Predigt zum 24. Sonntag nach Pfingsten über die Heilung der blutflüssigen Frau und Auferweckung der Tochter des Jairus (Lk 8,41-56), 19.11.2023
Warum haben viele Menschen in unserer Gesellschaft Gott aus ihrem Leben entfernt? In Deutschland steuern wir darauf zu, dass die Christen in der Minderzahl sind. Eine Erklärung wäre: uns geht es gut – auch ohne Gott – eigentlich stört er nur, unser Leben zu genießen.
Doch manchmal passiert es, dass wir – bildlich gesprochen – vor einem Scherbenhaufen stehen, dass Dinge passieren, über die wir de facto machtlos sind. Und dann plötzlich erinnern wir uns daran, dass es einen Gott gibt, der uns – einfach gesprochen – aus der Patsche hilft und bekommen dadurch einen Impuls, zum Glauben zu finden.
So erging es auch den beiden Hauptdarstellern unserer heutigen Lesung, dem Synagogenvorsteher Jairus, einem reichen und angesehenen Mann, und der blutflüssigen Frau, die auch nicht arm war, hatte diese doch eine Menge ihres Besitzes darauf verwendet, um Ärzte zu bezahlen – was letztendlich keinerlei Erfolg brachte.
Zwei Wunder, verdichtet in einer Lesung:
Die Gemeinsamkeit ist, der Glauben der beiden bewirkte Wunder.
41 Und siehe, es kam ein Mann, namens Jairus, und der war ein Vorsteher der Synagoge; er warf sich Jesus zu Füßen und bat ihn, in sein Haus zu kommen.
42 Denn er hatte eine einziggeborene Tochter von etwa zwölf Jahren, und diese lag im Sterben.
Kind des Jairus im besten Alter lag im Sterben, besonders schmerzhafter Verlust
Der Synagogenvorsteher (Pharisäer!) wendet sich an Christus, was für eine Überwindung!
Dann der erste Zwischenfall:
Während er aber hinging, erstickte ihn ‹fast› die Volksmenge.
43 Und eine Frau, die seit zwölf Jahren Blutfluss hatte und ‹ihren› ganzen Lebensunterhalt an Ärzte verwandte, aber von keinem geheilt werden konnte,
44 trat von hinten heran und berührte die Quaste seines Gewandes; und alsbald kam ihr Blutfluss zum Stehen.
Undenkbar, da Frau nach rituellen Vorstellungen der Zeit unrein, durfte sich niemandem nähern
45 Und Jesus sprach: Wer ist ‹es›, der mich berührt hat? Als aber alle leugneten, sprach Petrus und die mit ihm ‹waren›: Meister, die Volksmenge drückt und drängt dich, und du sagst: Wer ist ‹es›, der mich berührt hat?
46 Jesus aber sprach: Es hat mich jemand berührt; denn ich habe bemerkt, dass Kraft von mir ausgegangen ist.
Jesus, der Allwissende, erkannte, was geschah und lenkte die Aufmerksamkeit aller darauf, nicht belehrend, sondern erklärend
Frau bekennt dann ihren Glauben und ihre ungeheuerliche Tat, sie muss sich öffnen und gestehen, dass sie um ihrer eigenen Gesundheit willen ein rituelles Verbrechen begangen hat. Denn nach dem alttestamentlichen Gesetz machte jede Berührung einer Frau, die Blut ausströmte, rituell unrein. Und das war ihr durchaus bewusst - aber in ihrer verzweifelten Lage überschritt sie das Verbot, in der Hoffnung, dass niemand etwas merken würde.
Paradoxerweise hört sie statt der erwarteten Zurechtweisung und Schelte aufmunternde Worte:
Sei guten Mutes, Tochter, dein Glaube hat dich gerettet; ziehe hin in Frieden.
Jesus zeigt seine übergroße Liebe und Barmherzigkeit
Doch dann, vor dem Hintergrund des positiven Ausgangs dieser Geschichte, der zweite Zwischenfall:
49 Während er noch redete, kommt einer von dem Synagogenvorsteher und sagt ihm: Deine Tochter ist gestorben, bemühe den Lehrer nicht.
50 Als aber Jesus ‹es› hörte, antwortete er ihm: Fürchte dich nicht, glaube nur, und sie wird gerettet werden.
Auch hier zeigt Jesus auf, dass mit Glauben alles sich wenden kann.
52 Und alle weinten und betrauerten sie. Er aber sprach: Weinet nicht. Sie ist nicht gestorben, sondern sie schläft.
53 Und sie verlachten ihn, weil sie wussten, dass sie gestorben war.
54 Als er aber alle hinausgetrieben hatte, ergriff er ihre Hand und rief: Kind, wache auf.
55 Und ihr Geist kehrte zurück, und alsbald stand sie auf; und er ordnete an, dass ihr zu essen gegeben werde.
Schließlich macht eine weitere Tatsache auf sich aufmerksam. Sowohl die Frau als auch das tote Mädchen sind nach jüdischem Recht eine Quelle der Unreinheit. Wer eine blutende Frau oder einen Leichnam berührt, wird selbst unrein. Gott schenkt dem keine Beachtung. Seine Barmherzigkeit und seine Menschlichkeit sind ihm kostbarer als alles andere. Er tadelt die Frau nicht, weil sie ihn berührt hat, und er selbst erweckt das Mädchen, indem er den toten Körper berührt. Und danach, in Anbetracht der Schwäche der menschlichen Natur, die gerade in den Armen des Todes war, zeigt Er erneut Seine Fürsorge - Er befiehlt, dem Mädchen etwas zu essen zu geben.
56 Und ihre Eltern waren außer sich; er aber wies sie an, niemandem zu sagen, was geschehen war.
Nachdem das Wunder geschehen war, verbot Jesus den Anwesenden, irgendjemandem zu erzählen, was geschehen war. Laut Johannes Chrysostomus tut er dies aus Rücksicht auf die Schwächen seiner Feinde, der religiösen Führer der Juden. Denn jedes Mal, wenn sie die Wunder Christi sahen, wurden sie von Neid getrieben. Auf diese Weise stoppt der Herr die Verbreitung von Gerüchten und zeigt so seinen Hassern gegenüber Fürsorge und Barmherzigkeit, indem er sie daran hindert, eine weitere Sünde zu begehen und Gott zu verdammen. Wir erinnern uns: Jairus gehörte zu diesem gesellschaftlichen Stand.
Wäre das alles passiert, wenn Jairus nicht genug Glauben gehabt hätte? Wenn er nicht Jesus, sondern den Menschen um ihn herum geglaubt hätte? Wenn er seinen Verstand und seine objektive Sicht der Dinge eingeschaltet hätte? Gewiss nicht!
Leider lesen wir in den weiteren Stellen des Evangeliums nichts mehr von Jairus und der geheilten Frau. Ob diese wohl bei Glauben geblieben sind? Oftmals revidieren wir ja nach einiger Zeit unsere Auffassung und fallen in das alte Schema zurück.
Was heißt das für uns?
Wir beten oft zu Gott, dass Sorgen und Krankheiten, Mühen und Kummer an uns vorübergehen. Und das ist durchaus verständlich. Aber wir sollten nicht vergessen, dass unser Glaube nur durch die Bewältigung von Krisen eine andere Qualität bekommen kann. Und wenn wir Probleme nicht als „Versuchung“ betrachten, sondern als „Gelegenheiten“, die uns von oben geschickt werden, um unseren Glauben zu üben, ihn nicht zu verlieren und weiter zu bewahren! Amen.