Predigt zum 2. Herrentag der Großen Fastenzeit - Hl. Gregorios Palamas (Hebr. 1:10 - 2:3; Mk. 2:1-12) (04.03.2018)
Liebe Brüder und Schwestern,
die für den zweiten Fastensonntag vorgesehene Apostellesung stellt mittels zweimaliger Anleihe aus den Psalmen ein Plädoyer für die Stärkung unseres Glaubens an Jesus Christus, den wahren Gott, dar. In der heute ebenfalls vorgetragenen Evangeliumslesung geht es ja auch darum, dass Christus als (vor allen Zeiten gezeugter) Sohn Gottes die göttliche Macht besitzt, Sünden zu vergeben und den Menschen neben körperlicher Gesundheit auch das Seelenheil zu schenken (s. Mk. 2:6-12). Im Hebräerbrief lesen wir heute: "Du, Herr, hast vorzeiten der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk Deiner Hände. Sie werden vergehen, Du aber bleibst; sie alle veralten wie ein Gewand; Du rollst sie zusammen wie einen Mantel, und wie ein Gewand werden sie gewechselt. Du aber bleibst, der Du bist, und Deine Jahre enden nie" (Hebr. 1:10-12; vgl. Ps. 102:26-28). Einer alttestamentlichen Überlieferung zufolge waren bei der Gesetzgebung auf dem Sinai Engel Mittler zwischen Gott und den Menschen gewesen (s. Hebr. 2:2), wodurch Engel unweigerlich als für die Erlangung des Seelenheils unerlässlicher Faktor angesehen und auf einer Rangstufe über dem Menschen angesiedelt waren. Auch dem Menschensohn wurde in diesem System eine lediglich untergeordnete Funktion eingeräumt. Deshalb nun die Klarstellung: "Zu welchem Engel hat Er jemals gesagt: ´Setze Dich Mir zur Rechten, und ich lege Dir Deine Feinde als Schemel unter die Füße?`" (Hebr. 1:13; vgl. Ps. 109:1). Und auch die Menschen sind, ontologisch betrachtet, nicht niedriger als die Engel, welche doch nach Gottes Heilsplan dem Menschen dienstbar sind: "Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?" (Hebr. 1:14). Welch eine Erhöhung der wahren Menschenwürde!.. - Aber mit welcher Verantwortung dieses seligmachende Auserwähltsein für uns einhergeht! Welch eifrige Glaubensanstrengung uns abverlangt wird, um dieser göttlichen Berufung gerecht zu werden: "Darum müssen wir um so aufmerksamer auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht vom Weg abkommen. Denn wenn schon das von Engeln verkündete Wort rechtskräftig war und jede Übertretung und jeder Ungehorsam die gerechte Vergeltung fand, wie sollen dann wir entrinnen, wenn wir uns um ein so erhabenes Heil nicht kümmern, das zuerst durch den Herrn verkündet und uns von den Ohrenzeugen bestätigt wurde?" (Hebr. 2:1-3).
Es gibt also keine Garantie - nicht einmal für einen in den rechten Glauben Hineingeborenen - dass er das Seelenheil erlangt. Die Gefahr der Verirrung ist latent. Vom "Weg abgekommen" war offenbar auch der Gelähmte von Kafarnaum (s. Mk. 2:5). Ihm und uns weist der Herr nun den Weg: wie er erhalten wir die Vergebung unsere Sünden als Gandengeschenk Gottes. Also muss das Ziel unseres Daseins lauten: die Reinwaschung von den Sünden, welche die Befreiung vom Tode bewirkt. Christus allein kann sie uns schenken (s. Mk. 2:8-12). Wir können zwar kraft der Vergebung unseren Schuldigern (s. Mt. 6:12; Lk. 11:4) etwas für die Erlangung dieser Gabe tun, aber Gott ist es, der uns von der Macht des Todes befreit - aber nur, wenn wir alle Kraftanstrengung unternehmen und alle uns zur Verfügung stehenden Mittel des Glaubens - die Mysterien der Kirche - anwenden, um die Sünde in uns wirkungslos zu machen. Nicht gutes Betragen oder braves Befolgen der Fastenvorschriften lautet das Ziel, sondern das Stehen in der wahren Gnade Gottes (s. 1 Petr. 5:12). "Jeder aber erhält seinen besonderen Lohn, je nach der Mühe, die er aufgewendet hat" (1 Kor. 3:8). Deshalb erinnert die Kirche am heutigen Tag in Person des großen Hierarchen Gregorios Palamas stellvertretend für sämtliche christliche Asketen an all diejenigen, die diesen Weg der Selbstläuterung gegangen und die Herrlichkeit Gottes geschaut haben. Sie waren "gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes" (1 Petr. 4:10), die dereinst "bei der Offenbarung Seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln" werden (1 Petr. 4:13). Auch wir können und sollen ihnen darin nacheifern, und zwar "jeder mit der Gabe, die er empfangen hat" (1 Petr. 4:10). Sämtliche noch so gutgemeinten Aktivitäten können keinen Ersatz für diesen Weg des Heils darstellen. Der hl. Bischof Igantij (Brianchaninov, + 1867) bezeichnet menschenfreundliche Tätigkeiten unmissverständlich als "Werke des Fleisches", die womöglich der Beruhigung des Gewissens dienen, aber isoliert betrachtet nicht dem Seelenheil zuträglich sind. Auch Christus heilte Kranke und trieb Dämonen aus, weil Er Mitleid mit den Menschen hatte, doch unterstrich Er dabei, dass Er nicht dazu gesandt worden sei, sondern um "das Evangelium vom Reich Gottes" (Lk. 4:43) zu verkündigen (vgl. Mk. 1:38). Deshalb müssen wir, bei allem Verständnis für leibliche Sorgen und Nöte, umso aufmerksamer darauf achten, dass wir "nicht vom Weg abkommen", d.h. uns ernsthaft "um so ein erhabenes Heil kümmern, das zuerst durch den Herrn verkündet und uns von den Ohrenzeugen bestätigt wurde". Wohltätige Werke sind an und für sich gut, doch können sie als Lockmittel des Widersachers verwendet werden, um die Gläubigen durch "viele Sorgen und Mühen" vom einzig Notwendigen (s. Lk. 10:41-42) abzubringen. In den Heiligen der Kirche haben wir aber solche Augen- und Ohrenzeugen, die das vom Herrn verkündete erhabene Heil durch ein Leben in Christo bestätigt haben. Auch wenn wir schwach sind und wohl niemals auch nur im Entferntesten an unsere Vorbilder herankommen können, sind sie für uns Wegweiser des Heils und, wenn wir es denn wollen - auch Wegbegleiter zu Gott. "Sein Lob sei in der Gemeinde der Frommen" (Ps. 149:1), "damit Gott herrscht über alles und in allem" (1 Kor. 15:28). Ihm gebührt der Ruhm. Amen.