Joh 1,44-52 (17.03.2019_Sonntag_der_Orthodoxie)

Lieber Brüder und Schwestern im Herrn,

das heutige Evangelium am Tag der Orthodoxie steht im Evangelium nach Johannes (1,44-52). Es ist das Evangelium, welches am stärksten die Gottheit Jesu Christi herausstellt und diese immer wieder betont. So heißt es schon zu Beginn des Evangeliums: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (1,14a). An dem Tag der Orthodoxie, an welchem sich (11.3.) 843 die Verehrung der Ikonen durchsetzte, steht die Menschwerdung Gottes zentral im Mittelpunkt. Denn erst dadurch, dass Jesus Christus als wahrhaftiger Mensch als wahrhaftiger Sohn Gottes erkannt wurde, begründete die Abbildbarkeit Gottes in den Ikonen.

Doch betrachten wir dies Schritt für Schritt. Im heutigen Evangelium ist es Philippus, welcher seinen Bruder Nathanael auffordert zu Jesus zu kommen und ihn zu sehen. (V.46) Doch bevor Nathanael zu Christus kommt, um ihn zu sehen, sieht ihn Christus (V.47) und erkennt sein Herz. Denn Jesus begrüßt ihn mit den Worten „Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.“ (V.47) Und als Nathanael darüber verwundert fragt, woher Jesus ihn kennen würde, antwortet Jesus, dass er ihn schon unter dem Feigenbaum sitzen sah. (V.48) Selbst von Christus erkannt, erkennt nun Nathanael auch Jesus als Sohn Gottes und König Israels. (V.49)

Hierin liegt ein riesiger Glaubensakt. In dem Kommen und Sehen verändert sich das Leben von Nathanael grundlegend, da er den Messias erkennt, auf den sein Volk schon seit Jahren wartete. Zu dem Kommen und Sehen tritt nun der Glaube, welcher in dem Menschen Jesus Christus den fleischgewordenen Gott sieht. Neben der menschlichen Natur, welche Nathanael gegenüberstand, erkennt er auch die göttliche Natur.

Heute feiern wir – wie jedes Jahr am ersten Sonntag der großen Fastenzeit – den Tag der Orthodoxie. An jenem ersten Sonntag der Fastenzeit im Jahr 843 wurde auf der Synode von Konstantinopel der Sieg der Orthodoxie über die Ikonoklasten (Ikonenzerstörer) gefeiert. An jenem ersten Sonntag wurde der über 100 Jahre andauernde Streit über die Frage der Verehrung von Ikonen zu einem Ergebnis gebracht. Es war und ist ein Tag der Freude. Seit jenem ersten Sonntag der Fastenzeit erhielten die Lehrsätze über die Ikonen und deren Verehrung des siebten ökumenischen Konzils (von Nizäa aus dem Jahr 787) ihre bis heute bestehende Gültigkeit.

In dem heutigen Evangelium ist es Nathanael, welcher Christus als Sohn Gottes erkennt. (V.49) Auch das Konzil von Nizäa (787) sowie das Konzil am Tag der Orthodoxie (843) begründen die Abbildbarkeit Gottes auf Grundlage der Inkarnation – der Fleischwerdung Christi. Denn indem Gott in Jesus Christus Mensch wurde, nahm Er auch die menschliche Natur an, welche bekanntlich abbildbar ist. Wie auch in Jesus Christus von Nazareth als Mensch Gott gegenwärtig war, so ist auch in dem Abbild einer Ikone sein Urbild gegenwärtig. Diese Verbindung zur Inkarnation Gottes und der wahren göttlichen und der wahren menschlichen Natur Christi legitimiert nicht nur die Christusikone, sondern macht diese sogar für uns notwendig. Notwendig deshalb, da sonst die Menschwerdung und das Menschsein Gottes geleugnet werden würde. Damit stellt die Ikonenverehrung eine Konsequenz aus der Zwei-Naturen-Lehre Christi von Chalcedon (451) dar.

Die Verehrung der Ikonen wird weiter darin begründet, dass die menschliche Natur und die göttliche Natur Christi einander durchdringen und somit die unsichtbare Gottheit im Abbild ausgedrückt wird. Damit ist im Abbild das Urbild gegenwärtig. Dies bedeutet, dass ontologisch das Abbild und das Urbild aufeinander bezogen, aber nicht miteinander identisch sind. Denn Christus wird nur als Mensch abgebildet. Um jedoch den Unterschied zu einem Götzenbild zu wahren und eine Ikone nicht zu einem eigenen Gott zu erheben, wurde schon 787 auf dem Konzil von Nizäa die Unterscheidung von zwei Formen der Verehrung definiert. So gibt es eine wahrhafte Anbetung (alethine latreia) – eine Verehrung als Anbetung (proskynesis kata latreia), welche nur Gott zukommt. Und es gibt eine ehrerbietige Verehrung (timetike proskynäsis) – eine Verehrung als Ehrerbietung (proskynesis kata timä), welche den Bildern zukommt.

Möge Christus es schenken, dass auch wir kommen und sehen und in den Ikonen als Fenster zum Himmlischen Gott erkennen, um Ihn dann wahrhaftig in Geist und Wahrheit anzubeten. Denn Ihm gebührt alle Verherrlichung, Ehre und Macht, in alle Ewigkeit. Amin.