Predigt zum 30. Herrentag nach Pfingsten / Gedenktag der Väter(Hebr. 11: 9-10, 17-23, 32-40; Mt. 1: 1-25) (04.01.2015)
Liebe Brüder und Schwestern,
der hl. Apostel Paulus betont im elften Kapitel des Hebräerbriefes die Bedeutung des Glaubens als Voraussetzung für die lebendige Gemeinschaft mit Gott. Die direkten leiblichen Vorfahren Christi, deren Gedächtnis wir heute feiern, traten gewissermaßen in Vorleistung für uns, damit das „Licht der Welt“ (s. Joh. 8: 12; 9: 5) aus der kleinen Höhle in Bethlehem erscheinen und uns zu Seinen Teilhabern machen konnte (s. Mt. 5: 14, 16). „Aufgrund des Glaubens brachte Abraham den Isaak dar, als er auf die Probe gestellt wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, der die Verheißungen empfangen hatte und zu dem gesagt worden war: Durch Isaak wirst du Nachkommen haben. Er verließ sich darauf, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken; darum erhielt er Isaak auch zurück. Das ist ein Sinnbild“ (Hebr. 11: 17-19). Dieses Sinnbild besagt, dass die Menschheit in Person Abrahams aufgrund des Glaubens imstande bzw. bereit gewesen ist, Gott das größte nur erdenkliche Opfer darzubringen – worauf Sich Gott im Gegenzug „bereit erklärte“, Seinen einzigen Sohn für das Heil der Menschen zu opfern. Abraham verschonte für Gott seinen Sohn nicht, den er erst im Greisenalter mit seiner ebenso betagten und unfruchtbaren Frau gezeugt hatte. Und als der legitime Sohn, der die Verheißungen empfangen hatte, nun auf dem Altar der Liebe und Treue zum Herrn geopfert werden sollte, waren Gehorsam und Vertrauen Abrahams aufgrund des Glaubens so groß, dass er nicht daran zweifelte, dass Gott sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken. So geschah es, dass Abraham aufgrund des Glaubens den todgeweihten Isaak als Sinnbild der Auferstehung Christi zurück erhielt. Stellvertretend für die ganze Menschheit war es Abraham, der eineinhalb Jahrtausende vor der Geburt Christi schon den Glauben an die Auferstehung bekundete.
Glaube hat demzufolge immer etwas mit konkreten Taten zu tun: „Wurde unser Vater Abraham nicht aufgrund seiner Werke als gerecht anerkannt? Denn er hat seinen Sohn Isaak als Opfer auf den Altar gelegt. Du siehst, dass bei ihm der Glaube und die Werke zusammenwirkten und dass erst durch die Werke der Glaube vollendet wurde“ (Jak. 2: 21-22).
Was nützt mir also mein Glaube, wenn ich mich den Verlockungen des Fleisches hingebe und Ehebruch oder Unzucht begehe, wenn mich Emotionen übermannen, so dass ich meinen Mitmenschen physischen, materiellen oder moralischen Schaden zufüge, wenn durch die Versuchungen dieser Welt Karriere, Geld und andere Sachen Vorrang vor der lebendigen Gemeinschaft Gottes haben? - Was nützt ein toter Glaube (s. Jak. 2: 17), der Menschen bewegt sich taufen zu lassen, „damit sie Gott näher sind“, - dann aber der Gemeinschaft Gottes in der Kirche fernbleiben?!
Sehr oft wird der Glaube an Gott fälschlicherweise mit Lebenshilfe gleichgestellt. Körperliche und seelische Gebrechen, Unzufriedenheit mit seinem persönlichen Schicksal, Verzweiflung, Furcht etc. dienen oft als Motivation für eine Hinwendung zum Glauben. In der Tat, so kommen die besten und aufrichtigsten Menschen zum wirklichen Glauben, der die Gemeinschaft mit Christus um Seiner selbst willen und die Liebe zu Gott als höchstes Lebensziel betrachtet. Und wer freut sich nicht mit solchen Menschen, die den Glauben wirklich leben und als Beigabe die Befreiung aus irdischer Not und Bedrängnis erhalten (s. Mt. 6: 33)?! - Dennoch möchte ich auf einen Satz der heutigen Epistellesung aufmerksam machen, der zum Nachdenken anregt: „Einige nahmen die Freilassung nicht an und ließen sich foltern, um eine bessere Auferstehung zu erlangen“ (Hebr. 11: 35 b). Von vielen Blutzeugen Christi wissen wir, dass für sie die schlimmste Folterqual aufgrund des Glaubens zur Labsal wurde. Der hl. Seraphim von Sarov sagte einmal, jeder Christ würde um des Himmelreiches willen bereit sein, tausend Jahre in einer Grube mit Würmern und Insekten zur verbringen, wenn er nur aufgrund des Glaubens erkennen könnte, welch eine Belohnung auf ihn in der Ewigkeit wartet. Aber oftmals wollen wir unsere Belohnung schon jetzt haben (vgl. Mt. 6: 2). Wie im „richtigen“ Leben ist ein Lohnvorschuss zunächst zwar ganz hilfreich, aber Ultimo fehlt der vorgestreckte Betrag dann auf dem Gehaltszettel.
Für mich ist das Beispiel der „Freilassungsverweigerer“ Ausdruck für das Streben nach göttlicher Vollkommenheit (vgl. Mt. 5: 48; 1. Kor. 12: 31a – 13. 1). Der hl. Pimen der Vielleidende (+ 1110) war Mönch in der Frühzeit des Kiewer Höhlenklosters, hatte von Jugend an mit schwersten Krankheiten zu kämpfen. Dank des geistlichen Fundaments, das die beiden heiligen Gründerväter Antonij (+ 1073) und Feodosij (+ 1074) gelegt hatten, standen Wunder im Kloster damals quasi auf der Tagesordnung. Der Heilige aber verwehrte sich gegen alle Genesungswünsche seiner Mitbrüder und nahm die ihm von Gott geschickten Leiden dankbar an, bis er im Alter von nur 26 Jahren verschied. Offenbar betrachtete er seine irdischen Leiden als Gnadengeschenk Gottes, welches ihm die alleinige Ausrichtung auf den Herrn Jesus Christus ermöglichte (vgl. Phil. 1: 23). Auch Geronta Paisios der Hagiorit (+ 1991) rät uns, auf unsere „Rechte“ in diesem Leben zu verzichten, um diese dann in umso größerem Umfang und Fülle im Reich Gottes zurückerstattet zu bekommen.
Und so ermahnt uns die Kirche zur Geduld (z.B. Jak. 1: 3; 2. Petr. 1: 6; Röm. 5: 3; 2. Kor. 6: 4; Kol. 1: 11; 1. Thess. 1: 3; 2. Thess. 1: 4; 1. Tim. 6: 11; 2. Tim. 3: 11; Offb. 1: 9; 2: 2-3; 3: 10; 13: 10; 14: 12): je größer die Anfechtung, desto größer die Gnade, denn „wer bis zum Ende standhaft bleibt, wird gerettet“ (Mt. 10: 22; 24: 13; Mk. 13: 13).
Diese Geisteshaltung widerspricht zwar im Grundsatz den irdischen Weisheiten, die wir in diesen Tagen in allen möglichen Weihnachts- und Neujahrsbotschaften gehört haben, sie ist aber die einzige, die sich ein Christ aufgrund des Glaubens um seines Heiles willen zueigen machen sollte.
Amen.