Predigt zum Herrntag der hll. Myronträgerinnen (Apg. 6: 1-7; Mk. 15: 43 – 16: 8) (19.05.2013)
Liebe Brüder und Schwestern,
anlässlich des Festtages der hll. Myronträgerinnen wollen wir heute unser Augenmerk auf das richten, was uns das Evangelium explizit oder implizit über die geschlechtsspezifischen Charismen der Frauen sagt. Man könnte die hll. Myronträgerinnen Maria aus Magdala, Maria, die Frau des Kleopas, Salome, Johanna, Marta und Maria sowie Susanna u.v.a. als Protoypen der christlichen Frau bezeichnen, die es somit verdienen, genauerer Betrachtung unterzogen zu werden.
In den entsprechenden Stellen des Evangeliums betonen die Evangelisten nach meiner Einschätzung nicht umsonst den menschlichen Charakter der Frauen, die „Jesus seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt“ (Mt. 27: 55) waren sowie „Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen“ (Lk. 8: 3) unterstützt hatten. Diese (natürliche) Herzlichkeit dient als Grundlage für den Aufstieg zum Höheren – dem Leben entsprechend der (übernatürlichen) Gnade des Heiligen Geistes.
Die beiden Schwestern des Lazarus verkörpern eindrucksvoll diesen zweistufigen Weg zu Gott: zunächst den karitativen, und danach den kontemplativen. „Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für Ihn zu sorgen“ (Lk. 10: 40), d.h. sie kümmerte sich um das leibliche Wohl und war gar nicht erbaut darüber, dass ihre Schwester sie dabei nicht unterstützte, denn „Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte Seinen Worten zu“ (10: 39). Die jüngere Schwester aber „hat das Bessere gewählt“ (8: 42) und wurde somit zum Sinnbild der wahren Nachfolge des Herrn.
Besonders menschlich erscheinen die Frauen in den vier Evangelien vor dem Angesicht der Auferstehung des Herrn. Aber ihre menschliche Begrenztheit wird ihnen keinesfalls zum Nachteil ausgelegt. Im Gegenteil: anders als die männlichen Jünger sind die Frauen dann zur Stelle, als es darauf ankommt. Ihnen bleibt es vorbehalten, „Seinen Jüngern und dem Petrus“ (Mk. 16: 7) – der somit bis zu seiner dreifachen Wiederherstellung (s. Joh. 21: 15-23) nach seiner dreimaligen Verleugnung in diesem Moment nicht als Jünger galt, - die Auferstehung Christi kund zu tun. Aber nicht nur der erste unter ihnen, sondern alle Apostel (bis auf den damals noch nicht volljährigen Johannes) hatten den Herrn in jener Nacht im Stich gelassen. Und so waren es die Frauen, die dieses „Vakuum“ anstelle der eigentlich zur Verkündigung Berufenen zunächst ausfüllten. So wie die Frau einst den Mann im Garten Eden zum Ungehorsam gegenüber Gott verführte, so führen dieses Mal Frauen die Männer nach Gottes Ratschluss wieder ihrer Bestimmung zu.
Bei Matthäus (s. 28: 5, 9) und Markus (s. 16: 5-6, 8) wird die Ängstlichkeit der Myronträgerinnen beim Anblick des Engels vor dem leeren Grab Christi bzw. bei der Erscheinung des Herrn Selbst deutlich. Doch trotz dieser menschlichen Reaktion werden sie vom Herrn für würdig und geeignet erfunden, erste VerkündigerInnen Seiner Auferstehung zu werden (s. Mt. 28: 7-10).
Bei Lukas erkennen wir eine weitere Facette ihrer menschlichen Begrenztheit: „Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, gaben Ihm das Geleit und sahen zu, wie der Leichnam in das Grab gelegt wurde. Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Öle und Salben zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe ein“ (Lk. 23: 55-56). - Sie taten also das, was ihnen ihre menschliche Treue zum Herrn eingab, wobei sie die Vorschriften des Gesetzes einhielten, obwohl doch schon der „Neue Bund“ (Lk. 22: 20) durch das Blut des Herrn begründet war. Sie sahen den weggewälzten Stein vor dem Grab, „sie gingen hinein, aber den Leichnam Jesu, des Herrn, fanden sie nicht“ (24: 3). Als sie die Engel sahen, erschraken sie und bekamen folgende Zurechtweisung zu hören: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern Er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was Er euch gesagt hat, als Er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss den Sündern ausgeliefert und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen. Da erinnerten sie sich an Seine Worte“ (24: 5-8).
Bei Johannes offenbart Maria aus Magdala ebenfalls menschliche Unwissenheit und berichtet Petrus und Johannes: „Man hat den Herrn aus dem Grab genommen, und wir wissen nicht, wohin man Ihn gelegt hat“ (Joh. 20: 2; vgl. dazu 20: 13, 15). Sie befindet sich gedanklich in der irdischen Sphäre, so dass sie den nun zur himmlischen Sphäre Übergehenden im ersten Augenblick nicht erkennt. Auch als Er Sich ihr zu erkennen gibt, so steht es im Oktoichos (Exapostilarion zum 8. Auferstehungsevangelium), „denkt sie auf irdische Weise“ und will ihren natürlichen Emotionen freien Lauf lassen, sich dem Herrn nähern. Doch „Jesus sagte zu ihr: Halte Mich nicht fest; denn Ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu Meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu Meinem Vater und zu eurem Vater, zu Meinem Gott und zu eurem Gott“ (20: 17). Ihre von der weiblichen Emotionalität bestimmte Reaktion ist zwar vom spirituellen Standpunkt unvollkommen, wird aber von Christus dadurch gewürdigt, dass Maria Magdalena nicht nur Augenzeugin der Auferstehung, sondern auch Ohrenzeugin der sich nun bewahrheitenden Vergöttlichung des Menschen wird: Der Sohn Gottes ist nun „Bruder“ der Menschen, also ist Sein Vater (gemäß der göttlichen Natur Christi) nun unser Vater, und Sein Gott (gemäß Seiner menschlichen Natur) nun unser Gott!
Durch die Gemeinschaft mit Christus sind wir nun zu Teilhabern Seiner Gottheit geworden, nachdem Er Sich zuvor in einem unvorstellbaren Akt der Erniedrigung (gr. kenosis) mit unserer Natur vereint hatte.
Es wäre ja völlig abwegig zu glauben, dass Gott die menschliche Natur zuwider wäre. Und so nimmt Er die natürlichen, aufrichtig und aus tiefsten weiblichen Herzen dargebrachten Bezeugungen der Liebe und Treue trotz eines noch unvollkommenen Glaubens an.
Schon zuvor schenkte Er den bitterlich weinenden „Frauen von Jerusalem“ (Lk. 23: 28), deren Männer Ihn dem Kreuztod ausgeliefert hatten, Seine liebevolle, wenn auch nicht tröstliche Aufmerksamkeit. Die uns bestens bekannten Beispiele von zunächst nur nach irdischen Kriterien denkenden und handelnden Frauen, wie der Blutflüssigen und der Kanaanäerin, bis hin zu unverhohlen sündhaften Personen, wie der Sünderin im Hause des Pharisäers, der Samariterin am Jakobsbrunnen oder der ertappten Ehebrecherin zeigen, dass Gott dem Menschen immer und in jeder Situation einen Weg aufzeigt, sich Ihm zu nähern und so zurück auf den Weg des Heils zu gelangen. Das Heil aber besteht in der Einswerdung mit dem Menschensohn, durch Den sogar unsere gefallene Natur geheiligt wird, „denn Gott hat uns nicht dazu berufen, unrein zu leben, sondern heilig zu sein“ (1 Thess. 4: 7).
Heiligkeit hat aber nichts mit einer „Rekordjagd“ zu tun (beim Beten, Fasten, Drangsal erdulden u.ä.), sondern mit der behutsamen Vervollkommnung der Seele. Gott hat ja die Menschen nicht alle gleich geschaffen, sondern mit verschiedenen Gaben (s. Mt. 25: 14-30 u. Lk. 19: 11-27) ausgestattet sowie uns alle in verschiedene Ausgangslagen versetzt. Er erwartet nicht gleichermaßen „Wundertaten“ von allen, sondern Werke des Glaubens und der Liebe nach Maßgabe unserer individuellen Möglichkeiten: „Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat“ (1 Kor. 7: 20), anstatt dass alle im Gleichschritt marschieren, denn „jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“ (1 Kor. 7: 7). So auch in Bezug auf die Geschlechter.
Dennoch finden sich im Evangelium bei genauerem Hinsehen einige dezente Hinweise auf einen kontinuierlichen Weg zur Vollkommenheit, der ausgehend aus menschlicher, natürlicher, weiblicher Unvollkommenheit gangbar wurde.
Bei der Geburt Christi wird nur kurz erwähnt: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in Ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk. 2: 19). Und als die Mutter des Herrn den zwölfjährigen Jesus im Tempel fand, offenbarte Sie zwar noch menschliche Ahnungslosigkeit: - „Kind, wie konntest Du uns das antun? Dein Vater und Ich haben Dich voll Angst gesucht. Da sagte Er zu ihnen: Warum habt ihr Mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass Ich in dem sein muss, was Meinem Vater gehört? Doch sie verstanden nicht, was Er damit sagen wollte“ (Lk. 2: 48-49) - allerdings bezeugt der Evangelist auch hier: „Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in Ihrem Herzen“ (2: 51), was bedeutet, dass Sie die von Gott erteilten Lehren jedesmal verinnerlichte.
Diese durch tiefste Demut und Gottvertrauen bedingte Fähigkeit, sich nicht auf den menschlichen Verstand zu verlassen (so auch, als Josef Ihre Jungfräulichkeit anzweifelte und Sie heimlich entlassen wollte, s. Mt. 1: 18-25), sondern alles dem Willen und der Weisheit Gottes zu überlassen, ermöglichen es Ihr später, die Worte Christi richtig einzuordnen, durch die Er Ihr gegenüber die geistliche Verwandtschaft über die leibliche stellt: „Wer den Willen Meines Himmlischen Vaters erfüllt, der ist für Mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt. 12: 50; s. auch Mk. 3: 35 u. Lk. 8: 21).
Sein erstes Wunder vollbringt der Herr auf die Fürsprache Seiner Mutter, Die als Einzige versteht, dass Seine Zeit erst dann gekommen sein wird, wenn alle gemerkt haben, dass der Wein wirklich ausgegangen ist – nicht früher, als noch ein kleiner Rest vorhanden und nur abzusehen war, dass es wohl nicht reichen würde (dann wäre das Wunder nicht offensichtlich für alle gewesen – der Wein musste demnach für alle erkennbar ausgegangen sein). „So tat Jesus Sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte Seine Herrlichkeit, und Seine Jünger glaubten an Ihn“ (Joh. 2: 11). Und ist die Verwandlung des Wassers in Wein bei der Hochzeit in Kana auf die Fürsprache der allreinen Jungfrau nicht eine wunderbare bildhafte Darstellung für die Umwandlung der menschlichen Natur in den Zustand der göttlichen Gnade durch die Einswerdung der Kirche mit ihrem himmlischen Bräutigam?!...
Von der letzten Stufe des Aufstiegs der Allreinen auf der Himmelsleiter (vor-angedeutet beim Tempelgang der dreijährigen Maria mit dem Erklimmen der Stufen zum Allerheiligsten) wird nur durch „beredtes Schweigen“ berichtet. Der Beschaffenheit der menschlichen Natur zufolge und nach den Gesetzen der Logik wäre es nämlich zu erwarten gewesen, dass die leibliche Mutter des Herrn als erste zum Grab eilt, um Seinen Leichnam zu salben. Davon ist aber an keiner Stelle die Rede...
- Warum?...
- Weil Die, Welche gesegnet ist „mehr als alle anderen Frauen“ (Lk. 1: 42) bereits vor der Geburt Ihres göttlichen Sohnes „geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr Ihr sagen ließ“ (Lk. 1: 45; vgl. dazu Lk. 1: 20).
Wie hätte Sie dann nicht den Worten glauben können, die Ihr Sohn über Seine bevorstehende Auferstehung am dritten Tage gesprochen hat?!..
Mir scheint, damit ist genug über die Bestimmung der Frau nach der Lehre des Evangeliums gesagt. Dieses zeigt auf mannigfaltige Art, wie Frauen Männern auf dem Weg in das Paradies vorangehen können, ohne dabei eine exponierte Stellung einzunehmen. Nicht von ungefähr sind es ja Frauen, die bis heute für volle Kirchen in der Zeit der Kirchenverfolgungen sorgen. Und letztendlich ist es im Einklang mit der Natur so bestimmt, dass der erste „Apostel“ im Leben eines Menschen eine Frau ist.
Amen.