Predigt zum 1. Herrentag der Großen Fastenzeit / Triumph der Orthodoxie (Hebr. 11:24-26,32-12:2; Joh. 1:43-51) (17.03.2019)
Liebe Brüder und Schwestern,
der erste große Höhepunkt der Großen Fastenzeit ist erreicht: der Triumph der Orthodoxie. Seit dem 9. Jahrhundert begeht die Kirche Christi alljährlich diesen Festakt, um zu unterstreichen, dass in der Orthodoxie, also im nach allen für das Seelenheil relevanten Kriterien bewahrten Glauben die Rettung der Menschen besteht. Orthodoxie bedeutet folglich: bedingungsloser Einsatz für die Erhaltung der Reinheit des überlieferten Glaubens. Im Anschluss an die Liturgie wird in einem unvergleichlichen Ritus für alle die gebetet, die sich noch nicht der Kirche Christi angeschlossen haben. Dies waren wohl zu allen Zeiten die meisten Menschen, auch wenn zur historischen Blütezeit des Christentums (sagen wir, zu Anfang des 5. Jahrhunderts) gefühlt die ganze Menschheit christlich war. Dies ist aber ein vollkommener Trugschluss. Selbst wenn alle Bewohner der Ökumene lupenreine Orthodoxe gewesen wären, dürfte die gesamte Bevölkerung der benachbarten heidnischen Reiche und definitiv sämtliche Bewohner der damals noch unentdeckten Erdteile noch nichts von Christus gehört gehabt haben, „über Den Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazareth, den Sohn Josephs“ (Joh. 1:45). Mit der Ökumene war im griechisch-römischen Kulturverständnis ja nicht der gesamte Erdkreis gemeint, sondern die von Griechen und Römern bevölkerte „zivilisierte“ Welt – als Gegensatz zu den „barbarischen“ Ländern. Doch selbst unter der christianisierten Bevölkerung war der von der orthodoxen Kirche bekannte Glaube nicht jederzeit in der Mehrheit. Arianer und Nestorianer behielten lange Zeit nach außen hin die Oberhand, die Ikonoklasten herrschten über Jahrzehnte im Reich. Die an sich einleuchtende Notwendigkeit der Wiederherstellung der politischen Einheit des Reiches veranlasste die Kaiser des öfteren zum Aufzwingen fauler Kompromisse in Glaubensfragen, denen sich die Kirche als von Gott nicht gewollten Einheitsmodellen zur Wehr setzte. Für die Orthodoxie galt seit jeher: „Beugt euch nicht mit Ungläubigen unter das gleiche Joch! Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam? Was für ein Einklang herrscht zwischen Christus und Beliar? Was hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen gemeinsam? Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes; denn Gott hat gesprochen: ´Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden Mein Volk sein. Zieht darum weg aus ihrer Mitte, und sondert euch ab` spricht der Herr, ´und fasst nichts Unreines an. Dann will Ich euch aufnehmen und euer Vater sein, und ihr sollt Meine Söhne und Töchter sein`, spricht der Herr, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ (2 Kor. 6:14-18).
Wenn also vor über tausend Jahren das Eintreten für die Reinerhaltung der christlichen Überlieferung mit Kerker, Verbannung, Verstümmelung, Folter und Tod geahndet werden konnte, sollten wir in unseren vom Standpunkt der Glaubensfreiheit noch relativ entspannten Zeiten umso verantwortungsvoller mit dem Schatz umgehen, der uns von Gott anvertraut worden ist. Denn die Orthodoxie ist „die Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist“ (1 Tim. 3:15). Orthodox ist man aber nicht nur dem Namen nach. Es gilt, für den wahren Glauben zu kämpfen. Wer geglaubt hat, dass Kirchenverfolgungen im 20. Jahrhundert aufgehört haben, der sieht, dass heute, ähnlich wie nach der Konstantinischen Wende (Mailänder Edikt 313), sich nur die Strategie der Feinde Christi geändert hat. Hier ist größte Vorsicht angebracht, wollen wir unentwegt in der wahren Lehre verweilen. Heute ist die Einheit der Kirche gefährdet, weshalb wir auch in unserer Liturgie darum beten, dass unsere Hierarchen, geleitet vom Heiligen Geist, uns auch weiterhin auf dem einzig wahren Weg Christi bestärken mögen. „Wer aber etwas anderes lehrt und sich nicht an die gesunden Worte Jesu Christi, unseres Herrn, und an die Lehre unseres Glaubens hält, der ist verblendet; er versteht nichts, sondern ist krank vor lauter Auseinandersetzungen und Wortgefechten. Diese führen zu Neid, Streit, Verleumdungen, üblen Verdächtigungen und Gezänk unter den Menschen, deren Denken verdorben ist; diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen“ (1 Tim. 6:3-6).
Das heute gehörte Beispiel des Nathanael (alias Bartholomäus) lehrt, dass die Wahrheitsfindung in der Kirche des lebendigen Gottes nahezu stets einem gehörigen Transformationsprozess unterliegt (vgl. Joh. 1:45-49). Vom chauvinistisch voreingenommenen Skeptiker wird Nathanael schnell zum euphorisierten Anhänger eines politischen Messianismus (unter „Sohn Gottes“ versteht er, anders als Petrus in Mt. 16:16, nur einen von Gott gesandten Anführer, den „König Israels“, aber nicht den König der Welt). Doch erst die lebendige Gemeinschaft mit dem „Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt. 16:16) verheißt uns allen die Zeugenschaft des Mensch gewordenen Gottes (s. Apg. 1:8), Dem die Engel dienen (vgl. Mt. 4:11; 28:2-7; Mk. 1:13; 16:5-7; Lk. 22:43; 24:4,23; Joh. 20:12-13; Apg. 1:10) und vor Dem sich der Himmel öffnet (s. Mt.3:16; Mk. 1:10; Lk. 3:21)! Auf welche „Berufung“ warten wir denn noch?!.. Mit den Worten: “Folge Mir nach!“ (Joh. 1:43) sind auch wir gemeint.
In der Kirche Christi haben wir alle die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, Der auch dazu auf uns herabgekommen ist, damit wir Zeugen Christi „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg. 1:8) sein mögen. Dazu gilt es, im Großen wie im Kleinen, alle Streitigkeiten abzulegen und in der Einheit des Glaubens Christus zu dienen. Möge der heutige Tag uns allen die Inspiration dafür geben! Amen.