Mk 10,32-45 (14.04.2019_5._Sonntag_der_Fastenzeit)

Lieber Brüder und Schwestern im Herrn,

was gibt es größeres als ein Menschen, welcher dient. Was gibt es größeres als ein Menschen, welcher frei von sich selbst ist, sich selbst geben kann und dabei alles von Gott empfängt, was er dazu braucht. Das heutige Evangelium (Mk 10,32-45) endet mit der Aussage Jesu: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ (V.45)

Als Jesus auf der Erde lebte, war sein Leben ein Dienst bis zu dem Moment seines Sterbens. Dieser Weg nach Jerusalem, sein Sterben und Auferstehen wird uns heute, am 5. Sonntag der Fastenzeit, in einer weiteren Leidensankündigung Jesu vor Augen geführt. (V.32-34) Nicht nur die Jünger mussten dies mehrfach hören. Auch wir, wie schon in den vergangen Wochen. Denn es ist unserer Neigung fremd, dass wir im vollen Wissen und Wollen uns auf den Kreuzesweg Jesu begeben. Denn so heißt es von denjenigen, welche Jesus auf dem Weg nach Jerusalem kommen sahen, dass sie sich entsetzten. (V.32) Darüber hinaus heißt es von den Jüngern, welche Jesus auf diesem Kreuzesweg nachfolgten, dass sie sich fürchteten. (V.32) Furcht und Entsetzten umgibt die Menschen, welche Jesus auf seinem Weg erleben. Doch Jesus lässt seine Jünger nicht ins Ungewisse folgen - er lässt sie nicht in ihrer Angst stehen. Tröstend versammelt er sie aufs Neue (V.32) und weist neben der Überantwortung, den Schmähungen, den Schlägen und dem Sterben auf seine Auferstehung hin. So soll er zwar zum Tode verurteilt und in den Tod gegeben werden – aber nur deshalb, damit Er gerade im Tod den Tod selbst überwindet. (V.33-34) Was für einen Glauben brauchte es dabei von den Jüngern, Christus weiter zu folgen und die Angst abzulegen. Dabei war sicherlich nicht nur der Weg bergauf nach Jerusalem anstrengend. Sondern vor allem die unvorstellbare Perspektive, dass Jesus leiden, sterben und dann noch auferstehen würde.

Und gerade deshalb blieb der Gang nach Jerusalem für die Jünger schwer. Und gerade deshalb bleibt der Kreuzgang auch für uns schwer, solange wir nicht ein Hauch der Auferstehung in unserem Leben erfahren. Die Jünger brauchten die Ermutigung mit dem Blick auf die Auferstehung und wir brauchen dies ebenfalls. Denn wenn am Schluss auf die verfinsterte Sonne am Karfreitag nicht wieder das Licht aufleuchten würde, dann wäre all die Mühe, all die Anstrengung und all das Tragen unsere Kreuzes umsonst. 

Doch der Kreuzesweg Christi hatte nicht nur das Sterben am Kreuz zum Ziel. Vielmehr war selbst schon der Weg ein Teil des Zieles. Denn gerade in dem Dienen Jesu wurde eine ganz andere Herrschaft ersichtlich, wie wir sie kennen oder sogar gewohnt sind. Unsere Formen an Herrschaft und Macht bestehen meist aus dem Potenzial von Gewalt. Zwar trat Jesus dem Bösen auch kraftvoll entgegen. Dennoch war sein Handeln ein Dienst. Ein selbstloser Dienst – nach dem Willen seines Vaters – aus der Kraft seines Vaters.

Da Christi Herrschaft also im Dienst bestand und besteht, ist es verständlich, dass er Jakobus und Johannes mit der Bitte zu seiner Rechten und Linken in seiner Herrlichkeit sitzen zu dürfen (V.35-37), nicht einfach so zusichern konnte. Zwar sollten diese beiden in ihrem Märtyrertod Christus im Sterben ähnlich werden und somit den selben Kelch trinken. (V.39) Dennoch besteht die Lebenshingabe aus mehr, als nur dem Sterben. Denn nicht nur das Sterben am Kreuz, sondern auch der Weg zum Kreuz hatte für Christus eine Bedeutung. Denn der Kreuzgang nach Jerusalem und das liebende Dienen Christi war Voraussetzung, dass Er sein eigenes Leben für viele geben konnte. So lasst auch uns auf unserem Kreuzgang die Wort Jesu gesagt sein: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ (V.43-44) Denn selbst Christus sagte schon von seinem Leben: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ (V.45)

Mögen wir mutig Christus auf dem Kreuzesgang nach Jerusalem folgen und im Dienst an Gott und unserem Nächsten seiner Auferstehung gewiss sein. Dies schenke Christus, unser wahrer Gott, dem da gebührt alle Ehre und Macht, in alle Ewigkeit. Amin.

Noch einige Gedanken des hl. Johannes Chrysostomus:

Äußerliche Größe beruht nur auf Furcht oder Zwang, die wahre Größe bleibt erhaben, auch wenn niemand sie bewundert, während der Hochmut trotz allseitiger Huldigung doch niedrig ist. Diese Huldigung geht eben nur aus Zwang hervor und hat darum keinen Bestand; der wahren Größe huldigt man aus Überzeugung und darum auch immer. Warum bewundern wir denn die Heiligen? Eben weil sie sich mehr als alle verdemütigten, obschon sie hoch über allen standen, und diese Größe ist ihnen bis auf den heutigen Tag geblieben; auch der Tod konnte sie ihnen nicht nehmen.

Nichts verabscheut Gott so sehr wie die Hoffart. Deshalb hat er gleich von vornherein alles aufgeboten, um dieses Laster auszumerzen. Deshalb müssen wir sterben, deshalb ward Trübsal und Elend über uns verhängt, deshalb müssen wir in fortgesetzter und erniedrigender Arbeit, Mühsal und Plage leben. Aus Hoffart sündigte der erste Mensch, weil er Gott gleich zu werden strebte.

Fassen wir jetzt einen wahrhaft Großen ins Auge! Ein solcher ist sich bewusst, was es Großes ist um einen Menschen; er weiß, dass jeder Mensch etwas Großes ist, erachtet sich für den letzten unter allen und sieht deshalb jede Ehre, die man ihm erweist, für etwas Großes an. Er bleibt sich selbst treu, bleibt wirklich erhaben und wechselt seine Meinung nicht. Weil er alle Menschen für groß hält, so erachtet er auch ihre Ehrenbezeigungen für groß, wenn sie auch an sich nur unbedeutend sind, eben weil er jene für groß hält. Der Hochmütige hingegen sieht die Ehrerweise für groß an, indes die Menschen, die ihm Ehre erweisen, ihm nichts gelten. Der Demütige liegt ferner nicht in den Fesseln irgendeiner Leidenschaft gefangen; weder der Zorn noch Ehrgeiz, weder Neid noch Eifersucht beherrschen ihn. Kann es aber wohl etwas Erhabeneres geben, als eine Seele, die aller dieser Leidenschaften ledig ist? Der Hochmütige ist ganz in ihnen verstrickt, wie ein Wurm, der sich im Schmutze wälzt; Eifersucht, Neid, Zorn haben immer die Oberhand in seiner Seele. Wer ist nun der größere? Der über die Leidenschaften erhaben oder der ihr Knecht ist? Wer sich ihnen zitternd und bebend ergibt, oder wer sich ihnen nicht unterwirft, nicht in ihren Fesseln schmachtet? Wann sagt man, ein Vogel fliege hoch? Wenn er so hoch fliegt, dass ihn die Hand und das Rohr des Jägers nicht erreichen kann, oder wenn er am Boden herumflattert, ohne sich in die Luft erheben zu können, so dass der Jäger gar keines Rohres bedarf, um ihn zu erbeuten? Zu letzterer Art gehört auch der Hochmütige, er kriecht gleichsam am Boden dahin und kann mit jeder Schlinge leicht gefangen werden.