Predigt zum 1. Herrentag nach Pfingsten / Gedächtnis aller Heiligen (Hebr. 11:33 – 12:2; Mt. 10:32-33, 37-38; 19:27-30) (23.06.2019)
Liebe Brüder und Schwestern,
auf Pfingsten folgt jedes Jahr das Fest aller Heiligen – der Tag, an dem wir alle miteinander „Namenstag“ feiern dürfen. Diese Chronologie ist natürlich nicht zufällig. Durch den Empfang des Heiligen Geistes im Mysterium der Myronsalbung wurden wir alle zu Mitgliedern der Kirche Gottes. Der Apostel Paulus bezeichnet jeden von uns daher als „heiligen Tempel Gottes“, in dem der Geist Gottes wohnt (s. 1 Kor. 3:16-17). Diese Allegorie ist vollkommen folgerichtig und angebracht. Wenn schon in den leblosen Wänden des alttestamentlichen Hauses Gottes die Herrlichkeit des Allerhöchsten wohnte (s. 3 Kön. 8:11), so natürlich auch in den lebendigen Tempeln der vom Heiligen Geist Erleuchteten (s. 1 Kor. 6:19). Nicht von ungefähr werden die an Christus Glaubenden und mit dem Heiligen Geist Getauften (s. Apg. 1:5 und 11:16) im Neuen Testament oftmals als „Heilige“ bezeichnet (s. Apg. 9:13,41; 26:10; Röm. 8:27; 15:25,26,31; 16:2,15; 1 Kor. 6:1-2; 14:33; 16:1,15; 2 Kor. 1:1; 8:4; 9:1,12; 13:12; Eph. 1:1,15,18; 2:19; 3:8,18; 4:12; 5:3; 6:18; Phil. 1:1; 4:21-22; Kol. 1:2,4,12,26; 3:12; 1 Thess. 3:13; 2 Thess.1:10; 1 Tim. 5:10; Philem. 5,7; Hebr. 3:1; 6:10; 13:24; Offb. 5:8; 8:3-4; 11:18; 13:7,10; 14:12; 16:6; 17:6; 8:24; 19:8; 22:11).
Wir Menschen sind und bleiben Sünder, aber durch die uns heiligende Gnade der kirchlichen Mysterien werden wir nichtsdestoweniger zu Teilhabern an der Gottheit Christi (s. Kol. 2:9-10). Möglich ist das nur im Leib Christi – der Kirche (s. Eph. 2:21-22; 5:23,27,30). „Heilig“ aber ist kein Mensch aufgrund seiner Taten, sondern dank der ihm in den Mysterien der Kirche verliehenen Gnade Gottes und aufgrund seines eigenen Entschlusses (s. 2 Tim. 1:9). Grundlage hierfür ist der Glaube. Wenn ich z.B. ohne den rechten Glauben an der heiligen Eucharistie teilnehme, werde ich nicht geheiligt, sondern verdammt (s. 1 Kor. 11:27-29); so verhält es sich auch mit den übrigen Gnadengaben des Heiligen Geistes (s. Hebr. 6:4-8).
Also ist der Mensch nach Gottes Heilsplan dazu bestimmt, heilig zu werden. So war es von Anfang an, so ist es auch jetzt (s. Eph. 1:4; Kol. 1:22). Wir sollen demnach alle „Gott ähnlich sein“ (s. Gen. 1:26), uns nach Seinem Vorbild vervollkommnen (s. Mt. 5:48; Jak. 2:22; 1 Petr. 2:9; 1 Joh. 4:17; 2 Kor. 13:9; Kol. 3:14; Hebr. 7:11; 11:40; 12:23). Ich kann also die mir von Gott gegebene Gabe sogar vermehren, auch weiterhin „Gnade über Gnade“ (Joh. 1:16) von Ihm empfangen.
Was aber muss ich dazu tun? Tausend Tage und Nächte wie der heilige Seraphim (+1833) auf einem Felsen knien und beten? Dem heiligen Antonios (+356) nacheifern, der auf der kalten Erde schlief, oder dem heiligen Nikita von Perejaslawlj (+1186), der als Säulensteher zudem noch schwere Eisenketten am Leibe trug? - Nein. Meine Bestimmung ist eine andere; die muss ich vor Gott erfüllen (s. 1 Kor. 7:20-22). Aber wie? - Natürlich, indem ich immerfort im Glauben wachse (s. Hebr. 11:23-12:3) und mich von Gottes Vorsehung leiten lasse. So glaube und bekenne ich: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh. 4:8,16). Alles, was in dieser Welt passiert, und alles, was mit mir persönlich geschieht, ist Bestandteil des göttlichen Heilsplanes, denn Gott wird alles zu einem glänzenden Ende führen, auch wenn es zur Zeit noch sehr schwer zu ertragen und mit menschlichen Verstand jetzt noch nicht zu begreifen ist (s. Jes. 55:6-13). Aber gerade darin äußert sich unser Gottvertrauen: „Gesegnet der Mann, der auf den Herrn sich verlässt und dessen Hoffnung der Herr ist“ (Jer. 17:7). Warum also dieser blinde, von der eigentlichen Seelsorge nur ablenkende pseudochristliche Aktionismus, der in so manch einem die Vermutung nahelegen könnte, der Herrgott sei ohne unsere tatkräftige Hilfe nicht in der Lage, Gerechtigkeit und Ordnung in dieser Welt zu schaffen?.. „Beleidigt nicht den Heiligen Geist, Dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph. 4:30; vgl. Mt. 12:31-32; Mk. 3:28-29). Nicht Gott ist in der Bringschuld, sondern wir müssen unsere Herzen verändern, dort wieder Platz für den Geist Gottes schaffen: „Gott aber, Der uns und euch in der Treue zu Christus festigt und Der uns alle gesalbt hat, Er ist es auch, Der uns Sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil (am verheißenen Heil) den Geist in unser Herz gegeben hat“ (2 Kor. 1:22). Dieses Unterpfand der Gnade gilt es forthin zu behalten (vgl. Offb. 2:25 und 3:11-13) und zu vermehren (s. Mt. 25:14-30; Lk. 19:11-17). Dann können wir uns getrost in die Obhut unseres Herrn begeben: „Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. Somit nimmt Sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen, der Geist Selbst tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, die wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein. Wir wissen, dass Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach Seinem ewigen Plan berufen sind“ (Röm. 8:25-28).
Müssen wir Christen uns nun auf Kirchentagen versammeln, um die Welt vor allen möglichen Katastrophen zu retten?.. Dienen diese bunten Aufmärsche nicht eher dazu, das eigene Gewissen zu beruhigen? Schließlich geht es den verzweifelten Menschen in den Ländern, aus denen sie nun in riesigen Scharen zu uns kommen, nur so schlecht, weil die reichen Industrienationen die finanziellen und ökonomischen Regeln des Welthandels nach ihrer eigenen Facon bestimmen: Rohstoffe aus Afrika und Asien (aber auch aus Osteuropa) werden billig importiert und Fertigprodukte wieder dorthin teuer exportiert, dazu noch unser Müll entsorgt; es werden andauernd Kriege zur Verteidigung dieser Weltordnung geführt, während die Menschen sowohl bei uns als auch in den Kriegsgebieten im Glauben gelassen werden, es gehe hier um die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten. Wollen wir so die Welt verändern? Gut gemeint, gewiss. Aber ist das mit der Mission Christi, mit dem Wort Gottes vereinbar? Und der unermüdliche Einsatz für die Rechte gewisser Minderheiten, die sowieso praktisch die gesamte politische und mediale Landschaft beherrschen!? All das bewirkt die Preisgabe urchristlicher Werte in unseren ehemals christlichen Ländern (s. Röm. 1:26-32; 1 Tim. 3-11), aber die Frauen und Männer mit trendigen giftgrünen Tüchern und regenbogenfarbenen Perlenketten um den Hals merken es gar nicht! Wenn diverse Minderheiten in unserem Rechtsstaat offen entsprechend ihrer Neigung leben dürfen und sogar in allen Belangen gleichgestellt sind, dann ist das so, und wir haben das zu akzeptieren. Wir können und werden uns aber nicht damit abfinden, dass diese gesellschaftliche Veränderungen gleichsam im Namen Christi vonstatten gehen. Vor einigen Jahrzehnten hätte man bestimmte Begrifflichkeiten, die nun zu Themenschwerpunkten des Kirchentags in Dortmund geworden sind, gar nicht auszusprechen gewagt – und jetzt soll das alles mit Gottes Liebe in Einklang gebracht werden?! Und merken die auf links-grünes Gedankengut getrimmten gesellschaftlichen Erneuerer ferner nicht, dass eine durch die sog. historisch-kritische Auslegung entkernte Botschaft, zu der die faktische Leugnung der jungfräulichen Geburt (s. Mt. 1:18,20; Lk. 1:35) und der leiblichen Auferstehung Christi (s. 1 Kor. 15:14) wie selbstverständlich dazugehören, rein gar nichts mehr mit dem Evangelium vom Reich Gottes zu tun hat? Und was machen die verbliebenen Aufrechten eigentlich noch dort, wo so etwas verkündet wird (vgl. 2 Kor. 6:14-7:1)?!..
Das Evangelium fordert uns nicht dazu auf, den sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Zustand dieser Welt zu verbessern, aber es verbietet auch nicht, hierzu durch verantwortungsvolles Handeln und im Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit und Beistand beizutragen. Allerdings zeigt uns die Heilige Schrift des Neuen Testamentes einen Weg auf, den, wenn er erst einmal beschritten worden ist, niemand mehr verlassen will. Er führt zur unaussprechlichen Freude all derer, die alles um Christi willen aufgegeben, dafür aber schon hier das Hundertfache erhalten haben und dazu das ewige Leben gewinnen werden (s. Mt. 19:29). Wollen wir also vornehmlich auf das Acht haben, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben“ (1 Kor. 2:9). Wenn wir das tun, werden nach den Worten des heiligen Seraphim Tausende um uns herum gerettet werden. Und das wird Gott dann nebenbei dazu bewegen, die äußeren Lebensumstände der Menschen und Tiere auf diesem Planeten zu verbessern. Es kommt nur darauf an, nach den Regeln des Herrn zu agieren und die richtigen Prioritäten in diesem zeitlichen Leben zu setzen (s. Mt. 16:26; Mk. 8:37; Lk. 9:25). Amen.