Predigt zum 18. Herrentag nach Pfingsten / Gedächtnis der Väter des VII. Ökumenischen Konzils (2 Kor. 9:6-11; Lk. 7:11-16) (24.10.2021)
Liebe Brüder und Schwestern,
am heutigen Herrentag gedenkt die Heilige Kirche der Väter des 7. Ökumenischen Konzils, das im Jahre 787 in der Stadt Nicäa die Verehrung der heiligen Ikonen nach dem Bildersturm wiederherstellte. Den Vorsitz führte der Patriarch von Konstantinopel Tarasios. Dieser war kurz zuvor noch ein hoher weltlicher Würdenträger gewesen, der aber in einer für die Kirche äußerst kritischen Situation diese schwere Bürde auf sich nahm, nachdem sich sein Vorgänger Paul unter den häretischen Kaisern kompromittiert und das Erzbistum Konstantinopel („Patriarchat“ war zu der Zeit noch keine offizielle Bezeichnung) in die Isolation geführt hatte. Durch diese wichtige Personalie stand nach sechs Jahrzehnten wieder ein orthodoxer Patriarch der Kirche der Kaiserstadt vor. Befürworter seiner Ernennung waren die rechtgläubige Kaiserin Irina und ihr Sohn Konstantin gewesen, denen der hl. Tarasios sofort nach Abdankung seines Vorgängers die Berufung eines Konzils zur Verurteilung der Häresie des Ikonoklasmus abverlangte. Die Kirche von Konstantinopel war damals wegen der von den ikonoklastischen Kaisern Leo Isaurios und Konstantin Kopronymos aufgezwungenen Häresie aus der Gemeinschaft der übrigen Kirchen ausgeschlossen worden. Überhaupt war der Bildersturm, anders als die ihm vorangegangenen Irrlehren, keine Häresie im herkömmlichen Sinne, da sie nicht aus der Mitte des Klerus oder des Kirchenvolkes hervorgegangen war, sondern unter dem kulturellen Einfluss des Islam von den ketzerischen Kaisern propagiert und mit brutalster Gewalt durchgesetzt wurde. Da sich die übrigen Patriarchate des Ostens infolge der muslimischen Eroberungen jedoch nicht mehr unter der politischen Herrschaft der oströmischen Kaiser befanden, blieb der Einfluss Letzterer allein auf Byzanz beschränkt. Rom war schon lange außerhalb deren Machtbereichs, hatte bis dahin aber politisch, kulturell, militärisch und wirtschaftlich noch keine bedeutende Rolle gespielt. Das änderte sich jedoch mit dem Aufstieg der Karolinger in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Dem Bischof der alten Hauptstadt gebührte bekanntlich seit jeher der Rang des „Ersten unter Gleichen“, so dass er in der Ehrenrangfolge aller fünf damaligen Patriarchen stets den ersten Platz eingenommen hatte. Papst Hadrian, der nun dank politischer Rückendeckung durch die mächtigen Frankenkönige einer der ersten Verfechter des Absolutheitsanspruchs der Römischen Kirche (d.h. über den Ehrenprimat hinaus) war, entsandte seine Legaten zur Beilegung des Konflikts nach Nicäa, sah im übrigen aber keinen Anlass für eine umfassende Debatte über die Richtigkeit der Ikonenverehrung, da er diese bereits ausreichend durch biblische Stellen belegt sah (s. Ex. 25:18-22; 26:1; 37:7-9; Num. 7:89; 1 Kön. 4:4; 3 Kön. 6:23-35; 8:6-7; 2 Chr. 3:10-13; 5:7-8; Hebr. 9:5). So kam das Konzil im zweiten Versuch zustande, nachdem der erste Jahre zuvor durch die kaisertreuen Hauptstadt-Garnison auseinandergetrieben worden war und die kleinmütigen Bischöfe danach auf einem Räuberkonzil der Häresie anhingen. Als diese nun gesamtkirchlich verurteilt worden war, kam es jedoch zur fatalen Kehrtwende im Westen. Durch ihren immer stärker werdenden Einfluss auch auf kirchliche Belange übten die Karolinger jetzt Druck auf die Päpste aus, die Ikonenverehrung im Abendland zu bekämpfen (Konzil 794 in Frankfurt, einberufen von „Karl dem Großen“). So erwuchs den Byzantinern ein ebenbürtiger Gegenspieler im Abendland, wodurch die Römische Kirche zugunsten machtpolitischer Erwägungen zunehmend instrumentalisiert wurde. Das hegemoniale Konzept der Franken sah die Diskreditierung der Byzantiner und das damit einhergehende Vorantreiben der universellen Herrschaftsansprüche der Römischen Kirche vor – eine Entwicklung, die zwei Jahrhunderte später in der endgültigen Abspaltung der Westkirche von der Orthodoxie gipfeln sollte.
Auf dem Konzil, das wegen der instabilen politischen Lage nicht in der Hauptstadt abgehalten wurde, bekannten sich die untreu gewesenen Bischöfe zu ihrer Schuld, auch die, welche aufrichtig dem Irrglauben verfallenen waren. Alle wurden wieder in Amt und Würden eingesetzt. Trotzdem kam es danach unter Kaiser Leo dem Armenier zu einem zweiten Aufflackern der Häresie, die erst unter Kaiserin Theodora im Jahre 845 endgültig überwunden werden konnte.
Manche Menschen begreifen bis heute nicht, weshalb sich die Kirche stets den Häresien entgegengestemmt hatte. Ihnen geht das Verständnis dafür ab, dass jede Fehlentwicklung im Keim erstickt werden muss, noch bevor sie größeren Schaden anrichtet. Wenn ein Kind Fehler macht, ist es im Anfangsstadium noch unschuldig, muss aber dennoch zurechtgewiesen werden. Wenn sich das Kind nach der ersten liebevollen Ermahnung belehren lässt, haben Liebe und Wahrheit triumphiert. Wenn sich Glieder der Kirche jedoch stur stellen, bedeutet dies, dass sie sich wie unbelehrbare Kinder selbst der Lächerlichkeit preisgeben und zum Gespött des Satans werden. Mit ihnen darf dann keine kirchliche Gemeinschaft mehr gepflegt werden (s. Mt. 18:15-17; Tit. 3:10). Gott respektiert die Freiheit des Menschen, auch wenn sich dieser für einen Weg ohne bzw. gegen Gott entscheidet. So oder so wird er Rechenschaft ablegen müssen (s. Joh. 3:17-21). Zwangsmaßnahmen sind Gott zuwider; Er verzichtet darauf, irgendjemand mit Gewalt bekehren zu wollen. Die uns geschenkte Freiheit geht folglich mit Verantwortung einher. So ist es unabdingbar für uns, mit Gott zu kooperieren. Niemand wird schließlich behaupten können, er hätte von nichts eine Ahnung gehabt. Wir wissen alle, dass es einen Weg gibt, „die Seligkeit zu erlangen in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit“ (1 Tim. 2:10). Amen.
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2021
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