Predigt zum 27. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 6:10-17; Lk. 12:16-21) (02.12.2018)
Liebe Brüder und Schwestern,
auch heute spricht der Herr in einem Gleichnis zu uns: ein reicher Mann hatte eine gute Ernte und, wie wir heute sagen würden, zugleich ein Luxusproblem: Wohin mit all den angehäuften Gütern?.. So expandiert er, der weit mehr als genug Rücklagen bis weit über sein Lebensende hinaus angescheffelt hat immer weiter, bis ihn Gott jäh daran erinnert, dass Überfluss an materiellen Dingen zwar bei der sorglosen und angenehmen Gestaltung des Lebens hilfreich sein kann, aber nicht vor dem einzig Unvermeidlichen schützen kann...
Diese Warnung ergeht an uns alle, für Begüterte und Minderbemittelte: die berechtigte und notwendige Sorge um das irdische Wohlergehen darf die Sorge um das Heil der Seele nicht überlagern (vgl. Mt. 6:25-33)! Ohne diesen Grundsatz könnte man die gesamte Weisheit des Evangeliums auf schöne, lehrreiche Erzählungen ohne jeglichen Realitätsbezug reduzieren. So aber drückt das Gleichnis vom sorglosen Reichen überaus treffend unsere alltägliche Realität aus, denn auch wir Christen leben oftmals so, dass wir uns - abgesehen vom Kreuzchen um den Hals - praktisch kaum von den Heiden unterscheiden.
Der Mann im Gleichnis hat vermeintlich alles, was man sich nur wünschen kann. Mit Geld kann man sich heutzutage nahezu alles kaufen: Gesundheit, Einfluss, Macht, Freunde, eine schöne Frau etc. Man muss jedoch beileibe kein Weiser sein, um zu wissen, dass Milliardäre nicht unbedingt glücklicher sind als Normalverdiener. Wenn wir uns nämlich vom geistlichen Standpunkt in die Situation des Reichen vertiefen, dann erkennen wir, dass dieser Mann die bemittleidenswerteste aller Kreaturen ist. Niemand anderes als Gott spricht zu ihm: "Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann all das gehören, was du angehäuft hast?" (Lk. 12:20). Und der Herr Jesus Christus schließt diese kurze Episode mit den Worten ab: "So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist" (12:21). So sieht die Realität vor Gott aus!
Was wir hier sehen, ist aber dennoch die Wunschvorstellung der meisten Menschen. Könnte sich jeder von uns an Gottes Statt seinen Lebensentwurf zurechtzimmern, wären wir wohl alle Megastars, Magnaten und Machthaber. Gott aber preist die selig, die arm sind (s. Lk. 6:21). Um also nach Gottes Willen zu leben und zu handeln, tut es vor allem Not, sich Gottes "Denkweise" anzueignen. Das geschieht aber nur, wenn wir zu lebendigen Gliedern an Seinem Leib, der Kirche, werden. Geschieht dies nicht, werden wir uns unweigerlich weiter dem "Trachten des Fleisches" (Röm. 8:6,7) hingeben. Man kann dabei womöglich ein "guter Mensch" sein, bleibt aber weiterhin ohne Orientierung in ewige Dinge betreffenden Angelegenheiten.
Die tägliche Sorge um den Lebensunterhalt, die Ausbildung der Kinder, die finanzielle Absicherung im Ruhestand entfernen uns gewiss nicht von Gott, denn dies sind Dinge, mit denen wir uns befassen müssen. Wovor wir uns bei unserer Entscheidung zwischen Gott und dem in der Bergpredigt genannten "Mammon" (s. Mt. 6:24) hüten sollen, ist übrigens nicht ausschließlich das Streben nach materiellem Reichtum, sondern eine generelle Säkularisierung unseres Gedankenguts. Folglich können wir uns der schädlichen Einflüssen dieser Welt nur erwehren, wenn wir mit beiden Füßen auf dem Fundament des Glaubens stehen (s. 1 Petr. 2:4-10). Diese Standhaftigkeit soll unser Tun und Handeln bestimmen, nicht der Geist dieser Welt! Wie schlau der Teufel doch ist, dass er so viele Menschen glauben lässt, sie hätten "Gott im Herzen", während in Wahrheit er es ist, der ihre Herzen und ihren Verstand leitet. Auch unser Reicher wähnt sich am Ziel seiner Träume - und überhört Gottes Warnung. Er ist nur noch einen Schritt vom Abgrund entfernt, doch für ihn gilt noch immer: "Ruh dich aus, iss und trink, und freu dich des Lebens!" (Lk. 12:19).
Maßgeblich für diese Welt sind heutzutage "Werte" wie Menschenrechte, Demokratie und Selbstbestimmung. Und auch die Christen stimmen - bislang noch in unterschiedlicher Lautstärke - dem Chor der "aufklärerischen" Humanisten bei. Aber ist dabei das Evangelium noch das Maß aller Dinge?..
Denn was nützt es aus der Perspektive des Seelenheils (s. Mt. 16:26; Mk. 8:36 und Lk. 9:25), wenn bei uns kein Krieg herrscht, aber der Seelenfrieden nicht angestrebt wird, wenn wir alle in Wohlstand leben, aber die Kirchen sonntags leer sind, wenn wir Rechtsstaatlichkeit und Freizügigkeit genießen, dafür aber Gottes Gesetz missachten, wenn Frauen zwar gleichberechtigt sind, sich jedoch nicht mehr um die christliche Erziehung ihrer Kinder kümmern, wenn der Antisemitismus gesellschaftlich geächtet ist, die Juden jedoch immer noch die Ankunft des Messias erwarten, wenn Muslime bei uns zu gleichberechtigten Mitbürgern werden, den Sohn Gottes aber weiterhin nur als einen von vielen Wegbereitern Mohammeds erkennen? - Können wir dann vor dem Angesicht des Allerhöchsten behaupten, wir seien unserer Verantwortung als Träger der Botschaft Christi gerecht geworden?!.. Wäre dem wirklich so, müssten sich nicht schon längst Millionen zum Glauben an Jesus Christus bekehrt haben, anstatt dass sich Getaufte in Massen von den Kirchen abwenden?..
Jesus Christus kam nicht als Weltverbesserer, sondern als Erretter der Welt. Er rüttelte nicht an den gesellschaftspolitischen Verhältnissen Seiner Zeit, die ja von extremer sozialer Ungleichheit, Gewalt, Willkür, Ausbeutung und Sklaverei gekennzeichnet war. Seine lapidare Antwort auf die größte Ungerechtigkeit von allen, nämlich Seine Verurteilung, war: "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt" (Joh. 18:36). Also wollen wir Christen ausschließlich für dieses Königtum all unsere Kraft einsetzen! Und dafür darf uns kein Preis zu hoch sein. Amen.