Am Heiligen und Großen Sonnabend (Röm 6, 3-11; Mt 28, 1-20)

Predigt von Erzbischof Mark
am Heiligen und Großen Sonnabend in der Münchener Kathedralkirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Brüder und Schwestern!
Gestern versammelten wir uns vor Christi Kreuz. Auf ihm stand eine Aufschrift in verschiedenen Sprachen, damit alle Völker sie lesen konnten. Das zeugt davon, welche Bedeutung dieser Aufschrift beigemessen wurde. Heute aber stehen wir vor dem Grab. Keiner der Evangelisten berichtet davon, ob auf dem Grab eine Aufschrift stand oder nicht.
Worin besteht der Unterschied zwischen Kreuz und Grab? Auf dem Kreuz war der MENSCH gekreuzigt, Der alle menschlichen Sünden, und Schwächen und Krankheiten auf Sich genommen hatte und den Tod der gesamten Menschheit. Als aber dieser MENSCH in den Hades herabstieg, da verwunderte sich der Hades, die Hölle wurde erschüttert, denn sie dachte einen Toten zu berühren, stieß aber tatsächlich auf das Leben. Sie dachte, einem Menschen zu begegnen, traf aber auf Gott. Der in das Grab Herabgestiegene führte dorthin Seine Gottheit, die Er mit unserer Menschheit verbunden hatte. Und hier bedarf es schon keiner Aufschrift mehr, denn dieser Vorgang und seine Folgen übersteigen jeglichen menschlichen Verstand.
So liebte Gott die Welt, daß Er Seinen Einziggeborenen Sohn hingab (Jo. 3, 16). Die Aufschrift auf diesem Grab kann also nur LIEBE lauten. Diese Liebe aber ist für uns Menschen so unbegreifbar, daß niemand eine solche Aufschrift zu erstellen wagte. Ja unvergleichlich ist sie mit unserer Liebe, die stets begrenzt, immer sündig, niemals dazu bereit ist, sich für andere zum Opfer zu bringen: nicht eines Einzelnen, sondern um aller anderen willen, um der ganzen Welt willen. Allein die LIEBE Selbst konnte und kann dem sündigen Menschengeschlecht so sehr entgegenkommen, daß sie nicht nur Mitgefühl für dieses entwickelt, sondern all das Unsere auf Sich nimmt, alles Unrechte, alles Sündige, um dieses durch die Liebe aufzulösen und in Gutes zu verwandeln. Hier ist die Quelle des gottmenschlichen Lebens – im Grab Christi. Das ist die Wiege des Lebens, denn wie Adam allein dieses Leben zerstörte und es durch seine Sünde dem Verderben übergab, so hat auch der Neue Adam allein, das Er für alle litt, uns alle von den Folgen der Übertretung des ersten Adams befreit.
Die Liebe Gottes zu uns ist so unermeßlich, daß sie die ganze Welt verändert, und den Menschen, den ganzen Menschen, in dieser Welt. Von jetzt ab ist der Tod nicht mehr vorhanden, jetzt gibt es kein Leiden mehr. Denn jegliches Leiden zeugt nur von der Sünde, nur von dem, was der Herr überwunden hat, der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Schöpfer unseres Lebens. Neues Leben brachte Er auf die gealterte Erde unseres menschlichen Herzens und unserer menschlichen Seele. Nicht nur lockert Er die Erde des Herzens und der Seele des Menschen auf, sondern Er wendet sie vollkommen um, denn sie wird hell, sie wird lichttragend und wird zur Christusträgerin in dieser Welt, die wir dem Teufel überliefert haben.
Das Vermächtnis, liebe Brüder und Schwestern, des heutigen Tages besteht darin, daß wir mit Dankbarkeit diese Liebe annehmen und sie in unseren Herzen vermehren, damit sie die uns umgebende Welt erleuchtet, und vor allem unsere eigenen finsteren und der Finsternis ergebenen Seelen so glänzen lassen, wie heute in unserer Kirche die lichten Gewänder aufgeleuchtet sind. Der Herr ist mit uns, der Herr ist um unseretwillen in den Hades herabgestiegen und führt uns um unseretwillen in Sein Paradies.
Amen.

Bote 2000-3
Predigt von Erzbischof Mark
im österlichen Abendgottesdienst in der Kathedralkirche zu München.

Christus ist auferstanden!
Heute, liebe Brüder und Schwestern, erschallen diese Worte über die ganze Erde, erneuern und verwandeln sie. Wahrlich ist Christus auferstanden, und wahrlich ist die ganze Natur verändert, die ganze Schöpfung verwandelt, der Friede zwischen Himmel und Erde wiederhergestellt. Von nun an gibt es keinen wesentlichen Unterschied mehr zwischen Himmel und Erde, denn Gott ist auf die Erde gekommen und hat uns alles Göttliche gebracht, und der Mensch ist in den Himmel gestiegen und hat alles Menschliche dorthin eingeführt. Einstmals sah Jakob eine Leiter, auf der nur Engel auf- und abstiegen; von jetzt an steigt der Mensch auf dieser Leiter aufwärts und beherrscht zusammen mit Gott den ganzen Reichtum dieser Erde und des Himmels. Wir brauchen schon nicht mehr auf künftige Zeiten zu warten – der Himmel setzt hier ein, in unseren Herzen, auf unserer Erde. Und mehr noch: die Hölle verlor den Schrecken, den sie für den Menschen besaß, denn der Herr stieg in die Hölle herab und entblößte sie ihrer Türen und Riegel. Die Hölle wird nicht mehr verschlossen, wenn sie auch noch zeitweilig Einfluß auf uns hat, nämlich in der Zeit, da wir uns von der freudigen Gemeinschaft mit Christus entfernen.
Doch dieser frohe Zustand, in dem wir uns heute befinden, ist lediglich das Unterpfand künftiger Freude, künftigen Schauens, künftiger Gemeinschaft mit Gott. Unser Vertrauen wird von immer neuen Wundern erfüllt, für welche der Herr Seine Apostel und durch sie – auch uns – ermächtigte.
Erfüllt wird die Welt von Freude über den Auferstandenen Christus, weil diese Freude, diese Worte: Christus ist auferstanden! – uns nähren. Das ist die wahre Nahrung, wahre Speise und Trank, denn es steht geschrieben: der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jeglichem Wort, das aus dem Munde Gottes hervorgeht (Mt. 4, 4). Erst in dem Moment, wenn wir uns mit dem Sinn, mit dem inneren Gehalt dieser lebenbringenden Worte vereinen, erlangen wir Leben durch jedes Wort, das aus dem Munde Gottes hervorgeht. Deshalb versuchen wir, uns von Gottes Wort nähren zu lassen. So wie wir hier heute nacht den Leib und das Blut Christi empfangen haben, so laben wir uns auch weiterhin an Seinen Worten, die uns dazu anleiten, den Himmel hier und heute zu erlangen, und uns nicht mehr von diesem engelgleichen, gottmenschlichen, himmlischen, von diesem himmlisch-irdischen Zustand zu entfernen. Amen.