Predigt zum 4. Herrentag der Großen Fastenzeit / hl. Johannes Klimakos (Hebr. 6:13-20; Eph. 5:8-19; Mk. 9:17-31; Mt. 4:25-5:12) (25.03.2023)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

nun liegen schon zwei Drittel der Großen Fastenzeit hinter uns. Der vierte Herrentag dieser gesegneten Vorbereitungszeit auf die Passion und die Lichte Auferstehung Christi ist dem heiligen Johannes Klimakos (+ 649) gewidmet, der in seiner „Himmelsleiter“ in 30 Stufen den kontinuierlichen Übergang von einer Tugend zur anderen, und hierdurch den Aufstieg von der in Sünde liegenden zeitlichen Welt zur ewigen himmlischen Herrlichkeit niederschrieb. Wenn auch der heilige Johannes vom Sinai als Autor dieses fundamentalen Werkes der Patristik gilt, beruhen seine darin schriftlich dargelegten Gedanken auf dem schier unerschöpflichen geistlichen Erfahrungsschatz aller Wüstenväter des 3.-7. Jahrhunderts, als der Norden Afrikas und der Nahe Osten noch unter byzantinischer Herrschaft standen. Es waren vor allem die Wüsten Ägyptens (Theben, Raitha, Skite, Sinai, der Berg Nitra), Palästinas und Syriens, in welche die Asketen nach Beendigung der Kirchenverfolgungen von staatlicher Seite das freiwillige Martyrium auf sich nahmen. Nach der Eroberung dieser Gebiete durch die Araber im 8. Jahrhundert entstanden weiter nördlich in Kleinasien und Griechenland sowie vor allem im neuen Herzen der orthodoxen Spiritualität, dem Heiligen Berg Athos, neue Zentren des monastischen Lebens. Auch in Konstantinopel und in anderen größeren Städten wurden neue Klöster gegründet, die immer mehr auch zu Anlaufpunkten für die nach Rettung der Seele suchenden Weltkinder wurden. Im Kern konnte man die Worte der heutigen Lesung aus dem Epheserbrief nehmen, um die Botschaft der Mönche an die in der säkularen Umgebung Lebenden auszudrücken: „So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus; denn es ist böse Zeit“ (Eph. 5:16).

Warum ist diese Zeit böse, nach den Worten des Apostels? - Weil wir in der Welt leben, die aus Raum, Zeit und Materie besteht, und die gänzlich im Bösen liegt (s. 1 Joh. 5:19). Über Raum und Materie äußert sich der Apostel ebenfalls im Brief an die Epheser: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen,, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“  (Eph. 6:12). „Fleisch und Blut“ kann man sehen und mit physischen, biologischen, chemischen und technischen Mitteln bekämpfen; „Mächtige und Gewaltige“, die „in der Finsternis herrschen“ kann man mit den leiblichen Sinnen nicht ohne weiteres erkennen, weil sie aus einer viel feineren Materie bestehen und den Raum „unter dem Himmel“ beherrschen. Gefallene Engel – die Dämonen – können sich viel leichter und viel schneller fortbewegen als Lebewesen, die aus grober Materie bestehen, sie sind zudem auch viel „geschmeidiger“ (eine ganze Legion von bösen Geistern kann z.B. im Körper eines einzigen Menschen unterkommen). Ob wir es wollen oder nicht, sind wir ihrem Wirken jederzeit ausgesetzt, auch wenn wir uns dessen vielleicht nicht bewusst werden. Das liegt ganz einfach an unserer geistlichen Unbedarftheit oder an unserer Kleingläubigkeit wie sie schon die Jünger des Herrn im Falle des besessenen Jungen an den Tag legten (s. Mk. 9:18,28), die zuvor von Christus beauftragt Dämonen ausgetrieben und Kranke mit Öl gesalbt hatten, sodass sie wieder gesund wurden (s. Mk. 6:13). Und dieser Unglaube der Gläubigen (s. 9:24) wiederholt sich heutzutage Tag für Tag.

Wie oft kriege ich in der Beichte zu hören: „Ich rauche, ich saufe, ich fluche, ich treibe Unzucht etc. Ich komme aber einfach nicht dagegen an, ich kann nichts dagegen tun“!? Und neulich kam ein Mann zu mir und fragte: „Batjuschka, können sie etwas dagegen tun, dass ich so viel Wodka trinke?!“... Und das ist die alltägliche Realität, leider. Es sind zudem ja alles getaufte Christen und vom Ansatz her gläubige Menschen. Wir alle müssen unbedingt begreifen, dass wir von einer Vielzahl von unsichtbaren Feinden umgeben sind, die uns das Böse einflüstern, selbst aber dezent im Hintergrund bleiben. Darin besteht ja gerade die Perfidität ihrer Vorgehensweise, dass sie im Falle von geistlich unreifen oder uneinsichtigen Menschen unbemerkt auf deren Herz und Verstand Einfluss nehmen: Sie verleiten uns zu Untreue, Lästerungen, Bosheiten, Neid, Ausschweifungen etc., wollen es aber uns ankreiden (gr. diabolos = Verleumder). Sind wir ihnen also schutzlos ausgeliefert?.. - Nein, nein und nochmals nein! Der Herr sagt uns in der heutigen Lesung: „Diese Art kann nur durch Beten und Fasten ausgetrieben werden“ (Mk. 9:29). Geht der besagte Mann mit der Alkoholsucht oder gehen Menschen mit ähnlichen Problemen regelmäßig in die Kirche? Beten sie auch zu Hause? Halten sie die kirchlichen Fastenzeiten ein? Mag sein, dass sie sich mal während der Mittagspause in die Kirche verirren und eine Kerze aufstellen, aber damit allein ist es nicht getan! Die heilige Kirche bietet uns als Rezept die Fürbitte zu unserem Schutzengel in den täglichen Gebeten nach dem Aufstehen und vor dem Schlafengehen, in den Vorbereitungsgebeten zur Heiligen Kommunion und auch jederzeit spontan dazwischen, an. Der Montag ist zudem sowieso das ganze Jahr über den körperlosen himmlischen Mächten (den guten Engeln) gewidmet. Mit meinem Schutzengel, der mir seit der Taufe zur Seite steht und dessen wohltuende Anwesenheit ich jederzeit mit den geistlichen Augen meiner Seele wahrnehmen kann, habe ich meinen besten Freund und engsten Verbündeten im Kampf gegen das Böse auf meiner Seite! Die in Gebet und Fasten angelernte Zwiesprache mit ihm lässt mich beinahe zu jeder Zeit erkennen, „was dem Herrn wohlgefällig ist“ (Eph. 5:10), sodass auch ich die „Frucht des Lichtes“ erbringen kann, die „in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit“ (5:9) besteht. Amen.

Jahr:
2023
Orignalsprache:
Deutsch