Predigt zum Hochfest der Taufe Christi (Theophanie) (Tit. 2:11-14; Mt. 63:13-17) (19.01.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
erneut stehen wir heute vor einer Festikone. Ikonen bilden nach orthodoxer Lehre das Evangelium in Formen und Farben dar. Vor wenigen Tagen lag die Ikone zur Geburt Christi auf dem Podest inmitten der Kirche, heute ist es die Ikone der Taufe des Herrn. Beide Ikonen bilden den Anlass der Erscheinung Gottes in dieser Welt ab: sowohl die erste Erscheinung Gottes auf Erden als Neugeborenes als auch die zweite Erscheinung des erwachsenen Heilands deuten ikonographisch bereits auf den Tod Christi hin. Die Umrandung der Geburtshöhle zu Bethlehem und die Umrisse des Jordans lassen die Grabhöhle Christi vorausahnen. Christus – „die Sonne der Gerechtigkeit“ – ist aber gekommen, um die Finsternis in der Höhle, welche den Hades symbolisiert, zu erleuchten. Und heute sehen wir, dass Christus durch Sein Eintauchen in die Fluten des Jordans die Wasserquellen heiligt. Auf manchen Ikonen sehen wir zwei Gestalten im Flussbett verborgen, welche die Flüsse (das Süßwasser) und die Meere (das Salzwasser) bildhaft darstellen. Durch Sein Erscheinen in der Welt hat Gott also die bisher von der Hölle ausgehende dominante Finsternis erleuchtet – Er, Der mit der Seele in den Hades herabgestiegen ist. Und jetzt heiligt Er das Wasser – den Grundstock allen Lebens auf der Erde. Der Gottesmensch stellt also die ursprüngliche Harmonie der Schöpfung mit ihrem Schöpfer her – das Paradies steht uns wieder offen und die gesamte Natur wird von ihrem Zustand der Verderbnis befreit. Der Apostel beschreibt dieses große Mysterium unseres Glaubens, die Theophanie, mit diesen Worten: „Er wurde offenbart im Fleisch, gerechtfertigt durch den Geist, geschaut von den Engeln, verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in der Herrlichkeit“ (1 Tim. 3:16). All das erkennen wir beim Betrachten der diversen Ikonen zu den Hochfesten des Herrn.
Das oben Gesagte findet auch in der heutigen Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Titus seinen Ausdruck: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten. Sie erzieht uns dazu, uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben, während wir auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat Sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen und Sich ein reines Volk zu schaffen, das Ihm als Sein besonderes Eigentum gehört und voller Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit. 2:11-14). Das heißt also, dass die Gnade Gottes in der Taufe allen Menschen gegeben wird, um sie zu retten. Bedingung hierfür ist aber die Lossagung von der Gottlosigkeit und irdischen Begierden, die nicht vereinbar sind mit Besonnenheit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit, welche wiederum die Grundlage sind in dieser Welt für die Erfüllung unserer seligen Hoffnung – das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus. Er hat Sich für uns hingegeben, uns von aller Schuld erlöst, damit wir Sein reines Volk und Sein besonderes Eigentum werden – die Kirche (s. 1 Tim. 3:15). Wenn wir also voll Eifer danach streben, das Gute zu tun, erfüllen wir Gottes Heilsplan in Bezug auf uns selbst. Denn nur dann hat unsere Taufe überhaupt einen Sinn (vgl. 2 Petr. 1:1-11).
Es kann nichts Schlimmeres geben, als dass nachdem Sich Christus zu unserem Heil entäußert hat und wie ein Sklave wurde, dies an unseren Köpfen und Herzen völlig spurlos vorbeigeht. Diese Gleichgültigkeit der Getauften ist schlimmer als heidnischer Götzendienst oder aufklärerische Gottlosigkeit (s. 2 Petr. 2:21), denn sie beruht nicht auf Unwissenheit, sondern auf Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Seelenheil (s. Hebr. 2:3).
Wir erkennen die angesprochene Entäußerung Christi auch auf der Ikone. Dadurch dass Christus mit Seinem allreinen Leibe nackt in das Wasser des Jordans steigt, deutet darauf hin, dass Er am Ende Seines irdischen Heilwerkes aus Gehorsam (s. Phil. 2:8) nackt am Kreuz hängen und dadurch die Schuld der Urahnen tilgen wird, die nach dem Ungehorsam ob ihrer Nacktheit Scham empfanden (s. Gen. 3:7). Gott hat für uns alles getan und will uns alles schenken (s. Röm. 8:32), und doch gibt es so viele Getaufte, die es gar nicht einmal interessiert?! Wie würden wir Menschen denn reagieren, wenn unser aufopferungsvoller Einsatz für in Not Geratene mit derartiger Gleichgültigkeit vergolten würde?! Wir sind aber nur Menschen. Wenn jedoch Gott Sich um der Erlösung Seiner Sklaven willen erniedrigt und Selbst zum Sklaven wird, diese Ihm aber de facto nur die kalte Schulter zeigen, dann müssen sich die Betreffenden, - zumindest die, welche von sich behaupten „gläubig“ zu sein, - fragen lassen, was sie beim Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus zu ihrer Rechtfertigung vorzubringen haben werden.
Noch können sie sich in trügerischer Sicherheit wähnen und sich ihre eigene Gerechtigkeit aufbauen (s. Röm. 10:3). Ihre Alibi-Argumente, die bezeichnenderweise den Elementarmächten dieser Welt (s. Kol. 2:8) auffallend ähnlich sind – Zeit, Raum, Materie – werden ihnen dann gegebenenfalls selbst zur Verurteilung gereichen (s. Mt. 12:37). Wer ständig keine Zeit für Gott hat, wem die räumliche Entfernung zur Kirche jedes Mal zu groß ist oder der sich permanent auf die Knappheit seiner materiellen Mittel für die Anfahrt zum Gottesdienst beruft, wird spätestens dann Lügen gestraft, wenn er vor dem Richterstuhl Christi a) Brüdern und Schwestern in die Augen schaut, die zeit ihres Leben all diese Hindernisse aus Liebe zu ihrem Herrn überwunden haben und b) ihm vor Augen geführt wird, für welche Dinge er sonst weder Zeit noch Mühen noch Kosten gescheut hat (vgl. Mk. 12:37-44; Lk. 21:1-4). Amen.