Predigt zum 17. Herrentag nach Pfingsten (2 Kor. 6:16-7:1; Lk. 7:11-16) (20.10.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
heute hörten wir von der Auferweckung des einzigen Sohnes einer Witwe aus der Stadt Nain durch unseren Herrn Jesus Christus. Man kann dieses Wunder einfach abhaken und wieder zur Tagesordnung übergehen oder aber innehalten und sich Gedanken über das Geschehene machen. Letzteres wollen wir jetzt tun.
Der Herr beweist hier wie schon ein ums andere Mal zuvor, dass Er barmherzig ist, dass Ihm unser irdisches Leid nicht gleichgültig ist. Und Er beweist Seine göttliche Macht als Herrscher über Leben und Tod! Er bittet nicht um die Rückkehr der Seele in den Körper des jungen Mannes, sondern Er befiehlt ihm, sich umgehend von der Todesbahre zu erheben (s. Lk. 7:14). Dann, nachdem der Tote sich aufgerichtet hat und zu sprechen beginnt, gibt Er den Jungen seiner Mutter zurück (s. 7:15). Christus Gott deutet damit an, dass Er – nur Er – uns alle unsere Verstorbenen wieder zurückgeben kann. Er allein! Und hier gibt es keine Grauzone für uns: Entweder wir glauben daran oder wir glauben nicht daran. Ein Zwischending gibt es nicht.
Die Konsequenz daraus kann daher nur lauten: Wer nicht glaubt, dass unser Herr Jesus Christus „die Auferstehung und das Leben ist“ (Joh. 11:25a), der soll am besten sofort auf dem Absatz kehrt machen und nie mehr wieder eine Kirche betreten. Wer aber den festen Glauben hat, dass jeder, der an Christus glaubt, leben wird, auch wenn er stirbt, und dass jeder, der lebt und an Ihn glaubt, auf ewig nicht sterben wird (s. Joh. 11:25b-26), der muss die Ernsthaftigkeit seines Glaubens dadurch unter Beweis stellen, dass er ein Leben im Einklang mit dem Willen Dessen führt, Der ihm dieses Leben geschenkt hat, weil Er das Leben in Sich hat (s. Joh. 5:26) und die Vollmacht besitzt, Gericht über uns alle zu halten (s. 5:27). Wer also ad libitum lebt, der offenbart damit entweder, dass er nicht an Christus Jesus als den „Weg und die Wahrheit und das Leben“ (s. Joh. 14:6) glaubt oder aber völlig von Sinnen ist und deshalb keinen Finger krumm macht um Christi und um seines eigenen Seelenheils willen.
Natürlich gibt es auch die, welche von sich behaupten, keine Sünder zu sein. Was sagt das Neue Testament dazu? Es sagt, dass wir Christus verraten, wenn wir das behaupten, weil wir dann Seine Leiden und Seinen Opfertod verleugnen bzw. als überflüssig erklären. Dann aber ist Gott nicht mit uns, denn „wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht leben, wie Er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Seines Sohnes reinigt uns von aller Sünde“ (1 Joh. 1:6-7). An die Wahrheit soll man folglich nicht bloß glauben, man muss sie auch tun (vgl. Joh. 15:10; 16:27; 1 Joh. 2:3-6; 5:3). Und das geht nicht anders als durch das Bekenntnis seiner eigenen Sündhaftigkeit, denn „wenn wir sagen, dass wir keine Sünden haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Er treu und gerecht; Er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht. Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben, machen wir Ihn zum Lügner, und Sein Wort ist nicht in uns“ (1 Joh. 1:8-10). Was wären wir ohne unseren Herrn? „Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die ganze Welt“ (1 Joh. 2:2). Welch ein Trost für uns alle! Doch hier müssen wir nachhaken, denn wir finden im selben ersten Brief des Johannes die dazu scheinbar völlig entgegengesetzte Aussage in Bezug auf das Erlösungswerk Christi: „Jeder, der die Sünde tut, handelt gesetzwidrig; denn Sünde ist Gesetzwidrigkeit. Ihr wisst, dass Er erschienen ist, um die Sünde wegzunehmen, und Er Selbst ist ohne Sünde. Jeder, der in Ihm bleibt, sündigt nicht. Jeder, der sündigt, hat Ihn nicht gesehen und Ihn nicht erkannt“ (1 Joh. 3:4-6). Und der Apostel Johannes ergänzt: „Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt. Er kann nicht sündigen, weil er von Gott stammt“ (3:9). Wir kennen zudem das „Gebet des Manasse“, des Königs der Juden, welcher lange Zeit ein schlimmer Götzendiener war und Unrechtes vor dem Herrn tat. Als er aber in assyrischer Gefangenschaft war und danach die Freiheit wiedererlangte, tat er Buße vor dem Herrn. Darauf hin verfasste er sein Bußgebet (s. 2 Chr. 33:18-20), das bei uns im Rahmen des Großen Apodipnons (Große Komplet) vorgetragen wird. Hier heißt es u.a. im 8. Vers: „Nun hast Du, Herr, Du Gott der Frommen, den Frommen keine Buße auferlegt, dem Abraham, Isaak, Jakob, die sich auch nicht an Dir versündigt, wohl aber mir, dem Sünder“. Die Frage lautet demzufolge: Kann man als Mensch ohne Sünde sein?! NEIN! „es gibt ja niemand, der nicht sündigt“ (3/1 Kön. 8:46), und es gibt „auf der Erde keinen einzigen Menschen, der so gesetzestreu wäre, dass er stets richtig handelt, ohne je einen Fehler zu begehen“ (Koh. 7:20). Aber auch JA, denn in den Mysterien der Kirche werden wir eins mit Christus, Der Selbst ohne Sünde ist. Der Gnade nach ist jeder von uns im Moment der Taufe, der Myronsalbung, sofort nach der Beichte, nach der Krankensalbung und beim Empfang der Heiligen Gaben sündlos. Und doch bin ich ein Sünder, Christus aber ist heilig Mein Glaube an Jesus Christus bewirkt also, dass ich letztlich von den Sünden befreit werde (s. Röm 5:1-21; vgl. Gal. 2:16).
Der heilige Bischof Ignatij (Brianchanninov, +1867) unterscheidet zwischen den unwillkürlichen Sünden, die alle Menschen – auch Heilige – in sich tragen (s. Hiob 15:15), und den willkürlichen Lastern bzw. absichtlich und boshaft verübten Untaten. Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, es gibt keine Ausrede für den bewussten Verzicht auf die lebensspendende Gnade unseres Herrn in der Kirche. Dieser käme nämlich der gewollten Absage an die Auferstehung von den Toten gleich. Amen.