Über den Hierarchen und Neumärtyrer Iosif von Petrograd

Diese kurze Lebensbeschreibung gibt eine Vorstellung davon, in welchen Umständen der heilige Hierarch und Neumärtyrer, Metropolit Iosif von Petrograd, seinen Weg des Zeugnisses für Christus ging. Sie stellt eine Einleitung zu unserer nachfolgenden Publikation seines geistlichen Tagebuches, der Aufzeichnungen eines Mönches dar.
Der Märtyrertod des Metropoliten Iosif stellt dieses Tagebuch in ein völlig neues Licht: Der Leser erhält die außerordentliche, seltene Gelegenheit der Einsicht, wie in einem Herzen, das durch die Umkehr gereinigt wird, “die ewige allumfassende Wahrheit” verankert wird, welche es stärkt und zum Zeugnis für Christus leitet. – Red.

Metropolit Iosif (Petrovych) wurde 1872 im Gouvernement Novgorod geboren. Getauft wurde er auf den Namen Johannes. Nach Abschluß des Seminars und der Geistlichen Akademie wurde er in der Funktion eines Dozenten an der Moskauer Geistlichen Akademie angestellt. Im Jahre 1901 trat er in den Mönchsstand ein, und bald darauf wurde er zum Priestermönch geweiht. Zwei Jahre später, nachdem er den Titel eines Magisters der Theologie erlangt hatte, wurde er zum außerordentlichen Professor an derselben Akademie. Als Archimandrit (1904) war er für kurze Zeit Vorsteher zweier Klöster. Bald folgte die Weihe zum Bischof von Ugli¡c (1909). Für lange Zeit wird damit sein Leben im Stande eines Vikarbischofs mit der Diözese von Jaroslavl verbunden. Er nimmt am Allrussischen Kirchenkonzil von 1917/18 teil. Wegen Widerstands gegen die “Kampagne zur Öffnung der Reliquien” wird er 1919 in Rostov verhaftet und war im Inneren Gefängnis des damaligen Geheimdienstes (V@CK) inhaftiert. Zunächst wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, danach schon als Erzbischof von Rostov zu einem Jahr Konzentrationslager auf Bewährung verurteilt.
Im Zusammenhang mit der Enteignung kirchlicher Wertgegenstände entwickelten Trockij und Lenin eine Kampagne zur Unterstützung ihrer antikirchlichen Politik unter Zuhilfenahme “loyaler Geistlicher”. Es entstand das Schisma der sogenannten “Erneuerer” und der “Lebendigen Kirche”. Patriarch Tichon wurde verhaftet. Auch der Erzbischof Iosif wurde des “Widerstandes gegen die Herausgabe der kirchlichen Wertgegenstände” bezichtigt und schließlich zu 4 Jahren Haft verurteilt. Aber ein halbes Jahr später wurde der Hierarch auf Beschluß der Regierung freigelassen. Im Juni 1923 kam auch der Patriarch Tichon frei. Ein knappes Jahr später wurde Erzbischof Iosif zum Mitglied des Heiligsten Synod beim Patriarchen. Aber eine geregelte Arbeit war dem Synod nicht mehr möglich. Im April 1925 nahm Erzbischof Iosif mit rund sechzig weiteren Hierarchen am Begräbnis des Patriarchen Tichon teil und unterschrieb die Urkunde zur Übergabe der Vollmachten des Patriarchatsverwesers an den Metropoliten Peter (Poljanskij). Der Letztere benannte Erzbischof Iosif in einer geheimen Verfügung im Dezember 1925 als dritten Kandidaten zum Stellvertretenden Patriarchatsverweser. Als erster Kandidat wurde von ihm der Metropolit Sergij (Stragorodskij) bestimmt, der nach der Verhaftung des Metropoliten Peter, die am 10.12.1925 erfolgte, als dessen Stellvertreter zu fungieren begann.
Im Jahre 1926 suchte Metropolit Sergij nach einem würdigen Hierarchen für die verwitwete Kathedra der ehemaligen russischen Hauptstadt, die vor kurzem noch Petrograd hieß. Dieser Ort war von herausragender Bedeutung und keineswegs ungefährlich, weil die Sowjetmacht ganz offensichtlich die “Erneuerer” unterstützte. Aber es war nicht nur aus diesem äußeren Grund schwierig, einen Bischof zu finden, der an der Spitze dieser Diözese stehen könnte. Im Zusammenhang mit dem Erneuerertum war gerade in dieser Diözese die Situation kompliziert und äußerst angespannt. Metropolit Sergij entschied sich schließlich für Metropolit Iosif und gab ihm im September 1926 den Einsetzungserlaß. Diejenigen im Klerus und unter den Gläubigen, die den “Erneuerern” tapfer widerstanden und hierin ihrem geistlichen Führer, dem Märtyrer-Hierarchen Venjamin (Kazanskij) nachfolgten, haben ihren neuen Oberhirten angenommen und sofort liebgewonnen “als einen standfesten Kämpfer für die Reinheit der Orthodoxie, und, wie es ein Zeitzeuge beschreibt, fühlte das Volk eine seelische Erleichterung und die Gewißheit, daß es sich nunmehr in vertrauenswürdigen Händen befindet” (M. Ioann, Die kirchlichen Schismen..., S. 147 - s. Bibliogr. Nr. 8).
Metropolit Iosif hielt eine Nachtwache, bei der ihm das gesamte Episkopat der Stadt und etwa 150 andere Geistliche konzelebrierten. Dem folgte eine Liturgie. Das waren die einzigen beiden Gottesdienste. Sie fanden am 11.-12. September (n.St.) 1926 in der Hl.-Alexander-Nevskij-Lavra statt. Metropolit Iosif, der nach Rostov reiste, um sich von seiner dortigen Gemeinde zu verabschieden, wurde zur “Vereinigten Staatlichen Politverwaltung” (OGPU) zitiert. Nach dem Gespräch mit dem Spezialisten für Religionsfragen E. A. Tu¡ckov schickte man ihn nach Rostov zurück. Es war ihm von da an untersagt, die Stadt zu verlassen. Der hl. Märtyrer-Hierarch lenkte von Rostov aus seine Diözese durch seine Vikarbischöfe, deren es im ehemaligen Petrograd fünf gab. In Rostov besuchten ihn auch Vertreter der Gläubigen, denn in seiner Diözese tobten die Richtungskämpfe. Wenn man bedenkt, daß 1923 die Machthaber bereits einmal ihre Maßnahmen ihm gegenüber revidiert hatten, so darf man annehmen, daß auch jetzt Metropolit Iosif auf eine Veränderung seiner Situation hoffte, zumal Tu¡ckov, der durch Betrug und Intrigen aktiv in die innerkirchliche Situation eingriff auch falsche Hoffnungen säte, wo immer er konnte.
Metropolit Sergij wurde verhaftet (am 08.12.1926) im Zusammenhang mit dem von den Machthabern nicht kontrollierten Versuch der russischen Bischöfe, einen Kandidaten für das Patriarchenamt durch Briefwahl zu bestimmen. Hierbei vereinigte der hl. Metropolit Kirill (Smirnov) die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich. In diesen Tagen war es dem hl. Märtyrer-Hierarchen Iosif bestimmt als Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche zu wirken, aber nur wenige Tage. Am 8. Dezember 1926 gab er als Stellvertretender Patriarchatsverweser ein Sendschreiben heraus, in dem er provisorische Stellvertreter ernannte und zugleich daran erinnerte, wie die Kirche sich im Sinne des Patriarchenerlasses Nr. 362 vom 7./20. November 1920 selbst zu verwalten habe.*
Umgehend erfolgte die Verhaftung des hl. Metropoliten Iosif, der in die Novgoroder Diözese verbannt wurde (in das ehemalige Nikolo-Modenski-Kloster bei Ustju¡zna). Aber auch von dort gelang es ihm, seine Diözese zu leiten. Im Herbst 1927 wurde ihm gestattet nach Rostov zurückzukehren.
Im März 1927 wurde Metropolit Sergij aus der Haft freigelassen und erhielt eine Zuzugsgenehmigung nach Moskau, die er zuvor nicht gehabt hatte. Am 20. Mai genehmigte ihm das Volkskommissariat für Inneres (NKVD) einen eigenen provisorischen “Geheiligten Patriarchatssynod” beim Stellvertreter des Patriarchatsverwesers gemäß der von ihm vorgelegten Liste. Allerdings gibt es Hinweise darauf, daß dieselbe Liste bereits dem letzten vorherigen Stellvertreter, dem Erzbischof Serafim von Uglic (Samojlovi¡c) im Gefängnis vorgelegt worden war, der die Liste jedoch verwarf (Bote 1/1992, S. 14 u. Bote 2/1998, S. 19).
Bekanntlich forderte Metropolit Sergij vorab von allen Priestern der russischen Auslandsgeistlichkeit die persönliche Unterzeichnung einer Erklärung “in der sie sich zu uneingeschränkter Loyalität gegenüber der Sowjetregierung in ihrer gesamten öffentlichen Tätigkeit” verpflichten sollten (Die Orthodoxe Kirche in Rußland, s. Bibliogr. Nr. 10, S. 729). Die Geistlichen der Russischen Auslandskirche wiesen natürlich die Forderung nach einer solchen “Loyalität” zurück. Dann gab Metropolit Sergij mit dem provisorischen “Geheiligten Patriarchatssynod” eine “Loyalitätserklärung” heraus und versandte sie in alle Diözesen (16./29.07.1927). Die “Loyalitätserklärung” rief in der Kirche Anstoß und eine Welle der Empörung hervor. Die Gleichberechtigung von Sergijs neuer Kirchenverwaltung mit dem Erneuerersynod war nur scheinbar und äußerlich. In Wirklichkeit hing über Sergijs provisorischer Verwaltung sogar juristisch ständig das Damoklesschwert der Auflösung. Nun wurde aber Metropolit Sergij die Erfüllung der weiteren Bedingungen der Gottlosen abverlangt, die ja gezielt in die Leitung der Kirche eingreifen wollten. Zu diesen Bedingungen gehörte, unter anderem, die Versetzung in den Ruhestand von verbannten und in Haft befindlichen Bischöfen oder deren Versetzung in weitabgelegene Diözesen, da ihnen der Umzug in ihre eigenen Diözesen nicht erlaubt wurde (ca. 40 derartige Fälle). Es wurde verlangt, daß solche bei Gottesdiensten nicht kommemoriert werden sollten, und andererseits sollte die Staatsmacht unbedingt kommemoriert werden. Die Kirche hat von alters her kanonische Regeln entwickelt, nach denen es nicht gestattet ist, die Diözese eines Bischofs gegen seinen Willen zu seinen Lebzeiten zu besetzen. Mit solchen Regeln schützte sich die Heilige Kirche vor Übergriffen des Staates. Bis zur Publikation der “Loyalitätserklärung” hatten dementsprechend die verbannten Hierarchen ganz natürlich das Recht auf ihre Diözesen bewahrt und galten weiterhin als Diözesanbischöfe. Als Metropolit Sergij nunmehr begann, die von ihm geforderten Maßnahmen durchzuführen, da begann sich vor den Augen der Gläubigen der unheilschwere praktische Sinn der “Loyalitätserklärung” zu entblößen. Das führte zu einer weiteren Verschärfung der innerkirchlichen Situation.
In seiner Magisterarbeit über die Kirchenopposition gegen Metropolit Sergij (aus dem Jahre 1966, die dann 1992 unverändert neuaufgelegt wurde) entwickelt Archimandrit Ioann (Sny¡cev, der in den 90-er Jahren Petersburger Metropolit war) folgende Datierung, was die weiteren Ereignisse um Metropolit Iosif betraf:
Der Synod von Metropolit Sergij fällte am 12. September 1927 die Entscheidung, Metropolit Iosif die Kathedra von Odessa zuzuweisen. Fünf Tage dauerte es, bis der Erlaß abgefaßt war (17.09.), weitere vier Tage gingen ins Land, bevor der Erlaß abgeschickt wurde (21.09.). Mit anderen Worten, über die Arbeitsbedingungen des Synods sollte nachgedacht werden. Aber dann kommt es schlimmer: Wenn Metropolit Sergij mit dem Erlaß schriftlich versprach, den Beschluß nicht vorher publik zu machen, als er mit Metropolit Iosif persönlich gesprochen hat, so geschah in der Praxis, wie Archim. Ioann (Sny¡cev) schreibt, “ein unvorhergesehener Umstand”, nämlich: die Ankunft des Briefes mit dem Ukaz “verzögerte sich aus unbekannten Gründen” (S. 149).
Es ist hinlänglich bekannt, wie geschickt die Machthaber die Post verzögerten und welche anderen Listen sie einsetzten, um Konfliktsituationen zwischen den obersten Hierarchen zu schaffen (z.B. zwischen den Metropoliten Peter, Agafangel und Sergij). Auch ist bekannt, daß aus ebendiesem Grund diejenigen, die die Unabhängigkeit der Kirche bewahren wollten nach Möglichkeit mit Gesandten die Verbindung aufrecht hielten. Deshalb schrieb ja Erzbischof Serafim (Samojlovi¡c) zu der Zeit als er selbst als Stellvertretender Patriarchatsverweser fungierte ganz offen in seinem Sendschreiben vom 16./29.12.1926, das an die gesamte Orthodoxe Russische Kirche gerichtet war: “Ich bitte den Schriftwechsel mit mir und die Beziehungen zu mir auf ein Minimum zu reduzieren” (“Akty...”, S. 490, s. Bibliogr. Nr. 1).
Gleich nach der Absendung des Briefes durch die Kanzlei des Provisorischen Synods erschienen jedenfalls im ehemaligen Petrograd irgendwelche “Administratoren” (dem Metropoliten Iosif muß bekannt gewesen sein, daß unter ihnen auch ein Mitglied des Provisorischen Synods war), die dort im engen Kreis die Entscheidung über die Versetzung des Metropoliten Iosif nach Odessa kundtaten. So wurde Zwist und Aufruhr gesät. Als der hl. Märtyrer-Hierarch von der Empörung beim Klerus und in der gläubigen Herde erfuhr, am 28. September, als er den Erlaß noch nicht erhalten hatte (er wird ihn erst am 22. Oktober erhalten!), wandte er sich an Metropolit Sergij mit einem Brief, in dem er schrieb:
“... Sie haben mich zum Leningrader Metropoliten gemacht, ohne das geringste Ansinnen meinerseits. Nicht ohne Verlegenheit und Bedrückung gab ich meine Zustimmung zu diesem Werk des Gehorsams, das andere, vielleicht vernünftigerweise, manchmal aber auch in unverantwortlicher Weise entschieden von sich wiesen... Vladyko! Ihre Festigkeit hat noch das Vermögen alles wieder zurechtzurücken und konsequent allen Wirren und Unbestimmtheiten ein Ende zu setzen. Es stimmt, ich bin nicht frei und kann jetzt der mir anvertrauten Herde nicht dienen, aber dieses «Geheimnis» ist ja für alle verständlich... Jetzt sind alle etwas standfesteren und notwendigen Menschen unfrei (und es ist nicht anzunehmen, daß sie frei sein werden)... Sie sagen - so wollen es die Machthaber, die den verbannten Bischöfen nur unter der Bedingung die Freiheit zurückgibt, daß sie den Ort wechseln, an dem sie früher dienten und lebten. Aber welchen Sinn und welchen Nutzen haben wir von diesem Austauschspiel und dem Hin- und Her der Bischöfe, die ja dem Geist der Kanones nach in einer untrennbaren Beziehung mit ihrer Herde so als sei es ihre Braut verbunden sind? Wäre es nicht richtiger zu sagen: Möge sie doch zugrundegehen dieses heuchlerische Menschenwerk von einer Barmherzigkeit, die mit unserer Menschenwürde Spott treibt, die auf billige Effekthascherei aus ist mit dem Schein des Erbarmens. Lieber soll es so sein, wie es früher war. Wir werden es schon irgendwie schaffen, bis zu der Zeit, wo man begreifen wird, daß mit Verbannungen und sinnloser Quälerei die ewige allumfassende Wahrheit nicht zu unterjochen ist...”** Metropolit Iosif ließ im Rahmen eines Kompromisses allenfalls eine vorübergehende Verwaltung anderer Diözesen zu, “aber im Titel muß der frühere Berufungsort unbedingt bewahrt bleiben”.
Eine gerechte Beurteilung der Haltung des Metropoliten Iosif kann man natürlich unmöglich erwarten in Arbeiten, die vom “Sowjetgeist” eingefärbt sind, sei es aus Notwendigkeit, wie möglicherweise in der Arbeit des Archimandriten Ioann (Sny¡cev) aus den 60-er Jahren, sei es wegen der Denkweise, wie, zum Beispiel, beim Erzpriester V. Cypin 1997. Leider ist es charakteristisch für diejenigen, die Sergijs Argumentation folgen, denjenigen “etwas anzuhängen”, die es gewagt haben, die Wege des Metropoliten Sergij in Frage zu stellen, der sich unter Machtmißbrauch die Rechte des Patriarchatsverwesers in der Russischen Kirche aneignete. So verwundert es nicht, wenn das Bild der Kritiker des Metropoliten Sergijs 70 Jahre verzerrt wurde und noch immer verzerrt wird. Archim. Ioann (Sny¡cev) behauptete, zum Beispiel, daß Metropolit Iosif seinen Weg nicht nur aus “Ehrgeiz” (S. 155) und “Eitelkeit” (S. 147) beschritt, sondern sogar “unter Einwirkung der geistlichen Verblendung” (S. 185).
Umso tröstlicher ist es, daß in Moskau 1997 eine wahrheitstreue Beurteilung des Wirkens des Hieromärtyrers Iosif möglich geworden ist. Im biographischen Handbuch “Die für Christus gelitten haben” (s. Bibliogr. Nr. 3) heißt es anläßlich seines Sendschreibens vom 8. Dezember 1926 und seines späteren Vorgehens:
“ ... Metropolit Iosif hinterläßt eine ausführliche Instruktion, wie die Kirche kompromißlos zu verwalten sei, ob als Ganzes oder in einzelnen Diözesen [gemäß des damals wohlbekannten Erlasses Nr. 362, s. oben - Erzpr. N.A.] für den Fall, daß alle denkbaren Kandidaten für das Amt des Patriarchatsverwesers oder seiner Stellvertreter beseitigt sein würden. Aus diesen Worten wird deutlich, daß Metropolit Iosif, der seit 1919 schon mehrfach verhaftet wurde und Gefängnisstrafen verbüßt hatte, vollkommen davon überzeugt war, vor ihm selbst liege, ebenso wie die vor den anderen Hierarchen, ausschließlich das Werk des Bekennertums.*** Er gehörte zu den ohne Schläue und Kompromiß denkenden Bekennern, die der Meinung waren, mit der Sowjetmacht über irgendein halbwegs normales Leben der Kirche eine Übereinkunft zu treffen, sei wegen deren satanischen Hasses gegen den Glauben an Gott unmöglich. Man müsse nur freimütig und offen für die Reinheit des Glaubens eintreten und den Weg des Leidens und des Todes für Christus beschreiten nach dem Vorbild der einstigen Märtyrer. Ebendeshalb waren dem Metropoliten Iosif die Leningrader Gläubigen so teuer, weil diese, angefangen vom Märtyrertod des hl. Metropoliten Venjamin (Kazanskij) und seiner Leidensgenossen, erstaunliche Standfestigkeit und Mut im Kampf für die Orthodoxie an den Tag legten wider die Erneuerer, die Leningrad für ihre Wiege hielten und alles daran setzten, es ganz und gar dem Erneuertum zuzuführen. Die Haltung der Leningrader Geistlichkeit und der Gläubigen entsprach der Einstellung und den Überzeugungen des Metropoliten Iosif am meisten, sie glaubten aneinander und liebten einander, wie man zu sagen pflegt, «auf den ersten Blick». Das wurde zur geistlichen Grundlage einer mächtigen kirchlichen Bewegung, die später den Namen “Iosifljaner” erhielt. Jeder Grundlage entbehren die Anklagen gegen Metropolit Iosif, er sei reizbahr, eigennützig, ruhmsüchtig gewesen und habe deshalb seiner Versetzung auf den Bischofssitz von Odessa nicht zugestimmt. Ein größeres Unverständnis für sein heißes, flammendes Herz kann man sich kaum vorstellen. War er doch auf dem Wege für die Wahrheit Zeugnis abzulegen und für Christus zu sterben, aber man schickte ihn - bildhaft gesprochen - ins Hinterland, bloß damit er nicht störte bei der Erreichung eines Kompromisses, den er als einen Verrat ansah. Seine Motive für die Zurückweisung der Kathedra von Odessa und für den Bruch mit Metropolit Sergij (Stragorodskij) war die von Metropolit Sergij durchgeführte Reform in den Beziehungen zwischen der Kirche und dem Staat sowie ein jeden Eigennutzes, Diplomatie und politischer Berechnung bares Bestreben des Metropoliten Iosif für die Wahrheit einzustehen bis zum Tode. (...)
Als Verbannter, aber doch amtierender Bischof der nach Moskau größten DIözese, der zudem eine ganze Reihe gleichgesinnter Bischöfe hatte (zu denen die höchstrangigsten Metropoliten gehörten, die vom hl. Patriarchen Tichon als Kandidaten für das Amt des Patriarchatsverwesers benannt worden waren [gemeint sind rangältesten Metropoliten der Russischen Kirche - Agafangel und Kirill, sowie später der Patriarchatsverweser Peter selbst - Erzpr. N.A.]) und eine bedeutende Anzahl der Vertreter der Geistlichkeit und der Laien, voll überzeugt davon, daß Metropolit Sergij keine kanonische Grundlage für seine großangelegten Aktivitäten hatte, fand sich Metropolit Iosif ganz natürlich, kraft der Logik des Widerstandes, als Haupt derer wieder, denen ein entsprechendes Verständnis ihrer Pflichtverantwortung keine Möglichkeit ließ, sich aktiven Gegenmaßnahmen zu entziehen. Aber die vorhandenen Materialien, darunter auch die polizeiliche Untersuchungsakte, zeugen davon, daß Metropolit Iosif selbst ziemlich weit von der praktischen Organisation des Widerstandes war, der seinen Namen trug. Hauptorganisatoren waren Dimitrij (Ljubimov), der Bischof von Gdovsk und Michail Alexandrovitsch Novoselov, die später den Märtyrertod auf sich nahmen. Die Verhaftung und die Verbannung, die bald auf sein seitens des Metropoliten Sergij ausgesprochenes Zelebrationsverbot folgten, führten den Metropoliten Iosif weitab von der Entwicklung der kirchlichen Ereignisse, lassen ihm eine lange Periode des Bekennertums und den nachfolgenden Märtyrertod. Wenn man das Geschehene beurteilen will, so muß man auch vermerken, daß weder Metropolit Iosif noch die, die ihm folgten, voraussehen konnten, welche Konsequenzen ihre Anstrengungen und Handlungen haben würden. Es braucht gar nicht eigens davon gesprochen zu werden, daß sie kein Schisma wollten und nicht um die Macht kämpften. Sie versuchten den Widerstand zu organisieren, um in der Wahrheit zu stehen in einer Zeit, da um sie herum der Verrat herrschte und die Apostasie [der Abfall von Christus - Erzpr. N.A.] zur Lebensnorm wurde” (“Die für Christus gelitten haben”, S. 521 f, s. Bibliogr. Nr. 3).
Diese Einschätzung ist frei von Voreingenommenheit und nicht von der Notwendigkeit diktiert um jeden Preis, auch auf Kosten der Märtyrer und Bekenner, den Kurs des Metropoliten Sergij zu rechtfertigen.
Metropolit Iosif hatte ein anderes Verständnis von Kirche als sein Gegenpart, und auch in administrativer Hinsicht hielt er sich - ebenso wie die anderen Hierarchen, die dem neuen Kurs widerstanden - für nicht verpflichtet, dem Stellvertreter des Patriarchatsverwesers zu folgen, der ganz offensichtlich seine Machtbefugnisse überschritt.
Heute steht fest, daß diese Machtanmaßung auch vom Patriarchatsverweser selbst, vom hl. Metropolit Peter schriftlich entlarvt und eine Umkehr angemahnt wurde («Akty», S. 681, 691, s. Bibliogr. Nr. 1; weitere neueste Dokumentation zur Haltung des Metropoliten Peter s. auch Bibliogr. 4 a). Metropolit Sergij hörte nicht auf die Mahnung Metropolit Peters, des wahren Hauptes der Russischen Orthodoxen Kirche, und bestand weiterhin darauf, die uneingeschränkte kirchliche Vollmacht zu besitzen, ging somit seinen eigenen, kirchlich illegalen Weg weiter.
In der Russischen Kirche der damaligen Zeit war der Erlaß Nr. 362 vom 7./20. November 1920 sehr gut bekannt und wurde auch immer wieder angewendet. Diesen Erlaß kann - gemäß den Kirchenregeln - nur eine gleichwertige oder höhere Instanz aufheben. Eine solche existiert bis heute nicht, da der Erlaß Nr. 362 von der Obersten Kirchenverwaltung herausgegeben wurde, die drei auf einem Allrussischen Landeskonzil frei gewählte Instanzen umfaßte: den Patriarchen, den Geheiligten Synod und den Obersten Kirchenrat. Diejenigen, die sich nach 1927 vom Metropoliten Sergij und seiner Gefolgschaft abgewendet haben, sahen sich einem künftigen freien Allrussischem Kirchenkonzil verpflichtet. Dieses sollte über ihre Handlungen urteilen. Im Erlaß Nr. 362 war das Ablegen einer solchen später zu vollziehenden Rechenschaft vorgesehen. Wer hätte jemals gedacht, daß sich dieser Zustand bis 1999 fortsetzen würde?
Hier ist nicht der Ort, die weitere Entwicklung der Situation in Rostov und dem ehemaligen Petrograd nachzuzeichnen. Es genügt, mit den Worten des Tropars aus dem Kanon für die hll. Neumärtyrer und Bekenner Rußlands zu sagen:
“Laßt uns seligpreisen den Hierarchen Iosif von Petrograd, der eiferte um die Unbeflecktheit der geheimen Kirche, in der Verbannung hatte er sein Bettlager bei den unreinen Schweinen, und wir hören ihn, wie er uns in die Tiefe unserer Herzen hineinspricht: durch Leiden und Treue erhebet Christus in alle Ewigkeit” (Lied 8).
Zum Schluß noch das folgende Zitat aus dem Buch “Die für Christus gelitten haben”. Allerdings bleiben auch hier Fragen offen für eine weitergehende Diskussion.
“Nach siebzig Jahren ist klar, daß viele heiße und unbedachte Worte ausgesprochen wurden, inder Hitze des Gefechtes, angesichts von Verhaftungen, Gefängnissen, Erschießungen war es schwer, Selbstbeherrschung zu bewahren, objektiv das Geschehen zu beurteilen, zahlreiche Fehler zu vermeiden... Aber «wenn man nach mehreren Jahrzehnten die vergangenen Ereignisse der russischen Kirchengeschichte aufmerksam betrachtet, ist es unumgänglich, die Schismen, die aus konjunkturellen Überlegungen eingeleitet wurden, aus Machtliebe, Politik, Nationalismus, solche wie das Schisma der ‘Lebendigen Kirche’, der ‘Erneuerer’, der ‘Grigorianer’, von den Trennungen zu unterscheiden, die entstanden aus dem bekennenden Festhalten an der geistlichen Ganzheitlichkeit der Wahrheit und des kirchlichen Lebens. Im Unterschied zu den eigentlichen Schismatikern waren solche Oppositionelle sehr bald vor die Notwendigkeit gestellt, das eigene Blut zu vergießen, die Freiheit und das Leben für die von ihnen bekannten Anschauungen hinzugeben. Ihr Martyrium legt mit großer Kraft Zeugnis darüber ab, daß die unterschiedlichen Meinungen und ihre Trennungen eine suche nach der Wahrheit waren, eine vorübergehende und taktische Bedeutung hatten und ihre Zugehörigkeit zur Fülle der Russischen Kirche nicht schädigen konnten. [...] Die ‘kanonischen’ Verbote des Metropoliten Sergij (Stragorodskij) und seines Synod wurden von niemandem ernstgenommen, weder damals, noch in der nachfolgenden Zeit, wegen der unkanonischen Situation des Metropoliten Sergij selbst, dessen kirchliche Macht, angesichts der außerordentlichen Bedingungen der damaligen Zeit sich nicht auf kanonische Bestimmungen stützte, sondern auf die faktische Anerkennung seitens eines ausreichend großen Teils der Russischen Orthodoxen Kirche. [...] Die historische Erfahrung zeugt eindeutig davon, daß die Kirche mit der Zeit in der Lage ist, das Martyrium und das Bekennertum ihrer Zeugen des Glaubens zu wertschätzen, mit Liebe die vielen unumgänglichen Streitigkeiten und Trennungen, und manchmal sogar Fehler zu bedecken». Metropolit Iosif zelebrierte die Göttliche Liturgie insgeheim in der Verbannung, er blieb aufrecht bei den Verhören, verbrachte die letzten Monate seines Lebens im Gefängnis von @Cimkent zusammen mit Metropolit Kirill (Smirnov), mit dem er einmütig war und die vorherigen Jahre heimlichen Kontakt hatte. Die beiden Starzen-Metropoliten wurden in der Nähe der Stadt @Cimkent am Vorabend des hl.-Erzengel-Michaels-Tag erschossen” (S. 522 f. Im Buch wird die Quelle des umfangreichen Zitats nicht angegeben).
Diese zwei geistlichen Säulen der Russischen Kirche verherrlichten Christus-Gott durch ihren Märtyrertod am 7./20. November 1937, d.h. am Tag des Erlasses Nr. 362 vom Jahre 1920, durch den die Kirche Christi in Rußland sich gegen Übergriffe auf ihre Freiheit schützte, und auf den sie sich unabdingbar beriefen in ihrem kirchlichen Sein und Stehen. Als Ort ihres Begräbnisses wird die Fuchsschlucht (Lisij ovrag) bei @Cimkent genannt.

Bibliographie

1. Frns Cdyntqituj Nbüjzf, Gfnhbfhüf Vjcrjdcrjuj b dcty Hjccbb, gjplztqibt ljrevtzns b gthtgbcrf j rfzjzbxtcrjv ghttvcndt dscitq wthrjdzjq dkfcnb. 1917–1943 uu. Cjcn. V. T. Uejujckjdcrbq Bzcnbnen, V. 1994.
2. Ktd Htutkmcjz, Nhfutlby Heccrjq Wthrdb, 1917-1945. Gfhbö 1977.
3. Pf Ühbcnf gjcnhflfdibt, Ujztzby zf Heccre+ Ghfdjckfdze+ Wthrjdm 1917–1956, rzbuf gthdfy: F–R (ukfdzsq htlfrnjh ghjn. D. Djhjjujckjdcrbq Bzcnbnen, V. 1997.
4. D.D. Fznjzjd, «Cdyotzzjvextzbr Vbnhjgjkbn Bjcba d Gtnhjuhflt», «Djpdhfotzbt», Ghfdjckfdzsq öehzfk, › 4, CG< 1993, cnh. 46–52.
4f. D.D. Fznjzjd, «Kjöm b ghfdlf», Heccrbq Gfcnshm, › 19, @@/1994, cnh. 78–81.
5. Zjdst Vextzbrb Hjccbqcrbt. Cjcn. ghjnjghtcdbnth V. Gjkmcrbq. Löjhlfzdbkkm, n. 2, 1957, cnh. 1–11.
6. Bcnjhby Heccrjq Ghfdjckfdzjq Wthrdb, Jn Djccnfzjdktzby Gfnhbfhitcndf lj zfibü lztq, (Fdnjhcrbq rjkktrnbd, htl. V.>. Lfzbkeirbz), n. 1, CG7. Ghjn. Dkflbckfd Wsgbz, Bcnjhby Heccrjq Wthrdb, n. 9, 1917–1997, V. 1997.
8. Vbnhjgjkbn C.-Gtnth9. Die Orthodoxe Kirche in Rußland, Dokumente ihrer Geschichte (860-1980) Hrsg. P. Hauptmann und G. Stricker, Göttingen 1988.
10. Arfved Gustafson, Die Katakombenkirche, Stuttgart 1954

Erzpr. N. A.

Vorwort des Autors
Das abgeschiedene, schweigsame, verinnerlichte, von göttlichen Gedanken erfüllte Leben des Mönches ist kostbar, reich und beseligend durch viele Minuten der gnadenreichen Erleuchtung durch Gott, der Gotteserkenntnis und der Selbsterkenntnis, die all sein Glück hienieden und das Pfand der Erlösung und der zukünftigen Seligkeit im Himmel darstellen. Die Niederschrift all dessen, was dem Papier aus jenen Minuten anvertraut werden kann, stellt das vorliegende Buch dar, aus dem jeder sehen möge, wie die allerverzweifeltsten Sünder gleich mir von der Liebe des Himmlischen Vaters nicht verworfen werden, in der Hoffnung auf das Erbarmen unseres Erlösers nicht getäuscht werden und der gnadenerfüllten Tröstungen des Geistes Gottes, des Trösters, nicht verlustig gehen...
Mögen, o Herr, Deine wunderbaren Gnadenerweise an mich Frevler und Ruchlosen zur Vernunft und Besserung bewegen, die Nachlässigen zur Bemühung, die innerlich Schwachen zum Eifer, die Verzweifelten zur Hoffnung, die sich in Askese Übenden zur Geduld und zur Vermehrung ihrer geistigen Praxis, und alle, die Deiner Errettung bedürfen zum kühnen und stetigen Beschreiten des Weges zum Heil!... 26. Aug. 1904

An den Leser
Da du nun das vorliegende Buch in Händen hast, lieber Leser, wisse, daß du in gewisser Weise auch meine Seele besitzt! Belächele sie nicht, verurteile sie nicht, mache ihr keine Vorwürfe! Sie liegt hier offen vor dir so, wie sie man sie nur dem geistlichen Vater und dem am allernächsten stehenden Menschen öffnet: Sie ist in allen verborgensten Regungen, den täglich sich wandelnden Stimmungen, Empfindungen, Mängeln und Hilflosigkeiten, in allen guten oder schlechten, hellen oder dunklen Seiten und Äußerungen des Lebens vor dir geöffnet...
Mag sein, daß vieles und vielleicht gar sehr vieles hier gar nicht verdienen würde, auf Papier verewigt zu werden. Aber der Wunsch, mich selbst in aller Deutlichkeit eben so zu sehen, wie ich war und mich in meinem Tagebuch in der nun verflossenen Vergangenheit ergoß, überwog über alle anderen Beweggründe, und nicht zum Schlechtesten. Wenn ich diese aus meiner Seele einst herausgeflossenen Zeilen wiederlese, dann blicke ich in ihnen in einer besonderen und besseren Weise auf mich selbst. Hier findet etwas ähnlich dem statt, wenn der Künstler, der ein Bild malt, um es besser in allen Details zu überblicken, besser seine Mängel und wie er sie ausbessern kann zu sehen, auf einen gewissen Abstand von dem Bild zurücktritt und es nicht einfach anstarrt, sondern aus der Ferne anschaut. Denn das fortgesetzte Fixieren einer Zeichnung aus der Nähe führt oft dazu, daß der Künstler seinen Blick für die Fehler des Bildes abstumpft... Auf ähnliche Weise handelt der Dirigent, wenn er sich bemüht, seinen Chor aus der Ferne anzuhören, um einen volleren Eindruck von dem Gesang zu bekommen, der aus der Nähe durch seine Einzellaute gewisse Defekte überdecken würde. So verfahre auch ich.
Das Bild des Künstlers ist die Seele. Und wie nützlich ist es, aus der Position eines abseits stehenden Beobachters auf sie zu blicken! Gut ist es, als Vergleich für sie den ganzen Reigen Von Tönen der allerverschiedensten Schattierungen, von dem Rührend-Angenehmen bis zu dem ganz Falschen und Grobem heranzuziehen. Wie nützlich ist es, selbst diesen Chor aus der Ferne anzuhören, aus der Position eines unbeteiligten Hörers! Besser, es sind viele Mängel bemerkbar, denn dann wird auch um so sichtbarer, wo und wie man sie berichtigen kann.
Aber wenn all dies objektiv gesehen oder für mich selbst eine mehr oder weniger genügende Rechtfertigung ist, was gibt mir dann den Mut, dieses Buch anderen, den Lesern, die es lesen möchten, zugänglich zu machen? Ich sage aufrichtig: Ein guter Ansporn für die Leser selbst ist es. So schreibt einer von ihnen: “Indem ich die tief erbauenden, wunderbaren, inspirierenden Gedanken aus dem “Tagebuch eines Mönches” lese und immer wieder lese, kann ich mich nicht enthalten, ihrem Verfasser zu bezeugen, welche demütige Rührung, welches Entzücken, welche erleichternden beseligenden Tränen und welche heftigen Regungen der Seele seine Zeilen bei mir hervorrufen! An manchen Stellen sind gleichsam meine eigenen Gedanken widergespiegelt, gekleidet in klare, lichte Bilder, ich finde die eigenen Gefühle wieder, die sich in lautere Formen ergießen, die eigenen Bestrebungen und Wünsche, die Begriffe, die hier mit solch einer erstaunlichen Tiefe, Fülle und Kraft ausgedrückt werden!” Und weiter: “Das Wort des Schriftstellers kann seine Kraft, seinen Einfluß, seine Wirkung auf die Seele nur in einem Fall verlieren, wenn man nämlich von seiner Heuchelei und Unaufrichtigkeit überzeugt ist! Dort aber wo jede Zeile, jeder Buchstabe Leben, Kraft, Wahrhaftigkeit atmet, wo jeder Gedanke aus eigener Erfahrung spricht, jeder Satz vergeistigt, von lebendigem Glauben durchdrungen ist, von dem flammenden Durst der Gemeinschaft mit Gott, dem brennenden Schmerz über die begangenen Sünden, dem feinen, erhabenen Verständnis seiner Berufung, dort fühlt man, daß “die Lippen aus dem Überfluß des Gefühls sprechen”, weil diese Worte in der Seele die besten und heiligsten Gefühle und Gedankengänge wecken, den Augen Tränen entlocken und die Liebe zu Gott aufflammen lassen, einhergehend mit dem zerknirschten Bewußtsein der Eitelkeit alles Irdischen... dort fühlt man, daß dies ein Aufschrei der Seele zu Gott ist, die von dem gnadenvollen Wehen des Geistes Gottes erfaßt ist und es dort keinen Raum für Falschheit und Unaufrichtigkeit gibt!... Beweisen kann man das nicht, das kann man nur tief in der Seele empfinden!”.


IN DER UMARMUNG DES VATERS
“Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, er lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn” (Lk. 15,20).

1. Das Leben in der Umarmung des Himmlischen Vaters – das ist wahrhaft das Leben eines Mönches. Der Mönch ist ein verlorener Sohn, der