42. Rede, Predigt zu Ostern (Apg 1, 1-8. Joh 1, 1-17. )
Was bedeutet das Geheimnis der Auferstehung Christi? Wie vollzieht sich in uns die Auferstehung Christi, und wie geschieht zusammen damit die Auferstehung der Seele? – Gesprochen am Dienstag der zweiten Woche nach Ostern.
Meine geliebten Brüder!
Ostern ist gekommen, der freudige Tag der Auferstehung Christi, die Ursache jeglicher Freude, die uns einmal jährlich besucht. Für diejenigen jedoch, die das Geheimnis der Auferstehung begreifen, ist es etwas, das sie täglich, ja gar ununterbrochen erleben. Ostern ist gekommen und hat unsere Herzen mit völliger Freude und unbeschreiblichem Trost erfüllt – nicht nur dadurch, daß es die Mühen des ehrbaren Fastens beendete, sondern vielmehr noch dadurch, daß es zeigt, daß unsere Seelen durch diese Mühen vollkommener geworden sind, und daß es alle Gläubigen zur Ruhe und Dank berufen hat, wie ihr seht. Danken wir also,
Brüder, Christus unserem Gott, Der uns gewährte, das Meer des Fastens zu durchschwimmen und uns mit Freude in den Hafen der Auferstehung lenkte, danken wir alle – sowohl diejenigen, die das Fasten gut durchliefen, in Askese und Tugenden, eifrig und in erhabener Stimmung, als auch jene, die sich nicht als so mannhaft erweisen und in der Askese kleinmütig waren, auf Grund geringer Herzenswärme und seelischer Verrohung. Denn Er verleiht sowohl den eifrigen Asketen Siegeskränze und Belohnungen wie auch noch viel mehr, als ihnen zusteht; und Er wiederum erweist auch den Schwächsten Herablassung, da Er milde und menschenliebend ist; denn er schaut mehr auf die Neigungen und den Willen unserer Seelen als auf körperliche Mühen, mit denen wir uns in Enthaltsamkeit üben und Tugenden vollbringen, sei es mehr aus größerem Eifer, oder weniger in Bezug auf die Eifrigeren auf Grund unserer körperlichen Schwäche – und auf diese Weise gibt Er jedem gemäß dessen Eifer Belohnungen und Gaben des Heiligen Geistes. Er macht jemanden wegen dessen eifriger Askese berühmt und bekannt, oder beläßt ihn noch in der Erniedrigung, wie jemanden, der zur vollkommeneren Reinigung noch größerer asketischer Taten bedarf.
Wenn ihr dies jedoch als vernünftig erachtet, so laßt uns genauer durchdenken und erforschen, worin denn das Geheimnis der Auferstehung Christi unseres Gottes besteht, welcher Art sie geheimnisvoll auch in uns wirkt, wenn wir wollen, und wie Christus in uns begraben wird, wie in einem Grabe, wie Er sich mit unseren Seelen vereint, in uns aufersteht und zusammen mit Sich auch uns auferstehen läßt. Nachdem Christus unser Gott auf dem Kreuz gehängt wurde und auf ihm die Sünde der ganzen Welt annagelte, starb und stieg Er herab in die Unterwelt des Hades; danach, als Er aus dem Hades aufstieg, ging Er wieder ein in Seinen Allreinen Leib und erstand sofort von den Toten auf; danach schließlich erhob Er sich in die Himmel mit Kraft und großer Herrlichkeit. Ebenso steigt Er auch jetzt, da wir die Welt und die weltlichen Eitelkeiten hinter uns lassen und angesichts des Bekenntnisses der Leiden Christi unseres Herrn in das Grab der Buße und der Demut eingehen, Selbst von den Himmeln herab, tritt ein in unseren Körper wie in ein Grab, vereint Sich mit unseren Seelen und läßt sie auferstehen, die da tot waren durch ihre Sünden, und schenkt ihnen, nach ihrer Auferstehung die Gnade, durch die wir die Herrlichkeit dieser geheimnisvollen Auferstehung schauen können.
So wird die Auferstehung Christi auch zur Auferstehung für uns, die wir in Sünde gefallen und tot waren. Die Auferstehung und die Herrlichkeit Christi ist, wie wir sagten, unsere eigene Auferstehung, die in uns wirksam wird, und zu erkennen ist mittels Seiner Auferstehung, die durch Ihn in uns vollbracht wird. Die Auferstehung der Seele aber ist ihre Einigung mit dem Leben (das Kosten des Lebens). Denn wie ein toter Körper, wenn er nicht in sich die lebendige Seele aufnimmt und sich mit ihr nicht unvermischt vereint, nicht selbst für sich allein leben kann; so kann auch die Seele nicht allein für sich eines wirklichen und ewigen Lebens leben, wenn sie sich nicht auf unaussprechliche Weise unverbrüchlich mit Gott vereint. Die Seele, wenn auch von Natur aus immateriell und unsterblich, ist doch tot und gefühllos, solange sie nicht mit Christus vereint wird, solange sie nicht sieht, daß sie mit Ihm vereint und auferstanden ist, solange sie dies nicht erkennt und fühlt: da es keine Erkenntnis ohne Schauen gibt, und kein Schauen ohne Fühlen, d.h. zunächst sieht man etwas und, indem man es sieht, erkennt man es, und dann fühlt man es auch. Das sage ich in Bezug auf geistliche Dinge; in Hinsicht auf das Körperliche jedoch gibt es ein Gefühl auch ohne Schauen, wie zum Beispiel, der Blinde, der sich an einem Stein stößt, den Schmerz fühlt. Im geistlichen Bereich aber, wenn der Geist nicht in den Zustand der Betrachtung gelangt, um das zu betrachten, was das Verstehen übersteigt, so kann er das Geheimnisvolle wegen jener Einwirkung nicht fühlen. Derjenige, der also sagt, daß er das Geistliche fühlt, bevor er in den Zustand der Betrachtung dessen gelangt, was den Geist, die Worte und die Gedanken übersteigt, der ähnelt einem Blinden, der Gut und Böse fühlt, das er erfährt, aber nicht weiß, was unter seinen Händen und Füßen liegt, und was ihn zu Tode oder zum Leben bringen kann, weil er keine Augen besitzt, um das sehen und wissen zu können. Warum es so häufig vorkommt, daß er den Stock erhebt, um den Feind zu schlagen, aber den Freund schlägt, wobei der Feind ebenfalls vor ihm steht und ihn auslacht!
An die Auferstehung Christi glauben viele und aberviele; doch wenige sind derer, die sie rein schauen. Diejenigen aber, die die Auferstehung Christi nicht so schauen, können Jesus Christus nicht als Herrn anbeten. Weshalb das heilige Lied, das wir so oft im Munde führen, lautet: Nachdem wir die Auferstehung Christi, nicht glauben, sondern? Nachdem wir die Auferstehung Christi gesehen haben, lasset uns anbeten den heiligen Herrn Jesus, den allein Sündlosen. Wie bringt uns denn der Heilige Geist dazu zu singen: Nachdem wir die Auferstehung Christi gesehen haben, d.h. daß wir die Auferstehung Christi schauten, als wir sie nicht sahen, da Christus über tausend Jahre früher auferstand, ja und damals sah niemand, wie Er auferstand? Nun will doch wohl der kirchliche Hymnus uns nicht lehren zu lügen? Das mag ferne sein! Halte ein, Böses zu sprechen! Im Gegenteil, er befahl uns mit diesen Worten die volle Wahrheit zu verkünden, durch die Erinnerung an jene Auferstehung Christi, die in jedem von uns Gläubigen geschieht, und nicht einfach geschieht, sonden lichttragend, glänzend von der Herrlichkeit Seiner Gottheit und der Unverweslichkeit.
Die lichttragende Anwesenheit des Geistes verweist auf die in uns erfolgte Auferstehung des Herrn, und mehr noch – schenkt uns die Gnade, den auferstandenen Herrn Christus Selbst zu schauen.
Weshalb wir auch singen: Gott, der Herr, ist uns erschienen; und mit dem Wunsch, Seine zweite Wiederkunft zu zeigen, fügen wir hinzu: gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn. In denen also, in welchen der Auferstandene Christus erschienen ist, ist Er auch unendlich geistlich zu sehen, und ist zu schauen mit geistlichen Augen. Denn wenn Christus in uns mit der Gnade des Heiligen Geistes eintritt, so erweckt Er uns von den Toten, welche wir bis dahin waren, und führt uns zum Leben und gewährt uns, Ihn Selbst in uns als Lebendigen zu schauen, Ihn den Unsterblichen und Unverweslichen. Und nicht nur das, sondern Er gewährt uns auch solche Gnade, daß wir klar erkennen, daß Er uns zur Auferstehung führt und mit Sich verherrlicht, wie uns die ganze Göttliche Schrift vergewissert.
Solcherart sind die göttlichen Geheimnisse der Christen! So beschaffen ist das Geheimnis unseres Glaubens, welches Ungläubige, Kleingläubige, oder besser gesagt, Halbgläubige, die nur halbherzigen Glauben besitzen, nicht sehen und nicht sehen können. Ungläubige, Kleingläubige und Halbgläubige sind diejenigen, die ihren Glauben nicht in Werken zeigen. Ohne Werke glauben auch die Dämonen und bekennen Christus als Gott. Wir wissen, daß die Dämonen nicht selten schrien, daß Du der Sohn Gottes bist (Mk. 3,11). Ein anderes Mal schrien sie auch von den Aposteln: diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes (Apg. 16, 17). Und sie waren Knechte Christi. Doch ein solcher Glauben hilft weder Dämonen noch Menschen. Und ein solcher Glauben bringt keinerlei Nutzen, weil er, wie der Apostel sagt, tot ist. Glauben ohne Werje ist tot (Jak. 2, 20), wie umgekehrt der Glaube zusammenwirkt mit den Werken (-22). Warum ist aber ein solcher Glaube tot? Weil er nicht den lebenspendenden Gott in sich hat, – nicht Christus in sich aufnimmt, der sagte: wer Mich liebt, tut Meine Gebote, und Ich und der Vater kommen und nehmen Wohnung in ihm (Jo 14, 23), um durch Seine Anwesenheit den von den Toten zu erwecken, der einen solchen tätigen Glauben erreicht, ihn zum Leben zu erwecken und ihn Christus Selbst schauen zu lassen, Der in ihm auferstand und ihn hat auferstehen lassen. Deshalb eben ist der Glaube ohne Werke tot, oder, besser gesagt, tot sind die, die Glauben ohne Werke besitzen. Wahrer Glaube aber an Christus ist immer lebendig und lebend, und bringt sie zum Leben, die zu ihm treten und ihn mit guten Absichten annehmen. Er hat auch vor der tatsächlichen Erfüllung der Gebote Christi viele vom Tod zum Leben gebracht und ihnen Christus gezeigt und Gott. Und wenn sie danach in Seinen Geboten verweilt hätten und sie bis zum Tode beachtet hätten, so wären sie durch diese Gebote in dem Zustand bewahrt worden, in welchen sie anfangs durch den Glauben allein gelangten. Doch da sie sich in ihren Neigungen veränderten und wiederum in die früheren Sünden verfielen, verloren sie auch den Glauben, und gingen gerechterweise des wahren geistlichen Reichtums verlustig, welcher ist Christus. Möge uns derartiges erspart bleiben; beachten wir, ich bitte euch, soweit die Kräfte reichen, die Gebote Christi, um wahrer gegenwärtiger und künftiger Güter gewürdigt zu werden, d.h. des Schauens unseres Herrn Christus. Solches zu erhalten mögen wir alle durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus gewürdigt werden, Welchem Ehre geziehmt in Ewigkeit.
Amen.