Lk 6,31-36 (29.09.2019_2.Lukassontag)

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

in dem heutigen Evangelium (Lk 6,31-36) begegnet uns Jesus Christus an diesem zweiten Lukassonntag mit den Worten: „Werdet (oder „seid“) barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (V. 36) Jesus sprach diese Worte zu seinen Jüngern, während das umstehende Volk zuhörte. Er spricht zu Menschen, welche Fischer waren und welche Christus zu Menschenfischern berufen hatte. Jesus spricht von keiner Theorie, sondern Seine Worte sind prägnant und eingängig: „Werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

  1. Die Barmherzigkeit Gottes

In den Worten „Werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ wird die Barmherzigkeit Gottes zu dem Maßstab für unsere Barmherzigkeit. Wir sollen so barmherzig sein, wie es Gott, der Vater, ist.

Doch was zeichnet die Barmherzigkeit Gottes aus? Am Verständlichsten wird diese in der Sendung seines geliebten Sohnes. Gott sandte seinen einziggeborenen Sohn, welcher unschuldig am Kreuz für uns Sünder starb. Gott sandte seinen Sohn zu uns Menschen. Gott sandte seinen Sohn, ohne etwas zurück zu erhalten. Christus liebte sogar seine Feinde, welche Ihn nicht als Gott erkannten und schließlich kreuzigten. Gott starb für uns am Kreuz, für uns Menschen, die wir so häufig nichts von Ihm wissen wollen. Und genau damit geht Gott den ersten Schritt auf uns zu – ohne etwas zu erwarten. Gottes Barmherzigkeit zeigt sich darin, dass Er uns zuerst geliebt hat, noch bevor wir in Vorleistung gehen konnten. (vgl. 1Joh 4,9-10) In Seiner Barmherzigkeit geht Gott den ersten Schritt und eröffnet damit wieder die Möglichkeit auf Gemeinschaft mit Ihm. Gottes Barmherzigkeit ist nicht an Bedingungen, an Freundschaft oder Gunst gebunden. Er liebt jeden gleich und wendet sich jedem Menschen zu. In genau diesem Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit beten wir „Herr Jesu Christe, du Sohn Gottes, erbarme dich meiner, mir Sünder.“ Gottes Herz ist uns gegenüber offen. Es ist warm, leuchtend und liebend. Gottes Barmherzigkeit hat kein Ende und er bleibt als Vater mit offenen Armen vor uns stehen, so dass wir als verlorene Söhne und Töchter jeden Tag neu zu Ihm umkehren dürfen.

  1. Die Anteilnahme an Gottes Barmherzigkeit als Voraussetzung eigener Barmherzigkeit

Die Worte Jesu „Werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ ruft uns dazu auf an dieser Barmherzigkeit Anteil zu nehmen. „Werdet barmherzig“, dies zeigt uns deutlich, dass es sich um einen Prozess handelt, in dem wir immer mehr barmherzig werden, wie es unser himmlischer Vater ist.

Das Evangelium spricht davon, dass auch die Menschen, welche von Gott getrennt leben (= die Sünder), Barmherzigkeit üben. (V.32-34) Und doch unterscheidet sich diese Barmherzigkeit von der Barmherzigkeit Gottes. Denn Gott liebte uns, als wir Ihm noch feind waren. Er liebte uns, obwohl Er nichts von uns erwarten konnte. Er liebt uns, obwohl wir getrennt von Ihm leben.

Die Barmherzigkeit der Menschen, welche selbst diese Barmherzigkeit nicht erfahren haben und außerhalb der Gemeinschaft mit Gott leben, nennt Jesus Sünder. Sie bleiben in ihrer Barmherzigkeit bei sich selbst stehen. Sie lieben die Menschen, welche ihnen dafür Dank erbringen. Sie helfen denjenigen, welche ihnen helfen. Sie leihen und hoffen darauf Gleiches zurückzuerhalten.

Auch wir sind von Gott Getrennte (= Sünder), wo unsere Herzen nur in den eigenen vier Wänden warm werden. Denn aus uns selbst heraus können wir nicht mehr lieben, als dass es über den Drang der Arterhaltung hinausgeht.

Erst wenn wir an der Barmherzigkeit Gottes unsere Herzen entzünden lassen, wird unser irdenes Gefäß zu einem Krug der überschwänglichen Kraft Gottes. Erst an der Liebe Gottes entzündet, liegt ein heller Schein Seiner Liebe in unseren Herzen, welche ausstrahlt bis zu den Menschen, welche uns feind sind, welche uns Böses wollen und schlecht über uns reden. Und erst mit der Quelle dieses Lichtes wirkt Gott die Kraft in uns, dass wir auch unsere Feinde lieben können und Böses mit Gutem überwinden. (vgl. Sonntagsepistel aus 2Kor 4,6-15)

Wenn nun unsere Barmherzigkeit durch die Anteilnahme an Gott immer mehr zum Spielbild der erwartungsfreien Barmherzigkeit Gottes wird, so gilt uns die Verheißung aus dem heutigen Evangelium: „So wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein.“ (V.35a)