehler oder Irrtümer beim Gottesdienst wurden ihm zum körperlichen Schmerz und veschlugen ihm manchmal die Stimme. So sehr war ihm der Gottesdienst, die Orthodoxie, die Welt seines Lebens, die mit Seele, Geist und Leib erfüllte und in der er auch bei den längsten Gottesdiensten der Klugheit, Reife und Kraft des Gebetes nicht müde wurde.
Der rechte Gottesdienst, in der Schönheit des Gesanges und der Gedanken begleitet ihn auf dem Weg in der Kirche des seligen Prokop in Hamburg, ehe sein in die priesterlichen Gewänder gehüllter Leib die Reise über Frankfurt nach Wiesbaden antrat.
Vater Benedikt wurde am 24. November 1929 in Bremen geboren und wuchs dort auf. Nach Schulabschluß lernte er im Buchhandel und war dann 16 Jahre im Bereich Fachtechnik in Duisburg als Buchhändler tätig. Privat interessierte er sich immer für Religion und Religionsgeschichte und besuchte gerne und oft die Klöster der Benediktiner, und dort wuchs seine Liebe zum kirchlichen Leben und zur Liturgie. Vater Benedikt hat geheiratet und hat eine Tochter.
Im Laufe der Jahre wurde er mit der Orthodoxen Kirche vertraut, deren Gottesdienste er an verschiedenen Stellen besuchte. 1976/77 durchlief er ein Studium und eine praktische Ausbildung bei dem damaligen Archimandriten Mark in Wiesbaden. Am 6./19. Dezember 1976 wurde Vater Benedikt in der Kirche des Hl. Nikolaus in Frankfurt von S.E. Erzbischof Philotheos zum Diakon geweiht und diente in Wiesbaden und Frankfurt. Am 1. Mai 1977 empfing er ebenfalls in Frankfurt von Erzbischof Philotheos die Priesterweihe und wurde dann zum Geistlichen an der Kathedrale des Hl. Prokopios von Lübeck und Ustjug in Hamburg ernannt. Zu jener Zeit war Erzbischof Philotheos Vorsteher der Hamburger Gemeinde, so daß Vater Benedikt viele Gottesdienst mit dem Bischof zelebrieren konnte. Als zweiter Priester der Gemeinde führte er bei Abwesenheit des Bischofs Gottesdienste, Taufen, Beerdigungen, Gebetsgottesdienste, Panichiden etc durch. Dank seiner Musikalität konnte er selbst gerne im Chor mitsingen, wozu er auch seine Frau und Tochter anhielt.
Als Erzbischof Philotheos 1981 erkrankte und nicht mehr selbst zelebrieren und die pastoralen Dienste ausführen konnte, wurde Vater Benedikt zum stellvertretenden Vorsteher der Gemeinde und 1986 nach dem Ableben von Vladyka Philotheos zum Vorsteher der Gemeinde in Hamburg ernannt. Vater Benedikt war 18 Jahre lang Priester der Gemeinde, und er war immer bemüht, für jeden erreichbar zu sein und die Wünsche, die die Gläubigen, die Kranken, die Trostbedürftigen zu ihm brachten, zu erfüllen. Zweimal im Jahr, an den Feiertagen des Hl. Nikolaus des Wundertäters am 9. Mai und 6. Dezember, zelebrierte Vater Benedikt die Gottesdienste in der Kirche des Hl. Nikolaus am Böhmersweg. Außerdem betreute er lange Jahre hindurch die kleinen Gemeinden in Sennestadt und Salzgitter – an beiden Stellen hielt er je einmal monatlich Gottesdienste.
Unsere Diözese hat in Vater Benedikt einen eifrigen Priester verloren – der Himmel einen innigen Beter und Sänger erhalten. Ewiges Angedenken sei ihm!
p In der Karwoche vollzog Erzbischof Mark wie üblich das Sakrament der Krankenölung: am Montag in Frankfurt, am Dienstag in Stuttgart und am Mittwoch in München. Am Heiligen und Großen Montag zelebrierte er die Liturgie der vorgeweihten Gaben in Stuttgart, am Dienstag in Wiesbaden und am Mittwoch in der Kathedrale in München.
Am Thomas Sonntag und dessen Vorabend, dem 16/29. und 17/30. April, zelebrierte Vladyka Mark in Berlin. Es konzelebrierten Priester Evgenij Sapronov und Diakon Andrej Trufanov. Zur Göttlichen Liturgie predigte Vladyka über die Seligkeit derjenigen, die nicht sehen, und doch glauben (Jh 20,29), wobei er unterstrich, daß die heiligen Apostel in ihrer Hingabe an den Erlöser vor allem von Liebe geleitet wurden. Von ihr bewegt, verkündete der Hl. Apostel Johannes der Theologe seinen Glauben an die Auferstehung Christi, als er das leere Grab des Erlösers sah. So muß die Liebe auch uns beseelen – selbst dann, wenn wir den Herrn nicht sehen oder Seine Zeichen in unserem Leben nicht wahrnehmen können.
Nach der Liturgie unterhielt sich Vladyka mit den Gemeindemitgliedern, erzählte von der weinenden Ikone der Mutter Gottes in Kopenhagen und über verschiedenen andere Ereignisse aus dem Leben unserer Kirche.
Nach dem Mittagessen am Sonntag fuhr Erzbischof Mark nach Wiesbaden und am folgenden Morgen war er in Bad Ems, wo er an diesem Tag (1.Mai) die Göttliche Liturgie zelebrierte. Hier konzelebrierten der Vorsteher der Kirche, Erzpriester Bo¡zidar Patrnogi¡c, und Priester Ivaniuk Slawomir aus Wiesbaden, sowie Erzdiakon Georg Kobro. Es sang der Chor aus Köln unter der Leitung von Viktor Gerasimez. Wegen der großen Anzahl von Deutschen, die zur Liturgie gekommen waren, sprach Erzbischof Mark auf Deutsch. In der Predigt verband er die Bedeutung des ersten Wunders Christi, das in Kana in Galiläa geschehen war, die Verwandlung von Wasser in Wein, mit dem Kreuzesopfer des Erlösers, Seiner Auferstehung und Seiner am Vortage gefeierten Erscheinung vor den Jüngern zusammen mit Thomas, als der Herr bei verschlossenen Türen (Jh. 20,26) eingetreten war. Vladyka unterstrich, daß sich in allen diesen Begebenheiten das Vorhandensein der zwei Naturen in Christus, der Göttlichen und der Menschlichen, sehr deutlich abzeichnet.
Nach der Göttlichen Liturgie hielt Erzbischof Mark einen Vortrag vor einem akademischen Kreis von katholischen Juristen aus Bonn und anderen Städten über das Wesen und Leben der Orthodoxen Kirche, insbesondere über die historische Entwicklung der Russischen Orthodoxen Kirche und über die Entstehung der Deutschen Diözese. Nach dem Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion über grundlegende Fragen aus dem geistlichen Leben unserer Kirche.
p 8. Mai (n.St.) Der hochgeweihte Erzbischof Mark war zusammen mit Priestermönch Agapit bei der Grundsteinlegung der neuen, in München zu bauenden Serbisch Orthodoxen Kirche anwesend. Die Weihe des Grundsteins vollzog der hochgeweihte Irinej, Bischof von Ni¡s. Erzbischof Mark ist noch aus Zeit mit Vladyka Irinej bekannt, als er an der Theologischen Fakultät in Belgrad studierte. Nach dem Gottesdienst hatte Vladyka Mark Gelegenheit, sich mit Bischof Irinej und mit dem serbischen Bischof von Deutschland Konstantin zu unterhalten. Vladyka Mark hielt vor dem zu dem Festmahl versammelten Kirchenvolk eine Ansprache in Deutsch und auf Serbisch.
p Vom 9. bis 16. Mai nahm Vladyka Mark in New York an der Sitzung des Bischofsynods teil. Nach den Synodalsitzungen nutzte Erzbischof Mark die Gelegenheit, gemeinsam mit Erzbischof Laurus nach Jordanville zu fahren. Nachdem er dort am Freitag abend, den 12. Mai (n. St.) angekommen war, nahm er am Sonnabend morgen an der göttlichen Liturgie teil und traf sich im Laufe des Tages mit Seminaristen und Geistlichen aus der Deutschen Diözese.
Am Sonnabend abend vollzog Erzbischof Mark während der Vigil die Lesung des Evangeliums. Am Sonntag reiste Erzbischof Laurus in eine Gemeinde in Pennsylvanien, und Erzbischof Mark zelebrierte mit acht Priestern ud drei Diakonen aus der dortigen Geistlichkeit – überwiegend Mönchen – die Göttliche Liturgie. Auf der Grundlage der sonntäglichen Evangelien-Lesung vom Gelähmten predigte Erzbischof Mark zu dem Thema “Glaube, Liebe und Hoffnung, welche als Dreieinigkeit der Tugenden unsere Vervollkommnung im geistlichen Leben des Menschen vollbringen, da diese Dreiheit vereint uns zur göttlichen Vollkommenheit geleitet, indem sie uns aus jeglichem geistlichem Tod herausführt, aus der Hölle der Sünde, die wir uns in dieser Welt selbst geschaffen haben”. Besondere Aufmerksamkeit schenkte der Bischof in seiner Presdigt der Notwendigkeit der geistlichen Kühnheit, die nach den Worten des Hl. Isaak des Syrers aus “dem großen Glauben an Gott” entspringt, und er unterstrich die Notwendigkeit der Kühnheit im Gebetsleben des Menschen.
Nach dem gemeinsamen Mahl mit der Bruderschaft des Dreieinigkeits-Klosters sprach Erzbischof Mark noch mit einigen Mönchen und Geistlichen, die seit langem mit dem Kloster in München Kontakt pflegen, und am Abend lkehrte er nach New York zurück. Auf der Rückreise mußte das Flugzeug, in dem Erzbischof Mark reiste, in Irland eine Notlandung vornehmen. Der Erzbischof nutzte den unfreiwilligen Aufenthalt in Dublin zu einem mehrstündigen Gespräch mit einem kurzfristig herbeigerufenen Mitglied unserer dortigen Gemeinde, der über das Leben der Gemeinde und den Fortschritt beim Bau der Kirche in Stradbally berichtete.
p Am 6/19. Mai wurde im Kloster des Hl. Hiob von Po¡caev in München das Patronatsfest begangen. Während des Kleinen Auszugs erhob Erzbischof Mark mit dem Segen des Bischofsynods Priestermönch Agapit zum Abt, in Anerkennung seines eifrigen und treuen Dienstes an der heiligen Kirche Christi.
Priester und Igumen Agapit begann seinen Mönchsweg eben hier, im Kloster des Ehrwürdigen Hiob. Am 28 Okt./10. Nov. 1981 schor Bischof Mark den jungen Novizen Alexander (Gorachek) zum Mönch unter Beibehaltung des bisherigen Namens. Während der Großen Fasten 1983 wurde Mönch Alexander von Bischof Mark in die Mantija eingekleidet und erhielt einen neuen Namen: Agapit. Im Dezember eben dieses Jahres wurde Vater Agapit zum Diakon geweiht, und in den folgenden Jahren diente er als Diakon im Kloster des Hl. Hiob und in der Hl. Nikolaus Kathedrale in München. Im August 1988, im Jahre der Tausendjahr-Feier der Taufe Rußlands, während eines feierlichen Gottesdienstes in der Synodal-Kathedrale, erhob Metropolit Vitalij auf Empfehlung von Bischof Mark den Mönchsdiakon Agapit zum Erzdiakon. 1991 wurde Erzdiakon Agapit zum Priester geweiht.
Predigt im Kloster des Hl. Hiob von Po¡caev zum Tag des Patronatfestes
Seine Predigt begann Erzbischof Mark mit den Worten des Evangeliumstextes für diesen Tag: Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht (Mt. 11,30). Den Sinn dieser Worte des Erlösers erläuternd fuhr Vladyka fort: “Worin besteht nun das Joch des Herrn? Darin unterweist uns vor allem unser Lehrmeister, der ehrwürdige Hiob von Po¡caev, durch das Vorbild seines Lebens und seines Betens.
Unser “Joch” ist es, daß wir versuchen, die Gebote Gottes zu erfüllen. Eben davon sprach der Herr zu dem Jüngling, der sich an Ihn wandte. In unseren Tagen, wenn wir über dieses Thema reden, sind die Leute erstaunt oder gar enttäuscht, weil sie eine tiefsinnige Antwort erwarten, und sie begreifen dabei gar nicht, daß sie tatsächlich davor davonlaufen, die Last Christi auf sich zu nehmen. Die Gebote zu erfüllen, heißt aber durchaus nicht, sich nur in einer bestimmten Tugend zu üben. Der Herr erwartet von uns die Erfüllung aller Gebote ohne Einschränkung. Und wenn wir uns unser Leben ansehen, dann stellen wir fest, daß es uns vielleicht gelingt, tatsächlich auf dem einen oder anderen Gebiet nach den Geboten zu leben, aber auf einem dritten und vierten weichen wir ständig von dem Weg ab.
Nach den Geboten leben, die Gebote erfüllen, können wir nur, wenn wir in der Gesellschaft leben. Daher können nur unreife Personen davon träumen, daß sie in die Einsamkeit gehen, sich von der menschlichen Gesellschaft entfernen und so Erlösung finden. Nein, sie gehen ganz unter. Denn der Herr stellte uns in die menschliche Gesellschaft, damit wir gerade hier das Heil finden. Zur Wahl steht uns nur, ob wir in der weiteren, weltlichen Gesellschaft leben oder uns in ein Kloster zurückziehen wollen, wo wir in einer eher eingeschränkten, kleineren, aber dafür zielgerichteten Gemeinschaft leben, die uns hilft, demselben Ziel zuzustreben. In der menschlichen Gesellschaft sehen wir unsere Begrenzungen auf jedem Schritt und können uns daher unserer Mängel bewußt werden, oder unsere Brüder erinnern uns an sie: daran, wo wir nachlässig in den Geboten sind. Gleichzeitig helfen uns die Brüder. Indem einer des anderen Last trägt, werden wir vollkommen in der Erfüllung der Gebote.
Die Gebote, liebe Brüder und Schwestern, erfüllen wir anfangs aus Furcht. Aber dies ist das Motiv der Anfänger, die auf der niedrigsten Stufe stehen. Laßt uns danach streben, die Gebote aus Liebe zu erfüllen. Denn, wie der Hl. Isaak der Syrer sagt, finden wir Wahrheit und Gefallen an der Wahrheit nicht dadurch, daß wir sie erfüllen, sondern dadurch, daß die Liebe zur Wahrheit und in diesem Fall die Liebe zu den Geboten Christi unser Herz verzehrt. Wenn es von Liebe erfüllt ist und ganz natürlich die Gebote erfüllt, dann nähern wir uns dem Herrn und geben Ihm einen Platz in unseren Herzen, damit Er sich darin niederlassen und so Selbst die Gebote gemäß unsereren geistigen und physischen Anlagen vollbringen kann. Wenn wir sündigen, liebe Brüder und Schwestern, dann entfernen wir uns von Gott, weil unser Herz so weit abgefallen ist, daß es nicht mehr von Liebe und von den Geboten, sondern von sündigen Gedanken erfüllt ist. Sie sind es, die uns von Gott entfernen.
So führt die Liebe, die in uns wirkt, die Gebote durch uns aus, sie trägt das sanfte Joch, und nur durch sein Tragen können wir das Himmlische Königreich erlangen. Denn der Herr riet jenem Jüngling, er solle sein Vermögen verkaufen, und meinte damit alles Weltliche, alles, was ihn an die Leidenschaften und Schwächen dieser Welt fesselte. Dann kann er Ihm nachfolgen, dann wird er ein Jünger Christi werden – nicht indem er der Welt entsagt, welche Gott schuf, sondern jener Welt, die im Argen liegt, das heißt den weltlichen, menschlichen Leidenschaften. Nur so können wir das geistliche Leben gewinnen.
Die Unvergänglichkeit kann nicht von dem Vergänglichen erworben werden. Daher müssen wir uns an das Unvergängliche, Immaterielle, Geistliche wenden, um das eine, was nottut, zu gewinnen. Der Hl. Hiob wies uns den Weg. Unser geisttragender Lehrmeister verbrachte sein ganzes, so langes irdisches Leben in Gebet und Werken der Demut. Und wir Ohnmächtigen versuchen ihm nachzueifern, den gewiesenen, den bereits beschrittenen Weg zu gehen, denn wir dürfen nicht auf das Wunder einer Umwandlung unseres gefallenen Wesens durch die Gnade in einem Augenblick hoffen, und wir wagen nicht einmal, darum zu beten.
Die Kirche zeigt uns jenen Weg, auf dem viele Rettung erlangten und erlangen, und das Wunder geschieht nach dem Wohlwollen Gottes. Wir wagen nicht, darauf zu hoffen. Wir können uns nur darüber wundern – dann nämlich, wenn es geschehen ist. Der Herr ist gnädig und führt uns auf dem Weg Seines Heiles, wenn wir bereit sind, der Welt zu entsagen, also den Leidenschaften und Lüsten, um die ewige Seligkeit jener zu empfangen, die Ihm auf den unvergänglichen Wegen und Fußstapfen in das Königreich Gottes folgen. Amen.”
Bote 1995-3
Dort ängstigten sie sich in Furcht, wo keine Furcht war... (Ps. 13,5)
Im Mai 1995 beging die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland feierliche Gottesdienste – eine Panichida und einen Dankgottesdienst – zum 50-jährigen Gedenken an zwei Ereignisse: die gewaltsame Auslieferung der Kosaken im Lager Peggetz in der Nähe von Linz in Österreich und die Rettung der russischen Soldaten, die im Fürstentum Liechtenstein, dem einzigen Land, welches den Mut hatte, sich der sowjetischen Forderung um Auslieferung zu widersetzen, Zuflucht gefunden hatten.*
Am Vorabend des traurigen Jubiläums gingen bei der Redaktion die Erinnerungen einer Frau ein, die als neunjähriges Mädchen zusammen mit ihrer Mutter diese schrecklichen Ereignisse im Lager Peggetz überlebt hatte. Durch ein Wunder kamen sie durch. So schreibt sie über den Sturm des Lagers am 1. Juni 1945:
“Früh morgens versammelten sich alle in der Lagerkirche zum Gebet, und dann bewegten sie sich mit Ikonen und Fahnen auf den großen Platz zu, in dessen Mitte eine Platform mit einem Altar errichtet worden war. Die Göttliche Liturgie begann. Die Leute standen dicht gedrängt, in der Mitte waren Frauen und Kinder, während die Männer, die Kosaken, einen Ring um sie bildeten.
Alle beteten heiß. Es nahte der wichtigste Augenblick: Die Gläubigen schritten zur Kommunion. Währenddessen begannen aus den angefahrenen Lastwagen Soldaten herauszuklettern, welche die lebendige Kette der Kosaken durchbrachen, zuerst einige packten, dann weitere und der Reihe nach alle, und sie in die Lastwagen warfen. Einige mögen noch zum Kelch des Lebens gegangen sein, aber anderen, glaube ich, reichte der Engel des Herrn die Kommunion. Jene, die Widerstand zu leisten versuchten, und auch jene, die sich nicht wehrten, bekamen einen Schlag mit dem Gewehrkolben auf den Kopf.
Ich erinnere mich, wie die um mich stehenden Leute mich umwarfen und über mich hinwegrannten. Ich begann, meine Mama, die ich in der Menge verloren hatte, um Hilfe zu rufen, und dann bereits verzweifelt, auch den Papa, obwohl er sehr weit von uns weg war und uns nicht hören konnte. Aber später, als wir uns wieder vereinigten und sahen, daß wir noch lebten, erzählte der Papa mir, daß er an jenem Tage sehr unruhig war und ihm ständig meine Stimme in den Ohren klang. Dann verdunkelte sich alles vor meinen Augen – ich verlor das Bewußtsein. Ich wachte auf, als der Platz bereits leer war, es lagen nur zertrampelte tote Menschen herum.”
Heute, 50 Jahre nach dem Geschehen, bedürfen diese Ereignisse keines Kommentars. “Das Gericht der Geschichte” fand bereits statt. Die Schande der westlichen Demokratien, die dem braunen Ungeheurer Widerstand leisteten, und sich gleichzeitig zu einer schamlosen Abmachung mit einem anderen, nicht weniger widerwärtigen totalitären Regime herabließen, einer Übereinkunft, die Ursache vieler und vieler Toten und Martyrien wurde, ist heute allen klar. Ebenso ist heute allen der stille Mut eines kleinen Staates, der nicht über millionenstarke Armeen verfügte, noch politische Macht hattte, aber dennoch das Vermächtnis der Barmherzigkeit nicht verriet, sichtbar.
Für uns Orthodoxe Christen ist der moralische Relativismus der damaligen politischen Aktivisten, die sich in großen Worten zu den “Menschenrechten” bekannten, aber in Wirklichkeit die schmutzigen politischen Geschäfte mit dem unmenschlichen und gottlosen Regime nicht scheuten, sehr lehrrreich.
Die humanistische Zivilisation, welche den Menschen statt den Gottmenschen zur universalen Kostbarkeit und zum Maß aller Dinge erkoren hat, konnte nicht umhin, sich mit dieser Repetition der Ankunft des Antichrist zu blamieren. Diese Lektion hat auch heute nicht an Aktualität verloren. Pharaonen und Könige wie Nebukadnezar, politische Führer wie Hitler und Stalin und alle, die sich vor ihnen verneigen, enden eines schmählichen Todes, aber die Repetition hört nicht auf: Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, daß er kommen werde und ist schon jetzt in der Welt (1. Jh. 4,3) – und weiterhin wird die Menschheit in Versuchung geführt. Die wichtigsten Geschehnisse, welche das Schicksal des Menschengeschlechtes bestimmen, finden nicht auf den Schlachtfeldern, nicht in den politischen Kabinetten, sondern in der Tiefe des menschlichen Herzens statt.
Dort, in jener Tiefe, wo die Wortmacherei aufhört, und nur das Ja-Ja oder das Nein-Nein bleibt, ist das große Geheimnis der Gesetzlosigkeit, wie auch das große Geheimnis der Gottesfurcht verborgen. Wenn das Herz “Ja” zu dem satanischen Vorsatz sagt, egal, ob dieser sich in dem Donnern der Panzer und Maschinengewehre oder in dem bezaubernden Lächeln eines populären Politikers oder in einer leisen Einflüsterung des Bösen in dem Schweigen der Nacht äußert, so spricht es eben dadurch ein “Nein” zu Christus. Und dann weicht die Hilfe Gottes von ihm, der Herr entläßt die Menschen nach dem Treiben ihrer Herzen (Ps. 80,13), und die unfruchtbaren Kräfte der Hölle schleichen sich in Seele und Körper des Menschen ein und triumphieren beim Festgelage der Gesetzlosigkeit. Dann wird das Unvorstellbare möglich, dann verlieren die Menschen nicht nur die Gottebenbildlichkeit, sondern auch die “Menschenähnlichkeit”, sie vergießen das unschuldige Blut ihrer Mitbrüder, während die Göttliche Liturgie gefeiert, während das unblutige Opfer dargebracht wird...
Wenn das ohnmächtige menschliche Herz aber ein ganz feines “Nein” auf die feindliche Einflüsterung spricht, dann sagt es “Ja” zu dem Gottmenschen, und der allmächtige Herr überschattet es mit Seiner unbesiegbaren Kraft, jener Kraft, welche in den Schwachen mächtig ist. Dann werden zunichte die Pläne der Mächtigen dieser Welt, dann sind alle Kräfte der Hölle und der Welt machtlos, weil Jener, der ins Herz eingezogen ist, das sich nicht fürchtet vor nächtlichem Schrecken, vor dem Pfeil, der am Tage fliegt, vor dem Wesen, das in der Finsternis schleicht, vor einem Anfall und dem Mittagsdämon (Ps. 90,5-6), größer als jener ist, der in der Welt ist (1. Jh. 4,4).
Wollen wir daher, indem wir jetzt all der unschuldig Getöteten gedenken, über unser Herz wachen, bedenkend, daß die Zeiten böse sind, daß all unsere “Ja” und “Nein” einem jetzt stattfindenden “Gericht der Geschichte” zwar entgehen können, aber bis zum Tag des letzten Gerichtes, wenn die Gerechtigkeit Gottes triumphieren wird, aufbewahrt bleiben.
Bote 1995-3
Aufruf der Gemeinde der ROKA in London
Liebe Orthodoxe Gläubige, Wohltäter, Freunde und Spender!
Christus ist unter uns! Ist es nicht traurig, aber in einer der größten Hauptstädte des Westens, in London, haben wir nicht unsere eigene, selbständig erbaute Kirche! Dennoch, Gott sei Dank, bemüht sich unsere “kleine Herde” mit Gottes Hilfe und dank der Gebete des neuen Gottgefälligen, des Bischofsheiligen Johannes, solch eine Kirche zu erbauen.
Brüder und Schwestern! Mit dem Segen des Bischofsynods wenden wir uns an euch in großer Hoffnung: Helft uns, unser edles und heiliges Werk der Erbauung der ersten Kirche zu Ehren des Entschlafens der Allerheiligsten Gottesgebärerin in der Metropole Großbritanniens, in London, zu vollenden.
1990 kaufte unsere Gemeinde ein Grundstück mit einem großen Haus in der Harvard Road 57, Chiswick, London. So hat die Gemeinde nun ihr eigenes Gebäude, und im vergangenen Jahr wurde ein Saal angefügt, in dem sich jetzt unsere temporäre Kirche befindet. Eben auf diesem Grundstück beabsichtigt die Gemeinde, eine Kirche zu errichten.
Wir sind überzeugt, daß unsere Kirche in London nur durch Frieden, Segen und Gebet gedeihen kann, wenn nur alle, nach Vermögen an diesem Gemeinschaftswerk teilnehmen und aus der Freigiebigkeit ihres Herzens ihr Scherflein beisteuern.
Wir bringen allen Spendern, welche durch ihren Beitrag bereits unseren Kirchenbau unterstützen, unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck. Wir bitten, uns auch in Zukunft durch ein kräftiges Opfer zu helfen, und womöglich auch durch persönlichen Einsatz. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es nun, die unbedingt notwendige Geldsumme zusammenzutragen, wozu uns eure moralische und finanziellle Unterstützung unerläßlich ist.
Der Herr möge euch alle behüten! Gott möge euch für eure Hilfe segnen!
Mit Liebe im Herrn,
Gemeinde des Entschlafens der Allerheiligsten Gottesgebärerin
Spenden bitten wir an folgende Adresse zu senden:
Treasurer Mr. G. Wolcough
3 Coniger Road
London SW3 TB
Great Britain
Bote 1995-3
Hilfe!
Liebe Brüder und Schwestern, Gemeindemitglieder und Freunde!
Über 50 Jahre sind seit dem Ende des 2. Weltkrieges vergangen, und unsere Diözese kümmert sich ununterbrochen um das geistliche Wohl der in Deutschland verstreut lebenden orthodoxen Christen.
Unsere Priester tragen ihre Verantwortung in Gottesdiensten, Sakramenten Gebeten, Beerdigungen, Trauungen, Taufen… von morgens bis abends, Tag um Tag, Jahr um Jahr. Sie, diese Priester, erfüllen die ihnen von der Kirche aufgetragene Aufgabe – sie bereiten die Seelen der Menschen zum ewigen Leben vor. Doch die Priester selbst sind keine körperlosen Lebewesen. Sie selbst, und ihre Familien benötigen Speise und Trank, Wohnung und Kleidung. Nach alter kirchlicher Tradition übernahmen all diese Sorgen um die materielle Seite des Lebens der Priester immer diejenigen, um deren Seelenheil sich die Priester kümmern.
Seit Ende des Krieges hilft uns der deutsche Staat und die örtlichen Kirchen bei der Bewältigung unserer Aufgaben hinsichtlich der materiellen Versorgung unserer Geistlichen. In den letzten Jahren ist diese Hilfe jedoch ständig geschrumpft, da unsere Wohltäter meinen, daß wir allmählich lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen. In diesem Jahr wurden unsere von außen kommenden Mittel wiederum gekürzt. Unsere eigenen Anstrengungen zur Versorgung der Priester, die keine Möglichkeit haben, durch eine weltliche Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, da die Gemeinden ihre Einsatzbereitschaft in der Sorge um weit verstreut lebende orthodoxe Christen rund um die Uhr brauchen, haben immer noch nicht das gewünschte Niveau erreicht.
Die Ökumenische Kommission, die in der Nachkriegszeit ins Leben gerufen wurde, um orthodoxe Priester in Deutschland zu unterstützen, hat uns in diesem Jahr DM 194.000,- für Gehälter und Reisekosten unserer Priester zugewiesen. Unser Priesterfonds sammelte im vergangenen Jahr DM 33.000,- In diesem Jahr werden wir wohl kaum dieselbe Höhe erreichen, da einige unserer treuen Spender inzwischen verstorben sind. Aus Beiträgen der Gemeinden und Diözese können wir ca. DM 60.000,- aufbringen. Die Mindestsumme, die wir für Gehälter und Reisekosten benötigen, beträgt jedoch 324.100,- – in anderen Worten, uns fehlen dieses Jahr mindestens DM 70.000,-
Wir versichern Ihnen, daß wir keinen Pfennig vergeblich ausgeben. Unsere Priester müssen mit einem Gehalt auskommen, das unter dem Sozialhilfesatz liegt. Die Frauen der Priester, die von der Diözese bezahlt werden, sind gezwungen zu arbeiten, damit sich die Familien über Wasser halten können.
Deshalb wenden wir uns wiederum, wie schon vor einigen Jahren, an Sie alle mit der herzlichen Bitte, eine freiwillige Verpflichtung zu regelmäßigen Beiträgen an den Priesterfonds unserer Diözese zu übernehmen:
Bayerische Hypotheken- und Wechselbank Konto Nr. 60 60 555 948, München BLZ 700 200 01
oder jedes andere Konto unserer Diözese mit dem Vermerk “Priesterfonds”.
Gleichzeitig nutzen wir diese Gelegenheit, um all unseren bisherigen Spenden von Herzen zu danken, die unseren Priesterfonds durch ihre Spenden unterstützen oder auf andere Art Hilfe leisten.
Für Ihre Liebe zur Kirche Christi, für Ihre Mildtätigkeit, Ihre Spendenfreudigkeit sagen wir Ihnen ein tausendfaches “Vergelt’s Gott” !
Bote 1995-3
Limonarium
oder “Geistliche Wiese” des Hl. Johannes Mos'chos
Kapitel 4
Die Vision des Abba Leontios
Abba Leontios, der Vorsteher der Koinobia unseres hl. Vaters Theodosios, erzählte uns: “Nachdem die Mönche aus der Neuen Lavra vertrieben worden waren1, kam ich in diese Lavra und blieb hier. Einst am Sonntag begab ich mich in die Kirche zum Empfang der heiligen Mysterien. Als ich die Kirche betrat, sah ich einen Engel, der zur Rechten des Altars stand. Von Schrecken ergriffen rannte ich in meine Zelle zurück. Und es erging eine Stimme an mich: “Seit dem Augenblick, als dieser Altar geweiht wurde, ist mir geboten, ständig neben ihm zu stehen”.
Der ehrwürdige Theodosios der Große wurde etwa 425 n.Chr. in Kappadokien, im Dorf Mogarion geboren. Von jungen Jahren an spürte er den Ruf zum asketischen Leben. Die gottesfürchtigen Eltern standen seiner Neigung nicht im Wege und ließen ihn mit ihrem Segen ins heilige Land ziehen. Sein Weg führte durch Antiochia. Dort stand noch der hl. Simeon der Stylit auf seiner Säule und erstaunte die Welt durch die Größe seiner Entäußerung. Kaum hatte sich Theodosios der Säule des hl. Simeon genähert, als der große Asket ausrief: “Ein guter Weg ist dir beschieden, Mann Gottes Theodosios!” und ihn zu sich auf die Säule einlud. Zutiefst erschüttert fiel Theodosios zu Füßen des großen Simeon nieder. Den jungen Mann aufhebend, umarmte und küßte ihn der Säulenheilige und indem er ihn segnete, sagte er ihm voraus, daß er ein geistlicher Hirte der gläubigen Schafe sein würde.
Mit welcher Freude und innerer Rührung besuchte und verehrte Theodosios die heiligen Stätten in Jerusalem! Auf dem Golgotha am Fuß des Kreuzes Christi, beschloß er endgültig, den Weg des Askeselebens einzuschlagen. Unweit von Jerusalem, bei der Davidsäule übte sich ein großer Starez namens Longinus in Askese, der durch sein heiliges Leben berühmt geworden war. Theodosios begab sich unter die Führung eben dieses Starez. Lange Zeit lebte er bei ihm, bis er schließlich seinem Willen willfahrend den Presbyter-Rang annahm und sich an einen Ort namens “Alte Kathedra” begab. Aber seine Seele dürstete nach Einsamkeit und in der bergigen Thekoia Wüste fand er einen Berg, der es ihm sehr antat, denn von seinem Gipfel aus öffnete sich eine weite Aussicht in die Ferne: auf Bethlehem, Jerusalem, den Jordan, das Tote Meer... Eben dort ließ er sich in einer geräumigen Höhle nieder, in der die Magier gerastet hatten, als sie zur Anbetung des menschgewordenen Gottes herbeigereist waren. Er begann seinen außerordentlichen asketischen Lebenswandel: unaufhörliches Gebet, stehende Nachtwachen, erschöpfendes Fasten, Tränen, die wie aus einer Quelle den Augen entströmten...
Dreißig Jahre lang lebte der große Asket in der Höhle; allmählich sammelte sich eine Bruderschaft um ihn an. Erst nach langem Zögern entschloß er sich, zum geistlichen Führer anderer zu werden. “Der Mensch soll nicht für sich alleine leben, sondern auch für die Mitmenschen und sogar noch mehr für sie... Das Mönchsleben besteht nicht in physischer Einsamkeit und Schweigen, sondern in der Wohlgestalt der Seele und der Konzentration des Geistes, in Gemütsruhe und Stille des Herzens”. Dabei erinnerte er sich auch an die Voraussage des großen Simeon. Auf Weisung von oben baute er sein Kloster in der Nähe seiner Höhle. Er machte das Prinzip des Gemeinschaftslebens (koinonia) zur Grundlage seines Klosters, weshalb er auch der Koinoniarch genannt wird. Wunderbar gestaltete er seine Koinobia, die zum Vorbild für andere Klöster wurde. “O was für ein Mensch! – ruft sein Biograph Kyrillos aus – Alles gehört den anderen und gleichzeitig doch ihm selber: Gelassen inmitten der auf ihm lastenden Sorgen und stets von einsamer Gemütsverfassung, aufmerksam anderen gegenüber, mit zärtlicher Liebe für sie, gegen sich selber jedoch ungewöhnlich streng, kümmerte er sich physisch und psychisch um das Heil des Nächsten, aber vergaß dabei auch nicht seine eigene Seele”.
Während der vom Monophysitismus verursachten Wirren erwies sich der hl. Theodosios sowie der hl. Sabbas als eifriger Verfechter des wahren Glaubens, weswegen er auch durch den Kaiser Anastasios des Landes verwiesen wurde. Als er nach dem Tode von Anastasios aus der Verbannung zurückkehrte, führte er seine Askesemühen fort. Gott verherrlichte ihn durch die hohe Gabe der Wundertätigkeit.
Gegen Ende seines Lebens fiel der hl. Theodosios einer schweren Krankheit anheim und mit Standhaftigkeit und Dankbarkeit für diese göttliche Heimsuchung ertrug er sein Leiden. In der Stunde seines Endes streckte der selige Starez seine Arme gen Himmel und bewegte die Lippen, als ob er in seliger Freude ein Gespräch mit Gott führe; dann legte er die Arme kreuzförmig auf die Brust und entschlief sanft im Herrn. Dies war im seinem 106. Lebensjahr, am 11. Januar 592. Ungewöhnlich war sein Begräbnis: Der Patriarch Petrus selbst, ein 92-jähriger Greis und ebenfalls ein großer Asket, kam mit seinem gesamten Klerus, sowie der Freund von Theodosios, der hl. Sabbas der Geheiligte und eine Menge Volks. Eine ungewöhnliche und starke Regung erhob sich in der Kirche, als der Augenblick des Abschieds von dem Entschlafenen herbeigekommen war.
Der ehrwürdige Leontios war Abt der Koinobia des hl. Theodosios im 6. Jh. Er besaß ein hohes Maß an moralischer Vollkommenheit.
1 “Nachdem die Mönche aus der Neuen Lavra verjagt worden waren”: Ab dem Jahre 520 wurden die Klöster Palästinas aufgewühlt von den Steitigkeiten über einige Ansichten des Origenes, des berühmten Alexandrinischen Lehrers des 3. Jh. – besonders über die Präexistenz der Seelen, über ihre Metempsychose nach dem Tode, über die Ewigkeit der Höllenqualen und anderes. Der Origenismus machte sich breit unter den Mönchen der Neuen Lavra. Angeführt wurde die origenistische Gruppe von Nonnos, der von mystischer Veranlagung war und über eine mitreißende Rednergabe verfügte. Bald breitete sich der Origenismus auch auf andere Klöster Palästinas aus. Doch unter den Mönchen gab es auch eifernde Gegner des Origenismus. Es begann ein erbitterter Kampf, begleitet von gegenseitigen Vorwürfen, Schlägereien und Blutvergießen. Die Patriarchen von Jerusalem und Antiochia waren nicht in der Lage, mit dem Aufruhr fertigzuwerden. Damals schrieb der Kaiser Justinian einen Brief an den Patriarchen von Konstantinopel Menas, in dem er die Meinung des Origenes tadelte und dem Patriarchen vorschlug, eine Lokalsynode einzuberufen. Auf den Patriarchenstuhl wurde zu jener Zeit auf Anweisung des Vorstehers der Lavra des hl. Sabbas Kononos, der ehemalige Ökonom der Alexandrinischen Kirchen Eustochios (544-563) erhoben. Eustochios sandte den Klostervorsteher, den hl. Theodosios und einige Bischöfe als seine Vertreter zur Synode. Auf der Lokalsynode unter dem Vorsitz des Patriarchen Menas wurden die Ansichten des Origenes verdammt, und gegen ihn 15 Anathemata ausgesprochen. Nachdem der Patriarch Eustochios die Konzilsbeschlüsse in der Hand hatte, versuche er acht Monate lang die Origenisten zu überreden, ihre Irrtümer aufzugeben. Die Mönche der Neuen Lavra wollten keinerlei Belehrungen hören. Dann sandte der Patriarch gegen die Neue Lavra den Präfekt Anastasios mit einer Soldatentruppe. Die Lavra wurde im Sturm genommen, ihre Mönche wurden aus Palästina verjagt, und anstelle ihrer wurden orthodoxe Mönche aus den bekannten Klöstern Palästinas dort angesiedelt. Unter ihnen war auch Kyrillos von Skythopolis, welcher in der Folge die Viten der großen Asketen Palästinas verfaßte.
Bote 1995-4
An die gottliebenden Gläubigen
der Diözese von Deutschland und Großbritannien
Mit dem Eintritt Kroatiens in den Krieg gegen die serbische Bevölkerung in der Serbischen Krajina und Slavonien hat eine neue Etappe der Leiden für das brüderliche orthodoxe serbische Volk begonnen. Der Serbische Patriarch Pavle schreibt in seinem Appell an die Weltöffentlichkeit vom 7. August d.J., daß seit 1991 Hunderttausende von Serben getötet und aus der Republik Kroatien vertrieben wurden.
In der Zeit des Türkenjoches bewahrte das serbische Volk durch Jahrhunderte mutig die Heilige Orthodoxie. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs brachte es eine unfaßbare Zahl neuer Märtyrer hervor, die für die Weigerung, den römischen Glauben anzunehmen, den ihnen die kroatischen Vasallen des Hitler-Regimes aufzwingen wollten, ermordet, gequält, bei lebendigem Leibe in ihren orthodoxen Kirchen verbrannt wurden. Und nun in unseren Tagen leidet dieses Volk wieder durch die Schuld unehrenhafter Machthaber – der Wendehälse aus den früheren kommunistischen Menschenverächtern und Gotteslästerern.
Die serbischen Bischöfe haben in ihren Sendschreiben wiederholt darauf hingewiesen, daß die jetzigen Ereignisse in beträchtlichem Ausmaß ein Ergebnis des machthungrigen und egoistischen Verhaltens der Machthaber in den neuen Staatsgebilden auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien sind. Kirchen, in denen die Vorfahren der jetzigen Einwohner jahrhundertelang beteten, werden zerstört. In Slavonien vernichtete man die Kirche, in welcher der jetzige Patriarch getauft wurde – sie wurde wohl vor allem deswegen zerstört! Ein Ende der Leiden und Erniedrigungen ist nicht abzusehen!
Unsere Russische Orthodoxe Kirche im Ausland genoß in den ersten Jahren und Jahrzehnten der Emigration die Gastfreundschaft und Liebe der brüderlichen Serbischen Kirche. Wir bewahren dankbares Angedenken an die Hilfe und auch die Unterstützung, die uns später gewährt wurde. Dieses Gedenken verstärkt unsere brüderliche Pflicht, das serbische Volk im jetzigen schweren Moment seiner Geschichte moralisch durch unser Gebet um den Frieden in diesem schwergeprüften Land beizustehen. Viele von Ihnen, unseren Gläubigen, haben bei unseren Seminaren und Jugendkonferenzen die jetzigen Bischöfe der Serbischen Kirche kennengelernt: Metropolit Amfilohije, die Bischöfe Atanasije, Irinej, Artemij, Pachomij… Die Leiden dieser Bischöfe und ihrer Gläubigen können uns nicht gleichgültig sein!
Ich bitte persönlich alle Gläubigen der mir anvertrauten Diözesen von Deutschland und Großbritannien um ihre inständigen Gebete für das leidende serbische Volk, wobei wir selbstverständlich auch nicht vergessen dürfen, daß zusammen mit den Serben auch alle anderen Völker leiden, die in diesen abscheulichen Bruderzwist verwickelt sind.
Ich rufe unser gesamtes orthodoxes Kirchenvolk, insbesondere aber unsere Jugend dazu auf, sich jeglicher Vergnügungen zu enthalten in diesen furchtbaren Tagen, in denen hunderttausende von Menschen unseres Glaubens um ihr nacktes Leben kämpfen, in denen sie alles verloren haben – von der heimatlichen Kirche bis zur häuslichen Feuerstelle, ja selbst bis zur Hoffnung auf die Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren, in Tagen, in denen von sinnen gekommene Soldaten hilflose Greise, Invaliden, Kinder erschießen… Ich bitte Sie alle, besonders jetzt die von unserer Heiligen Kirche angesetzten Fastentage und -zeiten streng zu beachten, in einer Zeit, zu der unsere Brüder und Schwestern im Glauben ohne Speise und Trank auf der Flucht vor ihren Mördern in unwegsamen Gebieten herumirren.
Da wir über ganz geringe materielle Möglichkeiten verfügen, sind wir nicht imstande, irgendwelche organisierte Hilfe zu leisten. Wenn jedoch jemand unter unseren Gläubigen die Möglichkeit sieht, Medikamente zu sammeln, so werden wir versuchen, sie an die leidenden Flüchtlinge weiterzugeben. Auch rufen wir alle unsere Gläubigen dazu auf, nach Kräften Flüchtlingen zu helfen, die sich eventuell unter uns befinden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind das unsere Nächsten, die unter die Räuber fielen. Erwiesen wir ihnen unser Mitgefühl, indem wir auf ihre geistlichen und physischen Wunden das Öl unserer Gebete und den Wein unserer materiellen Hilfe gießen.
Durch die Gebete des Hl. Sabbas von Serbien möge unser Herr Ihnen Ihre Güte vielmals vergelten!
MARK,
Erzbischof von Berlin und Deutschland
Bote 1995-4
Aus dem Leben der Diözese
p Am zweiten Tag des westlichen Pfingstfestes vollzog der Hochgeweihte Erzbischof Mark traditionsgemäß die Liturgie auf dem Rotenberg bei Stuttgart. Es konzelebrierten der zu dieser Zeit gerade in Deutschland weilende Bischof von Triadiza Photios und aus unserem Klerus Erzpriester Miodrag Gli¡sic aus Baden-Baden, die Priester Nikolai Artemoff aus München, Josef Wowniuk aus Erlangen, Sergij Mano¡skin aus Karlsruhe, Ilya Limberger, Johannes Kaßberger aus Stuttgart, sowie Protodiakon Georg Kobro und Diakon Peter Sturm.
p Vom 6. bis 9. Juni fand im Gemeindezentrum der Münchener Kathedralkirche unter der Schirmherrschaft von S.E. Erzbischof Mark von Berlin und Deutschland ein wissenschaftliches Seminar über Spiritualität und Liturgie der Orthodoxen Kirche statt. Ähnliche Seminare wurden von 1975 bis 1989 in Frankfurt abgehalten. An ihren hatten alljährlich eine große Zahl von Besuchern teilgenommen, die sich für Orthodoxie interessierten und tiefer in das orthodoxe geistliche Leben eindringen wollten. Für einige Seminarteilnehmer wurde solch eine “Begegnung mit der Orthodoxie” zu einem entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Gewinn des wahren Glaubens.
Das jetzige Seminar, das unmittelbar vor dem Fest der Heiligen Dreifaltigkeit, wenn die Kirche der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel gedenkt, durchgeführt wurde, hatte sich zur Aufgabe gestellt, den Hörern das orthodoxe Verständnis der Ökonomie des Heiligen Geistes im Leben des Menschengeschlechtes nahezubringen.
Das Seminar wurde von Professor Johannes Panagopoulos von der Universität Athen geleitet, der den Gläubigen unserer Diözese gut bekannt ist, nicht nur durch seine Vorträge bei dem Seminar in Frankfurt, sondern auch durch Vorträge und Kurse bei orthodoxer Kongressen. Neben Prof. Panagopoulos wurden Vorträge und Seminarstunden von dem Hochgeweihten Photios, Bischof von Triadiza, dem Professor der Athener Universität Marios Begzos und dem Priester der ROKA Nikolai Artemoff gehalten. Professor Panagopoulos hielt drei Vorträge: “Hauptmerkmale der orthodoxen Theologie und Kirche”, “Grundzüge der orthodoxen Spiritualität” und “Spiritualität und Theosis im Leben der Kirche”. Der Seminarleiter führte eine detaillierte Analyse der 41. Homilie des Hl. Gregor von Nazianz über das Pfingstfest und ein Seminar über das Thema “Aus der mystischen Erfahrung der Heiligen: Sendschreiben des Hl. Makarios von Ägypten an die Söhne Gottes” durch. Bischof Photios hielt einen Vortrag über das Thema “Orthodoxe Spiritualität als lebendige Überlieferung. Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche” und eine Seminarstunde über das Thema “Aus der mystischen Erfahrung der Heiligen: Leben des Hl. Seraphim von Sarov” mit Textanalyse des Gespräches des Hl. Seraphim mit Motovilov. Professor Begzos referierte über das Thema “Die Lehre der Kirche über den Heiligen Geist” und hielt eine Seminarstunde zum Text der 5. Homilie des Hl. Gregor von Nazianz über den Heiligen Geist. Vater Nikolai Artemoff, der Priester der Kathedralkirche, hielt am ersten Seminartag einen Vortrag “Einführung in die Göttliche Liturgie der Orthodoxen Kirche”.
Am Mittwoch, den 7. Juni, zum Fest der Dritten Auffindung des ehrwürdigen Hauptes des Heiligen und Ruhmreichen Propheten, Vorläufers und Täufers Johannes, hatten die Seminarteilnehmer die Möglichkeit, die Göttliche Liturgie zu besuchen, die in der Münchener Kathedralkirche von Erzbischof Mark mit seinem Klerus zelebriert wurde. Die Liturgie wurde auf Deutsch gehalten, so daß das Fehlen einer sprachlichen Barriere den nichtorthodoxen deutschsprachigen Seminarteilnehmern (welche die Mehrheit bildeten) helfen sollte, eine gewisse Vorstellung von der geistigen Tiefe und dem unerschöpflichen Reichtum des orthodoxen Gottesdienstes zu gewinnen.
Für die zeitgenössischen westlichen Theologen, ebenso wie für die liberalen “orthodoxen” Ökumenisten verlor der Begriff Spiritualität jenen tiefen Sinn, welchen die Heiligen Väter in ihn hineinlegten. Er wird immer mehr zu einen Synomym irgendeines gemeinsamen Nenners aller Religionen. Im Rahmen dieser “ökumenischen Spiritualität”, die einem religiösen Synkretismus zustrebt, wurden absurde Spekulationen dahingehend möglich, daß der Heilige Geist auch unabhängig von Vater und Sohn, unabhängig von der Kirche handle und man daher die nichtchristlichen Religionen als Manifestationen Seiner “Eingebung” betrachten könne. Eine überzeugende Alternative zu derartigen pseudotheologischen Konzeptionen wurde im Verlauf des Münchener Seminars vor Augen geführt.
Alle Seminarreferenten – sowohl der Bischof der Bulgarischen Altkalendarischen Orthodoxen Kirche, als auch die beiden griechischen Theologen, und der russische Priester manifestierten volle Einstimmigkeit, Gesinnungsgleichheit und Loyalität der patristischen Tradition gegenüber in ihrer Einschätzung der auf dem Seminar behandelten schwierigen theologischen Probleme, die mit der Ökonomie des Heiligen Geistes als Dritter Hypostasis der Allheiligen Trias im Zusammenhang stehen. Diese Einmütigkeit und Gesinnungsgleichheit zeugen schon für sich alleine von der großen Rolle der Überlieferung in der Orthodoxie, davon, daß die wahren Glaubenslehren nur dem gemeinschaftlichen Bewußtsein der Kirche gegeben sind, in welchem all ihre Glieder in Liebe vereint sind: von den Heiligen Vätern des Altertums bis zu unseren Zeitgenossen. Orthodoxe Theologie ist im Unterschied zur protestantischen und römisch-katholischen keine isolierte, intellektuelle Disziplin, die durch ein straffes System philosophischer Begriffe gestützt wäre. Auf existentieller Ebene kann die orthodoxe Spiritualität nur von den im Schoße der Kirche Lebenden verwirklicht werden – jenes gottmenschlichen Lebenselementes, welches gerade diese Spiritualität schafft und dazu noch ihre theologische Konkretisierung möglich macht. Zugegen ist der Heilige Geist nur in der Kirche und wirkt nur in ihr: Er erleuchtet den Menschen zur Kenntnis der Wahrheit, welche nicht durch Vernunft, sondern durch den ganzheitlichen Menschen, geschaffen nach dem Ebenbild der Heiligen Dreiheit und ausgerichtet auf Gott, verwirklicht wird. Alle Vorträge und Seminarstunden behandelten auf die eine oder andere Weise Themen der Ökonomie des Heiligen Geistes in der Geschichte des Menschengeschlechtes, von dem Sündenfall bis zur Erlösung. In der alttestamentlichen Kirche wirkte der Heilige Geist durch die Propheten und Gerechten, aber die Menschheit insgesamt verweilte in Gott-Entfremdung, von Sünde und Tod unterjocht. Theosis, Vergöttlichung, neue Vereinigung mit Gott durch Gnade wurde nur nach dem Kreuzesopfer des Erlösers möglich. Der Heilige Geist, der auf die Apostel sichtbar in Form von Feuerflammen herabstieg, kommt unsichtbar auf jeden Täufling im Sakrament der Myronsalbung herab. Nicht nur das heilige Sakrament der Myronsalbung, sondern das ganze Dasein der Kirche ist eigentlich wie ein ununterbrochenes Pfingsten, wo die Gaben des Heiligen Geistes in den Sakramenten dem ganzen kirchlichen Organismus, dem ganzen Leib der Kirche ausgeteilt werden. Daher sind keinerlei orthodoxe Spiritualität und keinerlei orthodoxe Theologie außerhalb der Kirche möglich. Die orthodoxe Theologie paßt nicht ins System aristotelischer Logik, sie kann nicht akademisch gelehrt werden, sie kann nur gepredigt werden, ja sie kann nur von einem Träger persönlicher Erfahrung des Lebens in Christi vermittelt werden. Außerhalb dieses Lebens verkehrt sich Theologie zu einer müßigen und fruchtlosen, des sprirituellen Sinnes beraubten Dialektik. Offensichtlich ist auch, daß eine richtige Akzeptanz dieser Theologie außerhalb des Kontextes des liturgischen Lebens und ohne persönliche asketische Anstrengung unmöglich ist. Daher trägt die missionarische Zielsetzung der Seminarveranstalter an sich vom Gesichtspunkt dieser aristotelischen Logik her deutlich paradoxen Charakter – nämlich der Versuch, das zu lehren, was der Definition nach der vernunftmäßigen Erlernung unzugänglich ist. Spiritualität zu “lehren”, ist in der Tat unmöglich. Man kann sie nur in Demut predigen (was die Seminarveranstalter auch zu tun bemüht waren), in der Hoffnung, mit Gottes Hilfe das Herz des Menschen, das weiser als alle Vernunft ist, anzurühren. In der heutigen, in den Abgrund der Apostasie verfallenen Welt, wo Millionen von Menschen, die sich Christen nennen, jeden Impuls zum ewigen Leben verloren haben, wo die Betrogenen und Verirrten Rettung und Heil nicht vom Gottmenschen, sondern von Politikern oder durch von der menschlichen Pseudo-Vernunft erfundene “außerplanetarische Wohltäter der Menschheit” erwarten, ist alleine schon das Erwecken von Interesse an der Orthodoxie bei Menschen (und sei es anfangs rein akademisch) ein Zeugnis der grenzenlosen Menschenliebe Gottes. Das rettende Netz des Göttlichen Erbarmens ist immer noch in die Wellen des Lebensmeeres geworfen, und der Heilige Geist “verfolgt” nach den Worten des Hl. Gregor von Nazianz immer noch die Menschen mit seiner erbarmungsreichen Göttlichen Liebe – solange, bis sich nach dem von Ewigkeit bestehenden Plan die Kirche Christi erfüllen wird.
p Am zweiten Tag des heiligen Pfingstfestes hielt Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie in der Dreifaltigkeitskirche in Erlangen. Es konzelebrierten Priester Josef Wowniuk, Erzpriester Kolund¡zi´c der Serbisch Orthodoxen Kirche und Mönchsdiakon Evfimij.
p Zum Fest Allerheiligen Rußlands hielt Erzbischof Mark die Vigil und Göttliche Liturgie in der Allerheiligen-Kirche in Bad Homburg. Es konzelebrierten der Vorsteher dieser Kirche, Erzpriester Dimitrij Ignatiev, und Erzdiakon Georg Kobro. Nach der Liturgie unterhielt sich Vladyka mit den Gläubigen in einem Festzelt, das im Garten des Gemeindehauses aufgestellt wurde.
p Zum Fest der Heiligen Ruhmreichen Apostelfürsten Petrus und Paulus zelebrierte Erzbischof Mark in der Kathedralkirche in München. In seiner Festpredigt charakterisierte Vladyka kurz die Heiligen Apostel als flammende Streiter für das Wort Christi. Er wies darauf hin, daß der Apostel Petrus unter den ersten vom Herrn Berufenen war, aber später im Augenblick der Versuchung fiel er von Ihm ab und wurde zum Verräter. Nichtsdestoweniger setzte ihn der Herr nach seiner von Herzen kommenden Reue wieder in seine apostolische Würde ein. Andererseits war der Apostel Paulus ein eifernder Verfechter der Synagoge und verfolgte lange Zeit voller Wut den christlichen Glauben. Erst nachdem er die wunderbare Erscheinung des Herrn Selber hatte und zum Glauben kam, wurde er ein ebenso glühender Verkünder des Menschgewordenen Wortes Gottes.
Ihrem Blickwinkel nach stellen jedoch beide Apostel verschiedene Richtungen in der Praxis der frühen Kirche dar. Der Hl. Apostel Petrus war der Ansicht, daß man die Lehre Christi nur unter den Juden verbreiten solle, während der Hl. Apostel Paulus auf der Predigt unter den Heiden und deren ungehinderter Aufnahme in die Kirche unter Umgehung des jüdischen Gesetzes bestand. Einige Zeit existierten diese zwei Meinungen in der einen Apostolischen Kirche nebeneinander. Als sie jedoch zu Zwietracht führten, wurde das apostolische Konzil einberufen, wo die Frage zugunsten der Gepflogenheit des Apostels Paulus entschieden wurde, obwohl dieser nicht unter den ersten Aposteln war und den Erlöser nicht mit eigenen Augen während Seines irdischen Daseins gesehen hatte. Nach diesem Konzil gab es keine Sieger noch Besiegte, sondern alle lebten in Frieden in der einen Kirche, wo die Frage von dem die Einheit der Kirche Wahrenden Selber, dem niemand sich zu widersetzen wagt, dem Heiligen Geist nämlich, entschieden wurde.
Weiterhin wies Vladyka auf einige Parallelen zu unserer Zeit hin. Bemerkend, daß der Apostel Paulus der jüdischen Diaspora entstammte, die in vielen Fragen andere Vorstellungen und Gebräuche hatte wie die in Palästina lebenden Juden, verglich Vladyka diese Erscheinung mit der jetzigen Lage der Russischen Kirche. Die Gemeinden unserer Diözese bestehen grundlegend aus Russen, die irgendwann in ihrem Leben ihre Heimat verloren haben. In unseren Tagen erhielten sie wieder die Möglichkeit, mit ihren Brüdern in der Heimat in Verbindung zu treten. In der letzten Zeit schließen sich sogar Neuankömmlinge aus Rußland uns an. Dank dieser Kontakte wurde sichtbar, daß unsere Brüder und Schwestern in der Heimat in vielen Dingen Ansichten und Vorstellungen haben, die grundlegend von den unsrigen abweichen – nicht nur in Fragen des alltäglichen Lebens, sondern auch in kirchlichen. Wir sind uns bewußt, daß für einige Zeit, bis die Kirche diese Fragen entscheiden wird, trotz des Auseinanderklaffens der Ansichten denoch eine Gemeinschaft bestehen kann. Aber wir hoffen, daß einmal die Zeit kommen wird, wenn solche Ansichten, die sich heute als unversöhnlich dartun, in einem konziliaren Bewußtsein der Russischen Kirche ihren Ausgleich finden werden. Ebenso wie in Zeiten der Apostel wird es auch hier weder Sieger noch Besiegte geben – alle müssen vielmehr an dem einen Leib Christi als seine lebendigen Glieder teilhaben.
p Am 25. Juni zelebrierte Erzbischof Mark einen Bittgottesdienst mit Akathistos in der Kirche des Hl. Nikolaus in Landshut. Mit diesem Winter beginnend wird Vladyka solche Gottesdienste einmal im Monat durchführen. In Landshut gibt es nicht genügend Gläubige, um dort andere Gottesdienste abzuhalten, aber die Moleben werden zelebriert, um den wenigen Gläubigen die Möglichkeit zu einem Kirchenbesuch zu geben.
p Zum Tag der Heiligen Kaiserlichen Neomärtyrer, dem 4./17. Juli, zelebrierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie in der Kirche der Hl. Maria Magdalena in Darmstadt. Diese Kirche wurde von dem Märtyrer-Zaren Nikolaus gebaut. Es konzelebrierten Priester Slavomir Iwaniuk und Priesterdiakon Evfimij. Nach dem Gottesdienst lud die Gemeinde zu einem Essen in einem Raum neben der Kirche ein.
p Zum Fest des Ehrwürdigen Sergij von Radone¡z am 4./17. und 5./18. Juli vollzog Erzbischof Mark die Vigil und Göttliche Liturgie in der Kirche des Hl. Sergius in Bad Kissingen. Nach der Liturgie fand eine Prozession mit Lesung der Auferstehungsevangelien an den vier Seiten der Kirche statt.
p Zum Tag des Gedächtnisses des Seligen Prokopios von Lübeck, des Narren in Christo und Wundertäters von Ustjug, zelebrierte Erzbischof Mark die Vigil und Göttliche Liturgie in der Kirche des Hl. Prokopios in Hamburg. Dorthin kamen zu dem Fest mit der Myronspendenden Jerusalemer Ikone der Gottesmutter aus Kopenhagen die Priestermönche Venjamin (Forbes, zur Zeit in Europa weilend, Geistlicher der Australischen Eparchie) und Alexij (Biron), sowie Diakon Matthäus Krotkin. Außerdem konzelebrierten Erzpriester Ambrosius Backhaus, Priester Josef Wowniuk und Mönchsdiakon Evfimij. Bei der Göttlichen Liturgie weihte Vladyka Matthäus Krotkin zum Priester. Durch erzbischöfliche Anordnung wurde Vater Matthäus zum zweiten Priester der Hl. Alexander Nevskij Gemeinde in Kopenhagen ernannt. Er wird die Missionsgemeinschaft in Südschweden versorgen, wo er auf seinem Grundstück eine dem Hl. Johannes von Shanghai und San Francisco geweihte Hauskirche errichtete. In seiner Predigt auf Russisch wies Vladyka auf den Seligen Prokopios von Lübeck und Ustjug als einen Vertreter des wahren reinen Christentums hin, dem das Narrentum in Christo ganz natürlich zu eigen war. Besonders in unseren üblen Zeiten wird dieses unvermeidlich zu einem auszeichnenden Charakterzug eines jeden Christen, der den Geboten Christi treu sein möchte. In der heutigen Welt kam es als Ergebnis der bewußten Vernichtung aller christlicher Wurzeln so weit, daß alles Sündige als “normal” betrachtet wird. In von kommunistischer Diktatur beherrschten Ländern erfolgte diese Vernichtung offen und zielgerichtet, während sie im Westen versteckt und heimtückisch vor sich geht. Von seinen ersten Anfängen an mußte das Christentum mit der gefallenen menschlichen Natur kämpfen. Im Altertum führte die Christenheit den Kampf gegen das aussterbende Heidentum. In unseren Tagen jedoch erheben sich gegen das Christentum die Kräfte des Antichristen, die alles Gute, alle Reinheit und Schönheit verhöhnen. Daher wird jeder Versuch, bewußt ein christliches Leben zu führen, sogar von den Allernächsten als eine Narrheit verlacht, denn sie sind nicht gewillt, den Opferweg der Lossagung von der Vergänglichkeit um der höheren Welt Christi willen auf sich zu nehmen.
Vladyka erinnerte auch daran, daß eines der bekanntesten vom Hl. Prokopios vollbrachten Wunder mit dem reichen Myronfluß aus der Ikone der Allerheiligsten Gottesgebärerin verbunden ist, und er verglich dieses Wunder mit dem Erscheinen von Tränen auf Ihrer Ikone in Kopenhagen zu Beginn der Großen Fasten dieses Jahres. In einer weiteren Predigt auf Deutsch unterstrich Vladyka die Bedeutung der Missionstätigkeit in der äußerst verweltlichten Gesellschaft Nordeuropas, sowie die Bedeutung der neuen myronausströmenden Ikone der Allerheiligsten Gottesgebärerin in einer Gesellschaft, wo sogar Christen Ihr nicht die notwendige Achtung und Ehrfurcht entgegenbringen.
Nach der Prozession an diesem Festtag stellte Vladyka der Gemeinde den neuen Priester, Vater Josef Wowniuk, vor, der im August nach Hamburg übersiedelt, um die dortige Gemeinde zu versorgen. Nach Ende der Festtafel fand eine kurze Sitzung des Gemeinderates zusammen mit dem neuen Priester unter Vorsitz von Erzbischof Mark statt. Bei dieser außerordentlichen Sitzung wurden Probleme behandelt, die in letzter Zeit nach dem Tod Vater Benedikts aufgetreten waren, sowie Fragen im Zusammenhang mit der Einrichtung der Familie Vater Josefs im Gemeindehaus.
p Vor dem Fest der Heiligen und Ruhmreichen Apostelfürsten Petrus und Paulus wurden im Auftrag des Gemeinderates in der Kathedralkirche der Hll. Russischen Neomärtyrer und Bekenner und des Hl. Nikolaus in München den Gläubigen Mitteilungen über die Finanzlage im Zusammenhang mit den weiteren Bauplänen und der Verschönerung der Kirche übergeben.
Im einzelnen wurde angezeigt, daß Spenden zu bestimmten Zwecken entrichtet werden können, nämlich:
Ein Meter Zaun DM 75,-
Mauersteine für den Glockenturm DM 150,-
Mauersteine f. d. Kapelle DM 150,-
Ikonenständer DM 800,-
Ikonenkasten DM 250,-
Kerzenständer DM 1.200,-
Sofort erfolgten Spenden: Von einer Familie für den Ikonenständer, zwei Kerzenständer und den Ikonenkasten für die Ikone des Erlösers. Eine andere Familie spendete einen Meter Zaun. Es gingen auch Spenden in Höhe von DM 300 und 250 ohne Zweckbestimmung ein. Ein Gemeindemitglied übernahm es, den künftigen Zaun mit eigenen Händen aufzustellen. Im Laufe der nächsten drei Wochen nach diesem Aufruf gingen Spenden von insgesamt etwa 8.000 DM ein. Außerdem wurden Spenden zum Kauf von Stoff für neue grüne liturgische Gewänder für Pfingsten empfangen. Der Gemeinderat der Münchener Gemeinde dankt allen für die schnelle Reaktion auf diesen Aufruf. Seit der Übersiedelung der Münchner Gemeinde in die neue Kirche wurden regelmäßige Mittagessen an Sonn- und Festtagen eingerichtet, die hauptsächlich dazu dienen sollen, daß die Gläubigen, von denen einige weit von der Kirche und voneinander wohnen, die Möglichkeit bekommen, sich ungezwungen mit den Geistlichen sowie miteinander zu unterhalten. Ungeachtet der begrenzten Möglichkeiten gelang es mit Hilfe der Gläubigen und energischer Gemeindemitglieder sowie der Schwesternschaft, dieses gemeinsame Mahl an allen Sonn- und Festtagen durchzuführen. Stets wird ein schmackhaftes und reiches Mittagessen angeboten, für das alle bereit sind, ihr Schärflein zu entrichten. Gleichzeitig überzeugten sich viele Hausfrauen davon, daß auch Fastenspeisen sehr schmackhaft sein können – was die griechischen Kirchgänger anschaulich demonstrierten. Nach jedem Gottesdienst sitzen die Leute noch lange Zeit in dem Speiseraum, um sich zu unterhalten. Solch eine Geselligkeit ist eines der wichtigsten Elemente des Gemeindelebens.
In den ersten sechs Monaten betrugen die Einnahmen aus dem Mittagessen DM 6.588. Diese Mittel werden hauptsächlich zur Deckung der Ausgaben für Heizung und Elektrizität, aber auch zum weiteren Ausbau der Kirche verwendet.
Bote 1995-4
Die ehemaligen russischen Kirchen im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern
Das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern bestand bis zur Vereinigung im Jahre 1934 aus zwei Herzogtümern: der westliche Landesteil bildete das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin, der östliche das Herzogtum Mecklenburg-Strelitz. Nur die regierenden Herzöge trugen den Titel Herzog von Mecklenburg-Schwerin bzw. von Mecklenburg-Strelitz, die nicht regierenden Herzöge bzw. Herzoginnen trugen nur den Titel von Mecklenburg ohne Zusatz der Stadtnamen. Seit 1815 trugen die regierenden Herzöge noch den Titel Großherzog.
Die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin waren im 19. Jh. zweimal mit russischen Großfürstinnen verheiratet. Die Herzöge von Mecklenburg-Strelitz waren seit 1851 mit den Romanows verwandt und bekleideten hohe militärische Ämter in Rußland. Der russische Zweig des Hauses Mecklenburg-Strelitz verfügte über ausgedehnten Grundbesitz in Rußland 110 000 ha. Wald und 60 000 ha. Landwirtschaft. Der Stammsitz der Familie war bis 1895 in St. Petersburg das “Palais Michael” (heute befindet sich das Russische Museum in diesem Schloß) und das Steininsel-Palais. Außerdem besaßen sie bei Poltava noch ein Sommergut “Karlovka”. Das Michail Palais wurde 1895 von Zar Nikolaus II. als “Romanowscher Familienbesitz” beansprucht und zurückgekauft und gegen den Fontanka Komplex, neben dem Anitschkow Palast gelegen, getauscht. Dieses “Haus der Gräfin Karlowa” trug auch das mecklenburgische Wappen im Giebel.
Im Jahre 1914 nahmen die Herzöge Georg, Graf Karlow und Karl Michael die russische Staatsangehörigkeit an. Im Jahre 1917 emigrierte die Familie nach Mecklenburg und ließ sich in Remplin nieder. In der NS Zeit wurde die Familie als “Russen” gebrandmarkt. Nachdem sie sich weigerte, einen Teil des Rempliner Schlosses der NSDAP-Gauleitung zur Verfügung zu stellen, wurde das Schloß im Jahre 1940 auf Veranlassung des Gauleiters in Brand gesetzt und brannte völlig aus, darunter auch die wertvollen Kunstsammlungen und Bibliotheken. Nur der vom Gauleiter beanspruchte kleine Verwaltungstrakt wurde von der Feuerwehr gerettet. Das Inventar der russischen Kirche entging nur deshalb der Vernichtung, da es im Jahre 1934/35 der Brüsseler russischen Gemeinde geschenkt worden war.
In der Residenz der Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust befand sich in den Jahren 1800 bis 1806 eine russische Kirche zu Ehren der Hll. Apostelfürsten Peter und Paul. Die Kirche war nach der Heirat zwischen der Großfürstin Elena Pavlovna und dem mecklenburgischen Erbprinzen Friedrich Ludwig errichtet worden. Schon nach dreijähriger Ehe verstarb die junge Großfürstin im Alter von 18 Jahren im Jahre 1803 an Tuberkulose.
Großfürstin Elena Pavlovna war im Jahre 1784 als Tochter des russischen Thronfolgers Paul Petrovi¡c (1796-1801 Zar Paul I., einziger Sohn Katharinas d. Gr.) und der Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg, als Zarin Maria Feodorovna, geboren worden. Der Ehe entstammten acht Kinder, darunter die Zaren Alexander I. (1801-1825), Nikolaus I. (1825-1855), Katharina Pavlovna, Königin von Württemberg (1816-1819), Anna Pavlovna, die Gemahlin König Wilhelms I. der Niederlande und die erwähnte Großfürstin Elena.
“Bei der Ankunft Ihrer Kaiserlichen Hoheit, der Frau Großfürstin Helenen Pawlowna, Erbherzogin von Mecklenburg-Schwerin in Ludwigslust Jahre 1800, wurde ein Zimmer im hiesigen Schloß zu einer griechischen Kapelle eingerichtet und hierin wurde der Gottesdienst bis zum Tode Ihrer Kaiserlichen Hoheit bis zum Jahre 1803 durch die von Rußland mitgebrachten Geistlichen, namentlich durch den Hofprediger Gabriel Dankow, und die Cantoren Stephan Maliutin, Joachim Rewin und Paul Dankow verrichtet. Im Jahre 1804 kehrten der Pope Dankow und der Cantor Dankow nach Rußland zurück” (Bericht v. Dr. Prosch v. 8. Dez. 1832).
Die Geistlichkeit wurde von der Großfürstin besoldet. Die Ikonen, die liturgischen Gefäße und Gewänder, Leuchter etc. hatte die Großfürstin aus ihrer Heimat mitgebracht.
Auch nach dem Tod der Großfürstin wurden in Ludwigslust noch bis zum Jahre 1811 Gottesdienste zelebriert, zunächst in der Schloßkirche, von 1806 bis 1811 in der Kirche im Mausoleum. Da nach dem Tod der Großfürstin der Priester und ein Sänger nach Rußland zurückgekehrt waren, zelebrierten die Gottesdienste in Ludwigslust Geistliche von der Berliner russischen Gesandtschaftskirche, da noch “einige Russen am Hof in Ludwigslust lebten”, darunter die zwei Sänger mit ihren Familien. Zwischen 1803 und 1811 wurden “mindestens dreimal im Jahr” Gottesdienste zelebriert: am Patronatsfest der Kirche (29. Juni), am Namenstag (21. Mai) und am Todestag der Großfürstin 12. September (alle Daten nach dem julianischen Kalender). Auch in den späteren Jahren wurde zumindest am Todestag der Großfürstin am 12.September weiterhin Panichiden von russischen Geistlichen der Berliner Botschaftskirche zelebriert (Cerkovnaja Pravda Berlin v. 14. März 1914).
Das Mausoleum mit der Kirche befindet sich im Schloßpark von Ludwigslust. Das Gebäude besitzt einen rechteckigen Grundriß von 20x12 m. Über eine Treppe erreicht man die von vier dorischen Säulen getragene Vorhalle, die im Architrav die Widmungsinschrift “Helenen Pawlownen” trägt. In der inneren Grabkapelle befand sich bis 1897 nur das Grab der Großfürstin Elena Pavlovna. Im Jahre 1897 wurde das Mausoleum dann zur Begräbnisstätte für die Angehörigen der großherzoglichen Familie umgebaut: unter dem Fußboden wurden Grabkammern errichtet, die mit präparierten Seesand aufgefüllt wurden. Über den Grabkammern standen schlichte Sarkophage aus weißem Marmor. In den Grabkammern darunter ruhen die Gebeine von 12 Angehörigen der großherzoglichen Familie, darunter zwei Großfürstinnen. Ursprünglich war das Mausoleum mit einem blauen Kugelgewölbe und einem Sternenhimmel versehen. Nach dem Umbau des Jahres 1897 wurde dann die Wölbung entfernt, so daß ein rechteckiger Raum mit Oberlicht entstand. Den Abschluß des Raumes bildet ein Apsis, ein Altarraum mit einem Kreuz. Im oberen Wandabschluß befinden sich Ornamente, die mit lateinischen und dem dreibalkigen russischen Kreuz verziert sind. An einer Seitenwand befindet sich ein weißes Marmorrelief mit der Darstellung der Großfürstin Elena Pavlovna.
Die russische Kirche befand sich im oberen Stockwerk, gleich über dem Eingang zum Mausoleum. Der Kirchenraum ist etwa 12x4 m groß und über eine Treppe erreichbar. An der linken Seitenwand der Kirche befinden sich Fenster mit Blick in das Mausoleum.
Nach einem Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1852 befanden sich noch alle Gegenstände, die die Großfürstin aus Rußland mitgebracht hatte, in der Kirche im Mausoleum, darunter Ikonen und liturgische Gefäße, die “mehrfach vorhanden waren, aus Silber und innen vergoldet”. Zu den liturgischen Büchern gehörten mehrere Evangelien und Psalter, deren “Einbände mit Silberoklad verziert waren”. Die liturgischen Gewänder, Kirchentücher und Decken waren “alle aus Goldbrokat und Seide” hergestellt. Die Ikonen in der Ikonostase hatte der Hofmaler R. Suhrlandt nach einem Entwurf des russischen Künstlers Pernikov gemalt. Diese Ikonostase war “faltbar” konstruiert, da der Kirchenraum nicht breit genug war: Die mittlere Tür war noch vorn in den Gemeinderaum vorgezogen, wodurch der Altarraum gleichzeitig vergrößert wurde. Die beiden seitlichen Türen waren etwa 1,5 m nach hinten versetzt, so daß die beiden Hauptikonen mit der Darstellung des Herrn und der Gottesmutter in einem leichten Schrägwinkel nach hinten verliefen. Die Ikonen links und rechts von den Seitentüren waren wiederum nach vorne angewinkelt.
Die Ikonen waren dem Zeitgeschmack entsprechend dem italienischen Realismus nachempfunden, folgten also nicht der traditionell russischen Ikonenmalerei. Die Darstellungen: links befand sich eine Ikone der Hl. Helena mit dem Kreuz, auf der linken Altartür eine Ikone des Erzengels Michael, daneben die Ikone der Gottesmutter mit dem Christuskind, auf der mittleren Tür die Evangelisten und Engel, rechts davon die Christus Ikone, auf der rechten Tür eine Ikone mit der Darstellung der Vertreibung aus dem Paradies, rechts von der Tür eine Ikone der Hll. Apostelfürsten Peter und Paul. Über der mittleren Tür gab es noch eine Darstellung mit dem letzten Abendmahl.
Die gesamte Ikonostase bestand aus Holz, der Sockel und der Abschluß der Ikonenwand wie auch die Einrahmungen der Ikonen waren aber im dorisch-toskanischen Marmorstil gemalt, so daß der Eindruck entstand, es handle sich um einen Marmor-Ikonostas mit Säulen.
Die Gottesdienste in der Kirche in Ludwigslust wurden dann nach der Heirat von Herzog Friedrich Franz III. und der russischen Großfürstin Anastasija Michailovna in den 80er Jahren wieder häufiger gefeiert. Außer den oben erwähnten Gottesdiensten zu den Patronats- und Todestagen wurden nun wieder Gottesdienste in den Sommermonaten in Ludwigslust zelebriert. Im Winter wurden die Gottesdienste im Schweriner Schloß zelebriert, wo es bis zum Jahre 1905 noch eine weitere russische Kirche zu Ehren der Hl. Märtyrerin Anastasija gab. Im Jahre 1905 übersiedelte die verwitwete Großfürstin Anastasija dann nach Ludwigslust. Bis zum Ausbruch des I. Weltkrieges wurden in der Kirche in Ludwigslust noch “mehrmals im Jahr” Gottesdienste zelebriert. Die Geistlichen kamen von der Berliner Botschaftskirche, meist kam der Vorsteher der Botschaftskirche, Erzpriester A. Mal’cev nach Ludwigslust. Als die Großfürstin Anastasija im März 1922 starb, wurde sie im Mausoleum beigesetzt. Anläßlich dieser Beisetzung wurde ein Totenamt nach orthodoxem Ritus in Ludwigslust von Geistlichen aus Berlin zelebriert, vermutlich von Archimandrit Tichon, den späteren Erzbischof von Berlin und Deutschland.
Es ist nicht bekannt, ob bis zur Schließung des Mausoleums im Jahre 1946 noch Gottesdienste in der Kirche zelebriert worden sind.
Bei Kriegsende 1945 wurde die Kirche geplündert und weitgehend zerstört. Nach einer Aufnahme aus dem Jahre 1967 (Wiedereröffnung des Mausoleums, vgl. Foto) wurden die Bilder der rechten Seite der Ikonostase (Christus Ikone, Vertreibung aus dem Paradies und die Apostel Ikone) gestohlen. Die Darstellungen auf der linken Seite (Hl. Helena, Erzengel Michael und die Gottesmutter-Ikone, sowie die Darstellung mit dem Abendmahl über der mittleren Tür) waren noch vorhanden. Das Abendmahlsbild hängt heute im Schweriner Museum (Staatliches Museum, Kunstsammlungen Schlösser und Gärten, Schwerin). Über den Verbleib der übrigen Bilder ist dem Museum nichts bekannt). Weiterhin ist nicht bekannt, wo die liturgischen Gefäße, Gewänder und Bücher verblieben sind.
Das Mausoleum war 1946 geschlossen und zugemauert worden. Im Jahre 1950 wurden die Marmor Sarkophage abgetragen, die Marmorplatten im Kloster Dreilützow verbaut. Die Grabkammern mit den sterblichen Überresten wurden nicht angetastet. Seit dem Jahre 1967 wurde dann das Mausoleum durch das Museum für Ur- und Frühgeschichte als Depot und Ausstellungsraum genutzt und mit einer provisorischen Zwischendecke versehen. In den oberen Räumen der ehemaligen russischen Kirche befindet sich seitdem ein Büro des Museums.
Außer den beiden Gräbern der russischen Großfürstinnen im Mausoleum befindet sich in unmittelbarer Nähe des Mausoleums im Park noch ein weiteres russisches Grab mit den sterblichen Überresten des Grafen Musin-Pu¡skin. Er war Offizier des Isumschen Reiterregiments und am 2.4.1813 bei Kämpfen in Lüneburg tödlich verwundet worden, als mecklenburgische Truppen zusammen mit russischen Verbänden gegen Reste der napoleonischen Armee zu Felde zogen. Seinen Leichnam hatte man im Park neben dem Mausoleum beigesetzt, da er in der “Nähe einer russischen Kirche” seine letzte Ruhestätte finden wollte. Die Kirche in Ludwigslust war zu dieser Zeit außer der russischen Botschaftskirche in Berlin - die einzige russische Kirche in Deutschland.
Die Kirche in Ludwigslust hat ihr Pendant in der russischen Grabeskirche auf dem Rotenberg bei Stuttgart, wo die Schwester der Großfürstin Elena Pavlovna, Ekaterina Pavlovna, (Königin von Württemberg 1816-1819) im Jahre 1824 ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Für den Fall der Wiederherstellung der Kirche in Ludwigslust, wäre dies die älteste (noch bestehende) russische Kirche in Deutschland. Die Wiederherstellung wäre sicher wünschenswert, da im Großraum Schwerin heute zahlreiche orthodoxe Familien leben. In Schwerin hat sich inzwischen eine kleine orthodoxe Gemeinde konstituiert, die von Priester Evgenij Sapronov aus Berlin betreut wird, aber bisher über keinen gottesdienstlichen Raum verfügt.
Die DDR Regierung soll dem Moskauer Patriarchat in den 60er und 70er Jahren zweimal angeboten haben, die Kirche in Ludwigslust wiederherzustellen, doch zeigte der Vertreter des Patriarchats in Berlin kein Interesse an dem “verwahrlosten Gebäude”. Herzog Christian Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (die Linie hat keine männliche Nachfolge und erlischt nach dem Tode des Herzogs) hofft, daß die Schweriner Landesregierung das Mausoleum wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzen und vor allem dringend erforderliche Reparaturen durchführen wird. Der Auszug des vorgeschichtlichen Museums ist zumindest nicht vor 1997/1998 geplant.
Quellen:
Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin: Großherzogliches Kabinett III, Sign. 162/163: Bericht von Dr. E. Prosch vom 8. Dez. 1832, in: Mecklenburgisches Landesarchiv, Großherzogliches Kabinett III, Signatur 162, Nr. 29 und Inventarliste erstellt von Dr. E. Prosch vom 14. Dez. 1852: Inventarium der verschiedenen Gegenstände in der griechischen Kapelle im Mausoleum zu Ludwigslust, Mecklenburgisches Landesarchiv, ad 3 Bericht von Dr. E. Prosch v. 15. Dez. 1853 über die Beisetzung der Großfürstin Helene Pawlowna am 11. October 1803, Mecklenburgisches Landesarchiv, Nr. 36
Schloßpark Ludwigslust - ein informativer Rundgang, o.O.o.J.
Cerkovnaja Pravda. Berlin Nr. 6 v. 14. März 1914, S. 178 und Nr. 7(1914) v.28./15. März 1914, S.214
Bratskij e¡zegodnik pravoslavnyja cerkvi i russkija u¡cre¡zdenija za graniceju. Petrograd 1906, S.211.
Das Dokumentenmaterial und die Fotos stellte Bernd Wollschläger, Leiter des Museums im Mausoleum zur Verfügung. Er gab auch wertvolle Hinweise zur Situation seit 1946.
Schwerin:
Hauskirche zu Ehren
der Hl. Märtyrerin Anastasija, ca. 1884-1904
Im Schweriner Schloß befand sich in den Jahren 1884 (?) bis 1904 eine Hofkirche zu Ehren der Hl. Märtyrerin Anastasija. Sie war die Patronin der russischen Großfürstin Anastasija Michailovna, die mit Großherzog Friedrich Franz III. von Mecklenburg-Schwerin verheiratet war. Die Großfürstin war Tochter des Großfürsten Michail Nikolaevi¡c, des jüngsten Sohnes von Zar Nikolaus I., gewesen.
Die Kirche bestand bis zum Jahre 1904 im Schloß von Schwerin und wurde dann geschlossen, nachdem die verwitwete Großfürstin in die Sommerresidenz nach Ludwigslust übersiedelt war, wo sie am 11.3. 1922 verstarb und im “Helenen Pawlownen Mausoleum” beigesetzt worden ist.
Die Gottesdienste in der Schweriner Hofkirche wurden von Geistlichen der Berliner Botschaftskirche mehrmals im Jahr zelebriert, darunter am Patronatstag der Großfürstin, am 15. April (a. St.). Die Ikonostase der Kirche und das Kirchengerät wurden nach der Schließung zunächst nach Ludwigslust gebracht, das Antimension an die Berliner Botschaftskirche übergeben, wo es aber nur ein Jahr blieb. Dann wurde es der neuen Kirche in Bad Nauheim übergeben.
Quelle:
Pravoslavnyja cerkvi i russkija u¡cre¡zdenija za graniceju. Bratskij e¡zegodnik. Berlin 1906, @Sverin, S. 420.
Fortsetzung folgt im nächsten Boten
über die Kirche in Remplin
Bote 1995-4
GETHSEMANE RESTORATION FUND
GETHSEMANE RESTORATION FUND
Ostern 1995
Geliebte im Herrn!
Für alle orthodoxen Christen ist Jerusalem das Herz der orthodoxen Seele. Für uns gibt es keine solchen Glaubenszentren wie Rom für die Katholiken. Aber Jerusalem ist ein von Gnade erfüllter Name, dem jede orthodoxe Seele zustrebt.
Viele Jahrhunderte hindurch besuchten russisch-orthodoxe Pilger das Heilige Land, wobei sie einen Teil des Weges zu Fuß zurücklegten und große Entbehrungen auf sich nahmen. Auch heute noch setzen die Jerusalem Pilger die Tradition ihrer Vorfahren fort. Ihre Hingabe und Wertschätzung für die irdischen Fußstapfen Christi ist rührend und ergreifend.
In den letzten Jahren erneuerten mehr als 125.000 orthodoxe Pilger aus Rußland die jahrhundertealte Tradition der Wallfahrt ins Heilige Land. Dies sind eindrucksvolle Zahlen, auch wenn es sich bei vielen von ihnen mehr um Touristen als um Pilger handelt.
Die Kirche der Heiligen Maria Magdalena, die von Zar Alexander III zum Gedenken an seine Mutter, die Zarin Maria Alexandrovna, erbaut wurde, stellt ein reiches geistliches und historisches Erbe dar. 1936 wurde hier ein Frauenkloster gegründet, welches bis auf den heutigen Tag eine blühende monastische Gemeinschaft aus 26 Nonnen unter der Jurisdiktion unserer Kirche beherbergt.
Die Überreste der Großmärtyrerin und Großfürstin Elizaveta Feodorovna und ihrer ergebenen Gehilfin, der Nonne Varvara, ruhen in einem Marmor-Sarkophag im Hauptteil der Kirche. Die Großfürstin Elizaveta Feodorovna stand der Orthodoxen Palästina Gesellschaft vor, sie war zugegen bei den Feierlichkeiten zur Weihe der Kirche der Heiligen Maria Magdalena und zeigte großes persönliches Interesse an dieser Kirche. Sie beauftragte die besten russischen Künstler Sergej Ivanov und Vasilij Vere¡s¡cagin mit der Ausmalung der Kirche.
Heute ist unser Heiligtum vom Zerfall bedroht. Die goldenen Kuppeln verloren ihren Glanz und sind nun dunkelbraun geworden. Regengüsse schädigten die Stützbalken des Daches. An einigen Stellen ist das Holz völlig verfault. Es besteht eine ernste Gefahr, daß das Dach unter der Last von Schnee und Regen zusammenbricht. Das Durchsickern von Wasser stellt auch für das Innere der Kirche eine ernste Gefahr dar und bedroht die kostbaren Fresken Sergej Ivanovs.
Der Bischofsynod übertrug der Amerikanischen Sektion der Orthodoxen Palästina Gesellschaft die Sammlung der für die Restaurationsarbeiten unerläßlichen Geldmittel.
Da man negative Erfahrungen mit den ortsansässigen Unternehmern gemacht hatte, sah sich die Orthodoxe Palästina Gesellschaft gezwungen, sich an eine internationale britische Firma zu wenden, die unlängst die große Restaurierung der Omar Moschee durchgeführt hat und einen sehr guten Ruf in Europa genießt. Die Firma machte einen Kostenvoranschlag von annähernd 1,6 Mio Dollar ohne die Restaurierung des Inneren der Kirche.
Für die orthodoxe Gemeinschaft ist der Besitz der heiligen Stätten von erstrangiger Bedeutung. Wir, die wir unser Fleckchen Erde im Heiligen Land haben, tragen große Verantwortung für den Erhalt und den jetzigen Zustand dieser heiligen Orte.
Mit der Verkleinerung der monastischen Gesellschaft erhöhte sich die finanzielle Last: Instandsetzung, Restauration, Unterhalt der christlichen Heiligtümer – all dies wurde nun sehr schwierig durchzuführen. Wenn keine materielle Hilfe von den orthodoxen Gemeinden der ganzen Welt erfolgt, dann werden die Jerusalemer Heiligtümer weiterhin verfallen und mit ihnen wird das orthodoxe Erbe im Heiligen Land für immer verschwinden.
So helft uns bitte, die Kirche der Heiligen Maria Magdalena instandzusetzen, den goldenen Glanz ihrer Kuppeln und die Pracht der russischen Baukunst in Jerusalem wiederherzustellen, so daß sie im Gedenken an unsere gläubigen Vorfahren wieder wie Kerzen auf dem Ölberg und als Festung der russischen Orthodoxie im Heiligen Land erstrahlen mögen.
Im heiligen Gedenken an die letzten Tage des irdischen Lebens und die Auferstehung unseres Erlösers Jesu Christi antwortet bitte großzügig auf unseren Aufruf, wie es der russischen Seele entspricht.
Spenden für den Gethsemane Restoration Fund (OPS/USA) unterliegen keiner gesetzlichen Besteuerung und können an folgende Adresse gesandt werden:
Gethsemane Restoration Fund (OPS/USA)
Post Office Box 29909
Baltimore, Maryland 21230 / USA.
Vorsitzender des Bischofsynods
Metropolit Vitalij
Bote 1995-4
Limonarium
oder “Geistliche Wiese” des Hl. Johannes Mos'chos
77. Der Entzug der irdischen Annehmlichkeiten macht die Männer und Wettkämpfer dazu würdig, von Gott gekrönt zu werden. Also muß man in diesem Leben seine Glieder für alles Irdische abtöten. Der Tote nämlich sinnt nicht auf irgendetwas Irdisches.
78. Es geziemt der vernünftigen und kampfbereiten Seele nicht, sich vor den anstürmenden Leidenschaften gleich zu ducken und zu ängstigen, damit sie nicht als ängstlich verlacht werde. Von den irdischen Phantasien verwirrt, entäußert sich die Seele des Geziemenden (entfernt sich die Seele von ihren Pflichten). Die Tugenden der Seele nämlich machen uns der ewigen Güter würdig; die selbsterwählte Bosheit aber ist die Ursache der Strafen.
79. Der vernünftige Mensch, wird von seelischen Leidenschaften von den in ihm wirkenden gedanklichen Sinneswahrnehmungen angegriffen. Es gibt nun fünf körperliche Sinneswahrnehmungen: den Gesichtssinn, den Geruchsssinn, das Gehör, den Geschmackssin und den Tastsinn; über diese fünf Sinne wird die elende Seele, die ihren eigenen vier Leidenschaften unterliegt, gefangen genommen. Die vier Leidenschaften der Seele sind: Ehrsucht (Eitelkeit), Vergnügungssucht, Zorn und Angst. Wenn nun der Mensch mit Einsicht und Überlegung gut gekämpft hat, wird er die Leidenschaften niederzwingen und besiegen, und dann wird er weiterhin nicht mehr angegriffen werden, sondern Frieden in der Seele haben und von Gott als Sieger gekrönt werden.
80. Unter denen, die in einer Herberge nächtigen, gibt es einige, die Betten genommen haben, andere haben kein Bett, sondern liegen auf dem Boden und schlafen aber nicht schlechter als jene in den Betten. Nach dem Verlaufe der Nacht (aber) verlassen sie die Lager der Herberge und gehen gemeinsam heraus, indem sie nur das Ihre mit sich nehmen; ebenso verhält es sich bei denjenigen, die im irdischen Leben wandeln - sowohl die, die bescheiden leben als auch die, die in Pracht und Reichtum leben - sie verlassen die Herberge des irdischen Lebens, indem sie nichts von den Genüssen des irdischen Lebens und vom Reichtum mit sich nehmen außer ihren eigenen Werken - den guten oder schlechten, die von ihnen in ihrem Leben vollbracht wurden.
81. Wenn du eine Fülle von Macht besitzt, bedrohe nicht leichtfertig jemanden mit dem Tode, erkennend, daß gemäß der Natur auch du dem Tode unterliegst, und daß die Seele den Körper wie einen alten (...........) Mantel auszieht. Dieses deutlich verstehend, befleißige dich der Sanftmut und - gut handelnd - danke allenthalben Gott. Wer nämlich nicht erbarmend ist, der hat keine Tugend in sich.
82. Dem Tod zu entfliehen, ist gänzlich unmöglich. Dieses erkennen die in Wahrheit vernünftigen Menschen, die dies in der Übung der Tugenden und im Gottliebenden Denken erfahren, und sie erwarten den Tod ohne Seufzen, Furcht und Klagen, da sie seine Unausweichlichkeit und die Erlösung von den irdischen Schlechtigkeiten bedenken. Sie treten dem Tod ohne Stöhnen, Angst und Weinen gegenüber, indem sie bedenken, daß er einerseits unausweichlich ist, und andererseits von dem Schlechten, dem wir in diesem Leben ausgesetzt sind, erlöst.
83. Diejenigen, die den guten und gottgefälligen (Lebens-) Wandel vergessen haben und nicht gemäß den richtigen und gottliebenden Lehren denken, soll man nicht hassen, sondern vielmehr bedauern, als solche, die in ihrem Unterscheidungsvermögen und in ihrem Herzen und Verstand erblindet sind. Denn, indem sie das Schlechte anstelle des Guten annehmen, gehen sie durch ihre Unwissenheit zugrunde. Und Gott kennen sie nicht, - die Dreimal-Elenden und in der Seele Unverständigen.
84. Führe nicht mit jedem Gespräche über das fromme und gute Leben. Nicht aus Neid spreche ich so, sondern ich meine, du wirst (sonst) vor einem Unverständigen als lächerlich erscheinen. Der Ähnliche empfindet mit dem Ähnlichen, aber für solche Gespräche gibt es wenige Zuhörer, oder genauer: Sie sind überaus selten. Besser ist es nicht zu sprechen, denn nicht dieses will Gott zur Rettung des Menschen.
85. Die Seele leidet mit dem Körper mit, aber der Körper leidet nicht mit der Seele. So leidet, wenn der Körper zerschnitten wird, mit ihm auch die Seele, und, wenn der Körper stark und gesund ist, freuen sich auch die seelischen Sinne. Wenn aber die Seele zerknirscht ist, so verharrt doch der Körper gemäß sich selbst ohne Bewegung und empfindet nicht mit ihr; die Zerknirschung nämlich ist eine schmerzhafte Empfindung der Seele, ebenso wie Unwissenheit, Stolz, Unglaube, Gewinnsucht, Haß, Neid, Zorn, Kleinmut, Prunksucht (Eitelkeit), Ehrsucht, Streitsucht und Nichtempfinden des Guten; all dieses und Ähnliches werden von der Seele hervorgebracht.
Fortsetzung folgt
Bote 1995-5
400 Jahre Union von Brest-Litovsk
Die berüchtigte Union wurde im Oktober 1596 in der Stadt Brest-Litovsk geschlossen, einer “fatalen Stadt in der Geschichte Rußlands”, wie es treffend Prof. A.V. Karta¡sov ausdrückte.
Die dem Volk aufgebürdete Union erwies sich als ein enormes Unheil und eine Heimsuchung auf viele Jahre hin. Wie einst im heidnischen Rom, so setzte der phantastische Befehl des katholischen Polen Sigismund die orthodoxe Bevölkerung, die unter seiner Herrschaft lebte, wegen ihrer Treue zu dem vaterländischen Glauben in die Lage von Verbrechern. Dem Volk wurde gewaltsam ein fremder Glaube aufgezwungen. Den Orthodoxen nahm man die Kirchen weg (wie erneut in unserer Zeit!), den Priestern wurde Gewalt angetan, sie wurden in den Kerker geworfen und viele zu Tode gemartert.
In Anbetracht der Tatsache, daß sich damals ein Großteil der orthodoxen Bevölkerung unter der Herrschaft des Polnisch-Litauischen Königs befand, wurde das Volk von staatswegen, also gewaltsam, katholifiziert, d.h. dem Papst unterworfen. Wenn nun der Vatikan in unserer Zeit so gerne an die Zwangsmaßnahmen Stalins und des Moskauer Patriarchats erinnert, welche angeblich 1946 die Uniierten in die Orthodoxie zurückbrachten, so tragen wir im Ausland für diese Vergewaltigung natürlich keine Verantwortung; dennoch war sie verhältnismäßig milde, nicht zu vergleichen mit jener tatsächlichen Gewalt, mit welcher die Römisch-Katholischen vor 400 Jahre vorgingen und welche ihren Höhepunkt in der Person und den Aktivitäten des uniatischen Erzbischofs von Polotzk, Josaphat Kunzevitsch, erlangten; er wurde vom Vatikan gar noch zum “heiligen Märtyrer” erklärt, worüber die Katholiken niemals ihr Bedauern äußerten.
Unsere Heilige Kirche zierte damals eine Menge von Bekennern und Märtyrern. Besonders das Volk verteidigte die Orthodoxie. Wollen wir nur an Fürst Konstantin Ivanovi¡c Ostro¡zskij († 1608) erinnern und die berühmte Orthodoxe Bruderschaft – unsere wichtigste Glaubenstütze im Polnisch-Litauischen Staat.
Jetzt können wir definitiv sagen, daß die Folgen dieses Frevels, welcher von Rom vor 400 Jahren begangen wurde, Übel waren, und er dem Volk bis auf den heutigen Tag Kummer, Chaos, Tränen und Tod brachte und auch in unserer Zeit noch bringt. Wir denken hier an jene Unordnung und jene Spaltung, welche für die aktuelle, heutige Ukraine in den einstmals westlichen russischen Regionen so typisch ist, während zuvor das Volk dort eins war, vereint durch einen orthodoxen Glauben. Vor 400 Jahre wurden diese Spaltung, Feindseligkeit und Bosheit ins Land gebracht.
1996 begehen wir das 400-jährige Gedenken der berüchtigten Union! Aber wir wollen natürlich nicht dieses Ereignis “feiern”, sondern das Andenken an all jene Glaubenshelden, die sich schon lange vor dem Gewaltakt von Brest-Litovsk für die Verteidigung der Heiligen Orthodoxie einsetzten und dann viele Jahre lang fortfuhren, für den Glauben zu kämpfen und zu leiden.
Unter ihnen gedenken wir insbesondere des ehrwürdigen Afanasij von Brest. Er war Mönch in Wilna, dann Igumen des Simonov Klosters von Brest-Litovsk. Er verteidigte die Orthodoxie vor den Lateinern, worfür er ins Gefängnis geworfen wurde und Hunger und Schläge erleiden mußte. 1645 wurde er in Kiev befreit, aber dann wegen seiner kühnen Entlarvung der Polen ob ihrer Verbrechen gegen die orthodoxe Bevölkerung 1648 umgebracht. Aus seinem Heiligenleben ist bekannt, daß er vor seinem Märtyrerende sagte: “Dort, wo mein Leib liegen wird, werden die Ränke der Feinde der Orthodoxie machtlos sein”. Die Bluttat an ihm wurde in der Waldestiefe, unter dem finsteren Schleier der Nacht vollbracht. Man versengte ihn zuerst mit Feuer, dann wurden dem Märtyrer, der sich immer noch nicht von der Orthodoxie lossagen wollte, vor dem offenen Grab zwei Kugeln in den Kopf geschossen*.
Dann wurde er ins Grab geworfen, und acht Monate lang ruhten seine Gebeine ohne kirchliches Begräbnis, bis ein Junge am 1. Mai 1649 den Klosterbrüdern den Ort anzeigte, wo ihr Igumen in der Erde lag. Der Boden gehörte den Jesuiten, deshalb mußte insgeheim gehandelt werden. Bei Nacht gruben die Mönche den unverwesten Leib des Igumens aus und überführten ihn sogleich an einen anderen Ort; bald danach begruben sie ihn im rechten Chorflügel der Kirche des Ehrw. Simeon des Styliten. Sein Andenken wird tief bewahrt und sein heiliger Name geehrt. Eine Menge von Pilgern kam zu seinem Sarg, es geschahen auf die Gebete der Gläubigen hin Wunder. Am 8. November 1815 brach in dieser Kirche Feuer aus, sie brannte nieder und der kupferne Sarg zerschmolz. Die Reliquien des Hl. Afanasij wurden von den Priestern der Kirche und den frommen Bewohnern der Stadt Brest aus den Trümmern geborgen, wonach sie in einen Holzkasten gelegt und in der Kirche zur Verehrung des Volkes aufgestellt wurden. Gott gefiel es, auch diesen erhalten gebliebenen Reliquien des heiligen Märtyrers Wunderkraft zu verleihen. Im Herbst 1894 wurden Teile der Reliquien des Hl. Afanasij in das Kloster von Lesna gebracht, das erst zehn Jahre zuvor gegründet worden war. Die Überführung fand am 13. September vor dem Patrozinium statt, im Beisein vieler Gläubigen und eines zahlreichen Klerus mit etlichen Bischöfen**.
Es wurde – wie es in der Vita heißt – ein “besonders kunstvoller Schrein”, welcher in dem Kloster bis auf den heutigen Tag aufbewahrt wird, für die Reliquien hergestellt. Dies geschah auf höchste Anordnung, da an der Hauptkirche des Klosters in Lesna ein Flügel zu Ehren des Märtyrers angebaut werden sollte. Eben dieser Schreinkasten wurde bei dem Patronatsfest des Klosters am 1. Oktober n.St. feierlich in einer Prozession des zahlreichen Klerus und einer großen Zahl von Gläubigen um die Kirche getragen.
Kloster Lesna
*In einigen Viten heißt es, daß der Heilige enthauptet wurde. Wir korrigierten diese Aussage nach glaubwürdigeren Zeugnissen.
**In dem “Handbuch” schreibt Erzpriester S. Bulgakov: “Die Reliquien des Ehrw. Afanasij ruhen derzeit offen in der Simeon Kirche von Brest-Litovsk”. Man muß annehmen, daß es sich dabei nur um einen Teil der Reliquien handelt, wenn man unserer Geschichte folgt. In den letzten Jahren der Greuel verschwanden sie von dort. Auf jeden Fall kann die heutige orthodoxe Geistlichkeit von Weißrußland nichts darüber aussagen.
Bote 1995-5
Orthodoxe Tagung 1995
Orthodoxe Tagung 1995
vom 26. bis 28. Dezember 1995 n.St.
findetdie diesjährige Orthodoxe Tagung statt.
Die Tagung wird
in deutscher und russischer Sprache durchgeführt
Themen:
– 1 –
So leicht stirbt man nicht –
über die orthodoxe Vorbereitung auf den Tod
Priestermönch Ioannikios
(Fili, Griechenland, vormals St. Elias-Skit, Berg Athos)
- 2 –
Die Bildlichkeit in der Sprache der Theologie
Bischof Daniel
(Bischof von Budapest, Serbische Orthodoxe Kirche)
Runder Tisch
(Erzbischof Mark, Bischof Daniel,
Priestermönch Ioannikios, Priester Nikolai Artemoff)
Die Einheit der Kirche –
Ist die historische Erfahrung der Serbischen Kirche
für die Lösung der gegenwärtigen Probleme
der Russischen Kirche anwendbar?
Bote 1995-5
Aus dem Leben der Diözese
Am 21. und 22. Juli/3. und 4. August hielt Erzbischof Mark die Gottesdienste zum Patronatsfest der Kirche der Hl. Apostelgleichen Maria Magdalena in Darmstadt. Hier konzelebrierte ihm Priestermönch Alexej (Biron) aus Kopenhagen, der zu jener Zeit die Pfarrstelle in Wiesbaden und Darmstadt betreute, und Protodiakon Georgij Kobro. Nach der Göttlichen Liturgie am Feiertag selbst folgte ein Gebetsgottesdienst mit einer Prozession um die Kirche. Trotz der Ferienzeit hatte sich eine Reihe von Gläubigen eingefunden.
Am 25. Juli/7. August feierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie im Sommerlager der Russischen Pfadfinder im Bayerischen Wald. Am Vorabend hatte er den Abend- und Morgengottesdienst zum Fest des Entschlafens der Hl. Anna mit den Pfadfindern im Wald durchgeführt und Beichten abgenommen, so daß eine große Zahl der Kinder und Erwachsenen am folgenden Tag bei der ebenfalls im Wald auf einem von den Pfadfindern gezimmerten Altartisch vollzogenen Liturgie die Heiligen Gaben empfangen konnten.
Am 5. und 6./18. und 19. August vollzog Erzbischof Mark die Gottesdienste zum Patronatsfest der Kirche der Verklärung Christi in Baden-Baden. Mit ihm zelebrierten Erzpriester Miodrag Glisic und Priester Evgenij Skopinzew sowie Protodiakon Georgij Kobro. Nach dem Gottesdienst und der Festtags-Prozession um die Kirche bewirtete die Gemeinde ihre Gäste in den Räumen unter der Kirche.
Am 4. September n. St. reiste Erzbischof Mark zur regelmäßigen Sitzung des Bischofssynods nach Montreal in Canada. Seine Reise führte über London, wo der Bischof während der anderthalbstündigen Pause zwischen zwei Flügen eine kurze Zusammenkunft mit den beiden Londoner Priestern, Vater Vadim Zakrevsky und Vater Thomas Hardy sowie der Kirchenältesten Sophie Goodman vereinbart hatte. Der Diözesanbischof ließ sich von diesen Vertretern der Londoner Gemeinde über das Leben ihrer Gemeinde berichten. Dabei kamen insbesondere Fragen zur Sprache, die in den letzten Monaten für große Unruhe gesorgt hatten, nämlich der geplante Verkauf eines kirchlichen Hauses, in dem seit Jahrzehnten eine Hauskirche untergebracht war. Dieses Haus war 1927 von dem damaligen in London residierenden Bischof Nikolaj gekauft und eingerichtet worden. Bischof Nikolaj verstarb allerdings sehr jung, schon nach drei Jahren seines Bischofdienstes. In seinem Vermächtnis hatte er den Gläubigen in London besonders die Sorge um dieses Haus anempfohlen, da sich dort seinerzeit die einzige Gottesdienststätte befand. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde dieses Haus mit seiner kleinen Kirche immer dann zum Zufluchtsort der Gemeinde, wenn sie ihre Kirche verloren hatte – dies geschah leider im Leben der Londoner Gemeinde wiederholt. Nun kaufte die Gemeinde jedoch vor einigen Jahren ein Haus mit einem Grundstück zum Bau einer eigenen Kirche und errichtete in einem neugebauten Saal, der später der Gemeindesaal werden soll, eine Übergangskirche, die mehr Raum für die Gläubigen bietet als das Kirchlein in dem von Bischof Nikolaj gekauften Haus. Damit wurde dieses Haus überflüssig und zu einer finanziellen Belastung für die ohnehin nicht mit großen Mitteln ausgestattete Gemeinde. Aus Anhänglichkeit an diesen Ort, in dem viele der heutigen Gemeindemitglieder getauft oder getraut worden waren, in dem sie jahrelang ihre Gebete verrichtet hatten oder Totengottesdienste für ihre Angehörigen gefeiert hatten, wollte man jedoch mit dem Verkauf dieses Hauses warten, bis der Neubau der Kirche gewährleistet sein würde. Inzwischen stellten sich aber große Mängel heraus, die entweder sofortige große Investitionen in Instandsetzungsarbeiten oder den Verkauf des Hauses forderten. Ein großer Teil der Gemeinde wollte den Verkauf herausschieben, obwohl dadurch die weitere Entwicklung der Gemeinde und die Möglichkeit des Kirchenbaus infrage gestellt würde. Aus diesem Grund wurde im Juli d.J. eine außerordentliche Gemeindeversammlung einberufen, auf der die Frage des Erhalts oder Verkaufs dieses Hauses besprochen und darüber abgestimmt werden sollte. Obwohl die Abstimmung eindeutig zugunsten des Verkaufs der Hauses ausfiel, kehrte unter einigen damit nicht einverstandenen Gemeindemitgliedern noch kein Friede ein. Über diese und ähnliche Fragen sprach Erzbischof Mark mit den beiden Geistlichen und der Kirchenältesten während seines kurzen Zwischenaufenthaltes auf dem Londoner Flughafen. Gleichzeitig wurde der Termin für die fällige jährliche Gemeindeversammlung, bei welcher der Diözesanbischof den Vorsitz führen wird, für Ende Oktober angesetzt.
Nach seiner Ankunft in Montreal fuhr Erzbischof Mark sofort mit Metropolit Vitalij im Auto nach Mansonville, wo die Sitzung des Synods im Skit zur Verklärung des Herrn stattfand. An der Sitzung nahmen neben Metropolit Vitalij die Synodalen Erzbischof Antonij von San Francisco, Erzbischof Laurus, Erzbischof Mark, Bischof Evtichij und Bischof Hilarion teil. Auf der Tagesordnung standen aktuelle Fragen des Lebens unserer Kirche in allen Teilen der Welt: Australien, das seit mehreren Jahren keinen ständigen Bischof hat, in Südamerika, das seit dem Ableben von Bischof Ioann wieder verwaist ist, die Lage unserer Klöster und Besitztümer im Heiligen Land, das Leben der Gemeinden in Rußland und die Probleme der Diözesen in Nordamerika und Europa. Die viertägigen Beratungen konnten mit der Lösung mancher Probleme oder dem Aufzeigen von möglichen Lösungsvorschlägen anderer Punkte abgeschlossen werden. Im Mittelpunkt stand wie stets auf diesen viermal jährlich stattfindenden Sitzungen das brüderliche Gespräch zwischen den Bischöfen, das im Zusammenspiel mit den täglichen Gottesdiensten die Grundlage für synodale Gemeinsamkeit schuf.
Nach Beendigung der Sitzungen reiste Erzbischof Mark zusammen mit Metropolit Vitaly, Erzbischof Antonij und Bischof Evtichij nach Montreal, wo er am Sonnabend und Sonntag an den Gottesdiensten teilnahm. Am Sonntag bat Metropolit Vitalij ihn, in der Montrealer Kathedralkirche zum Fest des Hl. Hiob von Po¡caev die Predigt zu halten.
Zum Fest der Enthauptung des Hl. Johannes des Täufers zelebrierte Erzbischof Mark ebenfalls mit Metropolit Vitalij und Bischof Evtichij in Montreal, um dann am Abend desselben Tages nach Europa zurückzukehren. Am Morgen des Dienstags traf er sich bei seinem Zwischenaufenthalt in London mit dem Vorsteher des Männerklosters in Brookwood, Archimandrit Alexej, um von ihm über die Arbeit im Kloster in der englischsprachigen Mission zu hören und allgemeine Fragen des kirchlichen Lebens zu erörtern. So konnte er die Reise zu der Synodalsitzung zusätzlich für Aufgaben innerhalb des eigenen Wirkungskreises nutzen.
p Am Sonntag den 3./16. September zelebrierte Erzbischof Mark die Gottesdienste in der Kathedralkirche in München. An die Liturgie schloß sich ein Gebetsgottesdienst zum Anfang des Schuljahres an, da der Unterricht in den staatlichen Schulen in der vorhergehenden Woche begonnen hatte, während die Gemeindeschule in der folgenden Woche ihre Arbeit wieder aufnahm. Sofort nach dem gemeinsamen Mittagsmahl im Gemeindesaal der Bischofskirche machte sich Erzbischof Mark auf die Reise nach Wiesbaden, um dort die Gottesdienste zum Patronatsfest der Kirche der Hl. Elisabeth zu leiten. Zusammen mit Priester Slawomir Iwaniuk und Mönchsdiakon Evfimij feierte er am Sonntag abend die Nachtwache, zu der er wegen des starken Verkehrs auf der Autobahn mit leichter Verspätung eintraf, und am Montag morgen die Göttliche Liturgie. Wegen der andauernden Instandsetzungsarbeiten an der Kirche mu ßten diese Gottesdienste in der unteren Kirche durchgeführt werden, die ansonsten nur während der Wintermonate genutzt wird.
p Zur Geburt der Allerheiligsten Gottesgebärerin feierte Erzbischof Mark die Vigil in der Kathedralkirche in München, die Göttliche Liturgie dagegen am 8./21. September in der diesem Fest geweihten Gemeinde in Nürnberg. Hier konzelebrierte ihm Priester Andrej Rybin und Mönchsdiakon Evfimij. Nach der Liturgie unterhielt sich Erzbischof Mark bei einem Mittagessen mit den Gläubigen der Gemeinden Nürnberg und Erlangen. Im Mittelpunkt der Gespräche stand naturgemäß die Frage nach der weiteren geistlichen Betreuung dieser Gemeinden, deren bisheriger Priester, Vater Josif Wowniuk, kürzlich nach Hamburg versetzt wurde.
p Am 13./26. September, dem Vorabend des Feiertags der Erhöhung des Kreuzes des Herrn, leitete S.E. Erzbischof Mark die Nachtwache mit dem Ritus der Kreuzerhöhung in der Kirche der Hll. Neumärtyrer und des Hl. Nikolaus in München. Dieser feierliche und ergreifende Ritus ist nur den Gläubigen bekannt, denen die Möglichkeit gegeben ist, an diesem Tag in einer Kathedralkirche zu beten, da die Kreuzerhöhung nur von einem Bischof durchgeführt werden kann. Um denjenigen unter unseren Lesern, die an diesem Tag nicht an einem bischöflichen Gottesdienst teilnehmen konnten, einen Eindruck zu vermitteln, geben wir hier eine kurze Beschreibung des Ritus der Erhöhung.
Nach den Stichiren am Ende des Morgengottesdienstes “Heute geht hervor das Kreuz des Herrn”, wird die Königspforte geöffnet und der Bischof verkündet “Ehre sei Dir, Der Du uns das Licht gezeigt hast”, wonach der Chor die Große Doxologie singt. In dieser Zeit vollzieht der Bischof die Weihräucherung des auf dem Altartisch liegenden und mit Blumen geschmückten Kreuzes dreimal von allen Seiten, wobei die Diakone ihm mit brennenden Kerzen (und, soweit vorhanden, Hypodiakone mit den zwei- und drei-armigen Bischofsleuchtern) voranschreiten. Darauf nimmt man dem Bischof die Mitra ab, er macht eine große Verbeugung bis zum Boden und legt sich das Kreuz auf das Haupt, um nun, von zwei Geistlichen gestützt, um den Altartisch, durch die Nordtüre aus dem Altar zu treten, während der Chor das langsame, bei Beerdigungen übliche Dreiheilig singt, das auch am Großen Freitag bei der Prozession mit dem Grablinnen gesungen wird. Vor der Königstür hält der Bischof inne und spricht nach Osten gewandt: “Weisheit, stehet aufrecht!” während der Chor nun den Tropar für das Kreuz singt, wendet sich der Bischof nach Westen und schreitet in die Mitte der Kirche. Hier legt er das Kreuz auf das vorbereitete Pult und beweihräuchert es von allen Seiten. Danach nimmt er es wieder auf das Haupt und schreitet zu der Bischofskathedra, wo er sich mit dem erhobenen Kreuz nach Osten wendet. Der Protodiakon spricht eine aus fünf Bitten bestehende Ektenie. Nach jeder Bitte singt der Chor jeweils 100 mal “Herr, erbarme Dich”. In dieser Zeit wird der Ritus der Kreuzerhöhung vollzogen. Wenn der Chor 50 mal “Herr, erbarme Dich” von den hohen Tönen bis zu den tiefsten singt, hebt der Bischof zunächst das Kreuz in die Höhe, bezeichnet mit ihm dreimal die Ostseite der Kirche und senkt es, von Geistlichen gestützt, ganz langsam fast bis zur Erde. Während sodann 50 mal “Herr, erbarme Dich” von den tiefsten Tönen bis zu den höchsten gesungen wird, hebt er ebenso langsam das Kreuz nach oben und bezeichnet am Ende wiederum dreimal die Ostseite der Kirche. Dasselbe wiederholt der Bischof nach jeder Bitte der Ektenie, indem er sich nach Westen, Süden, Norden und wieder nach Osten wendet.
Bei der letzten, fünften Erhöhung des Kreuzes singt der Chor das Kondakion “Freiwillig erhobst Du Dich auf das Kreuz”, und der Bischof trägt das Kreuz zu dem Pult zurück. Die Zelebranten singen “Deinem Kreuz, o Gebieter, verneigen wir uns”, und alle beginnend mit dem Bischof verneigen sich dem Kreuz. Der Bischof zeichnet alle mit dem geweihten Öl.
Nach disem Ritus vollzog auch der Höchstgeweihte Erzbischof Mark den Ritus der Erhöhung des Ehrbaren Kreuzes mit den Geistlichen der Kathedralkirche – Priester Nikolai Artemoff, Protodiakon Georg Kobro, Mönchsdiakon Evfimij und Diakon Andrej Sikojev. Wer an diesem Tag das erhobene Kreuz zu sehen gewürdigt war, die feierlichen Festgesänge hörte, und sich vor dem Lebenspendenden Kreuz verneigen durfte, kehrte in einer besonderen gesammelten Gebetsstimmung nach Hause zurück. Am folgenden Tag wandte sich Erzbischof Mark bei der Göttlichen Liturgie mit einer Predigt an die Gläubigen, in welcher er die geistliche Bedeutung des Feiertags erklärte und die Gläubigen dazu aufrief, ihre Seele aufmerksam zu erforschen, ob sie sich nicht von der äußerlichen Seite des Ritus und den erhebenden Kirchenliedern gefangennehmen ließ, ob sie die vom Kreuz ausgehende heilende und lebenspendende Kraft aufnehmen konnten.
Bote 1995-6
Weihnachtsbotschaft an die in Gott geliebten Gläubigen der Diözese von Berlin und Deutschland
Christus wird geboren, frohlocket!
In nächtlichem Dunkel, in der stillen Finsternis des Hirtenstalles erschien auf unserer finsteren Erde der Lichtspender Christus. Die Allerheiligste Jungfrau, der reine und lichte Stern, kam aus Nazareth, um in Bethlehem die Sonne der Gerechtigkeit zu gebären, lichter als alle Gestirne.
Die Hirten staunen über das erhabenste Wunder und lauschen dem überirdischen Gesang der Engel. Die Engel zittern, da sie das Göttliche Geheimnis betrachten… Wunderbarer, ja ewig wunderbarer Moment der Göttlichen Heilsordnung: die Gottheit steigt herab, nachdem sie die Himmel neigte (Ps. 17, 10), die Engel verkünden, und die Menschen lauschen ehrfürchtig der himmlischen Frohbotschaft!
Den Menschen, die sich eigenwillig von der wahren Verehrung des Allerhöchsten entfernten, die selbst jenem erbebendem Schweigen entwöhnt sind, das nötig ist, um die Botschaft der Engel zu vernehmen, diesen Menschen macht der Herr “sonnenstrahlende Geister” zudienste, Seine heiligen und reinen Engel. Doch ein noch größeres, ja unendlich größeres Wunder – der Herr Selbst, der Schöpfer aller Dinge, bekleidet Sich mit der groben menschlichen Natur, obwohl es Ihm, dem Unbeschreiblichen und Unmateriellen viel mehr anstünde, die leichte Natur der Engel anzunehmen. Doch dieser hohen Ehre würdigt Er eben den Menschen, und zwar den gefallenen Menschen. Das Geheimnis solch göttlicher Größe des Menschen wie auch das Geheimnis des menschlichen Falls sind unbegreifliche und furchtbare Geheimnisse, denen an diesem großen und geheimnisvollen Festtag unsere ehrfürchtige Aufmerksamkeit gebührt.
Der erste Mensch wurde überheblich, ähnlich dem gefallenen Engel, und verlor so die ihm geschenkte Gottähnlichkeit. Sein Herz wurde überheblich, und ihn ereilte Zorn… (2. Kön. 32, 25). Dieser Fall wiederholt sich in der Geschichte des Menschengeschlechts immer von neuem, wiederholt sich in jedem Fall der sündenverstrickten Seelen, im Großen wie im Kleinen. Der Fall des Menschen hängt immer damit zusammen, daß er nicht “Gott als dem Urheber seines Sieges die geziehmende Dankbarkeit entgegenbringt, sondern sein Herz sich überhebt, da er nur sich selbst als Ursache jeglichen Erfolges anerkennt” (Hl. Maxim Conf.). Der Zorn Gottes kommt in der Gottverlassenheit zum Ausdruck. Der Mensch verschließt sich in sich selbst und geht des Bewußtseins seiner völligen Abhängigkeit von allen Gottgegebenen Gütern verlustig, verliert das rettungbringende Gefühl des Schutzes Seiner Flügel (Ps. 60, 5).
Zweifellos befindet sich der Mensch unserer Tage vornehmlich eben in diesem traurigen Zustand, d.h. im Zustand des inneren Gottesverrates, wenn dieser auch nicht immer bewußt erfolgt und nicht unbedingt äußerer Manisfestationen bedarf. Die Dämonen haben sich den Menschen in solchem Maße untertan gemacht, daß er häufig sogar während des Gebets oder der Ausführung vermeintlich tugendhafter Werke ihren Willen tut, und sich damit dem Willen Dessen widersetzt, Der um unserer Rettung willen Fleisch anzunehmen geruhte.
Dieses Widerstreben jedoch ist unsinnig und selbstmörderisch, weil in dem zu Bethlehem Fleisch Gewordenen und nur in Ihm die ganze Fülle der Gottheit körperlich lebt (Kol. 2, 9), aus Ihm geht die sich auf uns ergießende göttliche Kraft hervor – Ich fühlte die Kraft, die aus Mir ging (Lk. 8, 46), die wir nur in wahrhafter Demut und mit feurigem Glauben aufnehmen können. Dem Gedanken des großen Bekenners der Orthodoxie, des Hl. Maxim, zufolge “nimmt der durch die erste Art des Zornes Gottes, d.h. die Gottverlassenheit, nicht zur Vernunft Gebrachte und demütig Gewordene den zweiten Zorn auf sich, der ihn der begnadeten Wirkung der Gottesgaben verlustig gehen läßt und ihn der bislang schützenden Kraft entblößt”.
Obwohl in unseren Tagen in vielen Ländern orthodoxe Christen unter Eroberungskriegen und Bruderzwist leiden, und ihre Hoffnung auf Aussöhnung schwindet, müssen wir bedenken, daß unser wichtigster Kampf nicht gegen Blut und Fleisch gerichtet ist, sondern gegen die Fürsten und Gewaltigen, nämlich die Herren der Welt (Eph. 6, 12). Um uns mit den für diesen Kampf notwendigen Kräften auszustatten, ließ Gott, Der den Tod des Sünders nicht wünscht, die ganze Gottheit in dem Gottmenschen zutagetreten, um dadurch alles mit Ihm versöhnt würde in Ihm Selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, indem Er durch Sein Blut am Kreuze Frieden stiftete (Kol. 1, 19-20). In Ihm wird die Unendlichkeit Gottes uns endlichen Wesen zugänglich und faßbar. Er – das Unzugängliche Licht – wird für uns zum Quell des Lichts, Er – das verzehrende Feuer – eröffnet uns die nicht versiegende Quelle lebendigen Wassers. Nur in Ihm und durch Ihn werden wir der Göttlichen Kraft teilhaftig und wappnen uns gegen die listigen Geister mit der unbesiegbaren Rüstung des Friedens. Wenn wir in Gebet und Fasten Demut erlangen, strecken wir uns zur Unendlichkeit Gottes aus. Indem wir das Antlitz des Sklaven annehmen, erreichen wir die Sohnschaft, und nehmen teil am Leben des Wortes Gottes.
Die Engel verkünden uns die Geburt Christi nicht dafür, daß wir diese Botschaft nachlässig aufnehmen, sondern dafür, daß wir ganz aufrichtig an ihrem Lobpreis teilnehmen – mit unserem ganzen Leben, unserem ganzen Denken, unserem ganzen Fühlen, unserer ganzen Liebe. Im Gottmenschen Jesus Christus haben sich Gerechtigkeit und Frieden umarmt. Gottheit und Menschheit sind zu einem Ganzen geworden. So ist auch in uns nur ein solcher Friede wünschenswert und erstrebenswert, der auf göttlicher Gerechtigkeit gegründet ist. Nur ein solcher Friede kann alle Zwiste im Menschen, zwischen Menschen und zwischen Völkern befrieden und versöhnen.
Gott Selbst geruhte, unsere Gottverlassenheit zu überwinden, indem Er die Trennwand zwischen Geist und Materie, zwischen Himmel und Erde zerstörte. Mögen auch wir, liebe Brüder und Schwestern, alle sündigen Trennwände zerstören, damit auch wir zu Teilhabern an der Göttlichen Liebe werden, die auf unsere vergängliche Erde herabstieg, um uns zum Himmel hinaufzuführen!
Dieser Aufstieg findet seinen Anfang, seine Fortsetzung und seine Vollendung in der Kirche, die wir nicht als eine weltliche Organisation auffassen dürfen, welche durch irgendeinen nivellierten Willen ihrer “gleichberechtigten” Glieder nach dem Vorbild eines Volksbegehrens geleitet wird. In der Kirche wird durch den Heiligen Geist der Wille Gottes vollbracht und das Wort Seiner Wahrheit, und kein menschlicher Wille möge sich erdreisten, sich zu erheben, sich zu widersetzen und zu widersprechen – zu seinem Verderben. Die Kirche ist der Leib Christi, ein geheimnisvoller und zum Mysterium leitender Organismus, der von uns Erdgeborenen demütig-friedliches und heiliges Erbeben fordert. Durch unser Hineinwachsen in den lebendigen Gottmenschlichen Leib der Kirche kehren wir zu unserer erstgeschaffenen Bestimmung zurück. In Gott, Der Selbst Friede (Eph. 2, 14) und Liebe (1. Joh. 4, 16) ist, überwinden wir alle inneren und äußeren Unstimmigkeiten und Zwistigkeiten und werden zu Mitbewohnern der Engel, um zusammen mit ihnen ewig den Vorewigen zu lobpreisen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen Wohgefallen. Amen.
Zum Fest der Geburt Christi 1995
MARK, Erzbischof von Berlin und Deutschland
Bote 1995-6
Pilgerreise nach Jerusalem
Im Juni 1996 bereiten wir eine Pilgerreise ins Heilige Land vor.
Wir werden in einem kleinen Pilgerhotel neben unserem Kloster auf dem Ölberg wohnen und von dort aus unter Leitung von Erzbischof Mark und einer der Nonnen als Führerin die Heiligen Stätten besuchen. Außer den Heiligtümern in Jerusalem ist eine zweitägige Reise nach Nazareth, an den See Genezareth und den Jordan vorgesehen sowie die Möglichkeit einer Reise auf den Sinai. Für die Reise auf den Sinai kann ein Aufpreis notwendig werden.
Alles andere ist in dem Preis enthalten.
Geplanter Abflug von München 10.6.1996 und Rückkehr am 22. 6.
Voraussichtliche Kosten DM 1.910.-
Interessenten wenden sich bitte
bis zum 27. Februar
an die Diözesanverwaltung:
Russische Kirche,
Lincolnstr. 58, 81549 München,
Tel. (089) 690 07 16, Fax: (089) 699 18 12.
Bote 1995-6
Aus dem Leben der Diözese
p Vom 13. bis 15. Oktober hielt sich Erzbischof Mark aus Anlaß des Festes des Schutzes der Allerheiligsten Gottemutter am 1./14. Oktober in Berlin auf. Am Freitag, den 13. Oktober zelebrierte er mit den beiden Ortsgeistlichen, Priester Evgenij Sapronov und dem Diakon Andrej Trufanow, sowie dem Münchener Diakon Andrej Sikojev die Vigil zum Festtag der Gemeinde. Am folgnden vormittag, Sonnabend, den 1./14. Oktober zelebrierte Erzbischof Mark mit denselben Geistlichen die Göttliche Liturgie. Aus Anlaß des Patronatsfestes hatte sich eine große Zahl von Gläubigen versammelt, so daß viele gar nicht in der kleinen Kirche Platz fanden. Eine Chorleiterin war auch aus Rostock gekommen, um dem Berliner Chor unter die Arme zu greifen. Nach der Göttlichen Liturgie und dem Gebetsgottesdienst an die Allerheilgste Gottesgebärerin saß der Diözesanbischof lange mit den Gläubigen bei einem Mittagsmahl zusammen und teilte mit ihnen wie gewöhnlich die Freuden und Sorgen der Diözese. Am Abend desselben Tages fand der Abendgottesdienst für den Sonntag statt. Am Sonntag vormittag zelebrierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie mit denselben Geistlichen wie am Festtag.
p Vom 27. bis 31. Oktober hielt sich Erzbischof Mark in London auf. Er feierte dort am Sonnabend, den 28. Oktober, die Göttliche Liturgie im Frauenkloster zur Verkündigung der Allerheiligsten Gottesgebärerin, wobei ihm Archimandrit Alexej aus Brookwood und der Londoner Gemeindepriester Vadim Zakrevskij konzelebrierten. Beim Kleinen Einzug zeichnete der Diözesanbischof auf Bitten der Äbtissin die stellvertretende Äbtissin, die Nonne Seraphima, mit dem Recht zum Tragen eines Brustkreuzes aus. In seiner Ansprache nach der Liturgie beglückwünschte er die Abtissin, Mutter Elisabeth, zu ihrem bevorstehenden 50-jährigen Jubiläum ihrer Ernennung zur Äbtissin. Mutter Elisabeth war damals Äbtissin des Bergklosters bei Jerusalem, von wo sie jedoch mit harter Gewalt vertrieben wurde, als die israelische Regierung das Kloster dem Moskauer Patriarchat übergab. Mutter Elisabeth mußte mit ihren getreuen Nonnen zunächst nach Jordanien fliehen, wo sie in Amman Unterkunft fanden. Weiter führte sie ihr Weg nach Frankreich. Dort waren sie einige Zeit im Lesnaer Frauenkloster untergebracht, das sich damals in Fourqueu bei Paris befand. Der Hl. Johannes von Shanghai, seinerzeit Erzbischof von Brüssel und Westeuropa, schickte die Schwesternschaft dann nach England. Hier mußten die Schwestern zunächst in Wohnungen von Gemeindemitgliedern notdürftig Unterkunft finden, bis sie schließlich das Anwesen im Süden Londons fanden, in dem sich ihr Kloster bis heute befindet. Neben den regelmäßigen täglichen Gottesdiensten richteten die Schwestern mit dem Segen des Hl. Johannes von Shanghai sofort eine Schule für russische orthodoxe Kinder ein, in der sie im Laufe der Jahrzehnte vielen Kindern Religionsunterricht und Unterweisung in russischer Sprache und Literatur erteilten.
In all diesen Jahren war Mutter Seraphima, die ebenfalls vor 50 Jahren zur Nonne geweiht wurde, treue Begleiterin und Stütze der Äbtissin Elisabeth, treu und standhaft gegenüber allen Anfechtungen gegenüber unserer Kirche und ihrem Kloster. Daher sagte Erzbischof Mark auch nach der Verleihung der Auszeichnung mit dem Kreuz an sie, daß dies in eigentlich in erster Linie eine Auszeichnung für die Äbtissin ist, die selbst bereits alle kirchlichen Auszeichnungen besitzt, denn es steht geschrieben “an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen” (Mt. 7, 16).
p Am Sonntag, den 16./29. Oktober, feierte Erzbischof Mark die Göttliche Liturgie in der Kirche zum entschlafen der Gottesmutter in Harvard Road. Nach der sonntäglichen Liturgie leitete der Bischof die Allgemeine jährliche Gemeindeversammlung mit den Berichten des Gemeindvorstehers, der Kirchenältesten, des Schatzmeisters und der Vorsitzenden der Schwesternschaft sowie den Neuwahlen des Gemeinderates.
Im Laufe der beiden folgenden Tage hatte Erzbischof Mark zahlreiche Gespräche mit dem Baukommittee, dem Finanzierungskommittee und vielen Gläubigen.
p Nach München zurückgekehrt, zelebrierte Erzbischof Mark am Mittwoch, den 1. November, auf dem russischen Soldatenfriedhof in Puchheim das bereits traditionelle Totengedenken für die dort begrabenen Soldaten der Kaiserlichen Russischen Armee des I. Weltkriegs.
p Vom 9. bis 11. November weilte Erzbischof Mark zusammen mit den Erzpriestern Dimitrij Ignatiew und Bo¡zidar Patrnogi´c und Priester Nikolai Artemoff in Bonn zu einem von der Deutschen Osteuropagesellschaft auf Initiative und unter Leitung von Prof. Kasack durchgeführten Seminar über die Lage der Kirchen in der postkommunistischen Gesellschaften Osteuropas. Erzbischof Mark hielt das Einführungsreferat über das Thema “Die Lage der Geistlichen und der Laien im postkommunistischen Rußland”.
Am Abend des 9. November fuhr er mit den Teilnehmern an dem Symposium in das neue Kirchenzentrum in Köln, um dort an der Preisverleihung des Alexander-Schmorell-Preises durch die Russische Orthodoxe Kirchenstiftung für Denkmalpflege, Wissenschaft und Mildtätigkeit teilzunehmen. Zunächst zeigte Erzbischof Mark den Teilnehmern an dem Symposium die neue Kölner Kirche des Hl. Panteleimon. Sodann fand im Alexander-Schmorell-Zentrum die Verleihung des diesjährigen Preises an Rechtsanwalt Dr. H. Lewandowski statt, dem damit für seine stets in christlicher Grundhaltung durchgeführte Arbeit im Bereich des sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereiches, insbesondere auch ind er Jugendarbeit, gedankt werden sollte.
Am 11. und 12. November leitete Erzbischof Mark die Gottesdienste in der Kirche des Hl. Großmärtyrers Demetrios in Köln. Ihm konzelebrierte Erzpriester Bozidar Patrnogic.
p Am 13./26. November reiste Erzbischof Mark nach der Göttlichen Liturgie, die er in der Münchener Kathedralkirche gefeiert hatte, nach Stuttgart, um dort die Eröffnung einer Ausstellung von Werken russischer Künstler aus unserer Stuttgarter Gemeinde vorzunehmen. Diese Ausstellung, die in einem Gemeindesaal im Stadtzentrum zu sehen ist, steht in Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen unserer Gemeinde des Hl. Nikolaus in Stuttgart. Der Erlös vom Verkauf der Bilder soll der Restaurierung der Nikolaus-Kirche zugute kommen. Die Organisation dieser Ausstellung lag sehr weitgehend in Händen von Vater Johannes Kaßberger.
p Zum Fest des Einzugs der Allerheiligsten Gottesgebärerin in den Tempel, am 21. November/ 4. Dezember 1995, feierte Erzbischof Mark die Gottesdienste in der Kathedralkirche der Heiligen Neumärtyrer und Bekenner des Russischen Landes und des Hl. Nikolaus von Myra in Lykien in München. In seiner Predigt verwies der Bischof auf die Bedeutung dieses Feiertags als eines Festes der Kirche – die Allerheiligste Gottesgebärerin als Tempel der Fleischwerdung Gottes tritt ein in den steinernen Tempel des Alten Testaments. Sicher war es kein Zufall, daß gerade an diesem Tage eine neue Etappe des Ausbaus unserer Kirche begann, nämlich die Erweiterung der Seitenkapelle des Hl. Nikolaus. Aus diesem Grund zelebrierte Erzbischof Mark mit dem Klerus im Anschluß an die Göttliche Liturgie einen Gebetsgottesdienst an die Allerheiligste Gottesmutter und den Hl. Nikolaus für das gute Gelingen diesen neuen Abschnittes im Ausbau unserer Kirche. In den vorangehenden Wochen hatten Gemeindemitglieder in aufopfernder Eigenleistung bereits große Teile der notwendigen Vorarbeiten geleistet, für die eine Baufirma nicht unbedingt nötig war, um somit Kosten zu sparen.
Bote 1995-6
Predigt von Erzbischof Mark am 19. Sonntag nach Pfingsten,
den 9./22. Oktober 1995
Gedenken der Hll. Väter des VII. Ökumenischen Konzils
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern!
Am heutigen Tag gedenken wir der Väter des Siebenten Ökumenischen Konzils, und damit erinnert uns die Heilige Kirche erneut an den Teil unseres Glaubensbekenntnisses, in welchem wir uns zu der Einen, Apostolischen, Katholischen (d.h. die gesamte Ökumene, christliche Welt umfassenden) Kirche bekennen. Gemäß den Worten des Hl. Apostels Paulus sind wir dazu aufgerufen, unserer Lehrer zu gedenken, die uns das Wort Gottes gepredigt haben (Hebr. 13, 7), denn nur in diesem Geiste der apostolischen Katholizität (“sobornost”) der Kirche können wir die Bedeutung des Wortes, des fleischgewordenen Logos, auffassen und zu Teilhabern am Werk der Heiligen Väter und des Logos Selbst werden. Der Herr wendet Sich in dem Gebet, welches wir heute in der Evangelien-Lesung hörten, an den Himmlischen Vater: “Ich bitte für sie, Ich bitte nicht für die ganze Welt, sondern für die, die Du Mir gegeben hast, denn sie sind Dein” (Joh. 12, 9). Der Herr bittet deshalb nicht um die ganze Welt, weil nach der Auffassung der Heiligen Väter die Welt der Weg der Versuchung ist. Das gemeinsame Ziel aller Versuchungen aber ist es, den Glauben des Menschen zu behindern. Das sehen wir in der Kirchengeschichte immer wieder dann, wenn falsche Lehren auftauchen, die zumeist auf menschlichen Stolz zurückzuführen sind.
Diese Versuchungen zu überwinden, Versuchungen, die uns von dem Einen, reinen Glauben der Väter ablenken und in die Irre führen wollen, vermögen wir allein mit der Gnade Gottes zu überwinden. Und deshalb verspricht uns der Herr Selbst Sein Gebet: “Ich bitte für diese” spricht Er, “denn sie sind Dein”. Wer Gott gehört, der gehört auch Christus. So spricht der Herr: Sie sind Dein, denn Mein und Dein –alle stellen die Eine Herde Gottes dar. Durch seine Zugehörigkeit zu Christus und dem Vater gehört der Christ auch gleichzeitig dem Heiligen Geist an, d.h. er nimmt durch seinen Glauben, durch die Heiligen Mysterien, durch sein Leben in der Kirche, am Leben der Dreieinigen Gottheit teil. Das Ziel dieses Gebets des Heilands liegt in der Einigung unser aller in Vater und Sohn: “Daß sie eins seien wie wir” (Joh. 17, 11).
Auf dem Ersten Ökumenischen Konzil bekannten sich die Heiligen Väter zur Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater. Wir gedenken heute jedoch der Väter des Siebenten Konzils. Auf diesem letzten Ökumenischen Konzil in der Geschichte unserer Kirche hielten die Heiligen Kirchenväter die Wesenseinheit des Sohnes Gottes mit uns Erdenbewohnern fest, denn sie bekräftigten, daß der Sohn Gottes aus der Jungfrau Maria einen uns wesenseinen menschlichen Leib annahm. Und allein deswegen kann Er auf Ikonen dargestellt werden. Die Wesenseinheit des Vaters und des Sohnes wird auf uns übertragen. Folglich sind wir – zu Söhnen Gottes Berufene – auch untereinander eins in der Einheit des Lebens, der Einheit der Liebe, in der Einheit der Wahrhaftigkeit, der Einheit der Gerechtigkeit. Wir sind beseelt durch eine Natur und durch einen Willen – in Christus. Eine derartige Einheit kann uns allein Christus schenken. Es ist dies eine göttliche Einheit und Einmütigkeit, die uns in der Kirche Christi verliehen wird, wo der Heilige Geist wirkt und die Heiligen Kirchenväter uns belehren und festigen. In einem dergestaltenen Einen Leib lebend, in der Kirche also, vermag der Mensch auch über sämtliche Sünden und Versuchungen den Sieg davonzutragen.
Durch Sakramente und Gebet erlangen und bewahren wir die Einheit und Gemeinschaft mit den Heiligen aller Zeiten. Der Heilige Apostel lehrt: Gedenkt eurer Lehrmeister, die euch das Wort Gottes predigten. Ihr Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach”. Der Apostel verlangt also keine übermenschlichen asketischen Werke von uns. Vielmehr ruft er uns dazu auf, den von den Vätern ererbten und von der Kirche überlieferten Glauben zu bewahren. Diesen Glauben sollen wir rein bewahren, insbesondere rein von jeglichem fremdem Gedankengut, vermischt mit menschlichem Stolz und Überheblichkeit.
Besondere asketische Werke unserer geistlichen Lehrer und Vorbilder haben einen zwiefachen Sinn: jeder von uns muß angesichts des Lebensweges der Heiligen Väter für sich aussuchen, was unter diesen Werken uns zu dem von ihnen beschrittenen Weg führen kann, auf dem wir dann untereinander und mit Christus wesensein werden. Gleichzeitig aber soll jede asketische Übung, insbesondere vielleicht gerade diejenige, der wir nachzueifern nicht imstande sind, unsere Gedanken mit Demut erfüllen und unser Bestreben anspornen, dem Leben der Väter nachzueifern. Durch eine solche Einmütigkeit können wir auch die Wesenseinheit erreichen. Ja, wir sind berufen, zu Söhnen Gottes zu werden. Auf diesem Weg aber können wir Versuchungen und Hindernisse nur dann überwinden, wenn wir in der Wesenseinen Dreieinigkeit leben, im Bekenntnis des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes – nicht nur in Worten, sondern mit unserem ganzen Leben. Amen.
Bote 1995-6
Predigt von S. E. Erzbischof Mark am 21. Sonntag nach Pfingsten,
den 23.10./ 5.11. 1995
Wenn uns der Herr das Gleichnis vom Sämann vorlegt, sagt ER, daß diejenigen, die es hören, es nicht verstehen sollen: daß sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören (Lk. 8, 10). Wie kann aber der Herr für Menschen sprechen, von denen er nicht erwartet, daß sie ihn verstehen?
Diese Stelle bleibt dunkel, solange wir nicht auf die folgenden Worte des HERRN achten über den Samen, der auf gute Erde fällt (Lk. 8, 15), d.h. über Menschen, die mit gutem und treuem Herzen das Wort hören, es bewahren und in Geduld Frucht bringen (Lk. 8, 15).
Der HERR eröffnet uns hier das Geheimnis des Reiches Gottes (Lk. 8, 10), indem ER erläutert, daß wir SEIN Wort eben mit gutem Herzen bewahren und Frucht bringen müssen. Hieraus ersehen wir, daß der Glaube aufs engste mit dem Herzen verbunden ist. Ohne unser Herz, ohne seine Teilnahme, kann kein wahrer Glaube leben. Der Hl. Apostel Paulus schreibt in Kenntnis dieser Worte des HERRN in seinem Sendschreiben an die Römer: wenn du mit deinen Lippen bekennst, daß Jesus Christus der HERR ist, und in deinem Herzen glaubst, daß IHN Gott von den Toten erweckt hat, dann wirst du gerettet (Röm. 10, 9), d.h. unsere Rettung hängt vom Glauben ab, der im Herzen beschlossen ist. Im Alten Testament spricht Moses, daß der Mensch, der das Gesetz beachtet, lebendig sein wird. Doch das Leben erstreckt sich weiter als das Gesetz. Für uns neutestamentliche Menschen ist das Leben mehr, als nur die Existenz auf dieser Erde. Das eigentliche Leben ist die Rettung, das ewige Leben.
Das Lippenbekenntnis reicht nicht, sondern gefordert ist das Bekenntnis mit dem Herzen. All unsere Werke kommen aus dem Glauben des Herzens. Der Mund kann nur aus der Fülle des Herzens sprechen. Wenn er selbst spricht, so lügt er. Wenn der Mund vom Herzen getrennt ist, wird er zum Lügner, denn er kann etwas Gehörtes wiederholen, was jedoch nicht angenommen ist, es sei denn das Herz des Menschen ist derart verdorben, daß der Mund die lügnerische Wahrheit des Herzens ans Licht bringt.
Wenn der Glauben lebendig und feurig ist, kann er sich im Herzen nicht verbergen. Er tritt im Wort hervor, er kommt aus dem Herzen, offenbart sich im Blick des betreffenden Menschen, in seinen Bewegungen, in all seinen Taten.
Doch der Hl. Apostel belehrt uns weiter, indem er über unser Bekenntnis sagt: Wenn du Jesus als den HERRN bekennst, d.h. wenn du bekennst, daß ER der Gottessohn ist, daß ER der Fleischgewordene Gott ist, nur dann kann dir die Rettung offenstehen. Der Gegenstand unseres Herzensglaubens ist die Auferstehung Christi. Die Hll. Väter lehren, daß der Glaube daran, daß Christus am Kreuz litt und starb, nicht ausreicht. Das wissen alle, dies ist eine historische Tatsache. der Glaube beginnt da, wo wir mit unserem Herzen Seine Auferstehung annehmen. Denn der Apostel sagt: Gott hat Ihn von den Toten erweckt, womit ER die Wirkung der gesamten Dreieinigkeiten der Auferstehung Christi zum Ausdruck bringt. Das ist die Grundlage unseres Glaubens, und nur auf dieser Grundlage, sagt der Apostel, wirst du gerettet.
Der Same, das ist das Wort Gottes, muß sich in unserem Herzen auflösen, muß in ihm sterben, denn wenn er nicht stirbt, so bleibt er allein, für sich, bleibt fruchtlos. Wenn er jedoch im menschlichen Herzen gestorben ist, dann wird er sich mit dem Herzen verquicken und aus ihm die Lebenssäfte saugen, und umgekehrt wird das Herz aus ihm erneuert und wächst. Zusammen wächst das Herz und das Wort, und gemeinsam reifen sie und bringen Frucht. Diese Frucht führt uns zur Reinigung des Herzens – zum lebendigen, feurigen, aufrichtigen Glauben, aus dem heraus der Mund sprechen wird, gereinigt durch das Wort, das Wort Gottes. Amen.
Bote 1995-6
Zum Gedächtnis an Bischof Grigorij (von Washington und Florida)
Am Sonntag d. 8.10./25.9. 1995, dem Gedenktag des Hl. Sergij von Radonesh verstarb in den frühen Morgenstunden Bischof Grigorij, Georgij Pawlowitsch Graf Grabbe. Vladyka Grigorij lebte seit 1986 im Ruhestand und war in seinen letzten Amtsjahren Bischof von Washington und Florida.
Vladyka Grigorij wurde am 8./21. April 1902 in St. Petersburg geboren. Sein Vater, Graf Pavel Michailowitsch Grabbe war ein Enkel des bekannten Dichters und Theologen A. S. Chomjakov. Seine Mutter, Anastasija Georgievna Demidova, entstammte der bekannten Petersburger Familie und hatte enge Beziehungen zum Kaiserhof. Graf Pavel Michailowitsch Grabbe nahm als Delegierter der Diözese Vladikavkas am Russischen Landeskonzil 1917/1918 teil.
Seit 1912 lebte die Familie in Kislovodsk, wo der Vater von Bischof Grigorij als Kommandeur das 3. Schwarzmeer Kuban-Kosakenregiment befehligte. In Kislovodsk erhielt der spätere Bischof Grigorij auch seine Schulausbildung. An der Schule gründete er zusammen mit seinem älteren Bruder Michail Pawlovitsch nach dem Rücktritt von Zar Nikolaus II, im März 1917 einen “monarchistischen Jugendklub”, der die Wiedererrichtung der Monarchie in Rußland zum Ziel hatte.
Im November 1920 wurde die Familie mit den Resten der Wrangel Armee nach Konstantinopel evakuiert, wo sie einige Monate blieb. Im Frühjahr 1921 übersiedelte die Familie nach Belgrad, wo Georgij Pawlowitsch das Abitur nachholte. In den Jahren 1923 bis 1926 studierte er an der Theologischen Fakultät der Universität Belgrad. Mit großem Interesse verfolgte Georgij Pawlovitsch die politischen Vorgänge in seiner ehemaligen Heimat. Wie viele der Emigranten war er fest davon überzeugt, daß ein vom Bolschewismus befreites Rußland zur Monarchie zurückkehren werde. Um seinen politischen Vorstellungen Publizität zu verleihen, gründete er die monarchistische Zeitung “Stimme des treuen Untertan” (Golos Vernopodannago). Zahlreiche Beiträge erschienen in diesen Jahren auch in der amtlichen Zeitung des Bichofssynods der Auslandskirche, in den Kirchlichen Nachrichten/ Cerkovnyja Vedomosti” und dem zentralen Organ der Polnischen Orthodoxen Kirche, den Sonntagsblättern/ Voskresnago Ctenija”. Seit seiner Eheschließung mit Varvara Maksimova Jarzembskaja lebte Grigorij Pawlowitsch in Ostpolen, wo die Familie ein Gut mit ausgedehnten Ländereien besaß.
Im Jahre 1931 wurde er in Belgrad zum Psalmenleser geweiht. Danach bittet ihn Metropolit Antonij (Chrapovickij), nach Karlovitz zu übersiedeln, um künftig in der Kanzlei des Synods zu arbeiten. Seit August 1931 lebte er in Karlovitz. Seine Familie blieb aber in Polen, da er für seine Tätigkeit in der Synodalkanzlei zunächst kein Gehalt erhielt. Zunächst arbeitete er als Stellvertreter des Sekretärs der Bischofssynode, E. I. Macharoblidze, dann seit 1933 als Sekretär des Bischofssynods. Von 1933 bis zu seinem aus Altersgründen bedingten Rücktritt im Jahre 1986 war der spätere Bischof Grigorij Sekretär des Bischofssynods und damit zugleich engster Mitarbeiter und Vertrauter der Ersthierarchen der Russischen Orthodoxen Auslandskirche, der Metropoliten Antonij (Chrapovickij 1920 – 1936), des Metropoliten Anastasij (Gribanovskij, 1936 – 1964) und des Metropoliten Filaret (Voznesenskij 1964-1985). Niemand kannte daher die Geschichte der ROK im Ausland besser als Bischof Grigorij. Niemand hat die Entwicklung der ROK im Ausland und damit auch ihre Geschichte mehr beeinflußt als Vladyka Grigorij. Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man behauptet, daß mehr als 60 Jahre alle wichtigen Dokumente der Auslandskirche seine Handschrift trugen.
Die Überwindung der Spaltung der russisch-kirchlichen Emigration (im Jahre 1926 hatten sich die Pariser Jurisdiktion des Metropoliten Evlogij mit rund 75 Gemeinden in Westeuropa und die nordamerikanische “Metropolie” mit 250 Gemeinden von der Auslandskirche getrennt) war seit 1933 eines der wichtigsten Ziele breiter Kreise der kirchlichen Emigration. Seit 1934 liefen Verhandlungen zur Wiedervereinigung der russischen Emigrationskirchen zwischen den Metropoliten Antonij, Evlogij und Feofil, die durch Vermittlung des Serbischen Patriarchen Varnava schließlich im Jahre 1935 in Belgrad sich erstmals seit der Spaltung persönlich begegneten. Das Grundsatzdokument, das diese Wiedervereinigung ermöglichen sollte wurde weitgehend von Georgij Pawlowitsch erarbeitet. An sämtlichen Verhandlungen nahm er persönlich teil. Als ich im Jahre 1980 als Gast von Bischof Grigorij am Synod Material für meine “Geschichte” sammelte, schilderte mir Vladyka Grigorij seine persönlichen Eindrücke von diesen Verhandlungen so lebhaft, als hätten diese Verhandlungen erst vor wenigen Monaten stattgefunden, nicht aber vor fast 50 Jahren. Die Charakteristik dieser komplizierten Verhandlungen, der Druck aus Paris, der auf den Metropoliten Evlogij von Seiten bestimmter Laien ausgeübt wurde, geht nicht aus den Quellen und historischen Memoiren hervor, diese Details konnte nur eine Zeuge vermitteln, der an den Verhandlungen teilgenommen hatte. So war Vladyka Grigorij immer wieder meine beste und zuverlässigste Quelle, wenn die Dokumente nicht mehr ausreichten, um Vorgänge zu rekonstruieren.
Für seine Verdienste um die Verhandlungen, die allerdings nur im Falle Nordamerikas die Einheit wiederherstellten, wurde Georgij Pawlowitsch vom Nachfolger des Metropoliten Antonij, dem Metropoliten Anastasij, im Jahre 1936 der offizielle Titel “Leiter der Angelegenheiten der Synodalkanzlei” verliehen. In dieser Eigenschaft hatte er auch die Hauptarbeit bei der Vorbereitung und der Durchführung des II. Gesamtrussischen Konzils der ROK im Ausland zu tragen. Das Konzil trat im Jahre 1938 in Karlovitz zusammen und zwar anläßlich des 950 Jahrestages der Christianisierung Rußlands. Auf dem Konzil waren Vertreter aus allen 24 Diözesen der Auslandskirche mit ihren rund 1000 Gemeinden und mehr als 20 Klöstern, theologischen Seminaren und den zahlreichen missionarisch-karitativen Einrichtungen vertreten. Das Konzil trat aber auch zu einem Zeitpunkt zusammen, als die ROK in der Heimat unter dem Sturm der kommunistischen Verfolgung zusammenbrach. Nur noch vier amtierende Bischöfe mit ca. 500 Gemeinden waren von dieser einst blühenden Kirche übrig geblieben. So war es verständlich, daß das Konzil sich schwerpunktmäßig mit der Entwicklung in der Heimat befaßte. Das Hauptreferat zu diesem Problem hielt Georgij Pawlowitsch (Die Beziehungen der ROK im Ausland zur Mutter-Kirche/Vzaimootnosenie Russkoj Pravoslavnoj Cerkvi zagranicej i Materi-Cerkvi). In diesem Vortrag gab er nicht nur eine Einschätzung der Entwicklung der kirchlichen Ereignisse in der Heimat, sondern unterstrich auch die Unmöglichkeit einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der offiziellen Moskauer Kirchenleitung. Seit 1938 hat der spätere Bischof nie einen Zweifel aufkommen lassen, daß die Moskauer Kirchenleitung kein Verhandlungspartner für die ROK im Ausland sein kann und ein Zusammenschluß mit dem Patriarchat erst dann möglich wird, wenn dieser Teil der Russischen Kirche seine äußere und innere Freiheit gefunden hat.
Seit Sommer 1944 bereitete sich der Synod auf seine Evakuierung nach Deutschland vor. Die zunächst gut geplante Evakuierung gestaltete sich dann aber zur Flucht, da die Sowjettruppen schneller als erwartet in Südosteuropa und nach Mitteleuropa vordrangen. Die Rettung des Synodalarchivs war eine der Hauptsorgen von Georgij Pawlowitsch. über Wien ging die Flucht nach Karlsbad, wo ein Teil der Bruderschaft des Hiob-Klosters aus Ladomirov· sich den Flüchtlingen aus Belgrad anschloß. Archimandrit Serafim (der spätere Erzbischof von Chicago) übergab einen Teil der wertvollen Klosterbibliothek der Obhut von Georgij Pawlowitsch. Als die Fliegerangriffe auf den Zug immer häufiger werden, müssen schließlich drei Waggons mit Dokumenten, sowie der größte Teil der Ladomirover Bibliothek zurückgelassen werden. Sie gehen in den Kriegswirren für immer verloren.
Schließlich gelangt man aber nach Deutschland in die amerikanische Besatzungszone nach München, wo auch Metropolit Seraphim aus Berlin eingetroffen ist. Metropolit Anastasij ist mit einem Teil der Ladomirover Bruderschaft im Herbst 1945 in die Schweiz geflüchtet, doch soll der künftige Sitz des Synods nach München verlegt werden. In Deutschland wird G. Grabbe von Metropolit Seraphim zum Priester geweiht. Es gelingt Vater Georgij rasch guten Kontakt zu den Amerikanern herzustellen. Diese erklären sich bereit, eine besetzte Villa in München-Bogenhausen (Donausstr. 5) als künftigen Verwaltungssitz des Synods zur Verfügung zu stellen. Nach wenigen Wochen ist das Haus für die Bedürfnisse des Synods und als Sitz des Ersthierachen umgebaut. Eine Leistung, die wesentlich von Vater Georg organisiert und durchgeführt wurde. Bis zum Jahre 1950 bleibt der Amtssitz des Synods nun in München.
Doch die ersten Nachkriegsmonate sind für die Flüchtlinge voller Gefahren: Überall in Deutschland sind in diesen Monaten die Emissäre Stalins unterwegs, um Flüchtlinge zur Rückkehr in die Sowjetunion zu bewegen oder mit Hilfe der Alliierten zur Rückkehr zu zwingen. Der Synod errichtet eine Abteilung für Flüchtlings- und Übersiedlungsfragen, deren Leitung Vater Georg übernimmt. Bis 1949 emigrierten ca. 500 000 Flüchtlinge mit Hilfe diese Komitees nach Übersee.
Eine weitere wichtige Aufgabe, mit der Vater Georg betraut wurde, war die Leitung des “Wissenschaftskomitees” beim Synod. Aufgabe diese Komitees war vor allem die religiös-katechetische Erziehung und Bildung der Flüchtlinge, von denen die jüngeren überhaupt keinen Kontakt zur Kirche gehabt hatten und viele ältere Flüchtlinge mehr als 20 Jahre der Kirche entfremdet worden waren. Doch auch die schulische Ausbildung mußte fortgesetzt werden. Mit Hilfe des Wissenschaftskomitees wurden in den Flüchtlingslagern Schulklassen organisiert und ein Schulwesen aufgebaut, das alle Schulzweige umfaßte. Vater Georg kümmerte sich um viele dieser Fragen persönlich, er beantworte Anfragen, gab Ratschläge, hatte “immer Zeit”. Für seine unermüdliche Tätigkeit wurde er 1947 zum Erzpriester ernannt.
Nachdem Metropolit Anastasij 1950 in die USA übersiedelte, wo auch die Masse der Flüchtlinge Aufnahme gefunden hatte, erfolgte die Verlegung der Synodalkanzlei nach New York im Jahre 1951.
Im Jahre 1956 wurde Vater Georg für seine Verdienste mit der Mitra ausgezeichnet, im Jahre 1960 wurde er zum Protopresbyter ernannt. Seit 1967 war er offizieller Leiter der Synodalkanzlei und Leiter der Auswärtigen Angelegenheiten. In dieser Funktion ist er für die Beziehungen zu den anderen christlichen Kirchen verantwortlich. Nach dem Tod seiner Frau legte er im Jahre 1978 die Mönchsgelübde ab und wurde mit dem Namen Grigorij (zu Ehren Grigorijs des Theologen) zum Bischof von Manhattan, Vikarbischof der Ostamerikanischen Diözese geweiht. Die Weihe fand in der Synodalkirche in New York am 29.4./12.5. statt. Im November 1981 wurde ihm die Leitung der Diözese Washington und Florida übertragen, der er bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1985 vorstand. Den Ruhestand wollte er im Kloster der Gottesmutterikone von Lesna in Provemont verbringen, wo seine Schwester, Igumenija Magdalina Vorsteherin war. Hier hoffte er endlich die Ruhe und Muße zu finden, um seine Erinnerungen zu schreiben. Nach dem Tod von Mutter Magdalina kehrte er aber 1988 nach Amerika zurück, wo er im Haus seiner Tochter die letzten Jahre verbrachte.
Hier findet er auch endlich die Ruhe, um noch zahlreiche Artikel zu schreiben und den dritten Band seiner gesammelten Arbeiten zu publizieren. Die Kirche und ihre Lehre im Leben (Cerkov' i eja ucenie v zizni), Jordanville 1992.
Doch Vladyka Grigorij kann auch in diesen Jahren nicht im “Ruhestand” leben. Trotz seiner angegriffenen Gesundheit - seit 1988 leidet er an Krebs - verfolgt er die kirchlichen Ereignisse in Rußland und die “neue Freiheit” der Kirche mit größter Aufmerksamkeit. Er sieht, daß viele Veränderungen nur äußerlichen Charakter haben. Er gehört nicht zu denen, die das äußerliche Aufblühen des kirchlichen Lebens bereits als Rückkehr zu den Ursprüngen der Russischen Kirche betrachten. Für ihn bieten die derzeitigen Hierarchen des Moskauer Patriarchats noch keine Gewähr dafür, daß der Sergianismus der ROK überwunden ist. Soweit es ihm seine Gesundheit erlaubt, nimmt er aber auch an den Sitzungen der Bischofskonzile weiterhin teil.
Konsequent verfolgt er auch in den letzten Jahren sein Ziel, daß die Erneuerung der ROK, die Rückkehr zu den orthodoxen Traditionen der Kirche nur gelingen wird, wenn sie Hilfe von außen erhält. Im Frühjahr 1995 geht sein langjähriger Wunsch in Erfüllung, noch einmal Rußland zu besuchen. In Begleitung seiner Tochter, A. G. Schatiloff, besucht er erstmals nach 70 Jahren wieder Moskau und Suzdal. Sein Hauptinteresse gilt natürlich den Gemeinden der Freien Russischen Kirche. Er besucht die Gottesdienste und führt mit Geistlichen und Gläubigen Gespräche. Dieser Besuch bestärkt ihn in seiner Überzeugung, daß die Russische Kirche noch einen langen Weg der Erneuerung vor sich hat.
Es ist praktisch unmöglich, seine zahlreichen Bücher und Artikel auch nur annähernd zu würdigen. Er ist zweifellos der bedeutendste Kirchenrechtler der Auslandskirche gewesen. Nach der Abspaltung der westeuropäischen und nordamerikanischen Gemeinden verfaßte er seine erste grundlegende Arbeit über die Spaltung: “Korni cerkovnoj smuty”, Belgrad 1927. Zahlreiche seiner späteren Schriften befaßten sich mit der Spaltung der russischen kirchlichen Emigration und waren Antworten auf Vorwürfe und falsche Behauptungen durch die Pariser und die nordamerikanische Jurisdiktion gegenüber der Auslandskirche. Viele seiner verstreuten Aufsätze befaßten sich mit der Position des Moskauer Patriarchats, dem Sergianertum, der Häresie des Ökumenismus. Er mußte in “jungen Jahren mit ansehen”, sagte er in während der Ansprache bei seiner Bischofsweihe, “wie das Böse der Revolution anwuchs und das Volk in die Katastrophe führte, und schließlich wurden auch die Konturen der gegen die kirchlichen Dogmen gerichteten Häresien immer klarer”. So befaßte er sich in seinen zahlreichen Aufsätzen immer wieder mit diesen Fehlentwicklungen. Es gab für ihn keine Kompromisse, wenn es um die Reinheit der Orthodoxie, die Traditionen der Russischen Kirche ging. Vielen wurde er aber dadurch auch zum lästigen Mahner, weil man sich mit seinen Argumenten befassen mußte, man konnte sie nicht einfach übergehen. Ein großer Teil dieser Aufsätze wurde in dem dreibändigen Sammelwerk “Cerkov' i eja ucenie v zizni. Sobranie socinenij, T. 1: Montreal 1964, T.2 Montreal 1970. T.3 Jordanville 1992 publiziert.
Doch sein größter Wunsch, eine umfassende Geschichte der Auslandskirche zu schreiben, ging nicht in Erfüllung. Hierzu fehlte ihm als Sekretär des Synods und als Bischof die Zeit, später, als er schon im Ruhestand lebte, dann die Kraft. Sicher wäre dies Geschichte ganz anderer Art geworden, nicht auf der Basis von Dokumenten und Quellen, sondern auf der Basis seiner langjährigen Tätigkeit, auf der Basis des Erlebten. Vladyka Grigorij hat diese Geschichte sein Leben lang geschrieben, sein Leben war die Geschichte unserer Kirche. Die Bewahrung seines Vermächtnisses bleibt unsere Pflicht, solange wir der Tradition unserer Auslandskirche verbunden sind.
Georg Seide, Ottobrunn