Erinnerungen von Archimandrit Antonin Kapustin

1994 - 4

Am 24. März/6. April 1994 waren hundert Jahre vergangen seit dem Todestag eines der hervorragendsten Kirchenmännern des 19. Jh. im Nahen Osten, des Archimandriten Antonin Kapustin. Er liegt in der Himmelfahrtskirche des russischen Frauenklosters auf dem Ölberg begraben.
Der Bischofsynod der Russisch Orthodoxen Kirche im Ausland beschloß, dieses Jubiläum am Sonntag des Samariters, am 16./29. Mai dieses Jahres zu begehen. Bei dem Jubiläum war der Sekretär des Synods, Erzbischof Lavr, mit einer Pilgergruppe anwesend. Die feierliche Liturgie wurde von Erzbischof Lavr gemeinsam mit neun, sowohl lokalen als auch aus den USA, Australien und Westeuropa angereisten Priestern und einem Protodiakon gefeiert. Unter den letzteren ist besonders Priester Simeon Donskoj aus Paris, der den französischen Zweig der Orthodoxen Palästina-Gesellschaft vertritt, zu erwähnen. Nach der Liturgie wurde eine Osterpanichida (nach dem Radoniza-Ritus) zelebriert, bei der lichte österliche Gesänge mit den Begräbnismelodien wechselten.
Am Ende der Liturgie sprach Vladyka Lavr einige wenige, aber inhaltsreiche Worte, die der Tätigkeit von Archimandrit Antonin gewidmet waren. Priestermönch Feodosij, der stellvertretende Leiter der Geistlichen Mission in Jerusalem, wurde in den Rang eines Igumen erhoben.
Dann wurden die Teilnehmer zu einem reichen Mittagsmahl geladen, bei dem die Äbtissin des Klosters, Matu¡ska Juliana, über Leben und Wirken von Archimandrit Antonin sprach. Daraufhin trug unser kleiner Gast aus Kiew, die 9-jährige Valeria, das Gedicht “Spasibo” von S.I. Ponomarev vor, welches dem Andenken an Archimandrit Antonin gewidmet ist und mit der Zeile endet: “Nicht vergessen wird Palästina Archimandrit Antonin”. Und wir hoffen, nicht nur Palästina, sondern auch Rußland nicht – insbesondere dasjenige im Exil.
Nonne Ioanna

Zum hundertsten Todestag von Archimandrit Antonin Kapustin, dem Leiter der Russischen Geistlichen Mission in Jerusalem
Das russische Volk fand den Orthodoxen Glauben in Byzanz auf dem Weg der Pilgerfahrt. Dann begann es jenen Ort auf Erden aufzusuchen, wo dieser Glaube zuerst erstrahlte. Gleich von Anfang seiner Existenz als orthodoxes Volk an, gleich nach seiner Taufe, fühlte es sich zum Lebenspendenden Grab des Herrn hingezogen, zur Heiligen Stadt Jerusalem.
In alten Zeiten und im Mittelalter war diese Reise nicht nur unsäglich mühselig, sondern auch recht gefährlich. Die erste Beschreibung solch einer Pilgerfahrt geht auf das 12. Jh. zurück und trägt den Namen “Der Gang des Igumen Daniel”. Igumen Daniel besuchte in den Jahren 1106-1108 mit seinem “Gefolge”, also seinen Begleitern aus verschiedenen Orten Rußlands, das Heilige Land. Ungeachtet der Widerwärtigkeiten, Gefahren und der Ungewißheit des Aufenthaltes in dem muslimisch-türkischen Reich fuhren die Gläubigen aus Rußland fort, in immer größerer Zahl ins Heilige Land im wörtlichen Sinne “zu gehen”. Sie wurden von den Mönchen des griechischen Patriarchats in Jerusalem und von den über das Heilige Land verstreuten Klöstern, soweit diese es konnten, aufgenommen. Aber oft reichte der Platz nicht aus, und die Pilger mußten unter freiem Himmel nächtigen. 1842 billigte die russische Regierung zum Wohle der Orthodoxen Kirche die dauernde Anwesenheit eines “zuverlässigen, gebildeten Mannes aus dem russischen Klerus” in Jerusalem. So wurde der Archimandrit Porfirij Uspenskij ewigen Andenkens, der bekannte Orientalist, entsandt. In seinen ausführlichen Berichten an das Außenministerium schrieb er nicht wenige brennende und gewichtige Worte zur Verteidigung der russischen Pilger, wobei er der Regierung nachdrücklich nahelegte, in Jerusalem eine Russische Geistliche Mission einzurichten, welche deren mißliche Lage etwas erleichtern sollte. Zar Nikolaj Pavlovi¡c billigte diesen Vorschlag, und so wurde am 31. Juli 1847 die erste Russische Geistliche Mission nach Jerusalem entsandt. Vater Porfirij kümmerte sich nicht nur um die russischen Pilger. Als er die erbärmliche Lage der lokalen orthodoxen Bevölkerung sah, die von den katholischen und protestantischen Missionaren vom rechten Weg abgebracht wurde, tat er viel zur Behauptung der Orthodoxie im Heiligen Land. Bedauerlicherweise hielt sich Vater Porfirij nicht lange in Palästina auf, nur 7 Jahre, denn der Krimkrieg zwang ihn zur Rückkehr nach Rußland. 1856 entstand in Petersburg die “Russische Dampfschiffahrts- und Handelsgesellschaft”, die es sich zum Ziel setzte, die bis dahin am Schwarzen Meer existierende “Neurussische Dampfschiffahrts-Expedition”, welche ständige Verbindungen zwischen den Häfen des Schwarzen und des Asowschen Meeres, sowie zwischen Konstantinopel und Galaz, unterhielt, in die Enge zu treiben und den reichen Dampfergesellschaften Société Maritime des Messageries Impériales und dem Österreichischen Lyod Konkurrenz zu bieten.
So schreibt Prof. A. A. Dmitrievskij: “Da die genannten Dampfschiffahrtsgesellschaften übrigens täglich auch einige Tausend Pilger, fast alle orthodoxen Bekenntnisses, nach Jerusalem schifften, die ihnen großen Gewinn brachten”, beschlossen die Agenten der genannten Kompagnie zusammen mit ihren Gesellschaftern und Aktionären, angesichts der “besonderen Bedeutung für die Kalkulation der Dampfergesellschaft” direkte Verbingungslinien von Rußland nach Palästina einzurichten, wodurch die Wallfahrten der Russen zur Anbetung zu den heiligen Stätten sich beträchtlich häuften und ein permanentes Phänomen wurden”; übrigens sahen sie die unbedingte Notwendigkeit, “die Lebensbedingungen der Pilger” zu untersuchen und nach Möglichkeit “sichere Bedingungen für ihren Aufenthalt in solch entfernten Gegenden zu schaffen”, wohl ein.
Auf Anregung des Großfürsten, General-Admiral Konstantin Nikolajevi¡c, der den Aktivitäten der Dampfschiffahrts- und Handelsgesellschaft nahestand, wurde 1857 der Sonderbeauftragte des Marineministeriums B.P. Mansurov, “unter dem Schein einer privaten Reise”… “zur Sammlung des notwendigen praktischen Materials” entsandt.
In seinem Rechenschaftsbericht an den Großfürsten schlägt Mansurov der Dampfschiffahrts- und Handelsgesellschaft vor, nichts über die Missionstätigkeit im Heiligen Land zu erwähnen, um die türkische Regierung und die Westmächte nicht zu erzürnen, sondern zu sagen, daß einfach eine Dampfergesellschaft zur Beförderung der Pilger gegründet wird. So würde er “schnell und leicht” Mittel aus einer unerschöpflichen Quelle bekommen – “von der Menge der wohlwollenden Spender” und aus der “Sympathie privater Personen für ein Werk der Wohltätigkeit und Religion”.
Als Resultat dieses Berichtes wurde Anfang 1858 auf höchsten Befehl das “Palästina-Komitee” eingerichtet, als dessen Vorsitzender der Bruder des Zaren, Großfürst General-Admiral Konstantin Nikolajevi¡c und als Hauptverantwortlicher Mansurov selbst ernannt wurde.
Anfang dieses Jahres begab sich die zweite Russische Geistliche Mission, diesmal angeführt von Bischof Kyrill Naumov, nach Jerusalem. Anfänglich arbeiteten beide Institutionen anscheinend freundschaftlich zusammen, auf jeden Fall zeigte Bischof Kyrill Vertrauen zu Mansurov und dem neuen russischen Konsul. 1859 kommt der Großfürst Konstantin Nikolajevi¡c selber mit der Großfürstin Alexandra Iosifovna nach Jerusalem und erwirbt von der türkischen Obrigkeit den riesigen Meidamplatz außerhalb der Mauern der Altstadt, wo der Grundstein für die künftige Dreieinigkeitskathedrale gelegt wird, um die herum begonnen wird, Unterkünfte für Pilger zu bauen. Es wird auch ein Stück Land in der Nähe des Grabes des Herrn gekauft (die zukünftigen Russischen Ausgrabungen), Landstücke in Ramle, Nazareth und Haifa, wo das Palästina-Komitee zeitweilige Pilgerlager einrichtet.
Aber die neuen Aktivisten in Palästina wollten keine ernsten Geschäftsbeziehungen zu dem von der russischen Regierung bevollmächtigten Leiter der Geistlichen Mission in Jerusalem haben. Sie umgingen ihn einfach und ließen ihn keinen Einblick in ihre Geschäfte nehmen. “Auf diese ungute Lage wurde zuerst”, – so schreibt eben dieser Prof. Dmitrijevskij, – “der Moskauer Metropolit Filaret ewigen Andenkens aufmerksam, der zu dem Schluß gelangte, daß die Verwendung der Geldmittel, “die für gottgefällige Werke gesammelt wurden”, sowie der Bau von Kirchen, Unterkünften und Krankenhäusern “eher der Geistlichen Mission als einer Dampfschiff- und Kommerzgesellschaft obliegt”. Aber dies half nichts, das Komitee fuhr unter dem Schutz des Großfürsten fort, Unterkünfte zu bauen, und begann, ernshaft Bischof Kyrill in die Enge zu treiben. Es fürchtete dessen Einmischung in das Leben der Pilger in den neuen Unterkünften. Dort sorgten Aufseherinnen für die Einhaltung der Ordnung, die unmittelbar dem Konsul und dem Komitee unterstanden und denen auch das Einsammeln der Spenden von den Pilgern oblag.
Der neue Konsul, Karcev, führte einen erbitterten Kampf gegen Bischof Kyrill, der damit endete, daß der Bischof nach Rußland zurückgeholt und an seiner Stelle Archimandrit Leonid Kavelin entsandt wurde. Dieser behauptete sich auf seinem neuen Posten im ganzen nur ein Jahr. 1865 wurde Archimandrit Antonin Kapustin aus Konstantinopel hergeholt, dem aufgetragen wurde, an Ort und Stelle die Ursachen der Streitigkeiten zwischen Konsul, Komitee und Geistlicher Mission zu klären. Unter solchen Umständen also trat Vater Antonin seinen Dienst im Heiligen Land an, wo er bis zu seinem Tod, fast 30 jahre lang, blieb.
Archimandrit Antonin Kapustin, im Laienstand Andrej, wurde am 12. August 1817 in der Familie eines Priestergeschlechtes im Dorf Baturino, Kreis @S¡cadrinsk, Gouvernement Perm, geboren. Nach anfänglicher häuslicher Erziehung trat Andrej in die geistliche Kreisschule “Bursa” ein. “Die Generationen, welche die Bursen und die Seminarien durchliefen”, – so schreibt Archimandrit Kyprian Kern, – “besaßen eine so hohe klassische Bildung, wie sie weltliche Schulen niemals vermitteln konnten. Vater Antonin beherrschte dank der Schule und seiner weiteren Ausbildung in Seminar und Akademie perfekt das Neugriechische und natürlich zwei moderne Sprachen, Französisch und Deutsch. Ob ihm Türkisch und Arabisch auch geläufig waren, wagen wir nicht zu behaupten, aber wahrscheinlich konnte er diese Sprachen auch, da er über 30 Jahre im Orient lebte”.
Nach Beendigung der Kiewer Geistlichen Akademie lehrte er dort Griechisch und Theologie. 1845 wurde er von dem Kiewer Metropoliten Filaret mit Namen Antonin zum Mönch geschoren. 1850 nimmt seine Karriere einen neuen Lauf: Er wird zum Vorsteher der Gesandtschaftskirche in Athen ernannt, wo er im ganzen 10 Jahre lang bleibt. Das ist die Zeit seiner ersten großen archäologischen Entdeckungen auf dem Gebiet der byzantinischen Orientalistik. Aus den Ruinen richtete er die alte Athener Kirche “Lykodima”, die von jener Zeit an die russische Botschaftskirche wurde, wieder auf, in der er interessante, alte christliche Grabinschriften fand.
Die folgenden 5 Jahre (1860-1865) verbrachte Vater Antonin als Vorsteher der Gesandtschaftskirche in Konstantinopel, was sein Wissen bereicherte und ihm einen neuen Bekanntenkreis von russischen und griechischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Orient erschloß. Schließlich trat Vater Antonin 1865 seinen Dienst in Jerusalem an.
Zu jener Zeit triumphierten alle, sowohl Orthodoxe als auch Heterodoxe, Fremde und Eigene, daß es ihnen gelungen war, einen russischen Bischof aus Palästina zu vertreiben – übrigens einen gebildeten Mann, fest in seinen Überzeugungen, energisch und standfest. Solch eine Erniedrigung der russischen Geistlichen Mission, und dazu noch aus den eigenen Reihen der Orthodoxen, hätte unseren Feinden “dem protestantischen Missionar Palästinas Gobbat und Co. nicht einmal geträumt” – wie es Vater Antonin treffend ausdrückte. “Bei der Jerusalemer Kyrill Affaire”, – so sagte Vater Antonin, – “ertrugen wir völlig unverdient mehr als eine Anfechtung. Uns verleumdeten und verlachten jene, die wir selbstlos mit Speise und Trank versahen und auf Händen trugen”. Die Anspielung ist auf das damalige Jerusalemer griechische Patriarchat gerichtet.
Aber Vater Antonin, der in Jerusalem als Leiter der Mission bleiben mußte, brachte nicht den Mut auf, dem Konsul und dem griechischen Patriarchen direkt ins Gesicht zu sagen, daß sie mit dem russischen Klerus ungerecht verfahren seien. Dafür mußte er später bitter bezahlen.
Der neue Leiter der Mission machte sich mit der ihm eigenen Beharrlichkeit an das Studium der palästinischen Angelegenheiten: Er schloß Bekanntschaft mit dem griechischen Patriarchat, untersuchte die Lage scharfen Auges und schrieb zur Information für seine Landsleute über die Propaganda der katholischen und protestantischen Missionare in Palästina und Syrien (Mansurov sagte jedoch, als er sein Palästina Komitee gründete, daß man “die Gedanken über die politische und religiöse Propaganda an Fremde (!) abwerfen solle”). Vater Antonin lenkte den Blick auf die demütigende Lage des lokalen arabischen Klerus und vergaß schließlich auch nicht seine Gesinnungsgenossen, die russischen Pilger, welche die heiligen Stätten Palästinas besuchten. Er wollte ihnen eigentlich geistliche Belehrungen erteilen, schrieb aber: “Es war so, daß der Herr Konsul den Aufseherinnen des Frauenhortes gebot, ihm jedesmal anzuzeigen, wenn jemand von den Mitgliedern der Mission in den Hort kam. Was für eine geistliche Obhut für die Pilger ist von seiten der Mission möglich?”. Im Bewußtsein seiner Pflicht als Seelenhirte hörte er jedoch nicht auf, die Unterkunft aufzusuchen.
Dennoch sah er, daß die Angehörigen des Palästina Komitees (das darauf in Palästina Kommission umbenannt wurde) und die Konsule das Wesen der Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten nicht begriffen. Sie stellten sich lediglich zum Ziel, wie wir bereits oben erwähnten, “nach Möglichkeit sichere Lebensbedingungen für ihre Kunden in solch einer entfernen Gegend zu schaffen”, was sich auf Jerusalem und einige temporäre Unterkünfte in Jaffa (wo die Dampfer anlegten), in Haifa und Nazareth beschränkte. Aber wie man in der glühenden Hitze durch die unpassierbare jüdäische Wüste zum Jordan gelangen sollte oder nach Hebron, einer höchst fanatischen muslimischen Stadt, – das war zu viel für ihr “erleuchtetes” Gehirn.
Der russische Pilger, der unter unsäglichen Mühen aus dem fernen Rußland zur Heiligen Stadt gelangt war, konnte sich die Pilgerfahrt ins Heilige Land nicht ohne ein Bad in den heiligen Wassern des Jordan vorstellen. Das war für ihn beinahe genauso wichtig, wie die Verehrung des Lebenspendenden Grabes des Herrn. Der Engländer Stephen Graham, der sich als russischer Muschik verkleidete, besuchte 1912 mit russischen Pilgern und Bauern die heiligen Stätten. In seiner interessanten Erzählung über diese Pilgerfahrt “With the Russian pilgrims to Jerusalem” beschreibt er, wie die Pilger, die sich zum Jordan aufmachten, weiße Hemden, in denen sie untertauchen wollten, mit sich nahmen, die sie zuvor auf dem Stein der Salbung zum Gedenken dessen, wie der Hl. Joseph von Arimathea auf eben diesem heiligen Stein den Leib Christi zum Begräbnis bereitete, geweiht hatten. Diese Hemden, in denen die Pilger im Jordan untertauchten, nahmen sie nach Hause mit, um sich später darin begraben zu lassen. “Die Mission”, – so schrieb in einem seiner Berichte Archimandrit Antonin, “war von niemand berechtigt oder verpflichtet worden, die zur Anbetung der heiligen Stätten gekommenen Wallfahrer zu betreuen und geistlich zu führen... Wenn die Geistliche Mission jetzt ein Wort über ihre Bereitschaft zur Betreuung unserer Herde auf den Weiden des Heiligen Landes sagt, so wird sie bestimmt von den ihrigen, als auch von Fremden mit dem Wolf gleichgesetzt”.
Aber seinem Charakter nach war Vater Antonin nicht passiv. Nachdem er seinen Landsleuten nicht mehr bei den Baustellen in Jerusalem dienen konnte, schickte er sich mit Eifer an, Grundstücke, die in irgendeiner Hinsicht für die Pilger von Bedeutung waren, aufzukaufen und dort Unterkünfte zu bauen.
So erwarb er Ende 1868 die berühmte Terebinthe von Mamre. “Das ehrwürdige Heiligtum,” – so schrieb Vater Antonin, – “stellt jetzt russisches Eigentum dar. Ich kann nicht ausdrücken, mit welcher Freude wir diese kostbare Nachricht empfingen. Ungeduldig erwartete ich den Augenblick, auf unsere unvergleichliche Erwerbung einen Blick zu werfen... Und bei der Terebinthe muß es natürlich auch einen Wallfahrerhort geben, damit die Unsrigen sich nicht in Hebron ihr Nachtlager suchen müssen. All dies ist bereits zweitrangig, aber das Wichtigste ist, das Werk zu rechter Zeit zu tun. Das Schwierigste und Wichtigste wurde mit Gottes Hilfe bewerkstelligt. Der Terebinthenhain von Mamre ist ein russischer Hain.” Man darf nicht übersehen, daß der Weg von Jerusalem nach Hebron zu Fuß acht Stunden in Anspruch nahm und daß ein Nachtlager dort obligatorisch war.
“Bei der alten Terebinthe von Mamre”, – so schreibt Vater Antonin am 22. Mai 1871, – “wurde bereits die Göttliche Liturgie vollzogen... Die Stammutter all unserer Pfingstbirken und Maienbäume ist diese ersehnte Eiche, und eigentlich war sie Rußland vermacht und deshalb fiel sie nun auch Rußland zu. Bei Sonnenaufgang am Dienstag sahen wir einen improvisierten Altar in der dreifachen Teilung des Stammes dieses enormen Baumes. Dort unter offenem Himmel, bei dem leisen Rascheln des immer grünen Laubwerkes, in der Frische und dem Duft des Frühlings beteten wir die dreihypostatische Gottheit an.” Die Zeit und gute Menschen vermittelten Vater Antonin die ihm unerläßlichen “Rubelhunderter”, und jetzt umgibt eine Steinmauer den prächtigen Garten, und auf dem Hügel wurde ein vorzügliches zweistöckiges Pilgerheim erbaut (die Kirche wurde erst nach der Revolution fertiggestellt).
1870 wurde ein ziemlich großes Landstück auf dem Ölberg erworben, in der Nähe der Stätte der Himmelfahrt des Herrn. “Dieser Ort stellt”, – nach den Worten von Vater Antonin, – “den höchsten Punkt des heiligen Berges dar, der jetzt von einem Feigengarten eingenommen wird; einst war er mit Gebäuden übersät, die wahrscheinlich zu irgendeinem Kloster gehörten, und vielleicht noch einem anderen. Man zeigte uns obligatorisch die an einer Stelle in geringer Bodentiefe offengelegten Reste eines prächtigen Mosaikbodens mit der Darstellung von Vögeln, Fischen u.a., der dem in der Kirche des Kreuzklosters erhaltenen ganz ähnlich ist und einen seltenen Fund Palästinas darstellt (jetzt befindet sich all das in der Kapelle der Auffindung des Hauptes des Hl. Johannes des Täufers). Kürzlich stießen sie auf einen ganzen Haufen goldener Mosaikreste und eine Menge weißer Marmorbrocken. Zweifelsohne war dies einmal eine Kirche. Möge sie wieder so sein wie einst, durch den Segen Dessen, der dort Seine Arme gen Himmel hob und jedes gute Beginnen segnete!... Man muß sich klar sein, daß wir, obwohl wir relativ spät zu Eigentümern im Heiligen Land wurden, doch lauter gute Dinge erwerben”.
Das auf dem Ölberg erworbene Landstück wurde zuerst mit einer Steinmauer umgeben, mit Ölbäumen und Feigenbäumen bepflanzt, und dann begann man mit der Errichtung einer Kirche im Namen der Himmelfahrt des Herrn, aber der Mangel an Geld hinderte das schnelle Voranschreiten des Baues. Doch Beharrlichkeit und Geduld taten auch hier ihr gutes Werk.
1885 wurde unter großen Schwierigkeiten hierher auf den Ölberg eine riesige Glocke gebracht, und damals wandte sich Vater Antonin mit einem Spendenaufruf zur Errichtung eines Glockenturmes bei der Kirche auf dem Ölberg an seine russischen Landsleute. Dieser Appell blieb seitens der Christusliebenden nicht ohne Echo, und der großartige Glokkenturm der russichen Ölbergkirche (“Russische Kerze”) beherrscht nun die ganze Umgebung Jerusalems. “Von seiner Spitze”, – so schreibt Vater Antonin, – “schaut der Beobachter bis auf die Fläche des Toten Meeres und in das Transjordanland, und mit Hilfe eines Fernglases sieht er bei klarem Wettter sogar die Bläue des Mittelmeeres. Das mächtige Läuten seiner Glocken erfüllt den ganzen Berg und sogar Jerusalem, laut und gewichtig verkündet es den Andersgläubigen die Errungenschaften der russischen Sache in Palästina, und dem wahren russischen Gläubigen schenkt es unvergleichliche geistliche Erquickung” (Vater Antonin selbst war ein großer Liebhaber des “vollen Glockentones”).
Noch während seiner Lebzeiten wurde auf dem Ölberg ein zweistöckiges Haus mit Museum erbaut, sowie geräumige Pilgerunterkünfte und eine Menge anderer Bauten mit schattigen Gärten und Blumenbeeten. Das Frauenkloster jedoch wurde nach seinem Tode, Anfang dieses Jahrhunderts, erbaut.
Bei seinem ersten Aufenthalt in Jerusalem 1857, als er an Beth-Dschal (dem alten Ephratha), das zwischen Jerusalem und Bethlehem auf einer Anhöhe liegt, vorbeikam, schrieb Vater Antonin: “Das ist der Aufenthaltsort des römischen Pseudopatriarchen von Jerusalem und zugleich des Seminars. Der scharfäugige und berechnende Pater Valerga wählte offensichtlich den allerungünstigsten Ort für seine Absichten aus. Das Nachbardorf besteht ganz aus orthodoxer arabischer Bevölkerung und hält sich bis jetzt hartnäckig den aufdringlichen Fremdling vom Halse, mit dem es sogar einen Prozess um den Platz, wo seine Residenz erbaut wurde, anstrengte. Aber, – fügte mit einem Seufzer der mir diese Dinge Berichtende bei, – die Sache wird damit enden, daß er sie noch verführt. So war es auch in Bethlehem. Wer Geld hat, der kauft die Leute eben, falls er sie nicht überzeugen kann. Schade wäre es, wenn das passiert. Möge doch dieser Eiferer um den Glauben Christi sich irgendwo unter die Musulmanen setzen und soll er sie, mit was für immer einer Waffe er mag, bearbeiten. Wahr ist das Wort des Herrn: Ein anderer ist’s der sät, ein anderer, der erntet. Eine fremde Ernte bringt ihr ein, die Schnitter sind ungeladen, aber kommt euch da nicht der Gedanke, daß auch eure Saat auf dieser, in ihrem Geschick geheimnisvollen Erde “auch von anderen Schnittern eingesammelt werden kann”? Der Vorsehung war es genehm, daß sich als dieser ersehnte “Glaubenseiferer” und “anderer Schnitter” der denkwürdige Vater Antonin selber erwies. “Für jene, die Ohren haben zu hören und Augen zu sehen, teilen wir mit”, – schrieb er an seinen Antagonisten A.L. U¡sinskij als Antwort auf dessen Bezichtigung unserer Mission der Inaktivität auf dem Gebiet der Volksbildung im Heiligen Land, – “daß wir kaum hier Fuß gefaßt haben (genau 1866), als wir uns sogleich an den Bau einer Mädchenschule im Zentrum der papistischen Propaganda, in Beth-Dschal nämlich, machten, um die künftigen Mütter der dortigen, in ihrer Befolgung der Orthodoxie strengen Bewohner und den Ort vor der endgültigen Verführung zum Lateinertum zu bewahren”. Das elegante Gebäude für das kostenlose Pensionat mit Ölbaumhain wurde von dem Archimandriten der Orthodoxen Palästina Gesellschaft zum Nachlaß vermacht. Die Zarin Maria Alexandrovna stellte bis zu ihrem Tod alljährlich zum Erhalt dieser Schule eine solide Geldsumme zur Verfügung.
Die sogenannte “Gornjaja” war der zweite Ort, auf den, als auf einen wichtigen Punkt der Erziehung, der ernste Blick Vater Antonins gerichtet war. “Links zur Seite dieses so üppig grünenden Tales am Fuße des Hügels glänzt eine Menge weißer Gebäude”, – so beschreibt Vater Antonin 1870 die “Gornjaja”. “Der am meisten in die Augen springende zentrale Teil davon ist der Kinderhort, der unlängst von der Ratisbona Bruderschaft, die vom Judentum zum Katholizismus bekehrt worden war, gebaut wurde. Das Ostende wird von dem lateinischen Kloster ‘Geburt des Vorläufers’ eingenommen, das an der Stelle des Hauses des Zacharias erbaut wurde, dem Geburtsort des größten unter den von der Frau Geborenen. Am Westende der Siedlung bezeichnet eine andere Gebäudegruppe den Ort der Begegnung der Mutter Gottes mit Elisabeth und ihr dreimonatiges Verweilen bei ihr, was von den Katholiken kurz und bündig Magnificat genannt wird. Ich erinnere mich der Augenblicke, die wir in ‘Gornjaja’ verbrachten, wohin wir auch mit Fleiß eine Woche zuvor gegangen waren. Der an heiligem Geschehen so reiche Ort ist nun vollkommen katholifiziert. Die Orthodoxen haben dort weder eine Kirche noch Häuser, noch ein Fleckchen Erde. Land ist da, es ist gut sichtbar und besteht aus einem kompakten Felsen und schmückt sich mit einem russischen Namen, es hat seine rechtmäßigen Besitzer und erwartet ihre Ankunft schon viele Jahre lang. Aber ich fürchte, daß von dieser Unfruchtbaren, die nicht gebiert, nichts zu erwarten sein wird, und sie nicht über viele Kinder jubeln wird. Mir schwebt in meinen Gedanken eine ganz andere Örtlichkeit vor, die einen Mann hat und deshalb fruchtbarer als die Vereinsamte ist”. Solch ein “Mann” für die zuvor “unfruchtbare” Örtlichkeit wurde eben dieser unvergeßliche Vater Antonin, der im Jahre 1880, also 10 Jahre später, bereits über die “Gornjaja” schreiben konnte: “Hier wurde eine Schule in einem russischen Haus gebaut, und eine Kirche wurde im Namen der Mutter Gottes, zum Gedächtnis Ihres Besuches bei ihrer Verwandten, der rechtschaffenen Elisabeth, begonnen; die Stelle ihres Hauses ist von unseren Besitzungen umgeben, obwohl der Ort uns nicht gehört, sondern das Eigentum und sozusagen das Skit des lateinischen Vorläuferklosters darstellt. Hier hofft man, daß die Nachricht über all dies von den vielzähligen, über das ganze russische Land verstreuten Verehrern des heiligen (und fügen wir hinzu des wunderschönen, einem Garten Eden gleichenden) Ortes in ‘Gornjaja’ freudig aufgenommen wird. In unserer Mission besteht kein Zweifel, daß auf diesem “Anteil der Mutter Gottes” in naher Zukunft eine geräumige Unterkunft adliger russischer Einsiedlerinnen gebaut wird, die in voller und ungestörter Stille der Seele die letzten Tage ihres mehr oder weniger bewegten Lebens verbringen möchten, wobei als Vorbild die Regel des alten Skit-Lebens dient, ohne Schatzmeisterin, ohne Ordnungshüter und ähnliche Formalitäten, und als Grundlage dessen die im Verborgenen wirkenden Worte der inspirierten Ikone der Mutter Gottes dienen werden. So möge es sein!”.
Das Kloster wurde tatsächlich errichtet und besteht bis heute, 1948 wurde es jedoch der Russischen Auslandskirche vom Moskauer Patriarchat entrissen.

Bote 1994-5
Erinnerungen von Archimandrit Antonin Kapustin

Wie wir oben erwähnten, stellte der Jordan seit langem einen großen Anziehungspunkt für alle Pilger, welche das Heilige Land besuchten, dar, wodurch sich die unbedingte Notwendigkeit ergab, hier, an der Stelle des alten Jericho, einen russischen Pilgerhort zu schaffen (zu Fuß war es dorthin mehr als einen halben Tag). Vater Antonin erwarb hier ein großes Stück Land mit einem Palmengarten und Weinbergen und machte sich daran, eine Pilgerunterkunft einzurichten. 1876 klagte er noch über den Mangel an Mitteln zur Vollendung dieses Projekts, aber 1885 war das Pilgerheim bereits fertiggestellt und bot den Anblick eines prächtigen Gebäudes (jetzt, wo die Wallfahrt mit Autobussen durchgeführt wird, besteht keine unmittelbare Notwendigkeit für das Pilgerheim und es wird daher verpachtet).
“Nachdem wir uns zum Jordan begaben und wieder von dort zurückkehrten, – schreibt Vater Antonin, – ruhten wir im russischen Pilgerheim von Jericho aus, einem wahren Palast, der von der Russischen Mission in einer Öde errichtet wurde, wie man sie sich nicht vorstellen kann, wenn man sie nicht gesehen hat. Auf dem Wege übernachteten dort Tausende von Pilgern, die beide Stockwerke des Gebäudes, den ganzen Garten und den Vorgarten besetzten. Wie sollte man keine Worte des Lobes und der Dankbarkeit finden für Menschen, die wachsam die Bedürfnisse ihrer Landsleute auf fremdem Boden verfolgen? Mit leichter Hand bauen die unsrigen bereits hier und da in der Gegend des berühmten Jericho Hütten aus Schilf und Lehm unter Hinzufügung von Bausteinen, welche die Erde seit uralten Zeiten in ihrem Schoße barg. Größtenteils wurden diese russischen Landhäuschen von unseren nordischen Liebhabern und Liebhaberinnen der ewigen und ständigen Wärme gekauft und gebaut: eine solche Gluthitze ist dies, von der auch unsere größte Sommerhitze keinen Begriff gibt”. Ein Reisender der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, A.V. Eliseev, schreibt: “Jeder Palästinapilger, der dem Jordan einen Besuch abstattete, spricht Archimandrit Antonin von ganzem Herzen ein fettes russisches ‘Spassibo’ aus”.
In Jaffa ist der Erwerb eines Grundstücks in der Nähe des Grabes der Hl. Tabitha für immer mit dem Namen Vater Antonins verbunden. 1870 stellte dieses Grundstück nach den Worten des Archimandriten ein “weites braches Gelände, zuerst hügelig und dann vollkommen eben, die Figur eines Parallelogramms” dar. An zwei Stellen fand man alte Höhlen, die den ehemaligen Bewohnern von Ioppe als Gräber dienten. Dieser Ort trägt den arabischen Namen Tabita, d.h. Tabitha nach der Apostelgeschichte.
Wir können uns mit dem Erwerb noch eines von dem Evangeliumsgeschehen geheiligten Ortes in Palästina beglückwünschen. Alljährlich am dritten Sonntag nach Ostern, wenn in der Kirche die Apostelgeschichte über die Auferweckung dieser seligen Frau durch den Apostel Petrus gelesen wird, machen die orthodoxen Einwohner Jaffas einen ganztägigen Ausflug an diesen Ort, wodurch sich die Tradition über die Hl. Tabitha bestätigt. Vielleicht war hier die Stelle ihres eigentlichen Grabes. Vom höchsten Punkt dieses Ortes aus ergötzten wir uns des Blickes auf das prächtige Panorama der zahllosen Gärten von Jaffa, der Stadt Jaffa selber und des tiefen grenzenlosen Meeres. Selbst der Winter von Jaffa ist unserem nordischen Juni vorzuziehen und den Ort inmitten von hunderten von Apfelsinengärten braucht man nicht eigens zu loben. Nach zehn Jahren wird dort wohl in den niedergelegenen Teilen ein undurchdringlicher Apfelsinen- und Zitronenwald sein. Den oberen Bereich kann man mit allen anderen paradiesischen Bäumen bepflanzen, vom indischen Bambus bis zur russischen Birke. Der Grund dieses Gartens wurde bereits gelegt. Ein Brunnen mit gutem Wasser wurde elf Sa¡zen tief gegraben, eine Grube wird als Wasserreservoir ausgehoben, ein Gebäude für den Gärtner und den Nachtwächter errichtet, und der Ort für die zukünftigen russischen Steinbauten ist bereits bestimmt”. So schrieb der unvergeßliche Vater Antonin im Jahre 1870. Gegen Ende seines Lebens konnte er noch an der Einweihung der von ihm hier errichteten Kirche zu Ehren des Apostel Petrus und der Hl. rechtschaffenen Tabitha teilnehmen.
1948 wurde auch dieser Ort der Auslandskirche vom Moskauer Patriarchat weggenommen. Die Plantage verwüstete, die Obstbäume gingen ein. Vor einigen Jahren wurde ein großer Teil des Obstgartens an jüdischen Nachbarn verkauft. Jener undurchdringliche Zitronen- und Apfelsinenwald, von dem der selbstlose, wahre Arbeiter für das Wohl der Russischen Kirche träumte, sollte also dort nicht entstehen.
Der Monolith von Siloam, der von einer lokalen Überlieferung “Grabmal der ägyptischen Gemahlin König Salomos” genannt wird, bedeutsame alt-hebräische Gräber, die in der Zeit Vater Antonins unter dem Namen Grab er-Rumanie oder Essinie bekannt waren und vielleicht dem frommen König Josia gehörten, sogenannte Prophetenhöhlen auf dem Abhang des Ölberges, die Quellen des Tiberius und andere Sehenswürdigkeiten in Palästina wurden dank der Mühewaltung Vater Antonins und den durch die Spendenfreudigkeit der russischen Gläubigen zusammengeflossenen Mitteln erworben. “Der gesamte Wert an Grundbesitz,” – so schrieb Prof. Dmitrijevskij, – “den Vater Antonin dem Heiligen Synod bei seinem Ende übergab, beläuft sich nach heutiger Schätzung auf eine Million Rubel”. Die Kompliziertheit des grandiosen Unternehmens Vater Antonins bestand nicht alleine in der völligen Abwesenheit von staatlichen Geldern für Ankäufe und die daraus resultierende Notwendigkeit, sich mit den Spenden der Pilger und privater Sympathisanten in Rußland zufriedenzugeben: Abgesehen davon mußte Vater Antonin ungeheure Barrieren überwinden hinsichtlich der türkischen Oberhoheit. Land erwerben konnte man nur über Strohmänner, türkische Untertanen, denn Fremden war dies nicht gestattet. Vater Antonin erwarb Grundstücke auf den Namen seines treuen Gehilfen, des Dragoman (d.h. Dolmetscher und Vertreter der Mission bei der türkischen Verwaltung), Jakob Jegorovi¡c Chalebi, eines orthodoxen Arabers, der die von ihm erworbenen Landstücke sogleich nach dem Kauf der Mission überließ. Bei dieser nicht leichten und verwickelten Aufgabe fand Vater Antonin unschätzbare Unterstützung in der Person seines Freundes und geistlichen Sohnes, des russischen Gesandten bei der hohen Pforte, Graf N.P. Ignatjev.
“Angesichts der obdachlosen Lage unserer Pilger, welche die heiligen Stätten außerhalb Jerusalems besuchen und der völligen Inaktivität unserer konsularen Vertretung (als Bevollmächtigte der Palästina Kommission), engagierte ich mich, während ich Wege zu ihrer Ausschaltung suchte, – so schrieb Archimandrit Antonin 1878, – etwa zehn Jahre lang mit dem Bau von Pilgerunterkünften an verschiedenen, irgendwie von der christlichen Überlieferung geheiligten Orten, wie: Gornjaja, bei der Tamariske von Mamre, auf dem Ölberg, in Jericho..., wobei ich mit Hilfe der privaten Wohltätigkeit gottliebender Kompatrioten und mit Gottes Segen den gewünschten Erfolg hatte und zur Instandhaltung der Heime außer auf unsere bescheidenen Spenden auch auf die zum Unterhalt der Mission festgesetzte staatliche Summe zurückgriff”.
Nun wird es verständlich, warum unter den russischen Palästinapilgern – intelligenten Leuten, welche die Lage der Orthodoxie im Orient und unsere Errungenschaften dort mit Interesse verfolgten – die Aktivität der Palästina Kommission während ihres ganzen Bestehens schonungsloser Kritik und strenger Verurteilung ausgesetzt war, und, wie die Kommission selber eingestand, von seiten vieler sogar ein gerechtfertigtes “Murren” hervorrief, während die bescheidene Geistliche Mission zu jener Zeit Gefühle warmer Sympathie bei den Pilgern erweckte und sich nicht selten mächtige Apologeten und Verteidiger unter Personen erwarb, die durch ihre Worte oder ihre Position etwas zu sagen hatten. So wird es verständlich, daß zwischen der Kommission und der Mission betrübliche Konflikte und Mißverständnisse einfach entstehen mußten. Der Konsul nahm als Verantwortlicher und Bevollmächtigter der Kommission sogar zuweilen die Waffenhilfe seines Kavas (bewaffneter Wachposten) in Anspruch. Auf jeden Fall gelang es ihm, Vater Antonin den Erwerb von Grundstücken zu verbieten. So kam es zu dem bedauerlichen Vorfall, über den Vater Antonin am 27. Dezember 1879 berichtete: “Wie Eurer Erlaucht bekannt, zerstörte das mir vom Herrn Konsul zum Fest bereitete Vandalengeschenk gründlich meinen Seelenfrieden und verdarb mir die Freude an der kirchlichen Feierlichkeit. Zur Genugtuung des Herrn Ilarionov befahl Reuf Pascha strengstens, nach Zerstörung des gewissen Flügels an dessen Stelle eine sinnlose Mauer zu errichten. Daher ergab sich am Festtag selber der ungewöhnliche Anblick von Steinbauarbeiten, die von den orthodoxen Arbeitern ausgeführt wurden. Das Ziel dieser Eile des Pascha war, dem aus Bethlehem zurückgekehrten Herrn Konsul durch die Verwirklichung eines ersehnten Traumes seines Herzens zu schmeicheln”. Der Konsul verfolgte durch die türkische Administration J. E. Chalebi, in dessen Namen die Landstücke gekauft wurden, und erreichte, daß sein Haus zerstört wurde. Die Palästina Kommission mit dem Konsul erboste sich dermaßen, daß sie sogar den Entschluß faßte, um jeden Preis auf die Vernichtung der Geistlichen Mission in Jerusalem hinzuwirken. Es wurde beschlossen, den Jerusalemer Konsul mit dem Titel “Generalkonsul” auszuzeichnen, und ihm, um den geistlichen Bedürfnissen der Pilger zu obliegen, anstelle der Mission einen einfachen Hieromonachos zur Seite zu stellen. Mit solch einem Ansuchen wandte sich die Palästina Kommission an den Heiligen Synod, und die Angelegenheit um die Schließung der Mission wurde sogar dem Zaren unterbreitet.
Zwei Jahre zuvor besuchte ein russischer Enthusiast, Vasilij Nikolajevi¡c Chitrovo, das Heilige Land, welches er von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebte. Er hatte ein wachsames Auge auf alles, was vor seinen Augen in Palästina geschah und ungeachtet seiner kurzen Anwesenheit in Jerusalem schätzte er das Vorgefallene richtig ein und erriet, worin die Wurzel des Übels lag und wo der Ausweg aus dem traurigen Stand der russischen Sache dort zu suchen ist. “Wenn unter meinen Erinnerungen an das Heilige Land noch ein Plätzchen für Erinnerungen an die Leute dort ist, – so schrieb V.N. Chitrovo 1877 an Archimantrit Antonin, – so gebühren sie ganz und gar Ihnen, dem wir bei der Besichtigung und Anbetung der Heiligtümer Jerusalems so sehr verpflichtet sind.” Chitrovo dachte ernsthaft an die Schaffung einer privaten Gesellschaft zur Stütze der Orthodoxie im Nahen Osten, worüber er Vater Antonin berichtete. Aber dieser, der zeit seines Lebens viel gesehen hatte und durch große Enttäuschung und Trübsal gegangen und ein Mann ernster kritischer Analyse war, antwortete Chitrovo in mißtrauischem Ton in Bezug auf dessen: “Klagen Sie nicht eitel über die russische Gleichgültigkeit dem Heiligen Land gegenüber? Natürlich ist es ein edler Gedanke, das russische Palästina Komitee, wie Sie es nennen, zu bilden, eine wissenschaftlich-archäologische, eine politisch-philantropische Idee. Aber meinen Sie wohl, daß wir die Sache ohne Lärm und Eigenlob, ohne Zwist und Verleumdung und vor allem ohne irgendein Kommando von oben verwirklichen können? Komitee hin oder her, aber etwas in dieser Richtung kündigt sich schon lange bei uns an, und eben in unserem Petersburg unter dem Namen ‘Orientalische Bruderschaft’, die bereits 1871 konzipiert wurde. Ich erfuhr davon 1875 und gestehe, daß ich bei der ersten Erwähnung der Sache keinen Glauben schenkte. Viele Worte (dazu noch in schlechtem Stil), aber real, praktisch nichts! Was für eine schummerige Phantasie, ohne Gesicht, ohne Namen und Vatersnamen! Was ich am meisten fürchtete, das tauchte natürlich auf. Am 8. Juli 1876 fragte mich bereits die ‘Orientalische Bruderschaft’ in einem Brief aus Petersburg: Unter welchen Bedingungen kann man den Jerusalemer Orden ‘Grab des Herrn’ erwerben? Sapienti sat. Um Gottes willen kein Komitee mehr! Uns genügt eine ‘Palästina Kommission’, die dort schaltet und waltet, wo sie keine Ahnung hat. Uns ist die persönliche Aktivität der tatsächlich dazu Berufenen nützlich (eigentlich ist nur sie brauchbar und erreichbar) – was, wenn wir sie auch anfangs mit der Laterne suchen müssen, dennoch weniger lächerlich ist, als wenn wir in der Hoffnung nichtexistierende Orden zu bekommen wie die Orientalen zu werkeln beginnen.” Die Nachricht über die Absicht der Palästina Kommission, der unglückseligen Mission in Jerusalem, die all die 30 Jahre ihrer Existenz der Orthodoxie und dem russischen Volk nicht geringen Nutzen brachte, den Lebensfaden abzuschneiden, hatte nicht nur auf den Leiter der Mission und seine Mitarbeiter einen deprimierenden Effekt, sondern auch auf alle, die Gelegenheit hatten, einen genaueren Blick auf die Tätigkeiten der Mission zu werfen. Archimandrit Antonin begann klar zu sehen, worin ihm, einem Aktivisten im orthodoxen Orient, eine private Palästina Gesellschaft nützlich sein könnte. “Was die Russische Palästina Gesellschaft betrifft, – schrieb Vater Antonin an Vasilij Nikolaevi¡c Chitrovo, – wäre es wohl gut, wenn sie sich konstituieren würde? Nicht etwa, daß ich der Idee, solch eine Gesellschaft zu bilden, abhold wäre, aber ich fürchte, daß wir uns damit blamieren. Als ein Präzedenzfall solch einer unerwünschten Erscheinung mag die Aktivität anderer unserer Gesellschaften dienen, die den Gelehrtenköpfen entsprangen. So läßt beispielsweise unsere Archäologische Gesellschaft, die sich zudem mit dem Namen ‘die Kaiserliche’ schmückt, kaum etwas von sich hören... Ein lebendiges Interesse für eine tote Sache können wir nicht lange in uns nähren... Sollte man vielleicht gar riskieren, einen Aufruf an die russische Intelligentia zu richten mit der Einladung, daß jeder der möchte, seinen werten Namen in die Liste der Wohltäter des Heiligen Landes eintragen möge... Ich meine, daß die Mehrheit der nicht wenigen Anbeter, die einmal die heiligen Stätten Palästinas besucht haben, positiv reagieren wird auf einen Aufruf zu einer freiwilligen, einmaligen Zuwendung für eine Sache, die für alle glorreich, wünschenswert, erfreulich und vor allem gottgefällig ist. Man sollte Ihre Kaiserliche Hoheit die Zarin, die nun schon über 20 Jahre durch alljährliche Geldsummen dem Heiligen Land Wohltätigkeit erweist, ersuchen, sie möge geruhen, die Schirmherrschaft der Geschellschaft zu übernehmen, Ihre Kaiserlichen Hoheiten, die Fürsten Konstantin und Nikolaj Nikolajevi¡c, werden auch nicht ablehnen, die geplante Gesellschaft mit ihrem Namen zu schmücken und zu ehren. Dann werden die ehrwürdigen Namen der ehemaligen Botschafter und unserer Gesandten im Orient erscheinen, der Botschaftssekretäre, der Konsule usw. Es tut sich eine ziemlich lange Namensperspektive auf. Ohne also lange nachzudenken, ‘mit dem Segen von oben und sich bekreuzigend’, drucken Sie einen, den Umständen entsprechenden Aufruf an die Christusliebenden, dem Sie den Psalmenvers voranschicken: ‘Vergesse ich deiner, Jerusalem, so möge meine Rechte verdorren!’. Aber in das Bild dieser Rechten setzen Sie, ohne zu zögern, unter diesen Aufruf Ihren ehrwürdigen Namen, den Namen des Herrn Olesnitzkij, den Namen des Herrn Polifanov, als Vertreter und Erbe des Namens A.S. Norod (all diese waren Palästinagelehrte und Freunde Vater Antonins). Es genügen diese fünf Namen von wahren und bezeugten Heiligen-Land-Verehrern.”
Hinsichtlich der Absicht von Vasilij Nikolajevi¡c, ein “Palästina Album” herauszugeben, schreibt Archimandrit Antonin 1872 folgendes: “Zu guter Stunde! Ich bin nicht abgeneigt, zur Auffüllung der Seiten mit allem mitzuwirken, was sich in der ausländischen Palästina Literatur von Interesse findet, und es in genauer Übersetzung mit kritischen und ergänzenden Anmerkungen wiederzugeben. Zu einer derartigen Arbeit fühle ich mich fähig genug. Material für diese Arbeit reicht für mehr als ein Jahr... Da man das Kapitel über Wallfahrten bereits herauszugeben anfängt, wäre es dann nicht besser, mit den allerfrühesten zu beginnen? Sollte man nicht eine besondere Rubrik unter der Bezeichnung ‘Palästina Paterikum’ in dem Sammelband vorsehen? Sehr gerne würde ich zur Erbauung unserer Pilger, die oft nicht wissen, wohin mit ihrem Überfluß an Mußezeit (damals organisierte man die Pilgerfahrten auf ein halbes Jahr, weil ganz Palästina zu Fuß begangen wurde), folgendes in chronologischer Reihenfolge herausgeben: ein Palästinisches Hagiologion, beginnend mit Abraham und die ganze Reihe der Propheten umfassend bis zu den Aposteln, Märtyrern, Heiligen, die im Heiligen Land ansässig waren, mit chronologischen, topographischen und allen sonstigen Anmerkungen”.
So viele Ideen und Absichten bewegten also Archimandrit Antonin und V.N. Chitrovo. Aber die Allgemeinheit dafür zu begeistern, schien fast unmöglich. “Ich kehrte Ende August nach Petersburg zurück, – schreibt Chitrovo an Vater Leonid Kavelin, – und traf hier auf eine solch komplette Apathie, daß ich Ihnen versichern kann, derartiges in all den 25 Jahren meines Dienstes noch nicht gesehen zu haben..., als sich plötzlich unerwartet alles zu wenden begann, alles geschäftig wurde (um die Palästina Frage). Als Ursache dieses Wirbels erwies sich – da werden Sie gar lächeln, wenn Sie es noch nicht wissen, und ich nenne ihn Ihnen selbst – Graf E.V. Putjanin, der damals gerade aus Jerusalem zurückgekehrt war, wo er Ostern vergangenen Jahres verbracht hatte... Die Sache ist die, daß er in Jerusalem gerade in die Hitze des Gefechtes von Vorwürfen zwischen Konsul und dem Chef unserer Geistlichen Mission geriet, seine mißliche Lage begriff und nach Petersburg kam, um die Mission und noch mehr Archimandrit Antonin zu stützen, wobei er sich noch royalistischer gebärdete, als der König selbst. Im Sommer hatte er vor ihrer Abfahrt ins Ausland einen Empfang bei der Zarin und es gelang ihm, wenigstens die Verwirklichung des bereits im Mai vergangenen Jahres ergangenen höchsten Befehles über die Degradierung der Jerusalemer Mission auf den Rang einer einfachen, dem Konsulat, welches zu diesem Anlaß zu einem Generalkonsulat erhoben werden sollte, zugeordneten Kirche. Die Mission war gerettet, weil Putjanin ein Mitglied des Staatsrates war und Zugang zu der Zarin hatte.
Zu jener Zeit wurde ein neuer Oberprokuror des Heiligen Synods ernannt: K. P. Pobedonoscev, ein Mann von hoher Staatsräson und Überzeugung und ein ehrlicher Arbeiter für das Wohl und die Interessen der Orthodoxen Kirche. “... Mit Autorität und gebieterisch erklärte er der Regierung und der Gesellschaft: Steht auf vor einem orthodoxen Priester, verneigt euch mit Achtung und Liebe vor seinem Rang und zeigt Ehrfurcht vor jener schweren Kreuzeslast voll verborgenem und hohem Sinngehalt, welche er trägt”. (B. Glinskij, “Komplettes Orthodoxes, Theologisch-Enzyklopädisches Wörterbuch”, Bd. II, Ergänzung 1913). Chitrovo schrieb an Archimandrit Leonid: “Mansurov paßt diese Nominierung gar nicht, und er wiederholte einige Male, daß mit dem Synod jetzt nichts zu machen sei”.
V. N. Chitrovo bemühte sich seinerseits, die Allgemeinheit durch Vorträge auf die palästinischen Angelegenheiten aufmerksam zu machen. Der wichtigste derartiger Vorträge wurde im März 1880 unter dem Titel “Orthodoxie im Heiligen Land” gehalten. Chitrovo fuhr fort, den Boden für die Schaffung einer privaten Palästina Gesellschaft zu bereiten. Nachdem er sich zum zweiten Male auf den Weg nach Palästina gemacht hatte, schrieb er unterwegs an Konstantin Petrovi¡c Pobedonoscev: “Die Geistliche Mission muß alles sein, und der Konsul de facto ihr Sekretär...”.
Es ist klar, daß all diese Veränderungen zu Nutzen Vater Antonins und der Mission seine Feinde die Zähne knirschen ließen. Ihnen blieb nur eine Waffe übrig – die Verleumdung. Sie begannen ein schmutziges Pamphlet unter dem Titel “Peis-Pascha und seine Konsorten. Mosaike, Kameen und Miniaturen aus interessanten Ausgrabungen in den Elendsvierteln des Heiligen Landes”, Sankt Petersburg 1881, zu verbreiten.
Der Autor verfolgte unter dem Pseudonym Dobrynin die Absicht, die selbstlose Hilfe Vater Antonins für Waisen und Obdachlose zu verunglimpfen und schildert sie in den gröbsten und unflätigsten Tönen. Diese Schmähschrift breitete sich allmählich in Petersburg aus, aber der Oberprokuror Pobedonoscev griff ein und zog die Pamphlets aus dem Verkauf. Man kann sich vorstellen, wieviel Kummer diese Geschichte dem unschuldigen Archimandriten bereitete.
Ende folgt