Predigt zum 12. Herrentag nach Pfingsten (1. Kor. 15: 1-12; Mt. 19: 16-26) (23.08.2015)
Liebe Brüder und Schwestern,
heute bietet uns der Kirchenkalender als liturgische Sonntagslektüre einen der bemerkenswertesten Abschnitte aus den Briefen des Apostels Paulus an, der weitläufig als „die Zeugen der Auferstehung“ bekannt ist. Da der Apostel sich genötigt sah, die Wahrhaftigkeit der Frohen Botschaft mit Nachdruck zu bekräftigen, schreibt er über das Evangelium, das er den Korinthern und andere Gemeinden verkündet: „Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe“ (1. Kor. 15: 1-2). Schon damals hatte weltliches, allein auf menschlicher Vernunft beruhendes Denken Einzug in die Köpfe der Christen gehalten (s. 1. Kor. 2: 14), so dass es in bestimmten Kreisen zu einer unterschwelligen Uminterpretation des Evangeliums gekommen war. In der Gemeinde zu Korinth schien sich unter dem Eindruck der platonischen Lehre von der Materie als Ursache des Bösen die Meinung verbreitet zu haben, es gäbe keine leibliche Auferstehung bzw. die allgemeine Auferstehung habe bereits in Form einer wie auch immer gearteten spirituellen Erneuerung der Seelen stattgefunden. Folglich seien auch Zweifel an der Auferstehung des Herrn Selbst angebracht (s. 1. Kor. 15: 12).
Um dieser Irrlehre, welche die ganze Verkündigung überflüssig erscheinen ließ (s. 15: 13-19), entgegenzuwirken, zählt der Apostel zahlreiche Zeugen der Auferstehung auf: „(Christus) erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien Er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien Er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als letztem von allen erschien Er mir, dem Unerwarteten, der ´Missgeburt`. Denn ich bin der geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe“ (15: 5-9).
Die aufgeführten Zeugnisse verdienen es allesamt, einer kurzen separaten Betrachtung unterzogen zu werden.
Kephas (Simon Petrus) hatte den Herrn vor Dessen Auferstehung dreimal verleugnet, und zwar nicht etwa vor dem Hohen Rat oder dem Statthalter, sondern vor einer Magd des Hohepriesters und dessen Gesindel. Nach der dreifachen Wiederherstellung im Apostelamt durch den Auferstandenen (s. Joh. 21: 15-19) jedoch kann auch ein explizites Verbot des Hohen Rates diesen vormals ängstlichen galiläischen Fischer nicht von seinem Zeugnis vor dem Sanhedrin abhalten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg. 5: 29). Völlig zurecht bemerkt übrigens Metropolit Wenjamin (Fedtchenkov) hierzu, dass keiner der Ratsherren bei dieser Gelegenheit die Apostel der Entwendung des Leichnams Jesu bezichtigt (s. Mt. 28: 13). Hätten sich die Jünger Christi dieses Vergehens tatsächlich schuldig gemacht, wäre dies doch sicherlich ein weiterer Anklagegrund gewesen. So aber geben die Hohepriester stillschweigend zu, dass die von ihnen verbreitete Behauptung völlig absurd gewesen war. Auch die Tatsache, dass nur ein Evangelist überhaupt die Bestechung der Wache und die Verbreitung der Lüge vom Diebstahl des Leichnams für erwähnenswert erachtet (s. Mt. 28: 12-15), spricht für die Haltlosigkeit dieses in die Welt gesetzten Gerüchts. - Nur mal angenommen, die Jünger hätten den Leichnam wirklich geklaut während die Wächter schliefen, hätten sie dann noch die Zeit und die Muße gehabt, die Leinenbinden und das Schweißtuch vom balsamierten Leichnam herunterzunehmen (und wozu überhaupt?) und danach beide sorgfältig zusammengebunden nebeneinander in der Grabhöhle zu hinterlassen (s. Joh. 20: 5-7)?! Und wie hätten sie den riesigen Stein (Mk. 16: 5) vom versiegelten Eingang in das Grab (s. Mt. 27: 66) wegwälzen können, ohne dabei die Soldaten in ihrem Schlaf zu stören? - Bei uns im Pfadfinderlager wird jede Nacht Wache gehalten – von Elf- bis Dreizehnjährigen, und ich kann mich in all den Jahren nicht an einen Fall erinnern, dass jemand von den Kindern in Erfüllung seiner Pflicht jemals eingenickt wäre. Mädchen und Jungs sind aber keine Berufssoldaten...
Die Zwölf hatten Christus bei Seiner Gefangennahme im Stich gelassen. Welches Motiv hätten sie gehabt, Seine Auferstehung zu verkünden, wenn sie den Auferstanden nicht gesehen, nicht betastet, mit Ihm nicht gesprochen und nicht gemeinsam das Mahl gehalten hätten?! Dann wäre es wohl eher verständlich gewesen, dass sie aus Enttäuschung und dem trotzigen Verlangen, sich selbst im Nachhinein zu rechtfertigen, ihren Meister als Betrüger darzustellen versucht hätten. Hätten sie jedoch von Anfang an (bloß illusorisch) an die Auferstehung geglaubt, dann hätte womöglich eine autosuggestive Mystifizierung ihres Meisters nachträglich Sinn ergeben. Dies war aber zu keiner Zeit der Fall (s. Mk. 16: 11-14; Lk. 18: 32-34; 24: 25 u.vm.).
Mehr als fünfhundert Brüder können nicht alle auf einmal einer Halluzination erlegen sein. Da die meisten zum betreffenden Zeitpunkt noch am Leben waren, konnte jeder, der es wollte, sie selbst fragen. Und wie viel Geld, Macht oder Einfluss bräuchte man eigentlich, um so viele „falsche“ Zeugen zu bestechen oder einzuschüchtern, ohne dass auch nur einer von ihnen „umfiele“?! - Nein, sie müssen den Auferstandenen gesehen haben!.. Da Paulus in Korinth gewiss nicht nur Freunde hatte (s. 1. Kor. 4: 19-21; 2. Kor. 6: 11-14), wäre es aus seiner Sicht zudem geradezu töricht gewesen, diese Zeugen zu erwähnen, wenn sie nicht alle standhaft und glaubwürdig gewesen wären.
Jakobus, der Herrenbruder und erste Bischof von Jerusalem genoss in der Urkirche neben Petrus und Johannes als „Säule“ allerhöchstes Ansehen (s. Gal. 2: 9). Doch nicht nur das macht sein Zeugnis über jeden Zweifel erhaben: er und seine Brüder hatten zuvor nicht an den Messias geglaubt (s. Joh. 7: 5). Jetzt aber sah er den Auferstandenen – und legte Zeugnis davon ab.
Am überzeugendsten ist jedoch das Zeugnis des Apostels Paulus selbst, auch wenn Selbstzeugnisse ansonsten kaum dazu angetan sind, Zweifel zu zerstreuen. Doch die „Missgeburt“ (1. Kor. 15: 8; griech.: ´ektroma; slaw.: изверг - damit ist eigentlich ein zu früh geborenes Kind gemeint, das von seiner Mutter aus dem Mutterleib verstoßen wurde) bildet hier eine rühmliche Ausnahme. Alle anderen Aposteln wurden ja zur gehörigen Zeit berufen und folgten dem Herrn auf Dessen sanfte Aufforderung, während Saulus gleichsam mittels einer Zangengeburt in fürchterlichen Wehen das geistliche Licht der Welt erblickt hatte (s. Apg. 9: 1-9). All die anderen hatten Christus ja „zu Lebzeiten“ (wenn Sie mir diese historisch-kritische Formulierung gestatten) gesehen. Paulus aber – welchen Grund hätte er gehabt, an die Auferstehung des zuvor von ihm Verfolgten zu glauben, wenn Dieser ihm nicht tatsächlich erschienen wäre?!..
All diese Zeugen sind demnach umso glaubwürdiger, als dass sie samt und sonders nicht im Verdacht stehen, voreingenommen oder leichtgläubig die Kunde von der Auferstehung Christi angenommen zu haben.
Weiter heißt es: „Christus ist für eure Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift“ (15: 3-4). Christus ist wirklich gestorben und wahrhaftig auferstanden! Im Evangelium bewahrheitete sich also das, was bereits Jahrhunderte zuvor durch die Propheten gemäß der Schrift verkündet worden war (s. z.B. Ps. 21: 17; Sach. 12: 10; Jes. 53: 5, 8 / Num. 10: 35; Ps. 67: 2; 101: 14; Jes. 33: 10). Welcher Beweise bedürfen die Menschen also noch?!..
Wir haben all diese Zeugen, damit wir zweifelsfrei glauben können. Leugner der Auferstehung können nur „bezeugen“, dass sie nichts gesehen haben, weshalb sie sich weigern zu glauben. Das hindert sie aber nicht an elektrischen Strom, Radiowellen, Röntgenstrahlen oder an die Photosynthese zu „glauben“, obwohl sie sie nicht sehen können und die wenigsten von ihnen sich jemals wissenschaftlich vom Vorhandensein dieser Dinge haben überzeugen lassen. Und wer hat Alexander den Großen, Julius Cäsar oder Napoleon gesehen?! Wir glauben nur, dass es sie gab, weil wir uns auf fundierte Aussagen von kompetenten Leuten verlassen, die wiederum die entsprechenden historischen Quellen studiert haben. - Wenn Sie auch meine Cousinen aus Südafrika und Kanada oder meinen Neffen in Australien nicht persönlich kennen, werden Sie nicht so kühn sein, zu behaupten, es gäbe sie nicht, nur weil Sie sie nicht gesehen haben. Aber bitte, um sie alle zu sehen, müssten Sie bloß einmal den Erdkreis umrunden. Um aber den auferstandenen Christus persönlich zu „sehen“, reicht es nach der Schrift schon vollkommen aus, ein reines Herz zu haben (s. Mt. 5: 8), denn Glaube ist vor allem Herzenssache! Das entspricht im übrigen auch dem Zweck des Fastens in der Vorbereitung zum Hochfest des Entschlafens der Allerheiligsten Gottesgebärerin. Amen.