Predigt zum 17. Herrentag nach Pfingsten / HT nach Kreuzerhöhung (Gal. 2:16-20; 2 Kor. 6:16-7:1; Mk. 8:34-9:1; Mt. 15:21-28) (04.10.2020)
Liebe Brüder und Schwestern,
am heutigen Tag haben wir vier verschiedene Lesungen – zwei aus dem Evangelium und zwei aus dem Apostelbuch – die allesamt willkommenen Anlass zu verinnerlichter Betrachtung bieten. In ihrer Ganzheit wären diese vier Lesungen aber viel zu umfangreich, um in einer Predigt behandelt zu werden. Deshalb wollen wir uns nur jeweils einen kurzen Abschnitt zu Gemüte führen, und versuchen, aus diesen Schriftstellen die uns nützlichen Schlüsse für unser Heil zu ziehen.
Aus der Apostellesung zum Herrentag nach Kreuzerhöhung:
„Ich aber bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich für Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal. 2:19-20).
Wie können wir „durch das Gesetz dem Gesetz gestorben“ sein?!.. Das Gesetz ist doch „heilig“ (Röm. 7:12) und „vom Geist bestimmt“ (7:14). Dennoch: wir sterben mit Christus in der Taufe für das Gesetz, denn das Gesetz ist im Hinblick auf unser Heil „ohnmächtig“ (Röm. 8:3) und „veraltet“ (Hebr. 8:13). „Wir wissen doch: unser alter Mensch wurde mit gekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben“ (Röm. 6:6). Somit kommt mit Jesus Christus das lebendig machende Gesetz des Geistes zur Anwendung, das die Erfüllung des Alten Bundes ist (s. Mt. 5:17). Mit Christus gekreuzigt wurde nicht die menschliche Natur, sondern „das Fleisch mit seinen Leidenschaften und Begierden“ (Gal. 5:24). Will ich der durch die Sünde bewirkten todbringenden Verderbnis entfliehen, muss ich freiwillig mein Kreuz auf mich nehmen und Christus nachfolgen (s. Mk. 8:34). nur so „lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes“, d.h. im krassen Gegensatz zum Leben nach dem „Willen des Fleisches“ (Joh. 1:13). Rechtfertigung durch den Glauben (s. Röm. 3:28; Gal. 2:16; Eph. 2:8; Tit. 3:7) setzt demzufolge voraus, dass wir uns mit Christus substantiell vereinigen. Meine ganze Person ist hierbei involviert: der Geist, das Herz, die Seele, jede Faser meines Körpers; lediglich ein abstrakter Glaube an Gott ist hierbei absolut nicht zielführend.
Aus der Apostellesung zum 17. Herrentag nach Pfingsten:
„Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes … Reinigen wir uns also von aller Unreinheit des Leibes und des Geistes, und streben wir in Gottesfurcht nach vollkommener Heiligung“ (2 Kor. 6:16a; 7:1).
Sind wir der Tempel Gottes, dann müssen wir doch „heilig“ sein (s. 1 Kor. 3:16)! Wenn Gott uns dazu berufen hat, „Tempel des Heiligen Geistes“ zu sein (s. 1 Kor. 6:19), müssen wir uns doch „vor aller Unreinheit des Leibes und des Geistes“ reinigen und „in Gottesfurcht nach vollkommener Heiligung“ streben. Reumütige Passivität reicht hier nicht. Wir befinden uns während dieses Lebens unter ständiger Einwirkung der sündhaften Neigungen der Seele und des Leibes, die sogar unseren Willen befallen, so dass wir automatisch sündigen, wenn wir nicht dagegen vorgehen. Um diesem Dilemma zu entkommen, müssen wir die Fesseln der Sünde ablegen und beherzt nach Heiligkeit streben. Wie geht das aber ohne Zerknirschung des Herzens und Bußfertigkeit? Im Grunde müsste jeder von uns ständig seinen gefallenen Zustand derart beweinen, dass ihn keine zehn Pferde vom Mysterium der Beichte und von der Teilnahme am Leib und am Blut Christi abhalten könnten. Und wie sehr müssten wir uns dann mit denen versöhnen wollen, die wir durch unser Verhalten gekränkt haben! - Das bedeutet „in Gottesfurcht nach vollkommener Heiligung streben“! Da wir aber „Tempel des lebendigen Gottes“ sind, sollten wir die Kraft aufbieten, um dies zu tun.
Lesung aus dem Evangelium zum Herrentag nach Kreuzerhöhung:
„Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Mk. 8:36-37).
Da gibt es nicht viel zu reden. Leben = Seele (s. 8:35), will heißen: Die Seele eines jeden Menschen ist unendlich wertvoller als die ganze Welt! Allerdings ist dieser wertvollste aller Schätze vom Rücktausch ausgeschlossen. Dieser Schatz wurde umsonst von Gott gegeben, kann aber bei Verlust durch nichts mehr rückerstattet werden. Es ist demnach die schlimmste Vorstellung von allen, wenn man seine Seele verliert. Die Gnade Gottes uns gegenüber ist unendlich, doch welch eine immense Verantwortung bringt das für uns mit sich!..
Lesung aus dem Evangelium zum 17. Herrentag nach Pfingsten:
„Er (Christus) erwiderte: ´Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen`. Da entgegnete sie (die Kanaanäerin): ´Ja, Du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen“ (Mt. 15:26-27).
Der Herr zeigt Sich erkennbar abweisend gegenüber der Kanaanäerin. Doch die so Gedemütigte lässt nicht ab von ihrem Flehen. Ihr Glaube ist stärker als ihre Eigenliebe. Wo finden wir so etwas heute noch vor?!.. Wann lernen wir endlich, Demütigungen zu ertragen und Beschimpfungen als gerechtfertigt anzunehmen?So erlangen wir die Gnade Gottes. Kurzum: „Es ist Zeit, den Herrn zu suchen; dann wird Er kommen und euch mit Heil überschütten“ (Hos. 10:12b). Amen.