Predigt zum 6. Herrentag nach Pfingsten / Hll. Apostel Petrus und Paulus (Röm. 12 6-14; 2. Kor. 11: 21 – 12: 9; Mt. 9: 1-8; 16: 13-19) (12.07.2015)
Liebe Brüder und Schwestern,
wie in der vorangegangenen Sonntagslesung von den beiden Besessenen von Gergasa ist auch heute - den Gelähmten von Kafarnaum anlangend - die Rede von einem kausalen Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit. Wenn es im Falle der Besessenen noch Auslegungssache des Betrachters war, inwieweit die Missachtung der göttlichen Gebote zur Krankheit der Seele geführt hatte, deuten die Aussagen des Herrn bei der Heilung des Gelähmten expressis verbis auf eine Folgemäßigkeit von Sünde und Krankheit (s. Mt. 9: 2).
Die Schriftgelehrten in Kafarnaum mögen wohl auch daran geglaubt haben, dass Krankheit durch Sünde bedingt ist, doch sahen sie in Jesus aus Nazareth lediglich Denjenigen, Der Erstere zwar heilen kann, Letztere jedoch nicht vergeben darf (s. 9: 3). Und diese widersprüchliche Denkweise führt der Herr ad absurdum, indem Er zu ihnen sagt: „´Was ist leichter, zu sagen: deine Sünden sind dir vergeben!, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Ihr aber sollt erkennen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben`. Darauf sagte Er zu dem Gelähmten: ´Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!` Und der Mann stand auf und ging heim“ (9: 5-7). Die Augen der Schriftgelehrten blickten zwar auf das Geschehene, erkannten es aber trotzdem nicht (s. Jes. 6: 9-10; Mt. 13: 14-15). Offenbar war ihr geistliches Auge (d.h. der menschliche Geist, griech. nous) nicht rein (s. Mt. 6: 22-23 u. Lk. 11: 34-36). So nützt auch Belesenheit wenig.
Darin, liebe Brüder und Schwestern, liegt auch das Grundübel dieser Welt: Selbst wir Gläubige und Schriftkundige fürchten die Sünde nicht wirklich! Wir tun unserem Nächsten leichtfertig Böses an, und glauben, das bei der nächsten Beichte im Schonverfahren reinwaschen zu können. Aber Gott lässt sich nicht überlisten wie vielleicht das eigene Gewissen. Auch unsere mit einem frommen Augenaufschlag gesagten weisen Worte über die Tugend der Demut in Bezug auf Gottes strafende Gerechtigkeit verlieren sehr schnell ihre Glaubwürdigkeit, wenn wir selbst diejenigen sind, die Leid oder Unrecht zu erdulden haben. Aber Gott wird auch ohnedies im menschlichen Gerechtigkeitssystem oftmals zum Hauptschuldigen abgestempelt, denn bei der Suche nach dem Sinn unseres Daseins stoßen wir uns jedes Mal an der Frage, warum es so viele Missstände in der Welt gibt. Wir übersehen gerne dabei, dass diese Welt aus lauter kleinen „Welten“ besteht: Familien, Freundeskreisen, Schulklassen, Arbeitskollektiven, Hausgemeinschaften, Mieterparteien etc. Wie wollen wir erwarten, dass global Frieden und Gerechtigkeit herrschen, wenn in unserem Mikrokosmos Hass, Neid und Verachtung regieren?! In Russland warten viele Rechtgläubige sehnsüchtig auf die Rettung durch den Gesalbten, sind aber selbst nicht fähig, den Frieden im eigenen Hause oder der Kirchengemeinde zu bewahren. Also ob ein Monarch per Dekret verfügen könnte, dass ab morgen alle Familien gefälligst mindestens fünf gottesfürchtige Kinder zeugen müssten! Das ist wie mit dem jungen Novizen, den es als Eremit in die Wüste zog, worauf sein Altvater zu ihm sprach: „Lerne erst einmal das Zusammenleben mit den Menschen in der Welt, danach kannst du an Einsiedelei denken“. Gott hilft uns dann, wenn wir unsere „Hausaufgaben“ erledigt haben.
Die Besorgnis um das Wohl des Planeten hat aber zudem noch unzählige areligiöse Facetten. Priestermönch Seraphim (Rose, + 1982) führt die zu seinen Lebzeiten in seinem Heimatland verbreitete UFO-Manie auf das unterbewusste Verlangen der Menschen nach extraterrestrischen „Erlösern“ zurück, also nach außergalaktischen, im Vergleich zur Welt des Homo sapiens weiter entwickelten Zivilisationen, deren technisches Knowhow imstande wäre, alle Probleme unseres Planeten zu lösen. Nicht von ungefähr fanden ja 95% der angeblichen Begegnungen der dritten (bzw. vierten und fünften) Art in der Heimat von Orson Welles statt! Diese Erwartung soll nach Möglichkeit nicht nur bei Geisteskranken, sondern vor allem bei vom mütterlichen Glauben entwöhnten Neuzeitmenschen einen dämonischen Surrogat zum wahren Erlöser darstellen. Heute geben sogar seriöse Wissenschaftler (z.B. Prof. Harald Lesch) ihre feste Überzeugung zum Ausdruck, wir seinen „nicht alleine im Universum“. Den Einschaltquoten (z.B. für „Leschs Kosmos“) schadet es jedenfalls nicht.
Doch zurück zu Mutter Erde. Im Troparion zum Fest der beiden größten Apostel heißt es: „Ihr Apostelfürsten und Lehrer des Erdkreises, bittet den Herrscher des Alls, der Welt Frieden und unseren Seelen Sein großes Erbarmen zu schenken“. Ist es für uns wirklich so schwer, zu den Wurzeln unseres Glaubens und unserer Kultur zurückzufinden?! Wir haben als unsere Fürsprecher die Lehrer des Erdkreises, die jederzeit für uns den Herrscher des Alls anflehen können. Ist das nicht das bewährte und zuverlässige Modell zur Errettung jedes Einzelnen („unseren Seelen großes Erbarmen“) sowie der Menschheit als Ganzes („der Welt Frieden“)?! Gewiss, der Geist des Antichristen ist schon seit der apostolischen Epoche in der Welt (s. 1. Joh. 4: 3), doch „alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt“ (5: 4). Wem wollen wir also Glauben schenken? Dem vor Urzeiten ergangen Wort Gottes oder den Hirngespinsten moderner Phantasten, womit nicht nur die Sci-Fi-Romantiker der Unterhaltungsindustrie gemeint sind? „Die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“ (1. Joh. 5: 19), doch dieser Macht unterliegen nur die, welche „aus der Welt“ sind (s. 5: 4). Wir glauben aber an Christus. „Er ist wirklich der Retter der Welt“ (Joh. 4: 42). Jetzt und immerdar... „Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1. Joh. 5: 4). Ein galiläischer Fischer und ein Lehrer aus Tarsus bezeugen mit ihrem Leben und mit ihrem Tod, dass diese Worte wahr sind. Amen.