Predigt zum 27. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 6:10-17; Lk. 13:10-17) (10.12.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
wir erleben in der Lektüre der heutigen Perikope des Evangeliums ein weiteres Heilungswunder unseres Herrn Jesus Christus. In einer Synagoge erblickt der Herr an einem Sabbat eine Frau, die seit achtzehn Jahren von einem Dämon geplagt einen gekrümmten Rücken hatte, so dass sie nicht mehr aufrecht gehen konnte. „Als Jesus sie sah, rief Er sie zu Sich und sagte: ´Frau, du bist von deinem Leiden erlöst`. Und Er legte ihr die Hände auf. Im gleichen Augenblick richtete sie sich auf und pries Gott“ (Lk. 13:12b-13).
Körperliche Gebrechen, die der Herr heilt, stehen bildhaft für unsere spirituellen Krankheiten: für geistliche Blindheit, für Stummheit oder Taubheit unseres Herzens, für die Lähmung unseres Willens, für den übelriechenden Aussatz unserer Seele usw. Sehr wahrscheinlich heilten der Herr bzw. Seine Jünger auch Menschen mit allen möglichen sonstigen Beschwerden – Zahnschmerzen, Magenbeschwerden oder andere innere Krankheiten (s. Mt. 4:23; 14:34; Mk. 3:15; Lk. 9:2,6; 10:9) – doch konnten nicht alle diese Heilungen in den Berichten der vier Evangelisten Erwähnung finden (s. Joh. 21:25).
Die Verkrümmung des Rückens symbolisiert ebenfalls ein menschliches Syndrom, nämlich die ständige Erdgewandtheit, d.h. ein Dasein, das durch das Wirken dämonischer Kräfte (s. Lk. 13:11,16) kein Aufblicken zum Höheren zulässt. In der Tat sind die Menschen in vielerlei irdische Sorgen und Nöte verstrickt. Es gibt solche – das sind die, bei denen der Samen auf „felsigen Boden“ (s. Mt. 13:20-21; Mk: 4:16-17; Lk. 8:13) fiel, welche nur das Negative sehen und keinen Ausweg aus ihrer materiellen, körperlichen oder psychischen Misere sehen und dann Trost und Zerstreuung in lasterhaften und meist gesundheitsschädigenden Vergnügungen suchen. Demgegenüber sind die, welche irdisches Wohlergehen zuhauf genießen, ebenso nur darauf bedacht, ihren Reichtum zu mehren und den Spaßfaktor auf allen Ebenen ihres Lebens zu erhöhen, und das sind die, bei denen der Samen „in die Dornen“ (s. Mt. 13:22; Mk. 4:18-19; Lk. 8:14) gefallen ist.
Es ist höchst bedauernswert, dass unter solchen, auf das Irdische fokussierten Menschen sehr viele zumindest äußerlich gläubig sind. Manche glauben auch beherzt und aufrichtig, sie beten und stellen Kerzen in der Kirche auf, erwarten aber beinahe ausschließlich in irdischen Angelegenheiten göttlichen Beistand – der „Blick nach oben“ bleibt ihnen aufgrund ihrer Oberflächlichkeit im Glauben verwehrt. Sie werden zu einer leichten Beute des Satans, der nicht wählerisch ist in seinen Mitteln: die einen bringt er durch Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zur Strecke, andere ködert er dagegen durch die vielen Annehmlichkeiten des Lebens. Für alle diese Zielgruppen des Teufels gibt es nur eine Rettung: ein Leben mit Jesus Christus in der Kirche! Wenn der Mensch kein geistliches Leben führt, d.h. sich selbst nicht als größten aller Sünder sieht (s. 1 Tim. 1:15), wird er sich früher oder später als unschuldiges Opfer göttlicher Willkür und Ungerechtigkeit sehen. Erkennt er aber seine Sündhaftigkeit, wird ihm jede von Gott gesandte Prüfung willkommener Anlass sein, sich von seiner unermesslichen Schuld vor Gott zu reinigen.
Der geistlich gesinnte Mensch weiß von vornherein, dass wir in dieser Welt „nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen“ haben, „sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs“ (Eph. 6:12). Er ist ihnen aber nicht schutzlos ausgeliefert, denn in der Kirche Christi wird er „stark durch die Kraft und Macht des Herrn“ (6:10). Hier werden ihm alle benötigten „Waffen“ für einen erfolgreichen Kampf gegen den unsichtbaren Widersacher ausgehändigt. Unsichtbarkeit ist ja die größte Stärke des Feindes. Aber durch ein Leben nach dem Geist (s. Gal. 5:25) werden seine Fallstricke für uns sichtbar.
Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass die Kirche Christi nicht nur mit äußeren Feinden zu kämpfen hat, sondern auch mit sehr vielen inneren Widerständen fertig werden muss. Der Synagogenvorsteher aus der heutigen Lesung ist so ein Beispiel dafür: seine Abneigung und Eifersucht gegenüber dem Herrn versucht er durch eine vorgeschobene Gesetzestreue zu kaschieren (s. Lk. 13:14), was ihm letztlich nicht gelingt, da ihn der Herr als „Heuchler“ (s. 13:15) entlarvt. Dieses Negativbeispiel sollte für uns alle Warnung genug sein, sich unter Verweis auf die Heilige Schrift oder die kirchlichen Kanones gottesfürchtig zu gebärden, tatsächlich aber nur seinen eigenen persönlichen Empfindungen freien Lauf zu lassen. Auch das ist eine wirksame Finte des Teufels, der den Unwissenden und im Glauben noch nicht Gefestigten die eigenmächtige Auslegung schwer verständlicher Sachverhalte in den Sinn legt, so dass sie diese „zu ihrem eigenen Verderben“ (2 Petr. 3:16) verdrehen (vgl. 2 Petr. 1:20-21). Gott, der Herr, sieht uns unsere Schwächen gewiss nach. Wehe aber, wenn wir unaufrichtig vor Ihm und den Mitmenschen sind!
Die heiligen Väter warnen uns davor, dass sich in der Hölle u.a. auch Geistliche und Mönche finden werden, die weder Häretiker oder Schismatiker waren noch einen unmoralische Lebenswandel führten. Sie werden dort hinkommen, weil sie keine Demut vor dem Herrn besaßen. Für die einfachen Gläubigen mag die Messlatte niedriger liegen, aber jeder von uns sollte auf seiner Suche nach dem Weg des Heils darauf bedacht sein, was dem Herrn am wichtigsten ist, und was Er sogar über den Glauben stellt (s. 1 Kor. 13:13). Was nützt es uns, wenn wir uns immer wieder hilfesuchend in irdischen Angelegenheiten an den Herrn wenden, den Herrn Selbst dabei aber nicht lieben. Das wäre wie ein Selbstausschluss vom Heil (s. 1 Kor. 16:22). Aber bitte nicht mit uns! Amen.