Predigt zum 7. Herrentag nach Ostern / Väter des I. Ökumenischen Konzils (Apg. 20: 16-18, 28-36; Joh. 17: 1-13) (19.05.2018)
Liebe Brüder und Schwestern,
wieder einmal ehrt die Heilige Kirche das Gedächtnis heiliger Konzilsväter, im heutigen Falle - der Väter des I. Ökumenischen Konzils (325 in Nicäa). Diese Väter haben für alle Zeiten verbindlich den Herrn Jesus Christus als vor aller Zeit einzig gezeugten Sohn Gottes, als "Licht vom Licht, wahren Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch Den alles geschaffen worden ist", bekannt. Hierdurch wurde gleichzeitig die Irrlehre des Arius verworfen, der im Sohn Gottes eine Schöpfung in Raum und Zeit sah und folglich die Wesenseinheit des Logos mit dem Vater ablehnte. Dies hätte ja aus heilsgeschichtlicher Sicht bedeutet, dass Gott zwar Seinen besten Soldaten, nicht aber Seinen einzigen Sohn zur Rettung der Welt hingegeben hätte (vgl. Joh. 3:16), und folglich wäre Gottes Liebe endlich! Das kann aber nicht sein. Und so sehen wir, dass es sich bei der Unterscheidung zwischen homousios (gr. eines Wesens) und homoiusios (gr. ähnlichen Wesens) nicht um ausgeklügelte Haarspalterei chronisch unterbeschäftigter Theologen handelt, sondern um eine Frage der wahren Verehrung Gottes (gr. orthodoxia). Und dies ist für das Seelenheil von allerhöchster Relevanz. Dadurch unterscheidet sich die Epoche der Ökumenischen Konzile von den heutigen "ökumenischen" Kaffeekränzchen grundlegend. War in der Oikumene des ersten Jahrtausends die Einheit im wahren Glauben - und koste es, was es wolle - das Ziel, ist heute "Friede, Freude, Eierkuchen" Ziel und Zweck der Pseudo-Ökumene. Heute rühmt man sich seiner Streitkultur bei Debatten über Haushaltsentwürfe im Parlament, bei monatelangen Verhandlungen über Zahlen hinter dem Komma in Tarifverhandlungen, aber im religiösen Dialog soll ausgerechnet die Frage nach dem einzig wahren Weg zum Seelenheil ausgeklammert werden?!...
Mit dem Konzilsbeschluss allein war es auch 325 noch längst nicht getan, da die Arianer danach die weltliche Macht hinter sich wussten. So waren zu Zeiten des hl. Grogorios des Theologen (329-390) die Kaiser, die durch arianische Goten durchsetzten Streitkräfte und die Bevölkerung der Hauptstadt auf Seiten der Arianer. Dennoch setzte sich am Ende die Orthodoxie durch. Zu verdanken war dies der Standhaftigkeit der heiligen Väter, wie der des hl. Amphilochios, Bischof von Ikonion, Schüler des hl. Basilios des Großen, der eine Audienz bei Kaiser Theodosios erbat. Als er den Thronsaal betrat und vor dem Kaiser stand, erwies er dem Kaiser pflichtschuldig die Ehre, ignorierte aber ostentativ den zur Rechten des Kaisers sitzenden Thronfolger Arkadios. Daraufhin wurde der Kaiser zornig und drohte dem Bischof Strafe an. Doch dieser entgegnete: "Siehst du, erhabener Kaiser, wenn du dich jetzt darüber erzürnst, dass ich deinem Sohn die Ehrerbietung verweigere, wie sehr wird es dann Gott missfallen, dass Du Seinem Sohn nicht die gebührende Ehre erweist?!"
Diese markante Begebenheit ist nur ein Mosaiksteinchen in der Kirchengeschichte. Die meisten von uns werden wohl niemals kundig in Kirchengeschichte sein, weil dies ein wirklich komplexes Thema ist. Doch sollten wir zumindest Tage wie den heutigen oder auch den Triumph der Orthodoxie am ersten Tag der Großen Fastenzeit zum Anlass nehmen, um darüber zu reflektieren, dass die uns prägende christliche Kultur nicht ein Produkt unserer nationalen Herkunft (Russland, Serbien, Rumänien, Bulgarien etc.) ist, sondern umgekehrt, die christliche Lebensweise aller christlichen Völker aus diesem oikumenischen Kulturschatz hervorgegangen ist. Das müssen wir begreifen und verinnerlichen, um denjenigen Rede und Antwort stehen zu können, die die Orthodoxie als "exotisches Christentum" begreifen oder gar nicht wissen, dass aus Griechenland oder Moldawien stammende getaufte Menschen "auch Christen sind". Die mehrfach im Kirchenjahr stattfindende Rückbesinnung auf die Epoche der Ökumenischen Konzile wird unseren Horizont dahingehend erweitern, dass wir erkennen: im ersten christlichen Jahrtausend spielte sich das geistlich-kulturelle Leben fast ausschließlich im Oströmischen Reich ab, da nach dem Untergang Westroms im Abendland die Barbarei herrschte. Also ist die Orthodoxie richtungsweisend für die Titulierung für das, was als "christlich" bezeichnet werden darf. Es geht uns bei dieser Erkenntnissicherung allerdings nicht um das Wiederaufleben vergangener Zeiten, sondern um die Besinnung auf das geistige Erbe einer tausendjährigen chritlichen Tradition, die bis heute in orthodoxen Klöstern und Kirchengemeinden, aber auch in frommen Familien weltweit bewahrt wird. Dies geschieht aber wahrlich nicht um der Traditionspflege willen, sondern aus seelsorgerischen Gründen. Die Bewahrung des Erbes der Väter bildet nämlich nur den notwendigen kirchlichen Rahmen für das Wirken des Heiligen Geistes auch in heutiger Zeit. Wir wissen doch alle nicht, was für uns die Zukunft bereit hält. Mir ist nicht bekannt, ob sie sich unsere Vorfahren auch mit allerlei Zukunftsängsten plagten, aber es scheint, dass wir heutzutage pessimistischer in die Zukunft schauen, als frühere Generationen - vielleicht, weil es uns jetzt materiell viel besser geht und folglich die Sorge um die Bewahrung von Besitzständen angewachsen ist. Wie dem auch sei, wer, wenn nicht die Orthodoxen, weiß, wie man sich einer feindseligen Übermacht gegenüber mit der Kraft des Glaubens zur Wehr setzt, so dass am Ende der wahre Glaube triumphiert? Nur kann diese Kraft des Glaubens nicht in politischen Hetzkampagnen gedeihen, sondern im Gebet und der Besinnung auf die Gemeinschaft mit Christus. Dadurch können wir den Vätern der Ökumenischen Konzile nachahmen, indem wir - koste es, was es wolle - vor allen Dingen das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit anzustreben suchen (s. Mt. 6:33). Amen.