Predigt zum 27. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 6:10-17; Lk. 13:12-19) (18.12.2022)
Liebe Brüder und Schwestern,
bekannterweise wird die Episode von der Reinigung der zehn Aussätzigen nicht nur ein Mal im Jahr während der Göttlichen Liturgie am 29. Herrentag nach Pfingsten gelesen, sondern jedes Mal im Rahmen einer Danksagung für uns erwiesene Wohltaten des Herrn. Manche Menschen tun sich jedoch schwer mit der Dankbarkeit gegenüber Gott, vor allem dann, wenn der Herr nicht alles zu 100% nach ihren Wünschen geschehen lässt. Das Wort Gottes lehrt uns: „Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch“ (1 Thess. 5:18). Wie kann man aber dankbar für alles sein?! Ist das denn überhaupt möglich?.. Der Schlüssel für das Verständnis dieses für den irdisch gesinnten Menschen, zugegeben, schwierigen Sachverhalts liegt in den Worten, die jeder Christ täglich spricht: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ (Mt. 6:10). Der Herr hat vor Seinem Leiden Selbst vorgemacht, wie es sich mit diesen Worten verhält (s. Mt. 26:39,42; Mk. 14:36; Lk. 22:42). Wir wissen, dass Gottes Wille „das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“ ist (Röm. 12:2). Wenn nun der Wille Gottes ohne jede Einschränkung heilig, gut und vollkommen ist, dann soll eben auch unser Wille darauf ausgerichtet sein, dass Gottes Wille in allen Dingen geschehe.
Gesetzt den Fall, dass ich schwer krank bin und heftig leide. Natürlich würden die meisten an meiner Stelle um Gesundheit beten, was aus menschlicher Sicht sicherlich nicht verkehrt und völlig nachvollziehbar ist. Trotzdem sollte ich als Christ Gott nicht vorschreiben wollen, wie Sein Wille zu sein hat. Deshalb ist es immer ratsam, um Gottes Gnade zu beten: „Kyrie, eleyson! Herr, erbarme Dich! Господи, помилуй!“... Wie diese Gnade jedoch aussehen wird, will ich dem Herrn überlassen, in Dessen Hände ich mein zeitliches und mein ewiges Schicksal lege (vgl. 2 Kor. 2:9; Hebr. 11:6). Er besitzt ohnehin alle Macht auf Erden und im Himmel (s. Mt. 28:18).
In meiner Überlegung gibt es im vorausgesetzten Fall ja nur drei Optionen:
1. Die Krankheit führt zu meinem Tode. Dann danke ich dem Herrn dafür, dass Er mir die Zeit gegeben hat, Ihm noch vor meinem Hinscheiden meine Reue zu bekunden und mich auf den Übergang in die Ewigkeit vorzubereiten. Welch eine Gnade des Herrn im Hinblick auf das Seelenheil mir Sünder gegenüber!
2. Die Krankheit wird lange Zeit anhalten, vielleicht werde ich auch gar nicht mehr gesund. In diesem Falle danke ich dem Herrn dafür, dass Er mir diese Prüfung geschenkt hat. Wenn ich dieses Kreuz bereitwillig annehme und den Herrn dafür preise, wird dies mir zur Heiligung (s. 1 Thess. 4:3) und zur Rettung gereichen können (s. 1 Tim. 2:4). Ich weiß ja, dass Gott keinen Gefallen am Tode des Menschen hat (s. Mt. 18:14; Joh. 6:39). Dieses Leiden schickt mir Gott zu meiner Rettung (s. 1 Petr. 2:20), weil es mich von der Sünde reinigt (s. 1 Petr. 4:1). So werde ich auf direktem Wege zu einem Nachfolger des Herrn (s. 1 Petr. 4:19). Welch eine Gnade des Herrn erneut mir Sünder gegenüber!
3. Ich werde von meinem Leiden geheilt. Dadurch richtet der Herr umgehend quasi diese Wort an mich: „Jetzt bist du gesund; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt“ (Joh. 5:14). Und was kann schlimmer sein, als eine schwere körperliche Krankheit? Wohl nur die ewige Verdammnis! Sind wir uns dessen bewusst, dass diese Option die problematischste von allen dreien ist, da sie von mir am meisten abverlangt? Die beiden ersten Varianten erfordern Schicksalsergebenheit und Geduld; hier aber stehe ich aktiv in der Verantwortung vor Gott. Ich will mich doch wirklich nicht der Gefahr ausgesetzt sehen, erneut ein sorgloses und ausschweifendes Leben zu führen.
Wie dem auch sei, bin ich froh und dankbar, dass ich diese Entscheidung nicht selbst treffen muss. Ich weiß, dass Du, Herr, für mich das Beste willst und mir niemals etwas abverlangen wirst, was meine Möglichkeiten übersteigt, und mir immer einen Ausweg in der Not zeigen wirst (s. 1 Kor. 10:13).
Aus leiblicher, zeitlicher, irdischer Sicht bleiben immer Wünsche offen. Die, welche alles in Fülle haben (Gesundheit, Geld, Familie) sind oft unglücklicher als die, welche das alles nicht haben, aber mit Gott leben. Es kommt darauf an, welche Prioritäten man setzt, was bei uns an oberster Stelle in der Werteskala angesiedelt ist: das Seelenheil oder das irdische Wohlergehen. Einen Lackmustest sehe ich bei Begräbnisfeiern. Wenn die Auferstehung für Hinterbliebene bloß eine abstrakte Größe ist, dann gibt es im realen Bewusstsein dieser Menschen kein „Leben danach“. Dann treffen die Worte des Apostels zu: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor. 15:19). Und diese Erbärmlichkeit sieht man dann beim Abschiednehmen.
Wenn wir alle unsere äußeren Lebensumstände, sowohl in Bezug auf unsere persönliche Situation, als auch auf die globale Lage aus geistlicher Sicht betrachten, werden wir erkennen, dass wir es in erster Linie nicht mit sichtbaren Feinden zu tun haben (s. Eph. 6:12). Davon handelt die heutige Lesung aus dem Apostelbuch. Und wenn wir uns diese spirituelle Sichtweise generell zu eigen machen, werden wir stets die irdische Not des armen Lazarus dem materiellen Überfluss des reichen Mannes vorziehen (s. Lk. 16:19-31). Wie glücklich wir uns doch schätzen müssen, dass wir bis heute noch ungehindert zur Kirche kommen können und an den lebenspendenden Mysterien unseres Herrn – der Eucharistie – teilhaben dürfen! Gott sei Dank (s. Röm. 9:5) dafür! Amen.