Predigt zum 6. Herrentag nach Pfingsten (Röm. 12:6-14; Mt. 9:1-8) (28.07.2019)
Liebe Brüder und Schwestern,
wieder werden wir mit der Heilung des Gelähmten in Kafarnaum konfrontiert, dem unser Herr nicht nur vor allen Anwesenden die Gesundheit schenkt, sondern – mehr noch – die Vergebung seiner Sünden gewährt. Aus dem Textzusammenhang geht eindeutig hervor, dass hier die körperliche Gesundheit stellvertretend für das irdische Wohl und die Vergebung der Sünden für das Seelenheil steht. Der Herr lässt keinen Zweifel daran, welches von beiden prioritär und welches sekundär für uns sein sollte. Seit meiner Jugend aber bewegt mich bei der Lesung des heutigen Abschnittes aus dem Evangelium besonders das folgende Detail: „Da brachte man auf einer Tragbahre einen Gelähmten zu Ihm. Als Jesus ihren Glauben sah, sagte Er zu dem Gelähmten: ´Hab Vertrauen, Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!`“ (Mt. 9:2). Irgendwie dringt aus diesem kurzen Satz der gesamte Optimismus der Frohen Botschaft durch: dank des Glaubens der vier Freunde erlangt der Kranke die Vergebung der Sünden – von der körperlichen Genesung ganz zu Schweigen (die ist aber in Bezug auf das ewige Heil nebensächlich). Daraus lassen sich folgende für das Heil relevante Schlüsse ziehen:
1) der starke Glaube der Einen kann den schwachen Glauben der Anderen in Gottes Augen ergänzen bzw. kompensieren (vgl. Röm. 15:1; Gal. 6:1-2)
2) das Leid in dieser Welt ist nicht sinnlos; denn schließlich hat der Schöpfer und Gebieter des Alls Selbst das Leid auf Sich genommen, um uns zur Herrlichkeit zu führen (s. Hebr. 2:10); Leid kann auf für uns unerklärliche Weise zum Heil führen – zumindest hat der Kranke von sich nichts Erkennbares getan, um die Gnade Gottes zu erlangen, wird aber seelisch und leiblich gesegnet
3) Gottes Vorsehung lässt sich nicht in menschliche Schablonen pressen, sie übersteigt das menschliche Vorstellungsvermögen um das Unendliche (s. Jes. 55:8-8); wir können folglich nur noch im ehrfurchtsvollen Schweigen verharren ob dieser Liebe Gottes zum Menschengeschlecht
4) Gott ist so langmütig und gnädig, dass Er nicht nur wie hier einen Menschen aufgrund des Glaubens von Vieren retten, sondern eine ganze Stadt bzw. die ganze Welt dank des Glaubens einiger weniger Gerechter erhalten kann (vgl. Gen. 18:20-33; Hebr. 11:38)
Damit aber ist klar: ohne Gerechte geht es nicht. Gott hätte auch Sodom verschont, wenn sich dort wenigstens zehn Gerechte gefunden hätten. So aber rettete Er Lot und dessen Familie, während die ganze Stadt unterging. Ähnlich war es bei der Eroberung Jerichos (s. Jos. 6:22-24) und bei der Zerstörung Jerusalems anno 70 n. Chr., als nur die Gläubigen in der Stadt dem Unheil entgingen. Und erst wenn es keinen Glauben mehr geben wird, wird Gott dieser Welt ein Ende setzen (s. Lk. 18:8). Demzufolge muss es uns hier zuvörderst um die Stärkung unseres Glaubens gehen (vgl. Lk. 17:5).
Im Moment sieht es doch so aus, dass wir Christen im Abendland durch den psychologischen Druck des Mainstream erdrückt werden sollen. Unseren Kindern wird schon im Kindergarten eine „rationale“ Denkweise eingeimpft, die einen lebendigen Glauben an Gott still und leise der Lächerlichkeit preisgibt. Folglich müssen wir schon jetzt darauf achtgeben, dass wenn der Deckmantel der Toleranz erst einmal aufgehoben wird, die Gläubigen sehr schnell geächtet werden können (also die, welche sich dem propagierten religiösen Mischmasch nicht anschließen wollen). Aber ist diese sich aggressiv ausbreitende „moderne“ Denkweise tatsächlich so rational, also von der Vernunft bestimmt?! In der Krimiserie „Soko Leipzig“ bittet ein Priester (der sich später – wenn wundert´s?! - als Mörder herausstellt) Hauptkommissar Trautschke: „Respektieren sie bitte meinen Glauben!“, worauf der Ermittler kontert: „Respektieren Sie bitte meinen Verstand!“ - Soll heißen: Glauben ist unvernünftig, Unglauben ist vernünftig. Aber ist das wirklich so? Ich denke, wir sollten einfach selbstbewusster in unserem Glauben sein und ein Weltbild verkörpern, dass die Atheisten mit ihren eigenen Waffen schlägt. Dazu müssen wir zunächst vernünftig genug sein, um nicht an die „Big-Bang-Theorie“ zu glauben. Okay, dass infolge des Urknalls gigantische Mengen an Materie und Energie freigeworden sind, kann man aus rein wissenschaftlicher Perspektive mit einigem Wohlwollen noch nachvollziehen, aber dass aus dem Nichts (aus der toten Materie) Leben entsteht, kann ich mir mit logischer Denkweise nicht erklären. Und der Gedanke, dass aus einer Amöbe irgendwann ein Wurm, später eine Echse, danach ein Vierbeiner, schließlich ein Affe und dann ein denkendes Wesen – der Homo sapiens – entsteht, der auf künstlerischem, geistigem, technischem, wissenschaftlichem Gebiet zu genialen Errungenschaften fähig ist, ist für jeden vernunftbegabten Menschen doch ein Hohn! Sokrates, Leonardo da Vinci, Shakespeare, Puschkin, Beethoven, Mendelejew, Einstein haben alle einen Orang-Utan zum Vorfahren, aus dessen Genfonds sie ihren Genius schöpften?!!.. Spricht das alles nicht vielmehr für ein absolut vollkommenes und souveränes Wesen, das ihnen diese außerordentlichen Eigenschaften eingehaucht hat? - Entscheiden Sie selbst, welche Version für Sie logisch klingt!
Wir können ja auch statt in die ferne Vergangenheit unseres Planeten in die ferne Zukunft schauen. Tun wir das aber für einen kurzen Augenblick ganz „rational“, nämlich so, als ob es keinen „Regisseur“ gäbe, der mit Seiner übermenschlichen Weisheit und überirdischen Gnade die Geschicke der Welt durch Seine Vorsehung lenkt. Wollen wir also jegliche Transzendenz für einen Wimpernschlag gedanklich ausschließen und die Welt, so wie sie ist, „sich selbst überlassen“. Dann könnte es doch passieren, dass die künstliche Intelligenz irgendwann eine solche Vollkommenheit erlangt, dass sie sich verselbständigt und irgendwann seelenlose Roboter, die sich selbst reproduzieren und immer weiter perfektionieren, die Menschen aus Fleisch und Blut „ersetzen“ werden. Und in einigen Generationen wird Klein-Robbie seinen „Großvater“ fragen: „Opa, wer hat denn eigentlich den ersten Roboter erschaffen?“ - „Das waren Menschen; sterbliche Wesen aus Knochen, Fleisch und Blut statt aus Lithium, Chrom und Alkali. Sie waren nicht nach Baureihe oder Konstruktionstyp konzipiert, sondern waren allesamt individuell komplett voneinander verschieden, hatten seelische Gefühle wie Liebe und Hass, Barmherzigkeit und Missgunst, Freude und Trauer; körperlich empfanden sie Hunger und Durst, Schmerzen, Müdigkeit u.v.m. Sie haben uns erfunden und geschaffen“. -- „Meeenschen?!.. Hahahaha!.. Ach, Opa, was erzählst du da für Ammenmärchen?! Lächerlich! Du solltest demnächst mal einen check-up machen oder schleunigst auf dem Techno-Schrottplatz entsorgt werden!“
Klick! - Wieder zurück in die (heutige) Realität! Aber selbst die ist schon furchterregend genug. Ohne den Glauben an Gott befindet sich der Homo sapiens in der größten Identitätskrise seit Menschengedenken. Er weiß nicht mehr, woher er kommt! Er hat den Verstand und die Orientierung verloren, ist aber mehr denn je zu technologischen Höchstleistungen fähig. Mir wird bange.
Aber wollen wir Gott (gnädigerweise) wieder einen Platz im Weltgeschehen „einräumen“. Vom „rationalen“ Standpunkt müsste die Welt doch aufgrund der rasant fortschreitenden technischen, ökonomischen, sozialen etc. Entwicklung inzwischen ein solches Maß an Stabilität, Wohlstand und Gerechtigkeit erlangt haben, dass überall paradiesische Zustände herrschen müssten. Aber da es Ihn eben doch gibt, lässt Er es nicht zu, dass die Menschen ein Paradies auf Erden ohne Ihn schaffen. Warum? - Weil diese Idee vom Widersacher stammt, der nur eines will: unser Verderben. Er verspricht uns alle irdischen Güter, wenn wir uns nur von Gott lossagen und stattdessen ihm huldigen (vgl. Gen. 3:5-6; Mt. 4:8-10; Lk.4:5-7). Denn würde dieser Plan aufgehen und würde die Menschheit tatsächlich einmal dauerhaft in Frieden und Wohlstand auf einem ökologisch sauberen Planeten leben, hätte der Widersacher gesiegt, da man dann „keinen Gott mehr bräuchte“. Dabei wissen wir, dass die materiellen, technischen und sozialen Voraussetzungen für eine lebenswerte Welt für alle stets von Anfang an gegeben waren, doch selbst wenn es auf der Welt zehn mal mehr Ressourcen gäbe, würden die Menschen ohne Gott niemals ein gerechtes und friedliches Miteinander auf dem Planeten Erde zustande bringen. Deshalb ermahnt uns Gott dazu, nach dem inneren Frieden, um den wir bei jedem Gottesdienst beten, zu streben (s. Lk. 17:21). Das Paradies mit Gott ist trotz aller immanenter Trübsal schon in dieser Welt erreichbar durch die Kirche Christi, deren Mysterien uns die Gnade zum Streben nach innerer Vollkommenheit sogar im tristen Alltag gewähren: „Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wisst, dass ihr vom Herrn euer Erbe empfangen werdet. Dient Christus, dem Herrn!“ (Kol. 4:23-24). Wahrlich, „das Himmelreich ist nahe“ (Mt. 3:2; 4:17; 10:7; vgl. Mk. 1:15; Lk. 10:9,11 ). Amen.