am Großen und Heiligen Mittwoch und dem Fest der Verkündigung (Hebr 2, 11-18; Lk 1, 24-38)

Predigt von S.E. Erzbischof Mark
in der Kathedralkirche am Großen und Heiligen Mittwoch und dem Fest der Verkündigung
der Allerheiligsten Gottesgebärerin, München am 25. März/7. April 1999

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Liebe Brüder und Schwestern!
Können wir das Fest der Verkündigung der Allerheiligsten Gottesgebärerin in einer Welt begehen, die in viel stärkerem Maße geprägt ist – wie es scheint – vom Verrat des Judas auf den uns die Kirche am heutigen Großen Mittwoch hinweist? Was für eine „Gute Nachricht“ kann es in einer Welt geben, die von Tod und Mord an menschlichen Seelen, von Krieg geprägt ist?
Wenden wir uns dem Wort Gottes Selbst zu. Der Logos Gottes, der von der Allerheiligsten Gottesgebärerin geboren wurde, sagt: Was nennst du Mich gut? Keiner ist gut als nur Gott allein (Mt. 19, 16). Damit rechtfertigt der Herr unseren heutigen Festtag, denn wenn diese Welt nur menschlich wäre, so gäbe es nichts Gutes in ihr, und uns fehlte nicht nur dieser Feiertag, sondern es gäbe überhaupt keine Feste. Gott allein ist gut, und deshalb verkündet uns der Festtag der Verkündigung vom Einzug des allein guten Gottes in unsere sündige Welt. Aber Er verkündet uns dies nicht nur, sondern Er macht uns zu Teilhabern dieses erhabensten Ereignisses. Zu Teilhabern, die mit ihrem ganzen Wesen an diesem Feiertag teilnehmen und an all seinen Folgen.
„Freue Dich, Gebenedeite, – spricht der heilige Erzengel, – der Herr ist mit Dir“. Diese Worte erinnern uns daran, daß durch eine Frau der Tod – durch die Sünde – in unsere Welt eintrat. Eva nahm die Einflößung des Widersachers Gottes an und stieß die Menschheit in die Hölle herab. Und von jenem Moment an gab es Gott nicht in dieser menschlichen Welt. Durch die Allerheiligste Gottesgebärerin tritt Gott wieder in diese menschliche Welt ein – nicht als abstrakter Begriff, sondern Selbst, körperlich, um uns, die wir an die Materie gefesselt sind, von der Wahrhaftigkeit dieser Worte zu überzeugen. Und von diesem Moment an weilt der Herr nicht nur mit der Allerheiligsten Gottesgebärerin, sondern auch mit uns allen. Durch Sie ist Er in das gesamte Menschengeschlecht eingetreten und hat es geheiligt, hat es zum Teilhaber Seiner Rettung gemacht.
Ohne die Gottesgebärerin, die sich die Askese der Jungfräulichkeit auferlegte, die Askese des Gebets und des Fastens, gäbe es in dieser Welt Gott nicht, ja, gäbe es nicht einmal einen wahren Menschen, denn der Mensch wird nur mit Gott zum wahren Menschen; es gäbe weder Wahrheit noch Gerechtigkeit, noch Heil nicht nur für uns, sondern auch für jegliches Lebewesen, jegliches Gras, jegliche Pflanze. All das ist durch die Sünde des Menschen ins Unheil gestürzt. All das richtete die Allerheiligste Gottesgebärerin durch Ihre Liebe wieder auf, da Sie in Sich den Unumfaßlichen umfaßte – Gott, den Gottmenschen.
Sie verlieh Ihm den menschlichen Leib, und in diesem Leib setzte Sich der Herr zur Rechten des Vaters. Der menschliche Leib wurde von Ihm durch Sie in die Himmel emporgehoben, und so sind alle unsere Leiber dieser himmlischen Emporhebung teilhaftig. Der Herr verwies in der Allerheiligsten Gottesgebärerin Selbst durch Ihr Entschlafen darauf, daß wir alle ihr auf diesem Weg folgen sollen.
Der menschliche Leib wurde zum gottmenschlichen Leib, nicht nur in Christus, sondern in uns allen. Die Menschheit wurde zum Himmel erhoben, und der Himmel kam auf die Erde herab. Wie wir in den liturgischen Gesängen zum heutigen Tage hörten: die Erde wurde zum Himmel, da Gott Mensch wurde.
So wurde entsprechend der Vorsehung nach Gottes Willen ein Mensch – die Allerheiligste Gottesgebärerin – zum Gefäß der Menschwerdung Gottes. Ein auserwählter Mensch, ein Mensch des Gebets, ein Mensch der Askese. Und das verleiht uns Hoffnung, liebe Brüder und Schwestern, daß auch wir diesen Weg beschreiten und Gottmenschen der Gnade nach werden.
„Freue Dich, Gebenedeite“, spricht der Erzengel, der von Anfang seines Daseins an auf dieses Wunder ausgerichtet war, denn Gott hatte bereits vor der Erschaffung der Welt und der Engel in Seinem all-weisen Ratschluß gewußt, daß der Mensch sündigen würde und der Menschwerdung Gottes bedürfen würde. Der Engel ist der Verkünder der guten Botschaft. „Freue Dich, Gebenedeite, – spricht er, – der Herr ist mit Dir“. Auch mit uns ist von diesem Moment an der Herr. Deshalb besingen wir die Gottesgebärerin als Mutter des Lichtes, brachte Sie doch in unsere menschliche Finsternis das Licht; als Mutter der Wahrheit, als Mutter der Gerechtigkeit, als Mutter unser aller, Mutter aller orthodoxen Menschen.
Sie ist erhaben über die Cherubim und Seraphim, und schenkt uns, liebe Brüder und Schwestern, die Möglichkeit, uns auf Ihre Höhe zu erheben, auf die Höhe der Heiligkeit, die Sie das Allerheiligste in dieser irdischen Welt gebar.
Die Gute Botschaft, die der Erzengel verkündet, führt uns nicht nur zur Nachricht vom Guten, nein sie führt uns weiter – zur Erkenntnis, denn wir haben nun teil an den Geheimnissen Gottes. Gott macht uns zu Seinen Geschwistern in Seinem Leib, der Kirche, und dadurch – zu wahrhaftigen Theo-logen, zu Menschen, die um die Mysterien, die Sakramente, die Geheimnisse Gottes wissen, nicht nur durch äußerliche Erkenntnis, sondern durch Teil-Habe an Seinem Leib und Blut.
Daher wenden wir uns, liebe Brüder und Schwestern, an diesem lichten Feiertag an die Allerheiligste Gottesgebärerin und bitten sie inständig, uns nicht mehr den Weg des Judas, auf dem wir bisher geschritten sind, beschreiten zu lassen, sondern uns mit reumütigem Herzen an Ihren Göttlichen Sohn zu wenden, Seine Gnade anzunehmen, Seine Wahrheit aufzunehmen, an Seiner Gerechtigkeit teilzuhaben, und gemeinsam mit Ihm auf die himmlischen Höhen emporzustreben.
Allerheiligste Gottesgebärerin, errette uns! Amen.