Predigt am 19. Sonntag nach Pfingsten über den Reichen und Lazarus (Lk 16, 19-31), 03.11.2024 Beliebt
Liebe Brüder und Schwestern,
mit der heutigen Lesung beginnen wir eine Reihe von Gleichnissen, in denen Jesus zu seinen Jüngern und Zeitgenossen sprach. Nicht immer ist es offensichtlich, was in dem jeweiligen Gleichnis an Nachricht verborgen ist. Dazu müssen wir ein wenig genauer draufschauen. Dies trifft auch auf das heutige zu.
Wenn wir das heutige Evangelium zusammenfassen, dann handelt es sich von zwei unterschiedlichen Personen, einem Reichen und Lazarus. Das Erste, was uns sicherlich dabei ausfällt, ist, dass der Reiche nicht namentlich benannt wird und sich die Frage stellt, warum das so ist.
Ein Grund könnte dafür sein, dass wir Lazarus, in dem, was er tat, nacheifern sollten und zu dem, was der Reiche tat, lieber Abstand nehmen sollten, deshalb bleibt er in dem Gleichnis anonym.
Viel wichtiger ist aber die Frage, was unterscheidet denn nun die beiden voneinander, worin bestand das Gute im Leben und Wirken des Lazarus und worin bestand das Fehlverhalten des Reichen?
Oberflächlich betrachtet könnte man schließen: Klar, der Reiche kommt aufgrund seines Reichtums nicht in das himmlische Königtum und der Arme hat es sich verdient, nach dem kargen irdischen Leben mit Entbehrungen dieses zu ererben.
Doch all dies ist ein Trugschluss, denn wir müssen tiefer nachgraben, tiefer schauen, um den Sinn des Gleichnisses hervorzuholen.
Worin besteht der Fehler des Reichen? Er war zwar materiell reich, aber spirituell arm. Er verbrachte sein Leben mit Feierlichkeiten und war nur darauf bedacht, seine eigenen Leidenschaften zu befriedigen, gleich am Anfang der heutigen Lesung ist dies beschrieben:
„Es war da aber ein reicher Mensch, und er kleidete sich in Purpur und feine Leinwand und vergnügte sich täglich prächtig.“
Der Knackpunkt ist also nicht der Reichtum selbst, sondern, ob dieser uns nicht die Sicht auf den Nächsten vernebelt und sich unser Sinnen und Trachten nur noch um das eigene Ego dreht. Hätte der Reiche sich an Gott erinnert, hätte er konkrete Nächstenliebe und Barmherzigkeit bewiesen, dann wäre für ihn die Sache anders ausgegangen. Er hatte die direkte Möglichkeit dazu, denn
„Es war da aber auch ein Armer, mit Namen Lazarus, der vor dessen Tor darniederlag, mit Geschwüren bedeckt, und er begehrte, von den Brosamen gesättigt zu werden, die vom Tisch des Reichen fielen; ja sogar die Hunde kamen und leckten seine Geschwüre.“
Mit dem Tod von Lazarus war aber diese Gelegenheit dann endgültig vorbei:
„Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in den Schoß Abrahams getragen wurde.“
So aber kam es, wie weiter geschrieben steht:
„Es starb aber auch der Reiche und wurde begraben. Und als er im Hades seine Augen erhob, da er in Qualen war, sieht er Abraham von weitem und Lazarus in seinem Schoße. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, dass er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und meine Zunge kühle; denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Kind, gedenke, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, und Lazarus gleicherweise das Üble; jetzt aber wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und zu allem diesem ist eine große Kluft befestigt zwischen uns und euch, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können noch die von dort zu uns herüberkommen.“
Und das ist schon die zweite wichtige Nachricht: ist das irdische Leben vorbei, dann können wir aus eigener Kraft nichts mehr ändern. Es ist eine große Kluft zwischen denen, die bei Gott sind und denen welchen dies nicht vergönnt ist. Diese Kluft kann nunmehr nach dem Tod aus sich selbst heraus nicht mehr überwunden werden.
Abraham, der alttestamentarische Heilige, der durch seinen Glauben zu Gott von diesem gekrönt wurde und welcher eine große Autorität im damaligen Israel genoss, teilte dies unmissverständlich dem Reichen mit.
Dass Lazarus „in Abrahams Schoße“ war, bedeutet im biblischen Sinn, dass Lazarus Ehrengast bei Abrahams Festmahl war.
Es gibt aber auch noch eine dritte Nachricht, die wir dem heutigen Gleichnis entnehmen. Diese wird in dem sich entspannenden weiteren Gespräch des Reichen mit Abraham deutlich:
„Er sprach aber: Ich ersuche dich also, Vater, dass du ihn in das Haus meines Vaters sendest; denn ich habe fünf Brüder, dass er ihnen eindringlich Zeugnis gebe, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber spricht zu ihm: Sie haben Moses und die Propheten; auf die sollen sie hören. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn jemand von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie umgeisten. Er sprach aber zu ihm: Wenn sie auf Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie, auch wenn einer von den Toten aufersteht, nicht überzeugt werden.“
Interessant ist, dass auch hier noch der Reiche den Lazarus als seinen Boten, seinen Diener, betrachtet, er fordert in seinem Hochmut Abraham auf, dass dieser Lazarus senden sollte!
Doch diesem Ansinnen wäre sowieso kein Erfolg beschieden: Wenn jemand also sein Herz und auch seinen Verstand verschließt und nicht offen für die Verkündigung ist, dann sind – wie es umgangssprachlich heißt – Hopfen und Malz verloren. Gott dringt nicht mit Gewalt in unser Herz. Es nützt also nichts, die Brechstange rauszuholen und zu versuchen, jemanden, der nicht bereit und offen für Gott ist, diesen mit allen Argumenten der Welt zu überzeugen. Das hat bestimmt schon fast ein jeder von uns erlebt – mich eingeschlossen, auch ich habe derartige Situationen schon gehabt und lernen müssen, dass auch jede noch so umfassende Überzeugungsarbeit nicht fruchtet, wenn der Gegenüber nicht dafür bereit ist.
„Unsere Türen zu den Herzen werden von innen verschlossen oder geöffnet“, so heißt es sehr treffend in einem Sprichwort.
Was nehmen wir nun aus dem heutigen Gleichnis mit?
Schlussfolgernd können wir also festhalten: ob wir reich sind oder nicht, spielt nicht die entscheidende Rolle.
Entscheidend ist, bringt uns entweder der Mammon dazu, dass wir nur noch an uns selbst denken und Gott und den Nächsten vergessen oder sind wir andererseits in der Lage, diesen Mammon in Barmherzigkeit und Nächstenliebe richtig anzuwenden.
Natürlich ist es nicht leicht, dies stets zu verinnerlichen und auch immer zu tun, denn im Lukas-Evangelium lesen wir im Kapitel 18, wie Jesus spricht:
„Denn es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Königtum Gottes hineinkommt. Es sprachen aber, die es hörten: Und wer kann dann gerettet werden?“
Doch hier hilft uns Gottvertrauen und Hoffnung, wie dann auch Jesus seinen Jüngern antwortete:
„Er aber sprach: Was bei Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott.“
Amen.