Predigt zum Heiligen und Hohen Freitag (14.04.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
der Große und Hohe Freitag! An ihm gedenken wir des Kreuztodes und der Grablegung des Herrn nur einen Steinwurf entfernt von Golgatha (s. Joh. 19:41-42). Wie wichtig es ist, an diesem Tage innezuhalten! Früher stand auch in Deutschland das Leben still: zur Todesstunde Christi (15.00 – 15.15 Uhr) gab es Sendepause auf allen Radiostationen, mussten sich die im Hof spielenden Kinder ruhig verhalten.
Unser Herr wird heute ans Kreuz geschlagen. Das ist kein tragischer Irrtum, nein. Das Schlimme ist, dass die Leute wussten, Wen sie dem Gericht des Pilatus ausgeliefert hatten und völlig unschuldig verurteilen ließen. Denn schon nach der ersten Begegnung Christi mit den Pharisäern sagte einer von ihnen zu Ihm: „Rabbi, wir wissen, Du bist ein Lehrer, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann die Zeichen tun, die Du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist“ (Joh. 3:2). Der Herr bestätigt dies auf allegorische aber nicht minder eindeutige Weise im Gleichnis von den bösen Winzern: Diese erkannten im Sohn des Gutsbesitzers den Erben und brachten ihn um, damit sie sich des Erbguts bemächtigen konnten (s. Mt. 21:38-39; Mk. 12:6-8; Lk. 20:14-15). Und heute setzt sich dieser Kampf des Bösen gegen das Gute mit unverminderter Bosheit in dieser Welt fort. Die Mächte des Bösen bekämpfen ja keinen Gott, an Den sie nicht glauben (das wäre geradezu absurd), sondern Gott, an Den sie sehr wohl glauben (s. Jak. 2:19)! Wenn wir uns vergegenwärtigen, was seit Jahren in der modernen Gesellschaft in Ost und West passiert, können wir nicht anders als feststellen, dass das Böse im Vormarsch ist. Warum lässt Gott das zu?! - Aus demselben Grunde, wie Er den Kreuztod Seines Sohnes zuließ. „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden. Denn wie die Sünde herrschte und zum Tode führte, so soll auch die Gnade herrschen und durch Gerechtigkeit zum ewigen Leben führen, durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm. 5:20-21). Die Bosheit der Menschen ist groß, aber nicht unendlich. Selbst die Bosheit des Teufels ist endlich, Gottes Liebe aber ist unerschöpflich! Am Kreuze hängend betete der Menschensohn für Seine Henker: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk. 23:34). Keine Rechtfertigung, kein Freispruch der Peiniger, aber ein Flehen um Vergebung ihrer Schuld. Sie sind ja nicht unschuldig, sehr wohl aber verblendet. Und dieses Gebet Christi ist stärker als alles in dieser Welt. Es birgt die Hoffnung der gefallenen Welt in sich. Und wir können uns am Erlösungswerk Christi beteiligen.
Wie gesagt, diese Geißelung und Hinrichtung Christi findet in dieser Welt ihre Fortsetzung: „Wenn sie Mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15:20). Christus kündigte vor Seinem Leiden an, dass die Peiniger künftiger Generationen ebenso nicht wirklich begreifen werden, was sie tun: „Es kommt die Stunde, in der jeder, der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten“ (Joh. 16:2). Warum aber werden Menschen zu Monstern? Warum tun sie immerfort abartig Schlimmes, wovon sie nicht wissen, dass es schlimm ist?!.. Das kann nur der begreifen, der geistlich gesinnt ist (s. 1 Kor. 2:14-15). Er weiß – auch aus Erfahrung, – dass es da einen gibt, der normalerweise nicht mit unseren leiblichen Sinnen wahrnehmbar ist und dezent im Hintergrund bleibt, dabei aber über ein gewaltiges intellektuelles, psychologisches, manipulatives etc. Potenzial verfügt. Der größte Vorteil eines jeden Feindes ist es ja, wenn er unsichtbar bleibt. So kann er seine ganze Kampfkraft ausspielen, ohne auf ernsthafte Gegenwehr zu stoßen. Doch wir haben die Kirche, die uns vor diesen hinterhältigen Anschlägen schützt und uns lehrt, diesen zu widerstehen: „Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt. Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs. Darum legt die Rüstung Gottes an, damit ihr am Tag des Unheils standhalten, alles vollbringen und den Kampf bestehen könnt“ (Eph. 6:10-13). Jeden von uns ermahnt der Apostel Paulus zudem: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm. 12:21). Das ist nur möglich, wenn man seinen Widersacher kennt und auf seine Angriffe vorbereitet ist. Sonst ist man dessen Fallstricken wehrlos ausgeliefert und tut dessen Willen, ohne es zu merken. So war es mit den Juden in Jerusalem am Karfreitag vor zweitausend Jahren, so war es zu allen Zeiten, so ist es bis heute. Wie sonst sind z.B. die satanischen Aufmärsche gegen die Betenden vor dem Kiewer Höhlenkloster zu erklären?!.. Und das sind beileibe keine Einzelfälle mehr.
Das finale Aufeinandertreffen zwischen Gut und Böse, bei dem keiner mehr unbeteiligt am Rande bleiben kann, steht noch bevor. Eigentlich war es zu keiner Zeit möglich, sich um eine konkrete Positionierung im grotesk ungleichen Kampf zwischen Gott und Seinem Widersacher zu drücken (s. Mt. 6:24; Lk. 16:13). Der Ausgang ist vorentschieden, und die Mehrheit entscheidet sich für das Lager der Verlierer. Auch angeblich Gläubige, denen die spirituelle Dimension völlig abgeht, laufen Gefahr, sich auf die falsche Seite zu schlagen: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor. 15:19).
Diese Entscheidung treffen, wie die beiden Schächer (s. Lk. 23:32-43), bewusst oder unbewusst wir alle, wenn wir vor dem Kreuz Christi, das heute der ganzen Menschheit erscheint (s. Ps. 73:12; 98:5), stehen. Entweder werden wir diesen neuen paradiesischen Baum des Lebens (s. Gen. 2:9; 3:24) annehmen oder ihn brüsk ablehnen. Amen.