Predigt zum 29. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag der Vorväter (Kol. 3:4-11; Lk. 14:16-24) (24.12.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
der kollektive Gedenktag aller Heiligen, die vor Christi Geburt gelebt haben, von Adam bis zu Johannes dem Vorläufer, markiert den Beginn der Zielgeraden auf unserem gemeinsamen Weg zum Fest der Menschwerdung Gottes. An diesem vorletzten Herrentag vor dem Geburtsfest Christi hören wir jedes Mal das Gleichnis vom Festmahl, das in einfachen und zugänglichen Worten die Geschichte des Alten Bundes widerspiegelt. Gott beruft sein Volk zu Sich, will mit Seinen Auserwählten das Mahl halten. Der Prophet David prophezeit dies mit den Worten: „Du hast vor mir einen Tisch bereitet, meinen Bedrängern entgegen, Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, und Dein Kelch, der mich trunken macht, wie mächtig ist er!“ (Ps. 22:5). Und durch den weisen Salomon ruft Gott aus: „Kommt, esst von Meinem Mahl, und trinkt vom Wein, den Ich mischte“ (Spr. 9:5). Der Alte Bund hat im Grunde nur eine Funktion: die Vorbereitung auf das Erscheinen des Messias. So wie die Geladenen hier lange Zeit vorher von den Vorbereitungen zum Mahl wissen mussten, so lebte auch das auserwählte Volk Gottes in der Erwartung des von Gott verheißenen Messias. Als aber die Zeit kam und der Sohn Gottes im Fleisch erschien, lehnte Ihn Sein eigenes Volk. ab Deshalb befiehlt der Gastgeber des Festmahls (= Gott) Seinen Dienern, alle auf den Straßen und Gassen der Stadt und dann nochmals alle auf den Landstraßen und in den Randbezirken der Stadt befindlichen Menschen zum Festmahl einzuladen. Und der Veranstalter des Mahls fügt am Ende diese für alle nicht Erschienenen bitteren Worte hinzu: „Keiner von denen, die eingeladen waren, wird an meinem Mahl teilnehmen“ (Lk. 14:24).
Den Vorwand für das Gleichnis bietet ein Gastmahl im Hause eines führenden Pharisäers an einem Sabbat. Der Herr heilt zum Unwillen der zu Tisch liegenden Gesetzeslehrer und Pharisäer einen an Wassersucht leidenden Mann und rügt die hier noch vornehm zurückhaltend indignierten Vertreter der geistlichen Oberschicht für ihre menschenverachtende buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes (s. Lk. 14:1-6). Danach beobachtet der Herr, wie sich die geladenen Gäste die besten Plätze im Speisesaal aussuchen, und erteilt diesen umgehend eine Lektion in angewandter Demut. Und schließlich ermahnt Er Seinen Gastgeber, künftig nicht einflussreiche Freunde und gut betuchte Bekannte zu sich einzuladen, sondern Arme, Krüppel, Blinde und Bettler, die ihm seine Güte nicht vergelten können. Gott aber wird es tun in der Auferstehung (s. 14:12-16). Und nachdem sich einer der Gäste mit den Worten an Christus wendet: „Selig, wer im Reich Gottes am Mahl teilnehmen darf“ (14:15), ergreift der Herr endlich das Wort und erzählt die allegorische Geschichte vom Festmahl. Das also ist die Vorgeschichte zu dem heute gehörten Gleichnis des Herrn.
In sehr einfachen bildhaften Worten erklärt der Herr darin den Plan Gottes zur Errettung der Menschheit. Das Volk der Juden, dem in den Jahrhunderten zuvor so viel Gnade geschenkt worden war, sollte als erstes vom Erscheinen des ersehnten Messias profitieren und diese Beglückung der unbeschreiblich wunderbaren Teilhabe an Gottes Herrlichkeit an alle anderen Völker weitergeben. Das einzige Motiv, das Gott hat, ist die unendliche Liebe zu den Menschen, das Verlangen, dass alle Menschen errettet werden (s. Joh. 3:17; 1 Tim. 2:4). Doch das Volk Israel erweist sich dieser Mission in seiner Gesamtheit als unwürdig. Und so ist der Herr genötigt, andere Völker zu diesem göttlichen Werk zu berufen. Gottes Liebe sieht es vor, dass die Menschen ungezwungen den Ruf ihres Herrn erwidern. Das aber setzt voraus, dass die Menschen als zur Freiheit Berufene (s. Gal. 5:13) Gott auch „Nein“ sagen können. Und das ist es, was im Gleichnis vom Festmahl geschildert wird. Nicht, dass sie Gott aus Böswilligkeit bewusst kränken wollten, nein. Es ist der Widersacher, der ihnen alle nur erdenklichen Gedanken zu irdischen Sorgen und Nöten eingibt, die an sich nicht schlecht, sondern notwendig sind und sogar explizit im Einklang mit Gottes Geboten stehen: Broterwerb (s. 2 Thess. 3:10), Kreativität (s. 1 Petr. 4:10) und Ehe (s. 1 Kor. 7:2-5). Doch der Widersacher, welcher selbst zum Kriechen auf dem Bauch und zum Staub Fressen verurteilt ist (s. Gen. 3:14), ist ständig bemüht, unsere Herzen und Gedanken an das Irdische zu heften. In dieser Sphäre dürfen wird, ungehindert durch ihn und sein Personal, „Gutes“ tun – mildtätig, friedfertig, freundlich, tolerant etc. sein – solange wir unser Haupt nicht aufrichten und gen Himmel blicken (wozu von allen Geschöpfen unter dem Himmel nur der Mensch fähig ist). Und deshalb gebot unser Herr, in sechs Tagen unsere Werke zu verrichten, den siebten Tag aber zu heiligen (s. Ex. 20:8-11). Wir brauchen den „siebten Tag“, um die in sechs Tagen von uns vollbrachten Werke durch Gott zu heiligen. Darin liegt der wahre Sinn des Sabbats, den die führenden Männer Israels (s.o. Bemerkung zu Lk. 14:1-6) nicht erfassen konnten bzw. wollten. Und so bewahrheiten sich an ihnen, aber auch an sehr zahlreichen nominellen Christen die o.a. Worte, die der Gastgeber im Gleichnis über diejenigen spricht, die seine Einladung ausgeschlagen haben: Keiner der Geladenen wird am Liebesmahl des Herrn teilnehmen, wenn er die Gelegenheit zur Teilnahme noch zu Lebzeiten hier auf Erden durch eigenes Verschulden verstreichen lässt. Die Tür zum Festmahl des Herrn ist jetzt noch für alle geöffnet. Es kommt aber die Zeit, da die Tür für immer verschlossen sein wird. Dann wird es endgültig zu spät sein (s. Mt. 25:10-12). Das „Heulen und Zähneknirschen“ (s. Mt. 13:42; 22:13; 25:30) der vom Festmahl Ausgeschlossenen wird darin bestehen, dass sie vom Orte ihrer Verdammnis die Freude derer sehen werden, die an der Tafel des Herrn Platz nehmen dürfen (s. Lk. 16:23). Um nichts in der Welt aber wollen wir ihr Los teilen. Amen.