Predigt zum 7. Herrentag nach Ostern / Väter des I Ökumenischen Konzils (Apg. 20:16-18,28-36; Joh. 17:1-13) (28.05.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
wir befinden uns in der Zeit zwischen der Himmelfahrt Christi und der Niedersendung des Heiligen Geistes. Der in diese Zeit fallende 7. Herrentag nach Ostern ist den Vätern des I. Ökumenischen Konzils gewidmet. Er steht gewissermaßen für das Unvollendete, das die Einberufung des ersten Ökumenischen Konzils und aller übrigen Konzile vor und nach ihm notwendig machte. Diese Konzile befassten sich mit von Menschen ausgedachten, auf menschlichem Verständnis beruhenden Lehren, die von den Konzilsvätern sorgsam geprüft und dann als Häresien verworfen wurden. Das I. Ökumenische Konzil wurde anno 325 von Kaiser Konstantin dem Großen in der Stadt Nicea einberufen. Ursache hierfür war die Irrlehre des Arius, welche die Einheit des gesamten Römischen Reiches bedrohte. Der heilige Konstantin bekundete selbst, er habe sämtliche Feinde des Reiches (militärisch, politisch) besiegt, doch die größte Gefahr gehe von den Feinden innerhalb des Leibes Christi aus. So groß war das Potenzial des Glaubens, dass es bei Spaltungen und Konflikten das Römische Reich in seinen Grundfesten erschüttern konnte. Kein Wunder also, dass die Feinde meiner historischen Heimat stets bemüht sind, die Kirche Christi anzugreifen, um dadurch leichter Trennungen in Staat und Gesellschaft herbeizuführen. So war es früher, so ist es heute.
Der alexandrinische Presbyter Arius lehrte, dass Jesus Christus nicht Selbst Gott sei, dem Vater nicht ebenbürtig, sondern Schöpfung Gottes und mit Gott dem Vater nicht eines Wesens sei. Heute können viele Menschen kaum etwas mit dem Begriff Häresie anfangen. Für religiöse Einfaltspinsel sind dogmatische Fragen bloß Haarspaltereien, bar jeglichen Bezugs zum realen Leben. Deshalb ein Paar Worte zur Klärung des Begriffs. Eine Häresie ist eine Irrlehre. Wenn es um höchste theologische Wahrheiten geht, darf man deren Bedeutung nicht herunterspielen, um seine eigene Ignoranz zu kaschieren („Alle glauben doch an einen Gott!“). Es geht darum, von Anfang an auftretende Fehlentwicklungen im Leben der Kirche behutsam aber nachhaltig zu korrigieren. Wenn z.B. Kinder fehlerhaft sprechen oder etwas falsch machen, darf man gewiss noch darüber lächeln, sollte aber schon da mit der Korrektur der Aberration beginnen. Bei Erwachsenen wird so etwas aber schon für höhnisches Gelächter sorgen. Und wie viel bedeutsamer ist es, dass wir das wahre Verständnis von Gott haben, das für eine richtige Verehrung Gottes (Orthodoxia) unerlässlich ist!
Die heute vorgelesene Passage aus dem Johannes-Evangelium stellt das Herzstück der Abschiedsrede unseres Herrn zu Seinen Jüngern dar. Und passend dazu lesen wir heute die Abschiedsrede des Apostels Paulus an die Presbyter von Ephesos aus der Apostelgeschichte. Alles, was Christus sagt, muss in dem Kontext verstanden werden: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh. 1:14), was der Ausgangspunkt unseres Glaubens und der Ursprung unserer Osterfreude ist. Der Sohn ist ja vor aller Ewigkeit mit dem Vater im Himmel verherrlicht (s. Joh. 17:5); doch jetzt betet Er zum Vater, Dieser möge Ihn, den Sohn, verherrlichen, nachdem Der den Vater auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt hatte, das Ihm der Vater aufgetragen hatte (s. 17:4). Jetzt also betet Christus, der Menschensohn, darum, dass Ihn der Vater mit der Herrlichkeit verherrliche, die Er bei Ihm hatte, bevor die Welt war. Der ewig im Himmel verherrlichte Sohn Gottes betet also darum, vom Vater auch auf Erden mit der gleichen Herrlichkeit verherrlicht zu werden. Dieses Hohepriesterliche Gebet unseres Herrn offenbart, dass diese Herrlichkeit nur durch das Leiden Christi und Seinen Kreuztod erlangt werden kann. Der Fleisch gewordene Logos offenbarte Sich den Menschen in „Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (s. Joh. 1:14), so wie es der Prophet David im Heiligen Geist geweissagt hatte: „Gerechtigkeit und Recht sind die Bereitung Deines Throns, Erbarmen und Wahrheit gehen Deinem Antlitz voraus“ (Ps. 88:15).
Wir wissen, dass Gott die Liebe ist (s. 1 Joh. 4:7-16). Aber Christus bezeugt, dass Er auch die Wahrheit ist (s. Joh. 14:6). Im Logos erkennen wir die vollkommene Symbiose von Liebe und Wahrheit, von Gnade und Gerechtigkeit. Die unendliche Liebe Gottes machte es möglich, dass der gefallene Mensch doch noch die Gnade Gottes erlagen konnte, jedoch musste auch der unergründlichen Wahrheit Gottes genüge getan werden, weil sonst die Gerechtigkeit außer acht gelassen worden wäre. Der Mensch hatte ja, der Gerechtigkeit Gottes gemäß, infolge des Ungehorsams die Strafe des Todes verdient (s. Gen. 2:17). Doch nun will der Mensch Jesus Christus diesen Ungehorsam der Urahnen durch Seinen Gehorsam wieder wettmachen (s. Phil. 2:8); Er wird „die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen“ (Mt. 3:15) – und für uns Menschen den Tod kosten! Und eben das ist, was es bedeutet, mit der Herrlichkeit, die der Sohn beim Vater hatte, verherrlicht zu werden! Worin besteht diese Herrlichkeit? - Der Vater hat dem Sohn „die Macht über alle Menschen gegeben“ (Joh. 17:2a), die der Sohn aber dazu „benutzte“, um Sich zum Opfer für uns all hinzugeben. Seine Macht verwandte Er dazu, den Menschen „ewiges Leben“ (17:2b) zu schenken. Christus spricht vor Seinem Leidensweg: „Das ist das ewige Leben: Dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, Den Du gesandt hast“ (17:3). Es ergibt sich aus diesen Worten keinerlei Interpretationsspielraum für die Suche nach „Gemeinsamkeiten“ mit anderen monotheistischer Religionen. Unsere „gemeinsamen“ Propheten haben allesamt auf Jesus Christus gedeutet, und folglich besteht nach Seinem Erscheinen in der Welt keinerlei Bedarf mehr am Auftreten weiterer „Propheten“. Amen.