Predigt zum 19. Herrentag nach Pfingsten / Gedächtnis der Väter des VII. Ökumenischen Konzils (2 Kor 11:31-12:9; Hebr. 13:7-16; Lk. 8:5-15; Joh. 17:1-13) (27.10.2019)
Liebe Brüder und Schwestern,
der Gedenktag der Väter des 7. Ökumenischen Konzils (787 in Nizäa) bietet uns erneut einen willkommenen Anlass, grundsätzlich über die Kirche bzw. über ihre konziliare (slaw. cоборная, griech. katholiki) Daseinsform zu reflektieren. In der heutigen Lesung heißt es: „Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach!“ Und: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr. 13:7-8). Der enge Zusammenhang dieser beiden Bibelverse legt den Schluss nahe, dass die „Vorsteher“ der Kirche in der Verantwortung stehen, die Botschaft des Herrn Jesu Christi zu allen Zeiten unverfälscht und unverändert zu verkünden. Denn weiter lesen wir: „Lasst euch nicht durch mancherlei fremde Lehren irreführen; denn es ist gut, das Herz durch Gnade zu stärken und nicht dadurch, dass man nach Speisevorschriften lebt, die noch keinem genützt haben“ (Hebr. 13:9). Mit „fremden Lehren“ sind hier die Gesetzesregeln gemeint, die von den Judenchristen vehement eingefordert und dadurch zu einem Hindernis bei der Bekehrung der Heiden wurden (s. Röm. 14:15-21). Die penible Auslegung äußerer Vorschriften führte nämlich dazu, dass diese sich dem eigentlichen Ziel – einem vom Geist erfüllten Leben – „entfremdeten“, „denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm. 14:17).
Die jüdischen Speisevorschriften stehen hier modellhaft für jegliche Lehre, die den Gläubigen vom kirchlichen Glauben, respektive, der Gnade des Heiligen Geistes abbringen kann. Damit es nicht dazu kommt, heißt es: „Gehorcht euren Vorstehern, und ordnet euch ihnen unter, denn sie wachen über euch und müssen Rechenschaft darüber ablegen; sie sollen das mit Freude tun können, nicht mit Seufzen, denn das wäre zu eurem Schaden“ (Hebr. 13:17).
Ist damit aber Unterwerfung unter einen repressiven Herrschaftsapparat sowie keinen Widerspruch duldende Folgsamkeit gemeint?! Das würde ja bedeuten, dass die Laien die kirchlichen Vorsteher unkontrolliert machen lassen und ihnen blind vertrauen, d.h. in völliger Unkenntnis der Sachlage nur alles widerspruchslos abnicken sollen. Aber das heute gehörte Gleichnis vom Sämann (Lk. 8:5-15) impliziert doch gerade, dass jedem einzelnen eine große Verantwortung bei der Annahme und der Bewahrung von Gottes Wort zukommt, damit es wirklich auf „guten Boden fällt“. Nicht durch das Diktat von Amtsträgern will Gott Seine Kirche geführt sehen, sondern durch Gehorsam. Der fängt schon in der (christlichen) Familie an. Kinder sind keinen Zwangsmaßnahmen seitens der Eltern ausgesetzt, sondern üben freiwilligen Gehorsam. Ähnlich sollte es im Verhältnis zwischen Mann und Frau sein. Das ist das christliche Familienmodell (s. Eph. 5:21-33), auch wenn es heutzutage viele gerne anders sehen wollen. Auf Zwang oder Abhängigkeit kann Gehorsam jedoch keinesfalls basieren, sondern auf Liebe, Vertrauen und Hochachtung. Mitbestimmung von klein auf klingt zwar verlockend progressiv, lässt aber im Grunde all die genannten Komponenten vermissen, und wäre zu unserem Schaden. Die Gleichstellung ist ja das Ziel, aber die muss man sich erst verdienen durch Liebe, Respekt und Vertrauen, oder zusammengefasst – durch Gehorsam. Wie die himmlische Kirche sich durch ein hierarchisches Prinzip charakterisiert, so ist es auch in der irdischen Kirche: Loyalität ist Voraussetzung für die Liebe und zugleich Beweis ihres Vorhandenseins.
Welche Führungsstruktur sollte denn sonst in der Kirche herrschen? - Demokratie? Die ist für eine kirchenfeindliche oder areligiöse Gesellschaft wohl das geringste Übel als einzige Alternative zum Totalitarismus, aber eine christliche Gesellschaft, vor allem aber die kircheninterne Ordnung, müssten sich doch eher nach dem Wort Gottes ausrichten, finden Sie nicht?
Würde sich demokratisches Gedankengut in der Kirche ausbreiten, könnte das in einer genusssüchtigen und komfortorientierten Gesellschaft wie der unsrigen zu einer ganz anderen Zielsetzung führen, so dass die Kirche unweigerlich zur Interessenvertretung für alle möglichen, nach gesellschaftlicher Anerkennung strebenden Randgruppierungen mutieren würde. Man würde sich dem Säkularismus und dem Mainstream geradezu andienen. Genau das Gegenteil aber erwartet der Herr von jenen, bei denen der Samen auf guten Boden gefallen ist: „Ich habe ihnen Dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch Ich nicht von der Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit; Dein Wort ist Wahrheit. Wie Du Mich in die Welt gesandt hast, so habe auch Ich sie in die Welt gesandt. Und Ich heilige Mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh. 17:14-19). Sagen Sie mir doch bitte, wie sich dieser Spruch des Herrn mit dem Synkretismus der ach so harmoniebedürftigen Christen der Neuzeit verträgt? - „Jeder betet auf seine Weise zu Gott“, „Wir alle glauben doch an einen Gott“ usw. Klar, wenn man Gottes Wort nicht kennt (und es aus Bequemlichkeit und Selbstberuhigung auch nicht kennen will), müssen solche dann humanpsychologisch nachvollziehbaren Thesen ja eine Ersatzorientierung auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit darstellen. Doch derjenige, welcher das Wort Gottes angenommen hat und „hundertfach Frucht“ bringen will (s. Lk. 8:8), benötigt die von Jesus Christus in Seinem Blut gegründete Kirche, die Sein Leib ist und die uns alle miteinander in Liebe und Wahrheit vereint, „denn Erbarmen und Wahrheit liebt der Herr, Gott gibt Gnade und Herrlichkeit. Der Herr wird denen das Gute nicht versagen, die da wandeln in Unschuld“ (Ps. 83:12). Amen.