Predigt zum 28. Herrentag nach Pfingsten (Kol. 1: 12-18; Lk. 17: 12-19) (21.12.2014)
Liebe Brüder und Schwestern,
beide heutigen Lesungen haben den Dank des Menschen Gott gegenüber zum Gegenstand. Die Erzählung von der Heilung der zehn Aussätzigen wird ja im Rahmen des Dankgottesdienstes (Moleben) gelesen, wobei besonders bemerkenswert ist, dass der einzig Dankbare ein Samariter war – wohl ein Indiz dafür, dass nicht allein die formale Zugehörigkeit zur Gemeinschaft Gottes ausschlaggebend für die Gewährung der Gnadengaben ist. Ein reines Herz ist Gott unter Umständen lieber (s. Mt. 5: 8). Somit ist die Fähigkeit zur Danksagung eine Art Gradmesser der christlichen Seele. „Dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich Seines geliebten Sohnes. Durch Ihn haben wir die Errettung, die Vergebung der Sünden“ (Kol. 1: 12-14).
Kaum etwas vermag so deutliche Aussagen über einen Menschen zu treffen, wie die Fähigkeit, sich seinem Wohltäter gegenüber dankbar zu erweisen. Dankbarkeit ist ein untrüglicher Beweis der Liebe - und Undankbarkeit ist der Beweis für das Gegenteil. Eine liebende Mutter ist für einen selbstgepflückten Blumenstrauß oder ein selbstgemaltes Bild ihres Kindes viel dankbarer als für teure Geschenke Erwachsener. Sie weiß ja: ihr Kind schenkt aus ganzem Herzen, es ist Ausdruck der Liebe – ohne die Spur eines Hintergedanken, denn im Umgang mit Kindern ist man fernab des homerischen „Timeo Danaeos, et dona ferentes“. Kinder lieben ihre Eltern schon deshalb, weil sie ihre Eltern sind. Wenn wir Erwachsenen das nur von ihnen lernen könnten (vgl. Mt. 18: 3)!
Aber dankbar kann man auch für Läuterung sein. Gut erzogene Kinder sind ihren Eltern (zumindest im Nachhinein) ein Leben lang dankbar für Züchtigung, die sie im Flegelalter erhalten haben. Und der hl. Johannes Chrysostomos, der - seines Amtes und seiner Würde enthoben - in der Verbannung starb, sagte mit dem letzten Atemzug: „Gepriesen sei Gott für alles – besonders für jegliche Trübsal!“
Dankbarkeit zeugt auch von Weisheit. Von unserem Studentenseelsorger an der Theologischen Fakultät in Presov, Vater Sergij Cuper, habe ich einen Satz ins Stammbuch geschrieben bekommen: „Der Kluge unterscheidet sich von dem Törichten dadurch, dass er für Zurechtweisung dankbar ist, während der Törichte auf Kritik beleidigt reagiert“ (vgl. Spr. 9: 7-8). Wer mag da noch widersprechen?
Im Neuen Testament ist viel von Dankbarkeit die Rede (z.B. Eph. 5: 20; 1. Thess. 5: 18: 2. Thess. 1: 3). Sie ist der Lakmus-Test für die Aufrichtigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen. Angenommen, ich helfe einem Fremdling, in meinem Land heimisch zu werden (Unterstützung bei Behördengängen, Arbeitssuche und Integration, Einführung in meinen Freundeskreis etc.). All das tue ich nicht, um Dankbarkeit zu ernten, sondern um des Menschen selbst willen. Wenn sich derjenige dann trotzdem dankbar erweist, freut es mich. Wenn er sich hingegen, nachdem er die durch mich erhaltene Unterstützung ausgereizt hat, von mir abwendet oder mir gar mit Bösem vergilt, wird mir das sicher sehr wehtun. Aber ich werde nicht in Selbstmitleid aufgehen oder gar Rachegelüste hegen, sondern werde Hilfsbedürftigen wieder helfen. Jener undankbare Mensch wird mir dann einfach nur noch leid tun.
Als wir vor zehn Jahren eine humanitäre Aktion zugunsten eines Waisenheimes in Russland organisierten, gab es auf der Empfängerseite einen Geschäftsmann, der ganz offensichtlich versuchte, sich die gespendeten Sachen unter den Nagel zu reißen und sie für teures Geld in seinem Laden zu verkaufen. Als die Sache aufflog, sagte der Priester vor Ort: „Die schlimmste Strafe für den Sünder ist die Sünde selbst“. Recht hatte er. Denn es ist nicht Gott, der bestraft, sondern der Mensch bestraft sich selbst. Es sind Unsere Werke, die uns rechtfertigen oder anklagen werden (s. Mt. 25: 40, 45; Joh. 5: 29; Jak. 2: 24).
Bedenken wir: Gott hat uns „fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind“. Wenn ich daran glaube, dann werde ich doch alles unternehmen, um diesen Anteil am Los der Heiligen, die im Licht sind, zu erwerben. Gott hat uns „der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich Seines geliebten Sohnes“ - jetzt liegt es an uns, ob wir „die Errettung, die Vergebung der Sünden“ erlangen werden, denn ein Selbstläufer ist das nicht.
„Dankt dem Vater mit Freude!“ - Unsere Dankbarkeit äußert sich am wirksamsten dadurch, wenn wir die Gebote des Herrn befolgen und unser Seelenheil bestreiten. Gottes Willen befolgen heißt ja nichts anderes, als unser Seelenheil gewissenhaft voranzutreiben (vgl. Joh. 3: 16). Nicht von ungefähr heißt die Teilnahme an den Mysterien des Leibes und des Blutes Christi „Eucharistie“ - durch sie erweisen wir uns unserem Gott und Erlöser dankbar für das, was Er für um unseretwillen vollbracht hat. Durch sie haben wir Anteil „am Los der Heiligen“, durch sie werden wir schon hier auf Erden „aufgenommen in das Reich Seines geliebten Sohnes“, und nur durch die Mysterien der Kirche werden wir „der Macht der Finsternis entrissen“.
„Dankt dem Vater mit Freude!“ - Der Dank ist ein Beleg unserer Kindschaft Gottes. Undank hingegen ist der Welt Lohn.
Amen.